Protokoll der Sitzung vom 31.03.2011

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Isenberg! Sie sehen mich überrascht. Das war ja eine klassische Oppositionsrede. Da ist ja nicht mehr viel übrig geblieben. Das werden spannende Beratungen.

Ich will nicht das wiederholen, was der Kollege Czaja gesagt hat, und konzentriere mich deswegen im ersten Teil auf den gesundheitspolitischen Paradigmenwechsel, der in diesem Gesetz ist, und das ist kein guter. Wir haben im alten Gesetz eine klare Strategie gehabt: Ambulant vor teilstationär, teilstationär vor stationär. Das ist weg. Der klare Satz, den wir hatten, ich zitiere aus dem alten Gesetz: „Die stationäre Krankenversorgung soll im möglichen Umfang entlastet werden durch das Angebot von teilstationären Einrichtungen vor und nach stationären Behandlungen und ambulant.“ – Der ist gestrichen. Stattdessen heißt es nur noch: Es soll verzahnt arbeiten auf Grundlage einer Gesundheitsplanung für Berlin. – Ich habe mich über diesen Satz, Frau Lompscher, sehr gefreut, denn dass Sie das Wort Gesundheitsplanung überhaupt kennen, ist mir in den letzten zehn Jahren Ihrer Regierungspolitik nicht aufgefallen. Das ist eine Erkenntnis, kommt aber für Sie leider ein bisschen spät.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Der zweite Punkt: Wenn Sie in den alten § 24 gucken, dann war da z. B. geregelt, dass das Krankenhaus auch zuständig ist in der Zeit des Aufenthalts des Patienten, „die soziale Betreuung, gestörte Beziehung des Patienten zur Familie, Beruf, Gesellschaft zu normalisieren, Einleitung Rehabilitation“. Das ist alles weg. Also die ganze Überleitung, die komplette Verantwortung für die Überführung in den ambulanten Bereich, für die Wiedereingliederung ins normale Leben, die ist gestrichen, und das halte ich für eine fatale Kehrtwende von gesundheitspolitischen Grundsätzen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe überlegt, warum Rot-Rot das macht. Ich habe, ehrlich gesagt, keine Antwort darauf. Ich stelle aber fest, dass Sie bestimmte Punkte in Ihrem Gesetz nicht ansprechen. Vielleicht hängt auch das damit zusammen. Was wir in der Krankenhauslandschaft seit 15 Jahren erleben, und das ist auf Grundlage der bundespolitischen Rahmensetzungen nachvollziehbar, ist das Outsourcen von ganz vielen, nicht direkt medizinischen Leistungen. Da wird die Sozialarbeit outgesourct. Da wird die Ergotherapie outgesourct. Und dann verdienen ausgebildete Therapeuten plötzlich nur noch 1 200 Euro. Das geht nicht. So kann man nicht arbeiten. So kann insbesondere eine an

geblich rot-rote Regierung eigentlich nicht arbeiten. Dazu kein Wort, stattdessen Wegnahme der Verpflichtung, sich auch um diese Themenbereiche im Krankenhaus zu kümmern, fatal! Vielleicht gibt es ja diesen Zusammenhang, dass Sie genau diese Entwicklung mit Ihrem Gesetzentwurf nicht stoppen wollen. Wir wollen sie stoppen.

[Beifall bei den Grünen]

So weit zur gesundheitspolitischen Kehrtwende! – Und dann gibt es die Kehrtwende, die hier auch schon die Diskussion bestimmt hat: Ein bisschen stärker hin zur Pauschalförderung! – Da hat der Staatssekretär in seinem Gesetzentwurf ein paar Sätze aufgeschrieben, die ich nachvollziehen kann und die ich diskussionswürdig finde. Und was passiert dann eine Woche später? – Da kommt die Senatorin und reißt mit dem Hinterteil alle diese diskussionswürdigen Ansätze wieder ein, indem sie ein Pressegespräch macht und die Situation beschreibt. Frau Lompscher sagt dann: Wir haben nicht genug Geld. Die Krankenhäuser werden auf Verschleiß gefahren. Das ist der S-Bahneffekt. Wir brauchen 220 Millionen im Jahr, wir haben aber nur 60. – Ja, das ist das Ergebnis von zehn Jahren rot-roter Gesundheitspolitik. Die Krankenhäuser werden seit zehn Jahren auf Verschleiß gefahren wie die S-Bahn. Kann man nur sagen: Gratulation für diese Erkenntnis! – Und dann kommen die Konsequenzen. Ihre Konsequenz ist: Wir brauchen 200 Millionen pro Jahr. – Regieren heißt Visionen haben und heißt, Ideen zu haben, wo man hinwill. Nun haben Sie die nicht für die Gesamtstadt, aber je näher der Wahltermin naht, desto höhere monetäre Visionen entwickelt hier jeder Senator und jeder Abgeordnete von Rot-Rot. Die eine läuft rum und fordert mehr Geld für die kleinen Kultureinrichtungen, der andere baut eine Staatsbibliothek, die Dritte steckt 200 Millionen Euro pro Jahr in die Krankenhäuser. Gleichzeitig gibt es eine Realität. Da beschließt der Senat in derselben Sitzung finanzielle Eckpunkte. Da steht drin: Es gibt keine zusätzlichen Investitionen, nur wenn etwas gestrichen wird, gibt es etwas Zusätzliches.

Frau Lompscher! Die Realität ist: Sie haben recht, wir haben diesen Investitionsstau. Aber jeder in diesem Saal weiß, es wird diese 220 Millionen Euro pro Jahr nicht geben. Deshalb hilft es nichts, sich der Realität zu verweigern. Das ist Regierungsverweigerung, aber keine Regierungsarbeit.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wenn Sie sich der Verantwortung und der Realität stellen, dann macht es keinen Sinn, eine Einzelinvestitionsförderung für den Neubau von Krankenhäusern in einem Gesetz zu lassen – die 400, 500 Millionen Euro; das heißt, wir bauen alle zehn Jahre mal ein Haus, und dann ist alles andere weg –, sondern dann müssen wir konsequent sein. Entweder machen wir eine Einzelförderung von Leuchttürmen oder wir stellen komplett auf Pauschalierung um. Aber dieser Mischmasch, dieses völlige Durcheinander, das Sie in diesem Gesetz machen, weil Sie sich wieder nicht entscheiden können und weil Sie niemandem auf die Füße treten wollen und auch nicht zu geben wol

len, dass die Situation schwierig ist, stattdessen hier einfach großspurig rumlaufen: Dieser Mischmach hilft uns nicht weiter!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort zu eine Kurzintervention hat Herr Dr. Albers von der Linksfraktion.

Herr Schruoffeneger hat gerade dargestellt, dass seit 2000 die Krankenhausinvestitionen nicht mehr ausreichend sind. – Herr Schruoffeneger! Das ist schlichtweg falsch! Wenn Sie den Wert, den die Berliner Krankenhausgesellschaft ausgerechnet hat – 200 Millionen Euro Investitionsbedarf –, zum Maßstab nehmen und sich anschauen, wie die Investitionstätigkeit in den letzten Jahren gewesen ist, dann ist man diesem Anspruch bereits seit 1997 nicht mehr gerecht geworden. Damals flossen 180 Millionen Euro in die Häuser. Im Jahr zuvor waren es noch 252 Millionen Euro. Da war bereits der erste Knackpunkt. Im Jahr 2010 haben wir immerhin, nachdem wir zwischenzeitlich tiefer abgerutscht waren, wieder ein Investitionsvolumen von 132 Millionen Euro aufgebracht und sind damit in etwa wieder auf dem Stand des Jahres 2000. Da waren es 133 Millionen Euro.

Da ist es dann schon sehr merkwürdig, dass nun ausgerechnet Sie sich hinstellen und sich darüber mokieren, dass diese Summe nicht ausreiche. Sie haben vor etwa zwei Monaten einen Antrag in diesem Haus eingebracht, in dem Sie die weitere Verdichtung der Belegung in unseren Krankenhäusern fordern, die bei Vivantes zum Beispiel schon bei 89 Prozent und bei der Charité bei über 85 Prozent liegt. Da wollen Sie eine weitere Auslastung und gehen dann noch hin und deckeln in Ihrem Antrag die zukünftigen Ausgaben für Investitionstätigkeit an den Krankenhäusern auf 50 Millionen Euro. Irgendjemand träumt bei Ihnen!

Ich weiß, Sie können vor Kraft nicht laufen, brauchen zurzeit aber immer beide Hände, um Ihre Hosen dabei festzuhalten. Ich bin sehr gespannt auf die weitere Auseinandersetzung, ganz genau in dieser Diskussion. – Das sind doch Luftnummern!

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Zur Erwiderung Herr Kollege Schruoffeneger!

Lieber Kollege Albers! Machen Sie sich keine Sorgen um meine Hosen! Wenn man den Hauptausschuss mit Ihren Kollegen alle 14 Tage erleiden muss, muss man so viel

Schokolade als Nervennahrung essen, das hält mit den Hosen. Darum müssen Sie sich keine Sorgen machen.

Sie haben es doch eben selbst gesagt: 1997 waren es 180 Millionen Euro. Jetzt, nach zehn Jahren Rot-Rot, sind es 60 Millionen Euro. Dann gehen Sie hin und machen wieder den Taschenspielertrick, wie der Kollege Buchholz, und addieren dazu 30 Millionen Euro Ablösung eines Altdarlehens aus dem Krankenhausinvestitionsprogramm der Neunzigerjahre. Davon kommt kein Cent bei den Krankenhäusern an. Das geht direkt an die Bank. Das addieren Sie da einfach rein.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wollen Sie das nicht bezahlen?]

Natürlich will ich das bezahlen. Aber was hat das denn mit Krankenhausinvestitionen zu tun, wenn Sie alte Kredite zurückzahlen. Das ist doch völliger Blödsinn!

[Beifall bei den Grünen – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Jetzt weiß ich, warum Sie im Hauptausschuss Schokolade essen!]

Und dann rechnen Sie noch die Konjunkturmittel des Bundes rein – 60 Millionen Euro sind noch da, ein Drittel von dem, was Sie übernommen haben, als Sie die Regierung angetreten haben. Vorher hatte die große Koalition und die CDU auch schon abgebaut. Da haben Sie völlig recht, das war damals auch falsch und völlig unnötig.

Nun komme ich zu dem Antrag. Man kann sagen: Das ist zu wenig. Da haben Sie recht. Man kann trotzdem rumlaufen und überall erzählen: Das werden wir alles ändern! – genau wissend, dass man das nicht ändern kann. Dann wird man erleben, dass sich die Krankenhausträger wiederum nicht auf die eigenen Beine bemühen, sondern warten, was irgendwann vom Senat kommt. Und da wird nichts kommen. Das wissen Sie genauso gut wie alle anderen im Saal.

Stellen Sie sich doch endlich mal der Realität, und kommen Sie in dieser Stadt und der Finanznot an! Sagen Sie: Wir haben ein Problem! Wir haben einen Rieseninvestitionsstau, und wir können als Land nur eine begrenzte Summe finanzieren. Nun setzen wir uns mit den Krankenhausträgern hin, packen ehrlich die Karten auf den Tisch und gucken, was die selbst leisten können und was nicht.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Die haben 20 000 Betten gestrichen!]

Motivieren wir Sie mal dazu! Das, was Sie machen, ist demotivieren.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Dann sagen Sie, was Sie wollen!]

Das, was Sie machen, ist der Aufbau von Verwaltungsstrukturen, statt Mobilisierung der Kräfte, die die Träger selbst haben. Dann gucken wir mal, wo wir ankommen. Dann kommen wir, wenn wir ehrlich miteinander um

gehen, viel weiter als mit Ihren Taschenspielertricks und Lügereien!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Schruoffeneger! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Gersch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst begrüßt die FDP, dass es eine Fortschreibung des Landeskrankenhausgesetzes bzw. anderer krankenhausrechtlicher Regelungen gibt, genauer ein Entwurf dazu auf dem Tisch liegt. Ich glaube, dies ist notwendig, weil sich die Welt, insbesondere die der Medizin und der gesetzlichen Krankenversicherungen, doch ein großes Stück verändert hat. Darum kann ich vorweg sagen, dass wir konstruktiv mit diesem Entwurf umgehen werden.

[Beifall bei der FDP]

Lassen Sie mich beginnen, wo meine Fraktion eine begrüßenswerte Rechtsangleichung sieht. Der Gesetzentwurf sieht ab 2013 auch in Berlin vor, dass Investitionskosten, die bei Einrichtungen und Ersteinrichtung von Krankenhäusern entstehen, über feste jährliche Investitionspauschalen gefördert werden. Um die Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser zu sichern bzw. wieder herzustellen, bedarf es eines verlässlichen und kontinuierlichen Mittelflusses für notwendige Investitionen. Mit Investitionspauschalen haben die Krankenhäuser ein flexibles Instrument in der Hand, das Ihnen mehr Planungssicherheit bietet. Meine Fraktion hatte dazu bereits 2008 einen Antrag eingereicht, der genau dies zum Ziel hatte.

Skeptisch macht mich jedoch der geregelte Zuschlag, der im Einzelfall zusätzlich zu Pauschalen gewährt werden kann, wenn dies zum Erhalt der Leistungsfähigkeit oder zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Hier muss sichergestellt werden, dass die Investitionspauschalen mit diesem Instrument nicht durch die Hintertür ausgehebelt werden. Denn bei dem Zustand, in dem sich die Berliner Plankrankenhäuser befinden, bleibt zu befürchten, dass einige Krankenhäuser Probleme mit der Sicherung der Leistungsfähigkeit bzw. der Sicherstellung der stationären Versorgung bekommen oder vielleicht schon haben. Dann ist zu befürchten, dass der Zuschlag zum Regelfall wird.

Das bringt mich zum grundlegenden Problem, das mit diesem Gesetzeswerk nicht gelöst wird: die chronische Unterausstattung der Berliner Krankenhäuser im Investitionsbereich seit vielen Jahren. Wir hatten gerade die Debatte. Die Gesundheitssenatorin verfolgt gleichzeitig das Ziel eines Bettenaufwuchses und eines erheblichen Aufwuchses der Investitionsmittel. Ich bin gespannt darauf, wie das gelingen soll.

[Beifall bei der FDP]

Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen, den meine Fraktion ausdrücklich begrüßt. Endlich hat auch der Berliner Senat eingesehen, dass er das Verbot von Privatstationen nicht nur aus verfassungspolitischen Gründen nicht länger halten kann. Mit der Rücknahme dieses Verbots bekommen die Berliner Krankenhäuser, insbesondere von Vivantes und die Charité, die Gelegenheit, zusätzliche Einnahmen zu erschließen, die das Solidarsystem sogar entlasten, statt es zu belasten. Gerade in Anbetracht des Investitionsstaus in den Berliner Kliniken ist das von immenser Bedeutung.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb hatte die Berliner FDP-Fraktion in dieser Legislaturperiode auch dazu einen Antrag eingebracht, der seinerzeit von der Koalition und den Grünen abgelehnt worden ist. Schön, dass hier so viel Lernfähigkeit vorhanden ist!

Lassen Sie mich abschließend auf die Rechtssystematik des vorliegenden Entwurfs kommen. Ich bin irritiert darüber, dass Sie im Artikel 1 des Landeskrankenhausgesetzes umfassend erneuern, um es dann in Artikel 4 gleich wieder zu ändern. Besser wäre es gewesen, diesen zu integrieren. So kann der Eindruck eines intransparenten Gesetzes entstehen. Damit meine Fraktion dem Gesetz zustimmen kann, müssen Sie mir noch im Ausschuss Einiges erläutern. Ich glaube, das werden Sie auch tun. Ich freue mich auf diese Beratung. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Gersch! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Meiner Vorabüberweisung hatten Sie bereits eingangs zugestimmt.

Ich komme zu

lfd. Nr. 5:

Zweite Lesung