Zum Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 16/3678 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Ablehnung des Antrags auch mit Änderungen. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind
erwartungsgemäß die Fraktionen der Grünen, der CDU und der FDP. Wer stimmt dagegen? – Dagegen sind die Koalitionsfraktionen. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.
Zum Antrag der Regierungsfraktionen Drucksache 16/3764 empfiehlt der Hauptausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Grünen – die Annahme des Antrags mit neuer Überschrift und mit neuer Fassung. Wer dem Antrag im Wortlaut der Beschlussempfehlung Drucksache 16/4018 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen inklusive der Fraktionslosen. Gegenstimmen? – Dies sehe ich nicht, Enthaltungen auch nicht. Dann ist so beschlossen. Damit ist das Zweite Vergütungs- und Transparenzgesetz in der vom Hauptausschuss empfohlenen Fassung angenommen.
Zum Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 16/2608 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen CDU und Grüne und bei Enthaltung der FDP – die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der Grünen und der CDU. Wer stimmt dagegen? – Dagegen sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der FDP ist dieser Antrag abgelehnt.
Gut geht anders – umgehend Missstände beim Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderungen beseitigen
Für die Beratung stehen den Fraktionen jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut geht anders – wir haben das Thema des Sonderfahrdienstes heute zur Priorität gemacht, um deutlich zu machen, das Behindertenpolitik hier in Berlin mehr in den Fokus gehört.
Denn selten hat sich ein Thema so hartnäckig durch die Parlamentsarbeit dieser Legislaturperiode gezogen wie das des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen. Das ist jedoch kein Ruhmesblatt für die rot-rote Regierung, denn die Probleme von 2007 sind noch immer die Probleme von 2011. Trotz der vielen Beschwerden Betroffener, trotz der darauf fußenden Beschlüsse des Landesbehindertenbeirats und trotz der andauernden Kritik von Mitgliedern des Fahrgastbeirates haben SPD und Linke die realen Probleme der behinderten Nutzerinnen
Diese Einschätzung deckt sich mit der vieler behinderter Menschen, die sich an das Parlament wendeten, sei es in persönlichen Briefen oder Petitionen. So ist in einem Brief einer Betroffenen an die Frau Vorsitzende des Sozialausschusses, der auch uns zur Kenntnis gegeben wurde, nachzulesen:
Ständig habe ich Ihnen und der politischen Leitung in der Vergangenheit konkrete Hinweise auf Mängel, Fakten und Kritik beim Sonderfahrdienst gegeben, aber ich hätte nicht erwartet, dass alle Probleme öffentlich geleugnet werden.
Das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Skandal, dass die Sorgen und Nöte der Betroffenen nicht ernst genommen werden, weder von den Regierungsfraktionen – sonst sähe die Beschlusslage anders aus – noch von der Spitze der Verwaltung.
Diese verschanzt sich hinter fadenscheinigen Argumenten. Die praktische Problembewältigung hat sie sozusagen an das Landesamt delegiert oder outgesourct.
Ergebnis: Die Probleme werden seit Jahren verwaltet, aber nicht gelöst. Zu den Nutznießern dieses Systems gehört die vorherige Sozialsenatorin und der jetzige verantwortliche Staatssekretär. Bezugnehmend auf dessen Äußerung in der Ausschusssitzung am 24. März dieses Jahres, dass nun mal eine hundertprozentige Fehlerfreiheit eines solchen Systems nicht machbar sei, sage ich: Ja, Herr Fritsch, das stimmt sogar, das erwartet aber auch niemand von Ihnen, denn Sie sind ja nicht der liebe Gott! – Herr Fritsch! Frau Bluhm! Aber machbar ist, dass man aus Fehlern lernt. Machbar ist ein ordentliches Beschwerdemanagement. Machbar ist, die Betroffenen nicht mit 08/15-Schreiben abzuwimmeln, sondern persönliche Gespräche zu führen, eine bessere Erreichbarkeit der Telefonzentrale zu organisieren und eine freundlichen Umgangston zu pflegen. Machbar ist vor allem, dass die Sozialverwaltung endlich ihre Verantwortung wahrnimmt und gegenüber dem Dienstleister die notwendigen Vertragsstrafen ausspricht. Darauf kommt es an.
Anstatt hier deutlich Kante zu zeigen, will die Sozialverwaltung ohne Auflagen, ohne Vertragsänderung einfach in die Verlängerung gehen. Das lässt die Betroffenen nichts Gutes ahnen. Deshalb wird es wohl weiter Artikel über die unhaltbaren Zustände beim Sonderfahrdienst in der Behindertenzeitung und weitere Beschlüsse des Landesbeirats für Behinderte geben müssen.
Doch noch gibt es eine Möglichkeit für die Koalitionsfraktionen, das Ruder für die Betroffenen herumzureißen. Springen Sie heute über Ihren Schatten, und beschließen Sie unseren Antrag! Ergreifen Sie Partei für Menschen mit Behinderung! Stimmen Sie unserem Antrag zu, und
haben Sie Schneid, Ihre Fehler einzugestehen! Es geht hier schließlich um Menschen, die der Unterstützung bedürfen, und nicht um reine Machthaberei. Sie sind als Dienstleister für das Volk gewählt. Zeigen Sie sich als solcher!
Vielen Dank, Herr Kollege Hoffmann! – Die Kollegin Monteiro hat für die SPD-Fraktion das Wort. – Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hoffmann! Ich weiß nicht, ob Sie ein Verhältnis zu Zahlen haben,
ob Sie ein Verhältnis zu diesen Zahlen haben: 45, 25, 15, 10, 5. Diese Zahlen geben die Gewichtung der Zuschlagskriterien wieder und finden sich in den Vergabeunterlagen für den Sonderfahrdienst aus dem Jahr 2008, die Leistungserbringung im Zeitraum 2009 bis 2011 betreffend: Preis pro Fahrt 45 Prozent, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Regieleistung 25 Prozent, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Fahrleistung 15 Prozent, Einsatz sauberer und sicherer Fahrzeuge 10 Prozent und Organisatorisches 5 Prozent. Diese Zahlen sind nicht in Stein gemeißelt und auch nicht für die Ewigkeit gemacht, sondern sie geben die Erfahrungen der Senatsverwaltung für Soziales aus Vergaben der Vorjahre wieder und zeigen im Vergleich zu diesen auch das Reagierung auf Probleme und ein Umsteuern. Diese Zahlen geben eine Rahmen vor und das Ziel, nämlich mit einer gedeckelten Finanzsumme möglichst viele Fahrten in hoher Qualität für Menschen mit Behinderung sicherzustellen.
Jede Beschwerde ist eine zu viel. Da sind wir uns einig. Aber wir sollten die Fakten, die sich aus dem Beschwerdemanagement ergeben, nicht völlig ausblenden. Hier komme ich auf meine Frage zurück: Haben Sie ein Verhältnis zu Zahlen?
Die letzten Daten, die mir für Februar vorliegen, ergeben folgenden Sachstand: Es wurden 13 237 Beförderungen durchgeführt. Dazu gab es elf Beschwerden. Zur Fahrtanmeldung waren es zwei, zur Fahrtrealisierung neun. Sie kennen die Zahlen zumindest aus dem Sozialausschuss. Die folgende Zahl ist mir fast noch wichtiger: Im Vergleich zum Vorjahr sind im Februar 2011 rund 400 Beförderungen mehr geleistet worden. Herr Hoffmann, nehmen Sie diese Zahlen endlich einmal zur Kenntnis!
Nun können Sie sagen, dass nicht jede Verärgerung über eine nicht oder schlecht erbrachte Leistung eine Beschwerde auslöst. Das stimmt. Genau deshalb führte das
Landesamt für Gesundheit und Soziales im Jahr 2010 die immerhin dritte Kundenbefragung durch. Fragebögen und Auswertungsmodalitäten wurden eng mit dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung abgestimmt. Von 7 663 Befragten beteiligten sich 2 264. Die Ergebnisse sind damit repräsentativ. Wertet man die Kundenbefragung 2010 aus, muss und kann man erfreulicherweise zur Kenntnis nehmen, dass die Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit der Notrufnummer mit 2,1, die Zufriedenheit mit dem Personal der Regiezentrale ebenfalls mit 2,1, die Zufriedenheit mit dem Fahrpersonal mit 1,9, die Pünktlichkeit mit 2,2, die Zufriedenheit mit dem Fahrzeugstandard mit 2,0, die Sauberkeit der Fahrzeuge mit 1,9, die Zufriedenheit mit dem Abrechnungsverfahren mit 1,6 und die Zufriedenheit mit dem Magnetkartensystem mit 1,5 in der Gesamtnote bewertet wurden. Das sind acht Mal gut und besser. Der einzige negative Ausreißer ist die Erreichbarkeit der Regiezentrale, die die Gesamtnote 3,7 erhielt.
Wie will die CDU die Serviceorientiertheit und Qualität eines Dienstleisters, des Betreiber des Sonderfahrdienstes verbessern, wie die Erreichbarkeit der Regiezentrale? Mit Druck? Durch Schulungen, die die Senatsverwaltung dem Dienstleister angedeihen lässt, möglicherweise mit verpflichtender Teilnahme? Dadurch, dass die Senatsverwaltung in ihrer Weisheit dem Dienstleister und zugleich dem Telekommunikationsanbieter Wege zur Lösung technischer und organisatorischer Probleme aufzeigt, möglicherweise zertifiziert mit dem Gütesiegel „Erfolgreich beraten und gecoacht durch die Senatsverwaltung“, nach dem Motto „Wir bringen Wirtschaftsunternehmen Serviceorientiertheit und effizientes Handeln bei“? Herr Hoffmann, das kann nicht Ihr Ernst sein.
Nicht nur, dass Sie die Erkenntnisse aus dem Beschwerdemanagement und der Kundenbefragung nicht zur Kenntnis nehmen – wenn Sie den Zahlen sowieso keinen Glauben schenken und ihnen keine Relevanz einräumen, wäre es übrigens nur konsequent, das Beschwerdemanagement abzuschaffen und sich diese Mühe nicht zu machen –, sondern Sie sprechen in Ihrem Antrag auch von der Aufstockung der Fahrten zu Weihnachten. Genau das ist in der Vergangenheit schon geschehen. Am Heiligen Abend 2010 wurden 105 Busse eingesetzt. Normalerweise sind es nur 54. Ich kritisiere nicht, Herr Hoffmann, dass Sie den Blick auf das Detail lenken – das ist notwendig –, aber ich kritisiere, dass Sie den Gesamtblick außer Acht lassen, vorliegende Daten nicht zur Kenntnis nehmen und Problemlösungen aufzeigen, die nicht wirklich zu einer Verbesserung der Situation beitragen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Monteiro! – Die Kollegin Villbrandt erhält für die Fraktion der Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2007 haben wir hier beschlossen, dass ein umfassendes Mobilitätskonzept vorzulegen sei. Dieses sollte die Fortentwicklung eines barrierefreien ÖPNV berücksichtigen und eine bessere Verzahnung zwischen dem Sonderfahrdienst, dem ÖPNV und den Mobilitätshilfediensten herstellen. Deshalb müssen wir unserer Meinung nach heute, wenn wir über diesen Antrag der CDU-Fraktion reden, auch das gesamte Mobilitätskonzept bedenken.
Feststellen müssen wir zuerst, dass es Rot-Rot nach fast zehn Jahren Regierungszeit nicht geschafft hat, ein gutes Mobilitätskonzept für Menschen mit Behinderung zu entwickeln. Zudem sind wir noch weit weg von der kompletten Barrierefreiheit des ÖPNV. Wenn der Senat bei der jetzigen Planung und dem jetzigen Investitionstempo bleibt, werden die letzten Aufzüge erst in zwanzig Jahren eingebaut sein. In dieser Situation ist es besonders wichtig, dass die Sonderfahrdienste gut funktionieren. Die Probleme mit den Sonderfahrdiensten beschäftigen uns schon seit Jahren. Das hat Herr Hoffmann bereits gesagt. Wir hören immer wieder, dass Menschen nicht abgeholt werden, dass Beschwerden nicht verfolgt werden, dass Menschen nicht korrekt behandelt werden und dass die Telefonnummern nicht erreichbar sind. Das ist für Menschen mit Behinderung unzumutbar. Sie sind auf ein funktionierendes System angewiesen, und Sie haben auch ein Recht darauf, respektvoll behandelt zu werden.
Im Ausschuss haben wir mehrfach über notwendige Verbesserungen diskutiert, allerdings mit sehr bescheidenem Erfolg. Außerdem bekommen Beifahrerinnen und Beifahrer des Sonderfahrdienstes noch nicht einmal einen Mindestlohn, den Sie, meine Damen und Herren von Rot-Rot, festgelegt haben. Das ist peinlich.
Nicht nur deshalb sehen wir die Verlängerung des Vertrags mit dem jetzigen Betreiber sehr kritisch. Das heutige System des Sonderfahrdienstes gehört aus vielen Gründen auf den Prüfstand. Unser Ziel muss es sein, dass so viele Menschen wie möglich den ÖPNV und das Taxi benutzen. Die Sonderfahrdienste sind eine zusätzliche, ergänzende Maßnahme. Die Befragung hat gezeigt, dass das durchaus möglich ist. Wir müssen die Organisation Sonderfahrdienste verbessern und eventuell eine Regiezentrale direkt bei der BVG ansiedeln. Voraussichtlich könnten so verschiedene Mobilitätsangebote besser koordiniert und aufeinanderabgestimmt werden.