Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Schmidt! Hatten Sie eben das Wort „Ideologie“ in den Mund genommen und uns vorgeworfen, oder meinten Sie Ihre eigene Rede, die vor Marktliberalismus nur so strotzte?
Da ist in Ihrem Redemanuskript wohl irgendwas durcheinandergeraten. Was Sie hier dargelegt haben – der Wettbewerb wird es allein richten, und dann wird alles gut, es gibt minimale Preise, es wird kein Müll mehr herumliegen –, wir können mal in andere Länder gehen, in andere Bundesländer und erst recht in andere Länder der Europäischen Union, da können Sie sich Müllberge anschauen, die durch private Misswirtschaft entstanden sind. Herzlichen Glückwunsch zur reinen und freien Marktwirtschaft an der Stelle!
Wir sind aber in Berlin. Wir müssen konkrete Politik machen, und da geht es eben nicht um Ideologie. Herr Schmidt, vielleicht ist es Ihnen entgangen: In der gesamten Bundesrepublik tobt ein Kampf, ein Krieg um die Wertstoffe im Hausmüll. Das, was die privaten Haushalte an Müll produzieren, wem gehört das, dem kommunalen Entsorger oder Privaten, die daraus einen Mehrwert ziehen können, indem sie die Wertstoffe einsammeln und danach verkaufen, verwerten? – Da sagt die FDP, das richtet alles der Wettbewerb, dass kann man alles privat machen.
Schauen wir doch mal, wo wir in Berlin grundsätzlich stehen! Wir haben einen starken kommunalen Entsorger, die Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Diese BSR ist extrem gut aufgestellt, was man nicht nur an der Organisation des Unternehmens sehen kann, sondern man kann es auch an den Müllgebühren ablesen. Von den zwölf größten deutschen Städten hat Berlin die günstigsten Abfallgebühren. Sagen Sie mir, der Kommunale ist nicht fähig, gute Politik und gute Abfallwirtschaft zu machen! Wir sind vorbildlich für andere, und das müssen wir an der Stelle auch erhalten.
Denn dort werden nicht irgendwelche Subunternehmer beschäftigt, die Leute zu Dumpinglöhnen Tonnen verschieben und aus den Tonnen Abfall herauskramen lassen. Das ist ein qualitativer Unterschied. Jetzt müssen wir eben – bundesweit betrachtet, aber auch in Berlin – fragen: Wohin wollen wir? Ist es den Verbrauchern in Berlin dauerhaft zumutbar, dass sie bei dem einen Haus eine gelbe Tonne haben, beim nächsten eine gelbe Tonne plus, beim dritten eine gelbe Tonne und eine orangefarbige Box? Wer soll das den Bürgerinnen und Bürgern erklären? Wir wollen das dauerhaft nicht erklären. Das sind verschiedene Systeme, die konkurrieren, die sich aber nicht bei den Menschen einfressen, sodass sie wissen, das ist eine einheitliche Wertstofftonne. Darum ist unser Hauptanliegen mit dem Abfallwirtschaftskonzept eine einheitliche Wertstofftonne, die überall in Berlin gleich aussieht. Damit geht die Verwirrung bei den Verbrauchern weg, und wir haben ein einheitliches System, sodass diese Wertstoffe auch wirklich mehr zum Recycling gebracht werden können. Mit geringen Gebühren möglichst viel daraus zu machen, entweder stoffliche Verwertung oder andere Ströme, was immer man mit den Reststoffen tun kann – das ist zukunftsfähige Abfallpolitik.
Was Sie nicht erzählt haben, Herr Schmidt: Sie wollen privates Rosinenpicken. Sie wollen, dass Private sich etwas heraussuchen können. Das hat man nicht nur in Berlin, sondern vor allem in anderen Städten sehen können. Da standen vor einigen Jahren plötzlich blaue Papiertonnen vor den Häusern, neben der einen noch eine andere und noch eine von einer dritten Firma, und es wurde gesagt: Bitte gebt uns euren Papiermüll! – Die Leute haben sich erst mal gewundert und gefragt: Was soll das jetzt? – Ja, wir freuen uns über Ihren Papiermüll! Schmeißt ihn hier kostenlos rein! – Komisch nur: Ganz kurze Zeit später, als der Weltmarktpreis für das Altpapier gesunken ist, was ist da mit diesen zusätzlichen blauen Tonnen passiert? – Sie sind so schnell gegangen, wie sie gekommen waren. Es gab sie nicht mehr. Und dann standen die Bürger plötzlich ohne Tonnen da. Das ist privates Rosinenpicken. Das ist keine nachhaltige Abfallpolitik, das geht zulasten der Verbraucher. Das gibt es mit uns nicht, das ist ganz klar.
Sie haben von Kostenströmen gesprochen. Wer kann uns denn sagen, wie die Kostenströme beim dualen System sind, bei den Systembetreibern? Wenn Sie darüber Unterlagen haben, sollten Sie sie uns mal vorlegen. Wir haben keine. Wir können Ihnen sagen, was bei der BSR der Fall ist. Da können Sie alles im Gebührenhandbuch nachlesen, jede einzelne Ziffer, jeden einzelnen Wert. Das können Sie bei Privaten nicht. Das wollen wir offenlegen. Wir wollen keine versteckten Kosten für die Mieterinnen und Mieter, sondern wir wollen, dass die Wertstofferlöse, das, was aus dem grünen Punkt in das System kommt, auch im System bleibt und dass die Mieter nicht versteckt für Abfallmanagementsachen zahlen, die der Private komischerweise immer mit abrechnet. Wir wollen Transparenz, einheitliche Tonnen für die Wertstoffe bei den Haushalten. Das verstehen die Leute, das können sie besser annehmen, da muss man sich nicht zwischen verschiedenen Tonnen entscheiden. Das ist dann auch unser Signal für Berlin. Die kommunale Verantwortung ist bei den Haushaltsabfällen nicht nur notwendig, sie ist das zwingende Gebot der Stunde. Mit Verlaub, dass Sie sagen, wir sollten auf Bundesgesetze warten – die schwarzgelbe Bundesregierung ist seit einem halben Jahr mit einem neuen Abfallrecht überfällig. Ich glaube, da müssen wir uns von Ihnen nicht erzählen lassen, dass wir hier ewig warten sollen, wenn CDU und FDP im Bund es nicht gebacken kriegen. Berlin kann darauf nicht warten. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Buchholz! Sie haben mir Ideologie vorgeworfen, aber das, was Sie eben zu Dumpinglöhnen und Reststoffen gesagt haben, die irgendwo verklappt werden, ist auch ideologisch.
Vorschriften für Löhne, Vorschriften dafür, was mit den Reststoffen passiert, die formuliert das Land Berlin auch in einer Ausschreibung. Interessanterweise wollen Sie im Hinblick auf die ökologischen Voraussetzungen viel weniger in das Abfallwirtschaftskonzept schreiben als wir in unserem Änderungsantrag.
Zu der Frage: Wem gehört der Müll? – Der Müll gehört nicht ALBA, und der Müll gehört nicht der BSR, der Müll gehört erst einmal den Haushalten. Ich möchte das als Haushalt nicht abgenommen bekommen, ich möchte wissen, was damit passiert. Deshalb möchte ich Transparenz haben.
Und zum Thema „Rosinenpicken“! – Auch das können Sie durch eine Ausschreibung verhindern. Sie müssen über längere Zeit ein Angebot einholen, das dann auch Bestand hat. Dann wird es kein Rosinenpicken geben. Sie wollen aber das duale System, dass Sie so zu Recht angegriffen haben, auf Dauer fortsetzen. Ihr Konzept ist, dass – obwohl es gar kein duales System mehr geben wird – der Müll in der Abfalltonne noch in 20 Jahren auseinandergerechnet und so getan wird, als gäbe es noch eins. Sie wollen diesem intransparenten System auf Dauer die Umsätze und die Stoffströme zuschustern. Das ist der berühmte Kompromiss, den Sie angeblich geschlossen haben. Dadurch wird es nicht billiger.
Noch eine Frage: Wie kann die BSR billiger werden? Verzichten Sie auf die überhöhte Verzinsung, die bei der BSR so hoch ist wie bei den Wasserbetrieben! Das allein sind nach unserer Rechnung ungefähr 20 Millionen Euro im Jahr. Damit hätten Sie schon deutlich bessere Verhältnisse. Dieses Abzocken über erhöhte Verzinsung ging auch nicht mehr, wenn Sie es ausschreiben müssten. Auch das würde dem Bürger etwas bringen, Herr Buchholz.
Ja, unser ideologiefreier Herr Schmidt! Was war jetzt gerade Ihr Vorschlag? Wir müssen uns das alle noch einmal vergegenwärtigen. Sie sagen, der einzelne Bürger hat doch auch für seinen Müll, den er produziert, die eigene Verantwortung. Er gehört ihm ja. Die nächste Forderung der FDP ist dann vermutlich, jeder einzelne Bürger versteigert seinen Hausmüll meistbietend.
Das wäre konsequent. Da kann ich nur sagen, das werden Sie mit uns nicht hinbekommen. Das wollen wir nämlich nicht, sondern wir sind mit einem Kommunalentsorger gut aufgestellt.
Sagen Sie mir bitte einmal, wenn es einen Privaten gibt, und in diesem Fall hat im Rahmen eines Wettbewerbs die Firma ALBA alle vier Regionen, in die Berlin aufgeteilt ist – das war jetzt kein Kreuz, das ist die Aufteilung von Berlin –, für das duale System gewonnen, ob das für Sie kein Wettbewerb war! War das für Sie kein Wettbewerb, wie das gelaufen ist? Haben Sie hier Informationen, die wir nicht haben? Dann müssen Sie das mitteilen. Aber Sie können doch nicht einfach behaupten, da hätte es keinen Wettbewerb im dualen System gegeben.
Bitte, wer ist denn in der Bundesregierung an der Macht? Dann ändern Sie doch die Verpackungsverordnung. Haben Sie die Kraft dazu?
Ja, bisher haben Sie es nicht geschafft. Herr Schmidt! Ich kann es noch einmal sagen zum Mitschreiben. Der 12. Dezember 2010 war letztes Jahr. Da war Ihre Bundesregierung in der Verantwortung, die Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union umzusetzen. Was haben Sie getan? – Gar nichts, drumrum gesprochen, und dann wollen Sie uns erzählen, wir seien hier hintendran und würden eine falsche Abfallpolitik machen. Das ist doch absurd an der Stelle.
Da sind Sie wirklich der Falsche, der hier Vorhaltungen machen kann, wir sollten uns bei der Abfallpolitik an anderen Dingen orientieren oder an dem höheren Recht, das von der Bundesebene kommt.
Nur ein Hinweis: Sprechen Sie vielleicht nicht mit FDPLeuten, aber wenn z. B. die CDU oder die CSURegierenden in bayerischen Landen fragen oder woanders, was dort einzelne Stadtverordnete sagen, die ein Stadtwerk haben, ob die sagen, der Wertstoffmüll sei kommunal zu verarbeiten oder dass Private das machen sollen!
Das ist jetzt Ihr Kommentar zur CDU, das lassen wir so stehen. – Ich sage Ihnen nur, da werden Sie mehr als eine klare Antwort bekommen. Die haben existierende Stadtwerke, die haben funktionierende Abfallsysteme und sagen, sie wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, solche bestehenden vernünftigen Systeme einfach aufzugeben. Da haben Sie auch keine Antwort. Sie gehen wirklich rein ideologisch ran. Bei Ihnen ist klar, nur etwas Privates kann gut sein.
Da sage ich Ihnen: Die Transparenz bei den Müllgebühren, welche haben Sie denn gesehen: von der Firma ALBA oder von anderen Privaten? Wer hat Ihnen eine Kalkulation offengelegt? Das müssen Sie einmal sagen. Sie bauen hier ein Hokuspokus auf. Sie können die Abfallgebühren nur bei den Kommunalen im Handbuch nachlesen. Da können Sie uns lange viel erzählen. Wir bleiben dabei. Nicht jeder Bürger muss einzeln seine Reststoffe versteigern. Wir wollen eine einheitliche Tonne, die überall gleich aussieht und sie soll kostenlos in den Höfen stehen, so wie übrigens auch das Abgeben von Restmüll beim Recyclinghof kostenlos ist.
Ja, wir finanzieren das mit über die Restmülltonne. Das hat aber einen politischen Grund. Ja, da können Sie sagen, für Sie gibt es keine Abfallpolitik. Wir haben noch einen Maßstab, wie man wirklich zukunftsfähige Abfallpolitik ökologisch, kommunal und zu günstigen Gebühren ausrichten kann. Das geht mit einem vernünftigen System.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Die Einführung der einheitlichen Wertstofftonne durch das jetzige von der CDU geführte Bundesumweltministerium wird ein ähnlicher Meilenstein
durch das damals ebenfalls von der CDU geführte Bundesumweltministerium zur Erhöhung der Recyclingquote in Deutschland.
Dazu, meine Damen und Herren, wird derzeit ein Planspiel mit zwei wesentlichen Konzepten vollzogen. Das wurde hier schon angesprochen. Das erste verfolgt den Ansatz einer Ausweitung der Produktverantwortung auf produktgleiche Nichtverpackungen und führt insoweit zu einer Gesamtverantwortung in privater Hand.
Das zweite Konzept sieht die Organisationsverantwortung für die Erfassung von Leichtverpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen in den Händen der öffentlichrechtlichen Entsorger. Dabei sollen die erfassten Wertstoffe entsprechend dem Anteil von Leichtverpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen in der Erfassungsmenge zwischen Kommune und System aufgeteilt werden. Damit ist klar, dass mindestens der Anteil der Leichtverpackungen, der heute schon durch Wettbewerb geregelt ist – das haben Sie ja auch richtig festgestellt, Kollege Buchholz –, auch zukünftig durch Wettbewerb geregelt bleiben wird. Das merke ich auch deswegen an, lieber Kollege Buchholz, da Sie ständig rumposaunen, insbesondere im Ausschuss haben Sie das gemacht, die Opposition hätte hier gar nichts dazu vorgelegt.