Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

Vielen Dank, Frau Kubala! – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir kommen dann zu Abstimmungen.

Zur Vorlage auf Drucksache 16/3403 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP die Annahme mit Änderungen. Wer stimmt dem zu? – Ich höre gerade, wir sollen erst über den Änderungsantrag der FDP abstimmen. Dann machen wir das. Die FDP hat dazu den Änderungsantrag Drucksache 16/4102-1 eingebracht. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Überraschenderweise die FDP. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die anderen Fraktionen. Dann ist der Änderungsantrag abgelehnt. – Die Grünen enthalten sich. Trotzdem bleibt der Änderungsantrag abgelehnt.

Ich komme zur Vorlage Drucksache 16/3403. Hierzu empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP die Annahme mit Änderungen. Wer ist für diesen Antrag? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Grünen, die CDU und die FDP. Damit ist der Antrag angenommen.

Wer nun der Vorlage des Abfallwirtschaftskonzepts mit den Änderungen der Beschlussempfehlung des Umweltausschusses auf Drucksache 16/4102 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Dagegen sind CDU, FDP. – Wer enthält sich? – Wie ist das denn mit den Grünen? Stimmen Sie diesmal nicht ab? – Die Grünen sind dagegen. Dem Abfallwirtschaftskonzept ist zugestimmt worden.

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3110 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU und Grüne die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Grüne und CDU. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Koalitionsfraktionen und die FDP. Wer enthält sich? – Ohne Enthaltung ist der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3423 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die FDP bei Enthaltung der Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Koalitionsfraktionen und die CDU. Wer enthält sich? – Die Grünen enthalten sich. Gleichwohl ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Priorität der Fraktion der SPD auf Drucksache 16/4114

lfd. Nr. 4.5:

Dringliche zweite Lesung

Gesetz zur Modernisierung des Hochschulzugangs und zur Qualitätssicherung von Studium und Prüfung

Beschlussempfehlung WissForsch Drs 16/4114 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3924

Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU und einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Die Linke. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zehn Artikel miteinander zu verbinden. Ich höre und sehe keinen Widerspruch, rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis X, Drucksache 16/3924. Für die Beratung stehen jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Oberg.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Mit dem heutigen Beschluss geht eine lange Diskussion über die Ausgestaltung des Berliner Hochschulgesetzes zu Ende. Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich an diesem intensiven, aber auch sehr kontroversen Austausch beteiligt haben. Das hat dem Gesetz gut getan und dazu beigetragen, dass wir heute ein gutes und modernes Gesetz verabschieden werden, das die „taz“ in ihrer heutigen Ausgabe – und die „taz“ ist sozialdemokratischer Umtriebe sicherlich unverdächtig – als dringend notwendig bezeichnet hat.

Es liegt auf der Hand, dass bei der Vielzahl der Betroffenen und ihren zum Teil vollständig gegensätzlichen Interessen ein solcher Dialog nicht dazu führen kann, dass man es am Ende allen recht macht. Uns wurde und wird auch heute sicherlich wieder vorgehalten werden, dass quasi alle gegen dieses Gesetz seien

[Mirco Dragowski (FDP): Richtig!]

und wir es niemandem recht gemacht hätten. Das klingt dramatisch, ist aber eigentlich eher kurios.

[Mirco Dragowski (FDP): Und die Wahrheit!]

Wir sollten uns mal genauer anschauen, wie dort die Ablehnungsfront eigentlich aufgestellt ist. Da haben wir auf der einen Seite die Hochschulleitungen, die sind gegen dieses Hochschulgesetz, weil sie gerne hohe Hürden aufstellen würden beim Übergang vom Bachelor zum Master. Da sind auf der anderen Seite ebenfalls in der Koalition der Gegner die Studierenden. Die sind gegen das Gesetz, weil darin kein Rechtsanspruch für jeden Studierenden enthalten ist, nach dem Bachelor auch einen Master zu machen.

Ich kann ein weiteres Beispiel geben. Die Studierendenvertreter kritisieren das Gesetz, weil es kein Kreuzwahlrecht und keine Drittelparität gibt. Die Hochschulleitungen kritisieren das gleiche Gesetz, weil es kein Selbstberufungsrecht gibt und weil insgesamt die Hochschulleitungen nicht stark genug und Autonomie von uns behandelt werden würden. Dies zeigt, dass die Positionen vollständig unvereinbar sind; und es ist unmöglich, ein Gesetz zu machen, das allen diesen Positionen Rechnung trägt. Würden wir versuchen, so etwas zu machen, blieben wir am Ende bei einem Scheitern. Und deshalb bekenne ich hier freimütig: Ja, dieses Gesetz ist ein Mittelweg und

keine radikale Lösung. Dies ist eine evolutionäre Weiterentwicklung des Hochschulgesetzes und keine Revolution. Angesichts der Vielzahl und der Kakophonie der Interessen, die ich skizziert habe, wäre alles andere als ein Mittelweg politisch unverantwortlich.

Der Gesetzentwurf setzt die richtigen Schwerpunkte. Der Bologna-Prozess wird umgesetzt, die Studierbarkeit wird verbessert, die Arbeitsbelastung für Studierende wird reduziert. Der Zugang für beruflich Qualifizierte wird verbreitert, die Situation der Lehrbeauftragten wird deutlich verbessert und die Lehre wird durch Wissenschaftliche Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt in der Lehre gestärkt.

Nach der Anhörung und den zahlreichen Gesprächen, die wir geführt haben, haben wir einige Anregungen aufgegriffen und diese Schwerpunkte zusätzlich akzentuiert. Die Koalition sichert mit dem Änderungsantrag, der heute vorliegt, die frei wählbaren Studienanteile. Wir haben das Schreckgespenst der Zwangsexmatrikulation abgeräumt und klargestellt: Uns geht es um Beratung und Unterstützung der Studierenden. Deshalb sind die Sanktionen dramatisch reduziert worden. Gleichzeitig haben wir die Anforderungen an die Rahmenstudien- und Prüfungsordnungen reduziert und so die Autonomie der Hochschulen gestärkt und schlussendlich einen weiteren Weg für beruflich Qualifizierte an die Hochschule geschaffen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das alles sind handfeste Verbesserungen, die die Studierenden in ihrem Alltag spüren werden. Das sind handfeste Verbesserungen, die auch die Hochschulleitungen zu schätzen lernen werden. Unsere Philosophie dabei ist ganz eindeutig: Wir definieren Untergrenzen. So definieren wir z. B. bei der Beratung, was im schlimmsten Fall möglich ist. Abweichungen nach oben sind aber jederzeit möglich.

Und jetzt kann man diesen Gesetzentwurf – das ist passiert – dafür kritisieren, dass er kein großer Wurf ist und sich hinstellen und einfordern: Wir brauchen einen großen Wurf!

[Mirco Dragowski (FDP): Ja, brauchen wir auch!]

Das, lieber Herr Kollege Dragowski, ist nichts anderes als das Getöse eines Menschen, der sich an die Oppositionspolitik gewöhnt hat. Wir haben das auch von den Grünen gehört. Wer sich hier hinstellt und einen großen Wurf fordert und glaubt, mit einem großen Wurf die dargestellten grundsätzlichen Unterschiede und Interessen, die es an den Hochschulen gibt, wegfegen zu können, der irrt und wird gewaltig scheitern.

[Mirco Dragowski (FDP): Dialog macht’s möglich!]

Ein Dialog kann unüberbrückbare Positionen sicherlich nicht ausgleichen.

Ein Wort sei mir noch gestattet. Bei den Beratungen ist eines sehr deutlich geworden: Liebe Kolleginnen und

Kollegen von den Grünen! Wir hören es uns hier in diesem Haus immer wieder an, Ihr Mantra lautet – erstens: Am 18. September gewinnen wir die Wahl. Zweitens: Danach werden wir regieren. Und drittens: Wir machen alles anders. Was Sie aber nie sagen, ist, was Sie konkret anders machen würden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Genauso auch hier bei diesem Hochschulgesetz, da haben Sie in den Beratungen gesagt, das ist nicht weitgehend genug, alles falsch.

Herr Kollege! Sie müssen zum Schlusssatz gekommen sein.

Sie haben aber für sich behalten, wie Sie es anders machen wollen. – Ich komme zu meinem Schlusssatz. – Ich sage Ihnen auch, warum Sie es uns nicht sagen: Sie wissen es schlicht nicht. Sie sind so erschöpft, dass Sie nicht mehr sagen können, wo sie langlaufen, und hoffen, dass der 18. September schnell naht und es keiner merkt. Wir haben mit diesem Gesetz bewiesen, –

Vielen Dank, Herr Kollege!

dass wir die Kraft und den Mut haben, ein kompliziertes Thema anzugehen und zum Erfolg zu bringen. Und das unterscheidet uns und Sie ganz eindeutig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Zimmer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war ja ein Lehrstück in Sachen Autosuggestion, das der Herr Oberg hier gerade abgeliefert hat.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Also mal im Ernst: Kollege Oberg! Mir ist nun wirklich kein Gesetz erinnerlich – und ich gehöre diesem Parlament schon eine ganze Weile an –, das eine so breite Ablehnung durch wirklich alle Betroffenengruppen erfahren hat. Es gibt außerhalb der Linksfraktion und der SPDFraktion wirklich niemanden, der Ihr Gesetz gut und richtig findet – und Herr Zöllner natürlich auch noch, ich nehme an, auch seine Staatssekretäre.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Die Studierenden haben heute demonstriert. Die Hochschulpräsidenten und -rektoren haben sich in mehreren Stellungnahmen deutlich artikuliert, die sie im Übrigen schriftlich abgegeben und weitergegeben haben, weil sie offensichtlich von denjenigen, die sie eigentlich hätten lesen sollen und die mit den Hochschulpräsidenten darüber hätten reden sollen, nicht ernst oder zur Kenntnis genommen wurden. Wir haben eine sehr lange Anhörung mit vielen Anzuhörenden im Wissenschaftsausschuss durchgeführt. Ich habe dann die Anzuhörenden gefragt, wer von ihnen eigentlich dieses Gesetz will oder braucht. Und Sie waren ja dabei, Sie wissen, die Antwort lautet: Niemand von den Anzuhörenden wollte es, die Präsidenten nicht, die Studierenden nicht, die Arbeitnehmervertreter nicht, der akademische Mittelbau nicht, die Vertreter der Wirtschaftsverbände nicht, die privaten Hochschulen nicht. Alle lehnen Ihren Gesetzentwurf ab, und Sie lavieren hier rum und sagen, man kann es eben nicht jedem recht machen, Herr Oberg! Die Frage ist nur: Wem machen Sie es denn überhaupt recht?

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Ich nehme mal an, es geht darum, wenigstens an dieser Stelle ein Häkchen an Ihren Koalitionsvertrag zu machen. Da war es in der Tat so, dass man ja einiges zu befürchten hatte, geradezu revolutionäre Veränderungen. Das ist ja nicht passiert. Sie haben es nur im Detail verschlimmert, aber Sie haben keine Revolution geschafft, in der Tat. Man muss aber über das Verfahren des Zustandekommens dieses Gesetzes noch mal reden, denn Sie haben darüber gesprochen, dass es lange Diskussionen gegeben hätte. Das ist sicherlich richtig, es ist viel geredet worden, aber es ist offensichtlich aneinander vorbeigeredet worden und nicht miteinander geredet worden. Es ist tatsächlich nicht zu einem Dialog gekommen. Anders ist doch nicht zu erklären, dass alle diejenigen, mit denen Sie angeblich geredet haben, dann danach sagen, mit ihnen ist nicht geredet worden, sondern ihre Einwände und Bedenken sind auf taube Ohren gestoßen. Was soll man denn davon eigentlich halten? – Herr Oberg, das ist doch nur Besserwisserpolitik anstatt Wissenschaftspolitik. Es geht darum, dass Sie meinen, Sie wüssten, was für die Hochschulen und die Studierenden am besten ist, aber tatsächlich, wenn es denn darum geht, auch Ergebnisse zu produzieren, die umsetzbar sind, scheitern. Es geht hier nämlich nicht nur um Stilfragen. Es gibt keine substanzielle Verbesserung durch Ihren Gesetzentwurf für die Situation der Studierenden nach Bologna. Vieles von dem, was nach den Studierendenprotesten noch Common Sense war, hat dann in Ihrem Gesetz doch keinen Niederschlag mehr gefunden. Sie verursachen Bürokratiekosten für die Hochschulen. Autonomieeinschränkungen, ja Misstrauen gegen die Hochschulen, wenn es darum geht, ihnen mehr Autonomie einzuräumen. Nicht mal zu kleineren Konzessionen sind Sie dort bereit gewesen.

Und was ich am dramatischsten finde: Sie finden keine Lösung für das Problem, das sich mittlerweile in der deutschen Wissenschaftslandschaft immer deutlicher abzeichnet, nämlich die Spaltung geradezu zwischen Lehre und

Forschung. Der starke Fokus auf eine exzellente Wissenschaft und Forschung ist sicherlich richtig. Aber es kann nicht der alleinige Fokus in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik sein. Die Verschiebung der Gewichte hin zu der Frage, wo exzellente Wissenschaft im Sinne von Forschung angeboten wird, und weg von der Frage, wo eigentlich exzellente Lehre angeboten wird, führt zu einem Ungleichgewicht. Und dieses Ungleichgewicht kann dazu führen, dass insgesamt vieles von dem, was in den vergangenen Jahren aufgebaut worden ist, scheitern wird, umkippen wird, in die Bedeutungslosigkeit versinken wird.

Ich will jetzt hier nicht den Teufel an die Wand malen. Aber was wird eigentlich passieren, wenn der Hochschulpakt ausgelaufen ist und die Exzellenzinitiative vorüber ist? – Dann bleibt nur noch das übrig, was an den Hochschulen nachhaltig aufgebaut worden ist. Die Frage ist: Wie viel von dem, was im Augenblick passiert, ist eigentlich nachhaltig? Mit der Einführung einer neuen Personalkategorie mit dem Schwerpunkt Lehre werden Sie das Problem meines Erachtens nicht lösen können, denn was Sie dort machen, ist, Sie bieten so eine Art Discountlehrkräfte ohne wissenschaftliche Rückbindung an. Damit verstärken Sie im Endeffekt das Problem der Spaltung zwischen Angebot von Lehre für die Massen auf der einen Seite und sicherlich exzellente Forschung auf der anderen Seite nur noch. So kann man keine vernünftige und ausgewogene Wissenschaftspolitik in Berlin machen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Auch deswegen lehnen diejenigen, die eingangs zitiert habe, Ihr Gesetz ab. Das sind diejenigen, die sich mit Wissenschaftspolitik beschäftigen, sich damit auseinandersetzen und an ihren Folgen in Berlin teilweise tagtäglich leiden müssen. Wir schließen uns dieser Ablehnung aus Überzeugung an und werden daher gegen Ihren Gesetzentwurf stimmen. – Herzlichen Dank!