Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatungen der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II, Drucksache 16/3539. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Der Fraktionsvorsitzende Meyer hat das Wort. – Bitte sehr!
Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Zum Jahresende 2001 belief sich der Schuldenstand des Landes Berlin auf 39 Milliarden Euro. Jetzt, im Jahr 2011, sind wir bei 63 Milliarden Euro. Diese 24 Milliarden Euro sind die Bilanz von zehn Jahren rot-roter Schuldenpolitik.
Wenn wir uns die mittelfristige Finanzplanung von Herrn Nußbaum angucken, dann werden wir im Jahr 2014 vermutlich an die 70-Milliarden-Euro-Grenze stoßen,
es sei denn, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum deutschlandweit weiter so gut ist wie bisher. Wir werden im Jahr eine Pro-Kopf-Verschuldung von ungefähr 20 000 Euro erreichen und liegen damit ungefähr um 25 Prozent über dem Länderdurchschnitt.
Diese nackten Zahlen veranschaulichen sehr gut, weswegen wir eine Schuldenbremse benötigen, weswegen die Entscheidung auf der Bundesebene richtig war, eine Schuldenbremse einzuführen. Ich glaube, es stände uns gut an, wenn das Bundesland Berlin den Beispielen von Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz – alles Bundesländer, die mit einer unterschiedlichen politischen Ausrichtung regiert werden – folgen und auch eine landesspezifische Schuldenbremse einführen würde.
Dies gerade deswegen, weil wir in den letzten Jahren immer wieder gesehen haben, dass der rot-rote Senat oder einzelne Akteure des rot-roten Senats auf der Ausgabenseite nicht die Disziplin an den Tag legen wollen, die notwendig ist, um in Berlin dauerhaft zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Es ist nicht verwunderlich, dass auch der Rechnungshof dem Land Berlin empfiehlt, zu einer zügigen Aufnahme der Schuldenregelung in die Landesverfassung zu kommen.
Ich weiß, dass es an der einen oder anderen Stelle in der Koalition rechtspolitische Bedenken darüber gibt, ob eine Schuldenbremse überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Ich kann nur sagen, auch da wäre eine landesspezifische Regelung sinnvoll. Eine ganz ähnliche Diskussion wurde in Schleswig Holstein geführt. Man ist dort zwar zu dem Ergebnis gekommen, dass man auf der einen Seite das Bundesverfassungsgericht anrufen und prüfen möchte, ob dieser Eingriff vom Bundesgesetzgeber über das Grundgesetz in die jeweiligen Landesverfassungen wirklich möglich ist, hat aber zeitgleich mit den Stimmen aller Koalitionen – außer der Linken, glaube ich; ich weiß gar nicht, ob sie dort im Landtag vertreten sind – beschlossen, diese Schuldenbremse landesgesetzlich zu verankern. Ich glaube, das wäre ein Weg, um auch in Berlin zu einer sauberen Lösung zu kommen, wenn alle hier im Hause der Auffassung sind, dass wir eine Schuldenbremse benötigen und diese Schuldenbremse auch im Jahr 2020 einhalten wollen.
Der Stabilitätsrat hat die drohende Haushaltsnotlage im Land Berlin festgestellt. Das ist ein weiteres Argument, weswegen wir zu einer Schuldenbremse hier im Land kommen sollten. Das gilt auch für Rekommunalisierungsfantasien, die in den letzten Wochen und Monaten immer wieder von Rot-Rot bemüht wurden. Wenn man es mit der Haushaltskonsolidierung ehrlich meint, gibt es, glaube ich, eigentlich keine Argumentation gegen eine Schuldenbremse.
Dem Ansatz der CDU, das durch einen einfachen Satz mit sehr vielen unbestimmten Rechtsbegriffen in die Verfassung aufzunehmen, werden wir nicht folgen können. Das ist zu unbestimmt und auch der Materie und der Ernsthaftigkeit dieser Frage nicht gerecht geworden. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. Ich hoffe aber, dass wir in diesem Rahmen noch zu einer gemeinsamen Lö
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer! – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Kolat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Meyer! Ihre Begründung zu Ihrem Antrag war sehr, sehr dünn. Sie haben zu dem Thema Haushaltspolitik geredet, aber nicht richtig begründet, warum Sie eine landesgesetzliche Regelung der Schuldenbremse haben wollen. Ich glaube, eines übersehen Sie: Es gibt die Schuldenbremse schon.
Die Schuldenbremse wurde im Rahmen der Föderalismuskommission II vereinbart und im Grundgesetz verankert. Die Länder sind dazu verpflichtet worden, ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Sie haben ab dem Haushaltsjahr 2020 dieses Kreditaufnahmeverbot zu erfüllen. Die Festlegungen zur Schuldenbremse gelten ohne weitere landesspezifische Schritte unmittelbar auch für das Land Berlin, Herr Meyer! Daher ist für die Gültigkeit der Schuldenbremse eine Änderung der Verfassung hier in Berlin nicht erforderlich. Deswegen fragen wir uns: Woher dieser Handlungsdruck? Meine Damen und Herren von der FDP! Warum wollen Sie das eigentlich?
Schon allein die beiden Anträge, auch von der CDU, die hier vorliegen, zeigen, dass es keine abgestimmten Formulierungen schwarz-gelber Opposition gibt, die man hier würdigen könnte. Da sind Sie auch nicht zu einer Abstimmung gekommen.
Wir halten zum jetzigen Zeitpunkt eine landesgesetzliche Regelung für überflüssig. Wir sollten erst einmal die Erfahrungen mit der neuen Regelung abwarten. Wir befinden uns noch völlig am Anfang eines Prozesses, der Erfahrungen mit der Umsetzung der Verwaltungsvereinbarung zu den Konsolidierungshilfen. Diese sollten wir abwarten, aber auch die Erfahrungen rund um das Sanierungsprogramm mit dem Stabilitätsrat. Das sind Erfahrungen, die wir dann sicherlich irgendwann einmal würdigen und eventuell auch einfließen lassen, aber zurzeit ist dieser Vorschlag auf jeden Fall sehr verfrüht.
Tatsache ist auch, dass Berlin sich an die Vorgaben der Schuldenbremse ohnehin schon hält. Das haben wir mit der Vorlage der Finanzplanung 2010 schon bewiesen. Der Senat hat die aktuellen Eckwerte bereits nach der Schuldenregelung ausgerichtet. Dort ist ein Finanzierungssaldoabbau schon vereinbart. Die Verwaltungsvereinbarung
zur Gewährung der Konsolidierungshilfe wurde am 15. April bereits abgeschlossen. Auch dort ist vereinbart, das Finanzierungssaldo schrittweise abzubauen. Wir haben heute im Parlament auch die Zusage des Herrn Finanzsenators bekommen, dass ein Sanierungsprogramm bis zum 15. Oktober vorgelegt wird. Herr Meyer! Das ist wahrscheinlich an Ihnen vorbeigegangen, aber das ist hier schon alles gelebte Wirklichkeit.
Schuldenabbau gehört aus meiner Sicht zu einer von Vernunft geprägten Haushaltspolitik sowieso, jenseits einer grundgesetzlich geregelten Schuldenbremse. Die erfolgreiche Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Warum betone ich das? – Hätten wir im Land Berlin in den letzten Jahren keine Haushaltskonsolidierung erfolgreich durchgeführt, dann wäre unser Defizit ein Vielfaches mehr und unser Problem, dies abzubauen, ein Vielfaches größer.
Wir haben es geschafft, 2002 ein Finanzierungsdefizit von 6 Milliarden Euro so stark abzubauen, dass wir 2007 und 2008 zu einem Jahresüberschuss gekommen sind. Hätten wir das nicht geschafft, dann hätten wir heute ein viel größeres Defizit. So haben wir in den Jahren vor der Finanzkrise eine Rückzahlung von Schulden im Land Berlin erfolgreich durchführen können. Das war einmalig in der Geschichte unserer Stadt.
Trotz der verantwortungslosen schwarz-gelben Steuerpolitik auf Bundesebene ist gerade Berlin ab 2009 besser durch die Finanzkrise gekommen, als wir es alle erwartet haben.
Aber auch die Kreditaufnahmen für die jetzigen Jahre – 2010 und 2011 – werden deutlich geringer. Wir werden unsere Neuverschuldung halbieren. Deswegen können wir nicht nachvollziehen, warum wir jetzt diesen Schritt hier gehen sollen. Das ist eher ein Nebenkriegsschauplatz, den die FDP und die CDU hier aufmachen wollen. Das geht am Kern der Aufgabe des Abbaus des Defizits und der Haushaltskonsolidierung vorbei. Das ist ein Thema, das wir sowieso hier im Parlament aufrufen werden. Der Senat hat zugesagt, einen Haushaltsplanentwurf vorzulegen, der die Schuldenbremse schon berücksichtigt. Wir werden hier im Parlament unsere Haushaltsberatungen dann entsprechend durchführen und auch die politische Debatte darüber hier gemeinsam führen. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kolat! – Für die CDUFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Graf das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben zahlreiche Runden im Hauptausschuss, im Plenum über die Föderalismusreform II zum Thema Schuldenbremse gedreht. Ich glaube, man kann der Besprechung hier mit drei Bemerkungen begegnen. Erstens: Die Einführung der Schuldenbremse in das Grundgesetz war eine der weitreichendsten und erfolgreichsten Entscheidungen der letzten Jahre,
die erfreulicherweise unter Zustimmung von vielen Parteien zustande gekommen ist, ungeachtet dessen, dass es natürlich enorme Herausforderungen bedarf, die Haushalte zu konsolidieren, die aber angesichts der Sicherung der Handlungsspielräume für die nachfolgenden Generationen auch alternativlos ist.
Wenn Frau Kolat eben auf die Konsolidierungserfolge von Rot-Rot verwiesen hat – obwohl ich fand, dass Sie gar nicht so viel zum Thema gesprochen haben –, dann ist die Schuldenbremse doch gerade auch ein Schutz der Bürger davor, wie Sie in den letzten zehn Jahren hier Politik gemacht haben. Ich will einmal auf die immense Verschuldung von unter 40 Milliarden zu Beginn Ihrer Amtszeit auf über 60 Milliarden jetzt hinweisen.
[Dilek Kolat (SPD): Fragen Sie Herrn Landowsky, woher die Schulden kommen! – Christoph Meyer (FDP): Fragen Sie Herrn Wowereit!]
Ich will darauf hinweisen, dass Ihnen das Verfassungsgericht im Jahr 2003 ins Stammbuch geschrieben hat, dass Sie hier verfassungswidrige Haushalte vorgelegt haben und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Jahr 2006 Ihre Klage wegen Ihrer nicht gemachten Hausarbeiten in der Haushaltspolitik abgewiesen hat. Insofern wird künftig durch die Schuldenbremse auf Bundesebene einer solch unsoliden Haushaltspolitik ein Riegel vorgeschoben, wie Rot-Rot sie betrieben hat.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Haben Sie mitgekriegt, dass Sie von der CDU daran einen großen Anteil haben?]
Bemerkenswert ist auch die Haltung der Berliner Regierungsfraktionen, wenn man sich anschaut, dass die Zustimmung auf Bundesebene parteiübergreifend war. Ausgenommen Die Linke waren immer und auf jeder Ebene gegen eine Schuldenbremse. Da habe ich eine andere Meinung, aber sie haben ihre Position nie verändert. Wenn ich jetzt höre, dass Frau Kolat sagt, die Schuldenbremse gelte, so ist das doch ein enormer Entwicklungsprozess, den die Berliner SPD-Fraktion in den letzten zwei Jahren hier genommen hat. Der rot-rote Senat hat im Bundesrat 2009 doch gegen die Schuldenbremse gestimmt, unverantwortlich übrigens.
Ich will daran erinnern, dass die beiden SPDAbgeordneten Dr. Thärichen und Schneider medienwirksam eine Klage gegen diese Schuldenbremse auf Bundesebene angekündigt haben. Ich vermute einmal, in den zwei Jahren wird die Klageschrift nie das Licht der Welt erblickt haben, Herr Kollege Schneider, aber vielleicht können Sie mich da aufklären. Sie haben genau das rechtspolitische Argument angeführt, das Herr Meyer hier aufgebracht hat. Sie haben gesagt, es müsse in der Landesverfassung geregelt werden. Heute sagen Sie, es gebe für die SPD-Fraktion keinen Handlungsbedarf. Insofern muss man diese unverantwortliche Position hier noch einmal darstellen, Herr Schneider.
Das Ziel des Antrags, eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen, ist aus unserer Sicht ein gutes und richtiges. Wir teilen das Anliegen ausdrücklich, Herr Kollege Meyer. Wir finden, dass eine schlanke Variante in die Verfassung gehört, aber nicht ein Handlungskatalog mit mehreren Absätzen. Aber in der Sache sind wir uns einig.
Die Vorstöße aus anderen Ländern, die Sie angesprochen haben, sind sehr positive Signale finden wir, insbesondere wenn ich daran denke, dass in Hessen vier Parteien – CDU, FDP, SPD und Grüne – gemeinsam mit der Landesregierung eine Volksabstimmung herbeigeführt haben, bei der 70 Prozent der Bürger gesagt haben: Ja, wir stimmen für die Aufnahme der Schuldenbremse in die hessische Landesverfassung.