Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Dazu kommt ein unzureichender Medienetat. In absoluter Summe entspricht er dem Stand des Jahres 1999. Wir wissen aber alle um die in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Anschaffungspreise für Medien. Somit bedeutet ein eingefrorener Anschaffungsetat de facto einen Anschaffungsrückgang. Machte dieser im Jahr 1999 noch 10,7 Prozent des Gesamtetats der Bibliotheken aus, so sind es 2010 nur noch 7,25 Prozent gewesen. Beide genannten Faktoren – die Standortfrage und die suboptimale Ausstattung – führten zu einem Rückgang der ständigen Nutzerzahlen um 8 Prozent allein in den Jahren 2005 bis 2008, und Berlin hat – das spielte vorhin eine Rolle – in dieser Zeit der letzten Jahre absolut keinen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Dem gegenzusteuern, ist Anliegen der heutigen Gesetzesänderung.

Die Bibliothek muss auch künftig in der Lage sein, dem Informationsbedarf der Berlinerinnen und Berliner genüge zu tun. Flexibles und wirtschaftliches Operieren ist hier die Forderung des Tages. Die Aufteilung zwischen wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken – das spielte in den Debatten der letzten Zeit eine Rolle – halte ich dabei übrigens für bürokratische Voodoo-Übungen, auch wenn sie unter so harmlos erscheinenden Begriffen wie tertiärer Bildungsbereich daherkommen. Dies ignoriert die Bedürfnisse der bisherigen Leserinnen und Leser und kann in der Konsequenz nur zu einer Angebotsreduzierung führen.

Die Linke unterstützt mit dieser Gesetzesänderung eine mögliche Flexibilisierung des Bibliotheksprofils. Eine Reduzierung der bisherigen Angebote unterstützen wir nicht. Die im Zuge eines übereifrigen Reformwillens ursprünglich vorgesehene Aufweichung des Pflichtexemplargesetzes haben wir mit dieser Gesetzesänderung verhindern können. Die möglichst lückenlose Sammlung und Bewahrung des geistigen und kulturellen Erbes Berlins, so sie sich in den Sammlungsgebieten einer Bibliothek abbilden kann, muss auch weiterhin gewährleistet bleiben.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Brigitte Lange (SPD)]

Von grundsätzlicher Bedeutung ist für uns eine Veränderung im § 5 des Gesetzes. Eine von uns vorgenommene Änderung legt fest, dass die Personalvertretung der ZLBMitarbeiterinnen und -Mitarbeiter mit einem von ihr selbst benannten Vertreter im Stiftungsrat präsent sein muss. Diese Regelung wollen wir auch in allen anderen Stiftungen öffentlichen Rechts im Land Berlin durchsetzen. In landesfinanzierten Einrichtungen muss eine Beteiligung der Beschäftigten in solchen Gremien gewährleistet sein.

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) und Brigitte Lange (SPD)]

Dies betrifft übrigens auch die Anwendung des öffentlichen Tarifrechts. Für mich ist es absolut unverständlich,

weshalb – leider Gottes auch aus Kreisen meiner Koalition – Äußerungen möglich sind, dass eine grundsätzliche Anwendung öffentlichen Tarifrechts in öffentlichen Stiftungen des Landes Berlin nicht notwendig sein soll und nicht gemacht werden kann. Ich hoffe, dass diese Position recht bald korrigiert werden wird.

[Beifall von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Das heute vorliegende Gesetz ermöglicht es, dass sich die ZLB besser ihren Zukunftsanforderungen stellen kann, als es bisher der Fall sein konnte. Darum bitten wir um Ihre Zustimmung. Das betrifft übrigens auch unsere Bundesratsinitiative zur Ermöglichung der Sonntagsöffnungen für die Bibliotheken.

Herr Kollege! Sie sind jetzt im Schlusssatz!

Ja! Das ist der Schlusssatz! – Wir beabsichtigen nicht mehr und nicht weniger, als es den Bibliotheken zu ermöglichen, ihren Aufgabenstellungen als Dienstleistungseinrichtungen auf kulturellem und Bildungsgebiet für die Berlinerinnen und Berliner nachzukommen, nämlich, dann, wenn sie gebraucht werden und nicht, wenn althergebrachte Traditionen es ermöglichen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Braun.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mal eine ganz neue Variante der Tempelhof-Debatte: Der Senat nimmt den miserablen baulichen Zustand der Zentral- und Landesbibliothek an den Standorten Breite Straße und Kreuzberg zum Anlass, deren Umzug auf das Tempelhofer Flugfeld zu propagieren, auch – wie uns Herr Wowereit im Kulturausschuss erklärte – um dann dort auf dem Flugfeld Wirtschaftsunternehmen anzusiedeln – sozusagen eine Bibliothek als Ruheort für gestresste Industriearbeiter.

Ich stelle zunächst fest: Die CDU steht ohne Wenn und Aber zur Zentral- und Landesbibliothek Berlin und unterstützt deren Wunsch nach einer soliden Entwicklung. Dieses Bekenntnis beinhaltet, dass wir selbstverständlich auch die Notwendigkeit sehen, notwendige Reparaturen und Sanierungen sowohl am Standort Breite Straße als auch am Standort Amerika-Gedenkbibliothek durchzuführen. In Anbetracht unserer Haushaltssituation, der Schuldenbremse und der damit verbundenen Sparauflagen halten wir es für unverantwortlich, der Öffentlichkeit

Sand in die Augen zu streuen und zu suggerieren, wir könnten für 270 Millionen Euro eine neue Bibliothek auf dem Flughafengelände Tempelhof bauen.

[Beifall bei der CDU]

Wer so etwas ernsthaft behauptet, leidet unter Realitätsverlust.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Reden Sie doch mal zum Thema!]

Im Übrigen: Wie kommt der Senat eigentlich auf die Summe von 270 Millionen Euro? Die Grimm-Bibliothek der Humboldt-Universität hat 75 Millionen Euro gekostet. Selbst wenn der Neubau dreimal so groß sein sollte wie die Grimm-Bibliothek, errechnet sich nicht der Betrag von 270 Millionen Euro. Ich bleibe dabei: Wer so mit wichtigen Einrichtungen in dieser Stadt umgeht, beschädigt sie!

Wir beklagen seit Langem, dass Kulturpolitik in dieser Stadt im Wesentlichen Event-Politik ist. Die Kulturpolitik sollte Treiber der Stadtentwicklung sein und nicht Anker für eine im Übrigen konzeptionslose Ansiedlung auf dem Flughafengelände.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das ist ja Quatsch!]

Hier liegt kein Konzept zugrunde, geschweige denn ein seriöses und finanziertes. Hier wird eine Einrichtung missbraucht, notwendige Entwicklungschancen werden vergeben.

Im Übrigen: Als wir darüber sprachen, wie die Konzeption für das Humboldt-Forum im Stadtschloss aussehen sollte, hat der Senat die Teilnutzung des Stadtschlosses mit der Zentral- und Landesbibliothek gerade damit begründet, dass durch die Nähe der Breite Straße Synergieeffekte entstehen würden. Wenn nun der Standort Breite Straße aufgegeben wird, stellt sich die Frage, wie Synergieeffekte zwischen Tempelhofer Feld und Schlossplatz erreicht werden können. Vielleicht kann uns ja der Senat bei Gelegenheit diese Irrungen und Wirrungen erklären.

Noch ein kurzer Satz zu den Sonntagsöffnungszeiten der Bibliotheken: Wenn einem gar nichts mehr einfällt, macht man eine Bundesratsinitiative. Beim Hauptbahnhof hat der Senat darum gerungen, ob am Sonntag die Geschäfte die Reisenden versorgen dürfen. Nun stellen wir fest: Reisende sollen keinen Schal kaufen, dürfen aber in den Bibliotheken lesen. Welch eine Logik! Welch ein Zynismus! Mich würde einmal interessieren, ob dieser Vorschlag der Sonntagsöffnungszeiten vonseiten des Senats mit den Gewerkschaften abgesprochen wurde.

Zum Stiftungsgesetz nur so viel: Die neue Zusammensetzung des Stiftungsrates ist im Wesentlichen die alte, nur mit einem Vertreter des Personalrates, der hinzukommt. Wichtig war dem Senat offensichtlich, das Parlament aus dem Stiftungsrat fernzuhalten. Aber auch hier bleibt der Senat sich treu. – Die Zeit ist reif für eine neue politische Kultur in dieser Stadt!

[Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Sie sind ja richtig links, Herr Braun! Kommen Sie rüber!]

Vielen Dank, Herr Kollege Braun! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Lange.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Braun! Ich kann nur sagen: Vor Ihrer Art von Kultur kann ich nur alle Berlinerinnen und Berliner warnen!

[Beifall bei der SPD]

Wie Sie zum Beispiel in einem Ihrer Sätze das Lesen in Bibliotheken diskriminiert haben, finde ich schon sehr beachtlich. Das müsste man eigentlich noch öffentlicher machen. Ich finde, Sie haben auch das Thema verfehlt, weil das Thema heute nicht die Sanierung oder die Standortfrage ist, sondern wir haben das Stiftungsgesetz geändert, und eigentlich sollten wir darüber reden.

Ich will mit dem Stiftungsgesetz beginnen. Die landeseigene Stiftung Zentral- und Landesbibliothek wurde 1995 aus der Amerika-Gedenkbibliothek und der Berliner Stadtbibliothek gegründet. 2005 kam die Senatsbibliothek dazu. Seitdem haben sich viele Rahmenbedingungen verändert. Mit dem geplanten Umzug nach Tempelhof kommen natürlich große Herausforderungen auf die Landesbibliothek zu. Darum wollen wir das Profil dieser Bibliothek als moderne Metropolenbibliothek schärfen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stiftung erhöhen. Die ZLB ist das Flaggschiff der öffentlichen Bibliotheken Berlins. Sie ist die größte öffentliche Bibliothek Deutschlands mit mehr als 1,4 Millionen Besuchern. Alle Kulturen sind dabei vertreten. Deshalb wird mit der Verpflichtung zur kulturellen Vielfalt ein zeitgemäßer Kulturbegriff im Stiftungszweck verankert.

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist die Möglichkeit, bei Bedarf den Vorstand auf bis zu zwei Personen erweitern zu können.

[Alice Ströver (Grüne): Haben wir ja gerade, den Bedarf!]

Als dritten wichtigen Punkt haben wir im Kulturausschuss beschlossen, den Stiftungsrat zu erweitern, und zwar wird ihm jetzt eine vom Personalrat bestellte Vertreterin oder ein Vertreter angehören. Wir finden es wichtig und richtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Stiftungsrat vertreten sind. Wir hoffen, dass die Stiftung jetzt gut aufgestellt und für die kommenden Herausforderungen gerüstet ist.

Nun zur Sonntagsöffnung: Wir wollen, dass Bibliotheken anderen Kultur- und Bildungseinrichtungen gleichgestellt sind, wie z. B. Museen, und dafür sollen Bibliotheken auch sonntags öffnen können. Neue Zahlen aus dem Bib

liotheksbereich zeigen, dass das Nutzerverhalten sich verändert hat. Zwar steigen die Besucherzahlen, aber die Entleihungen nehmen ab. Das zeigt, dass Bürgerinnen und Bürger die Bibliotheken zunehmend als Kommunikationsort sehen. Bibliotheken sind keineswegs nur Ausleihstandorte. Sie ermöglichen einer breiten Öffentlichkeit den Zugang zu modernen Medien. Sie sind, und das wissen die wenigsten, die am meisten genutzten außerschulischen Bildungseinrichtungen.

International haben die meisten Metropolen ihre Bibliotheken bereits sonntags geöffnet, wie z. B. die Amsterdamer Bibliothek am Oosterdock, die sieben Tage die Woche von 10 bis 22 Uhr geöffnet hat. Umfragen haben ergeben, dass 63,9 Prozent der Berliner für die Sonntagsöffnung sind, und der Deutsche Kulturrat und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben sich in einer gemeinsamen Erklärung für eine neue Sonntagskultur ausgesprochen, die nach der Aussage des Deutschen Kulturrates auch eine Sonntagsöffnung der Bibliotheken beinhaltet. Wenn wir wollen, dass die Bibliotheken aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken sind, dann müssen wir alles dafür tun, sie ins Bewusstsein zu bringen, unverzichtbar zu machen und eine große Lobby zu schaffen. Besonders in einer so bunten Stadt wie Berlin sind Bibliotheken auch „geheime Fenster“, durch welche man „in andere Länder, Kulturen und Herzen schauen“ kann, sagt der Schriftsteller Rafik Schami. – Ich wünsche, dass man dies auch sonntags in Berliner Bibliotheken tun kann.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Lange! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Ströver das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn eine Fraktion ein Thema zur Priorität erklärt, dann tut sie das in der Regel aus zwei Gründen. Zum einen könnte es sein, dass sie ein Thema besonders anprangern will. Das ist das übliche Verfahren, wenn die Opposition etwas zum Thema macht. Das andere Prinzip ist, und das ist meistens das Vorgehen einer Regierungsfraktion, dass man einen Vorgang loben möchte. Die Linke hat das Thema Zentral- und Landesbibliothek als Priorität auf den Plan gehoben und scheint sich loben zu wollen. Ich kann nur sagen: Viel zu loben gibt es daran nicht, weil die Binnenprobleme der Zentral- und Landesbibliothek mit dieser Gesetzesänderung ganz bestimmt nicht gelöst werden.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das ist kein Ruhmesblatt, das hier vorgelegt worden ist, und überhaupt muss man sagen: Nur durch den Eingriff der Parlamentarier sind die schlimmsten Änderungen, die

der Senat vornehmen wollte, wieder rückgängig gemacht worden.

Die Probleme der Zentral- und Landesbibliothek sind vielfältig. Es ist schon gesagt worden: Drei Standorte sind ein großes Problem, aber klar ist, wir brauchen eine Zentral- und Landesbibliothek als die wichtigste, größte öffentliche Bibliothek Berlins, die den ungeheuren Informationsbedarf der Bevölkerung decken muss. Deswegen legen wir großen Wert auf eine zukunftsgesicherte, auskömmliche, gut strukturierte Zentral- und Landesbibliothek.

[Beifall bei den Grünen]

Die Sammlung und die öffentliche Zugänglichmachung von Pflichtexemplaren der in Berlin erscheinenden Publikationen ist hierbei ein ganz wichtiger Faktor, und der Senat wollte dieses einschränken.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das haben wir doch geregelt!]

Das nur zum rot-roten Bildungsansatz, wie er vom Senat formuliert wird. Es ist auch nötig, dass eine öffentliche Bibliothek einen großen Freihandbestand hat, damit die Nutzerinnen und Nutzer schnell an ihre Bücher und andere Medien kommen.

Die Vorgeschichte zu dieser Gesetzesänderung zeigt doch: Gremien, die selbst vom Senat einberufen worden sind wie die eingesetzte Strukturkommission unter der Leitung der ehemaligen Hamburger Senatorin Helga Schuchardt, haben ein vernichtendes Urteil über die Binnenstruktur der ZLB gesprochen. Deswegen kann hier doch nicht einfach darüber hinweggeredet werden, dass auch hinter dem bunten Konzept für eine neue Marketingstruktur, das uns die Bibliothek noch reingereicht hat, eine Menge Defizite existieren. Die werden mit diesem Gesetz leider nur minimal korrigiert. Es ist schade, dass man nicht ganz grundsätzlich eine Revision der schlechten Binnenstruktur gemacht hat.