Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

Frau Haußdörfer! Möchten Sie replizieren? – Dann haben Sie das Wort.

Sehr geehrte Frau Schneider! Ich dachte, ich hätte es schon gesagt. Im Bauausschuss haben wir relativ ruhig,

pragmatisch und problemorientiert diskutiert. Dass der Herr Vorsitzende – von der CDU – Ihnen öfter einmal erklären muss, was die Rolle von Exekutive und Legislative ist, das wissen wir. Das haben wir im Ausschuss festgestellt. Auf der andere Seite betrifft die Frage nach der Unangemessenheit doch eigentlich Sie. Wir haben eine aktive Diskussionskultur auch vor Ort in der Stadt mit den Bürgern und den verschiedenen Akteuren, die daran beteiligt sind.

[Michael Schäfer (Grüne): Sie nicht!]

Was Sie hier gemacht haben, war im Gegenteil sehr unfachlich. Sie haben weder über die Bodendenkmäler noch über die weitere stadträumliche Bedeutung gesprochen.

[Zuruf von Anja Kofbinger (Grüne)]

Und dann sage ich Ihnen noch etwas: Man kann es so machen wie Sie und sich in 95 Prozent der Fälle enthalten oder mit nein stimmen. Aber dann sagen Sie bitte auch nicht, sie würden irgendetwas für die Entwicklung dieser Stadt tun, denn das tun Sie nicht! Sie sind die DagegenPartei.

[Beifall bei der SPD]

Für die CDU-Fraktion hat nunmehr Herr Dr. von Heide – Entschuldigung! –, Herr Dr. Heide das Wort. – Bitte schön!

[Andreas Gram (CDU): Alter deutscher Adel!]

Vielleicht hat man früher nach 25 Jahren Parlamentszugehörigkeit das von hier verliehen bekommen, aber ich glaube, die Zeiten sind vorbei. Gott sei Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich finde es ja relativ interessant, dass wir uns zu dieser späten Zeit noch mit so viel Enthusiasmus und Inbrunst über Bebauungspläne unterhalten, und ich hätte mich gefreut, wenn wir dieses vielleicht an einigen anderen Bebauungsplänen auch mal festgemacht hätten. Im Übrigen muss man – weil hier das Thema Exekutive/Legislative angesprochen worden ist – aus meiner Sicht mal sehen, dass wir nicht die Oberabwägungsbehörde des Senats sind, sondern dass es für die Bebauungspläne ein geordnetes Bebauungsplanverfahren gibt, wo wir zwar diejenigen sind, die bestimmt die Abwägungen nachprüfen, aber dass die eigentlichen Abwägungen durch die Verwaltung stattfinden, und das ist auch gut so, weil wir als Ausschuss damit wahrscheinlich leicht überfordert wären.

Insofern sage ich mal aus meiner Sicht, dass die Debatte, die wir über Bebauungspläne bei uns im Ausschuss führen, in manchen Dingen ein Zuviel ist. Wenn ich mich an den einen oder anderen – in Anführungszeichen – „Naturbebauungsplan“ in Adlershof erinnere, wo wir uns noch

über den Belag der Promenaden unterhalten und ob da Grün- oder Schwarzbirken angepflanzt werden, dann, finde ich, ist dies teilweise wirklich eine Verschwendung von Beratungszeit.

Ich gebe aber auch zu, Frau Senatorin, dass es an anderer Stelle Bebauungspläne gibt, wo ich gern mehr haben würde. Wir hatten in der letzten Sitzung einige Bebauungspläne, wo ich auch gern mal gewusst hätte, welche Architektur dort entsteht, einfach um mal zu sehen: Wie wirkt dieser Baukörper im Stadtbild? Darum haben wir auch mehr oder minder einvernehmlich oder auf Druck der Opposition von den drei Berlin-Mitte betreffenden Bebauungsplänen zwei angehalten und lassen uns das demnächst mal von Ihnen noch entsprechend vorstellen. Das ist aus meiner Sicht auch gut so. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass wir im Ausschuss für die Beratung von Bebauungsplänen oder im Bauausschuss diese ganzen Dinge debattiert haben und dass es sich aus meiner Sicht jetzt rächt, dass wir den Stadtentwicklungsausschuss vom Bauausschuss getrennt haben.

[Beifall bei den Grünen]

Das heißt, dass im Stadtentwicklungsausschuss die Dinge beraten werden, die nachher mit dem Bebauungsplan umgesetzt werden und dass da entsprechend die Kontinuität fehlt. Ich kann nur an die Kollegen appellieren, die in der nächsten Legislaturperiode diesem Abgeordnetenhaus angehören werden, dies wieder rückgängig zu machen, weil ich finde, Stadtentwicklung, Stadtgestaltung und Bebauungspläne gehören zwingend in einen Ausschuss, wenn es sinnvoll sein soll.

[Beifall bei den Grünen]

Dann kommen wir vielleicht mit einigen kurzen Sätzen noch zum vorliegenden Bebauungsplan. Es ist so, dass hier Straßen zurückgebaut werden, das heißt, dass die alten Regierungsbauten der DDR und die alten Aufmarschwege heute mit Sicherheit nicht mehr zeitgerecht sind und dass wir dort zu einer Blockbebauung kommen. Nun gebe ich Ihnen ja recht: Das ist höher, als wir es früher im alten Cölln gehabt haben. Aber die Frage ist dann: Was wollen wir? Wollen wir eine Rekonstruktion der alten Parzellen? Wollen wir eine Rekonstruktion der alten Straßenquerschnitte? Wollen wir eine Art historische Retrobebauung, wie man das mal im Bereich der Berliner Mitte probiert hat? Oder wollen wir an dieser Stelle Neubauten mit einer interessanten neuen Architektur? Das sind in der Tat Dinge, die wir mal untereinander erörtern müssen. Ich gebe Ihnen recht: Das fehlt. Und ich bedauere es eigentlich, dass wir nicht wie in früheren Zeiten ein Stadtforum haben, wo Volker Hassemer und interessierte Politiker und Fachöffentlichkeit auch mal ergebnisoffen diskutiert haben.

Das Problem, das ich jetzt sehe, ist, dass eine Planung der Verwaltung vorgestellt und es relativ wenig daran zu ändern gibt. Ich finde, dass es einer Verwaltung oder uns als Abgeordnetenhaus auch mal gut täte, wenn wir in diese Veranstaltung offen reingehen, wenn es dort Gestaltungswettbewerbe geben würde, wenn es dort auch Wett

bewerbe über räumliche Gliederung geben würde, damit man viele Ideen hat und sich angucken kann: Was passiert in dieser Berliner Mitte? – Denn wir müssen einmal sehen, dass das, was die DDR ehemals mit dieser Fläche gemacht dort hat, mit dem gesamten Bereich zwischen dem Alexanderplatz und dem Stadtschloss und dem Bebauungsplan, wie er heute ist, im Prinzip ein städtebauliches Abräumen gewesen ist und dass wir jetzt gefragt sind, eine zeitgemäße Bebauung dorthin zu stellen, die einen interessanten Nutzungsmix ebenso garantiert wie eine interessante Architektur. Daran sollten wir in der nächsten Legislaturperiode arbeiten und vielleicht zurückkehren zu einer generellen Planungskultur, die ergebnisoffen mit der Fachöffentlichkeit und den Bürgern viele Dinge debattiert, weil ich glaube, dass dann vieles einfacher wäre – auch in der Umsetzung –, und daran fehlt es in vielen Bereichen hier. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Heide! – Nunmehr hat für die Linksfraktion Herr Dr. Flierl das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Flierl!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der schönen Vorgaben lasse ich mich nicht hinreißen zu allgemeinen Bemerkungen zur Planungskultur oder zur Zusammensetzung und Zusammenarbeit der Ausschüsse, sondern will mich ausschließlich auf den Bebauungsplan konzentrieren und herausstreichen, dass dieser Bebauungsplan I-218 in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung genommen hat und wir zumindest als Regierungsfraktion der Linken maßgeblich daran mitwirken konnten und mitgewirkt haben. Ich will auch einige Punkte nennen, die sich in letzter Zeit verändert haben, weswegen wir diesem Bebauungsplan auch zustimmen werden.

Da ist zunächst mal der Abschied von der TownhousesKonzeption und der Übergang zum Geschosswohnungsbau, den wir gerade an diesem Bebauungsplan nachvollziehen können. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir gerade im Umfeld des Friedrichwerders und der zu besichtigenden Resultate des vorhergehenden Ansatzes hier zu einer neuen Konzeption kommen. Die Linksfraktion war besonders daran interessiert, dass es eine innere Durchwegung gibt, dass es also im Blockinnenbereich ein öffentliches Wegerecht gibt. Das ist durchgesetzt, und wir sind dankbar, dass das auch – über verschiedene Varianten und interne Studien übrigens, natürlich nicht einfach als verwaltungsinternes Durchregieren, sondern als Sondieren mit Partnern – möglich war. Insofern auch hier Dank an die Senatsverwaltung! Schließlich ist es ein bemerkenswerter Vorgang, der, glaube ich, bisher noch nicht erörtert wurde, dass mit den archäologischen Grabungen auf bemerkenswerte Weise die Stadtgeschichte

nicht einfach nur durch Wiederentdeckung von Adressen, sondern von Ergrabung von Geschichte in den Bebauungsplan integriert werden konnte.

[Zuruf]

Die Kollegin hat schon darauf hingewiesen, das habe ich überhört. – Also die Umwidmung von der Grünanlage zum Stadtplatz war eine wesentliche paradigmatische Änderung, und ich glaube, dass es auch durch Bürgerbeteiligung gelungen ist, die historische Dimension dieses Ortes deutlich zu machen. Und wiewohl es wegen des Stadtgrundrisses und des notwendigen Verkehrs, übrigens auch mit Straßenbahnen, nicht möglich sein wird, die Kirche an der Stelle, an historischem Ort zu rekonstruieren, so soll doch wenigstens an die Spuren der verschiedenen historischen Kirchenbauten erinnert werden. Ich will auch sagen, dass zumindest die stadt- und kulturpolitischen Akteure meiner Fraktion außerordentlich leidenschaftlich für den Neubau in öffentlicher Trägerschaft eines Museums für Ur- und Frühgeschichte streiten und die Hoffnung haben, dass das Land Berlin durch Kofinanzierung auch dieses Unternehmen mitunterstützt, um diesem wichtigen Stadtort auch eine entsprechende öffentliche Ausstrahlung und Information zu geben.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wenn etwas kritisch anzumerken ist, dann ist sicherlich die bloße Wiederherstellung von historischen Adressen und Gebäuden, wie wir es etwa beim Cöllnischen Rathaus sehen, ein problematischer Vorgang. Wir werden zwar ein Gebäude haben, das irgendwie an das Cöllnische Rathaus erinnert – dankenswerterweise hat man ja auch bei historischen Grabungen ein paar Reste gefunden, auf die man sich beziehen kann –, aber natürlich wäre es schön gewesen, auch für diesen Bereich eine öffentliche Nutzung zu finden, sodass der eigentliche sinnstiftende Zusammenhang, dass die Doppelstadt Berlin-Cölln dort ihr zweites, also das Cöllnische Rathaus fand, sichtbar geworden wäre. Ich meine, dass sich der Bebauungsplan vertreten lässt. Sicherlich kann man hinsichtlich der Stadtentwicklung Hoffnungen äußern, dass in Zukunft im innerstädtischen Bereich vielleicht eine bessere soziale Durchmischung stattfindet, möglicherweise auch die Geschosshöhen und Ähnliches reduziert werden können. Aber vor dem Hintergrund der bereits eingeleiteten Entwicklung ist das, glaube ich, ein bemerkenswertes Umsteuern, das in der letzten Legislaturperiode gelungen ist. Insofern werden wir diesem Bebauungsplan heute zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Dr. Flierl! – Für die FDP-Fraktion hat nunmehr der Kollege Schmidt das Wort. – Bitte schön, Herr Schmidt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Debatte, die hier ablief, hat meine Fraktion entschieden, den Redner zu wechseln, weil man einfach dem, was gesagt wurde, unbedingt etwas entgegnen muss. Die erste Sache ist: Es gab ja Verwunderung von Herrn Dr. Heide, warum hier so viel Emotion bei dem einen Bebauungsplan ausgelöst wird. Es ist ein Bebauungsplan für eine Gegend, wie es sie nur einmal in dieser ganzen Stadt gibt, nämlich für die Wiege der Historie unserer Stadt und für den Kern des alten Cölln.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Insofern hat er eine Bedeutung, und wenn Sie die nicht sehen, dann haben Sie, glaube ich, auch den historischen Zusammenhang der Stadt nicht verstanden.

[Beifall bei der FDP]

Zu sagen, es ginge hier nur noch darum, interessante Architektur zu schaffen, nein, das ist weiterhin der Kern der Stadt. Es geht nicht um zeitgemäße Bebauung, sondern auch darum, diese in den historischen Kontext zu stellen und den auch eindeutig darzustellen.

Frau Haußdörfer! Es ist eben nicht nur eine Verbindung zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz, wo irgendeine Straße und eine Straßenbahntrasse darüber führt. Da waren vielmehr das Rathaus, der Markt und da war eben auch die Petrikirche. Dass die Petrikirche überhaupt nicht mehr vorkommt, ist für uns als FDP-Fraktion durchaus noch ein Thema. Herr Flierl sagte, es ginge alles nicht. Es gab durchaus auch in dem Buch von Herrn Stimmann Hinweise darauf, wie das mit der Kirche und dem Straßenquerschnitt aussehen könnte. Es ist überhaupt nicht ausgeschlossen, dass dort eine Kirche steht. Wir würden auch gern weiter darüber diskutieren.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Die Qualität des Bebauungsplans hat eine ganze Menge offener Fragen. Wenn die Kirche dort nicht steht, sondern nur eine Grünfläche vorhanden ist, ist nicht klar, wie attraktiv die Wohnbebauung eigentlich sein kann, bei dem Lärm, der dort vorhanden ist. Das Gebiet zwischen Staatsratsgebäude und Petriplatz – auch darauf hat Frau Schneider hingewiesen – hat eine unheimliche Bedeutung, die zurzeit in diesem Bebauungsplan überhaupt nicht richtig angefasst wird. Man muss sich ganz konkret überlegen, was in diesem ganz zentralen Bereich eigentlich passiert, nicht nur am Petriplatz, sondern in dem Bereich zwischen Petriplatz und Staatsratsgebäude.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Insgesamt – auch hier hat Frau Schneider völlig recht – ist der Umgang mit dem Parlament, der hier gepflegt wird, wirklich empörend.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Eine der wesentlichen Lektionen aus dem Thema Spreedreieck war, dass ganz klar gesagt wurde, dass dringend empfohlen wurde, das Parlament viel früher in die Verfahren einzubinden. Ein Verfahren, dass ein Bebau

ungsplan in diesem Schweinsgalopp für ein historisches Gelände, das hundert Jahre lang Bestand in der Planung haben wird, in diesem Parlament durchgepeitscht wird, ist für das Parlament und auch für die Stadt nicht zumutbar.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Der einzige Grund, warum das passiert, ist, dass die Linkspartei, kurz bevor sie aus der Regierung abtreten muss, jetzt zum Schluss noch ein paar Bebauungspläne beschließen will. Das ist der Grund, warum man uns dieses jetzt hier zumutet. Das sollten wir uns nicht zumuten lassen. Ich finde es auch gegenüber den anderen Fraktionen unfair, liebe Kollegen von der Linkspartei. Wir müssen die Zeit haben, es zu diskutieren. Wir müssen die Zeit haben, auch die Details aufzugreifen. Sie sind es uns als Parlament eigentlich auch schuldig, uns diese Zeit zu geben. Darum bitte ich Sie jetzt, das zu tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zum Bebauungsplanentwurf Drucksache 16/4171 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Grünen und der FDP – die Annahme. Wer dem Bebauungsplanentwurf zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die Linksfraktion und die CDU. Danke! Die Gegenprobe! – Das ist die FDP. Enthaltungen? – Das sind die Grünen. Dann ist das so beschlossen.

Ich komme zum