[Beifall bei der CDU – Zuruf von der Linksfraktion: Die sind doch nicht von der CDU! – Weitere Zurufe]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, Herr Hoffmann! Die Anträge kommen nicht zu spät, sondern sie sind der Ausfluss von zwei Jahren Umsetzung des Reformprozesses, der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe.
Der Umsetzungsprozess des SGB II bzw. die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe – das wissen alle in diesem Haus – war ein mächtiger Gewaltakt und hat den Akteuren auf beiden Seiten sehr viel zugemutet. Ja, Herr Czaja!
Dafür auch von dieser Stelle aus noch einmal Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis heute sehr engagiert in den Jobcentern arbeiten! Sicherlich gibt es auch andere, die lange krankgeschrieben sind und plötzlich eine andere Tätigkeit ausführen. Ich würde mal in Ihren Reihen nachschauen.
Aber leider stellen wir auch fest, dass zwei Jahre nach Errichtung der Jobcenter die Kundenunzufriedenheit nicht abnimmt. Ich habe den Eindruck, sie nimmt gefühlt sogar zu. Das können und wollen wir von SPD-Fraktion so nicht länger hinnehmen und fordern deshalb den Senat auf, seinen Einfluss noch etwas stärker geltend zu machen. Dazu dienen die Anträge der Regierungsfraktionen, für die ich heute um Ihre Zustimmung bitte.
Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen, wo es noch besonders hakt! Insbesondere im Leistungsbereich kommt es zu einer erheblichen Zahl von Widersprüchen und Klagen. Warum? – Ein Problem besteht darin, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer noch nicht ausreichend geschult sind. Das ist ein Mangel. Es ist auch nicht länger hinzunehmen, dass der bundesweit geltende Betreuungsschlüssel 1:75 bei den unter Fünfundzwanzigjährigen und 1:150 noch immer nicht erreicht wurde. Das wollen und können wir so nicht hinnehmen.
Ein besonderes Problem – darauf ist Frau Breitenbach schon eingegangen – stellen die befristeten Arbeitsverträ
ge in den Jobcentern dar. Hier muss unbedingt gehandelt werden. Es müssen Zahlen auf den Tisch, ob Berlin davon betroffen ist, dass es Entlassungen gibt, weil es nicht zu Entfristungen kommt. Das muss unbedingt in Kürze geklärt werden.
Diverse Beschwerden, die uns erreichen, sowie die Beantwortung meiner Kleinen Anfrage im Abgeordnetenhaus machen deutlich, dass die direkte telefonische Erreichbarkeit mit der zuständigen Sachbearbeitung verbessert werden muss. Durch die jetzt praktizierte telefonische Erreichbarkeit ausschließlich über die Servicecenter kommt es zu unnötigen Besucherströmen in den Jobcentern. Das muss nicht sein, und das müssen wir abstellen. Um zum einen dem Anliegen der Arbeitslosengeld-IIEmpfängerinnen und -Empfänger entgegenzukommen, zum anderen aber die Beschäftigten der Jobcenter nicht noch zusätzlich zu belasten, ist eine klare Zuständigkeit erforderlich.
Dazu gehört auch der persönliche Ansprechpartner und nicht die Teamberatung in den Jobcentern. Dazu gehört auch die telefonische teilweise Erreichbarkeit.
Das Prinzip des Förderns und Forderns setzt voraus, dass es zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Beschäftigten und Kunden kommt. Deshalb ist es notwendig, dass die zurzeit noch bestehenden Mängel so schnell wie möglich abgestellt werden. Trotz Konjunkturaufschwungs und zunehmender Zahl von versicherungspflichtigen Beschäftigten auch in Berlin im ersten Arbeitsmarkt – auch wenn es der Opposition nicht passen sollte – wird es auch in Zukunft Langzeitarbeitslose geben, die aus den unterschiedlichsten Gründen keine oder nur minimale Chancen haben, in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden.
Für diese Menschen wollen wir einen öffentlichen Beschäftigungssektor schaffen, um ihnen auch eine Perspektive zu geben, eine längerfristige Perspektive als MAE und ABM.
Diese öffentliche Beschäftigung darf aber nicht dazu benutzt werden, bestehende reguläre Arbeitsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt zu vernichten. Deshalb sollen und müssen die Einsatzfelder mit den Sozialpartnern abgestimmt werden. Wir wollen mit diesem öffentlichen Beschäftigungssektor Menschen eine Chance geben, längerfristig eine Arbeitsmöglichkeit zu erhalten, die sozialversicherungspflichtig ist. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, sich gegenüber der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit dafür einzusetzen, dass die aktiven und passiven Leistungen zusammengeführt werden. Dieses Programm wollen wir für 2 500 Stellen in Berlin ausrichten.
Burgunde Grosse (SPD) Ich sehe den Blitz, danke. – Solange es aber keine bundeseinheitliche Regelung gibt, fordern wir trotzdem den Senat auf, die Voraussetzungen für ein eigenes Programm zu schaffen. Dieses Programm soll erstens auf Freiwilligkeit, zweitens auf Entlohnung an tariflicher Bezahlung orientiert und drittens – das ist ganz wichtig – auf einer mehrjährigen Laufzeit beruhen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich möchte bitte nur noch den einen Satz sagen dürfen. – Arbeit ist mehr als Geldverdienen. Deshalb müssen wir alles daran setzen, die Arbeitslosigkeit zu senken und für die Menschen eine spürbare Verbesserung in den Jobcentern zu schaffen. Dafür müssen wir uns alle im Parlament einsetzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Breitenbach! Ich muss mich hier wahrlich nicht von Ihnen als dumm oder dreist beschimpfen lassen. Erstens ist es unparlamentarisch, und zweitens können Sie Ihre unqualifizierte Meinung für sich behalten.
Jeder in diesem Haus kann sich gut daran erinnern, wie in den letzten Jahren unsere Forderungen nach einer besseren Förderung der Langzeiterwerbslosen, unsere Forderung nach Verbesserung der Arbeit der Jobcenter und viele weitere Verbesserungen mit dem ewig gleichen Argument von der damaligen Arbeitsmarktpolitikerin Carola Bluhm abgebügelt wurden, man sei schlicht nicht zuständig.
Frau Breitenbach, Sie fühlen sich jetzt zuständig. An Ihrer Stelle würde ich mich gewaltig dafür schämen, dass Sie die letzten Jahre keine Arbeitsmarktpolitik betrieben haben und schlichtweg untätig zu Lasten der Erwerbslosen unserer Stadt waren, anstatt andere zu beschimpfen, Frau Breitenbach.
Bislang haben Sie nichts getan, um das SGB II umzusetzen, Frau Breitenbach. Regen Sie sich bitte ab, Sie waren ja schon dran! Sie haben sich schlichtweg vor Ihrer Verantwortung gedrückt. Das Ergebnis ist bekannt. Es gibt Chaos in den Jobcentern, eine unsägliche hohe Anzahl an Ein-Euro-Jobs in dieser Stadt – in Marzahn gibt es immer noch die meisten –, und dennoch verfallen Fördermittel für Arbeitslose. Das ist Ihre bisherige Bilanz. Sie ist unerträglich mies.
Nach dieser Blockade-Politik der letzten Jahre scheinen Sie zumindest etwas ins Nachdenken gekommen zu sein. Vielleicht dank der SPD. Zumindest kommt etwas in Bewegung. Ich habe noch einmal nachgeschaut: In den letzten fünf Jahren haben Sie vier Anträge zur Arbeitsmarktpolitik eingebracht. Wenn es nicht zu Lasten der Erwerbslosen in der Stadt gehen würde, wäre es noch zum Lachen. So ist es schlichtweg ein Versagen.
Heute liegen drei Anträge auf dem Tisch, die bereits per Vorabüberweisung im Ausschuss beraten wurden. Jetzt komme ich zu den Inhalten, weil der Aktionismus etwas merkwürdig anmutet, nachdem Sie fünf Jahre lang gar nichts getan haben. Nun soll alles ganz schnell gehen. Ich komme zu den Serviceleistungen der Jobcenter. Dass sie nicht kundenfreundlich arbeiten, wissen wir alle aus der Presse. In den letzten Wochen wurde es breit besprochen. Ein besonders groteskes Beispiel muss ich Ihnen aber doch noch einmal nennen, weil es einfach unglaublich ist. Die Sachbearbeiter dürfen von den Betroffenen nicht angerufen werden. Wenn weniger telefoniert würde, bliebe mehr Zeit für die direkte Betreuung und Vermittlung. So lautet die dahinter stehende Theorie. Davon ist nur das Telefonverbot übrig geblieben. Auf bessere Betreuung können wir lange warten. Das ist ein wirkliches Problem. Die telefonische Erreichbarkeit zu verbessern ist uns ein Anliegen, Frau Breitenbach. Wenn es den Handlungsbedarf noch gäbe, würden wir dem Antrag auch zustimmen. Nun hat Ihre Staatssekretärin letzte Woche im Ausschuss bestätigt, das sei alles bereits mit der Regionaldirektion vereinbart worden. Damit ist doch alles wunderbar. Der Antrag ist obsolet geworden und ein echter Schaufensterantrag. Das ist peinlich.
Im zweiten Antrag wird der Senat aufgefordert, die gesetzlich vorgeschriebenen Personalschlüssel auch in Berlin zu realisieren und damit die Mitarbeiter des Stellenpools zu qualifizieren und dort einzusetzen. Na bravo, sagen wir dazu. Wir unterstützen diesen Antrag und stimmen ihm auch zu, weil das Anliegen richtig ist. Warum uns jedoch diese Anträge mehrmals mit dem Hinweis, man sei nicht zuständig, abgelehnt wurden, oder warum die Koalition nicht selbst frühzeitig – immerhin arbeiten die Jobcenter seit 2005 – das Problem aufgegriffen hat, das wird wohl ein rot-rotes Rätsel bleiben. Auch hier bleibt der Verdacht der Symbolpolitik im rot-roten Schaufenster.
Nun komme ich zum letzten Antrag, der Schaffung eines öffentlichen Beschäftigungssektors. Das ist ein etwas pompöser Name für ein Modellprojekt mit 2 500 Teilnehmern. Angesichts der Tatsache, dass bereits heute in Berlin 30 000 Ein-Euro-Jobs, 8 000 ABM-Stellen und weitere 4 500 sozialversicherungspflichtige Jobs öffentlich gefördert werden, sind weitere 2 500 Stellen wohl eher symbolisch zu verstehen. Der Antrag wiederum – das ist das Problem, Frau Breitenbach – gibt keine einzige Antwort zu den zentralen Fragen der Finanzierung, der Zielgruppen und der Beschäftigungsfelder. Das wird ausgeklammert. Ich frage Sie aber, wer soll auf welcher finanzieller Grundlage welche Arbeit durchführen? Das ist doch das Spannende.
Es geht nicht um eine technokratische Überlegung: Welche Menschen sollen welche Arbeiten zum Wohl der Stadt tun? Wer soll das sein? – Dazu gibt es keine Antworten. Wir sehen diesen Bedarf durchaus in der Stadt bei der sinnvollen Beschäftigung im soziokulturellen Bereich, in Seniorencafés, als Integrationslotsen in Mitte – das ist ein tolles Projekt –, bei Einsätzen in Sportvereinen oder Jugendeinrichtungen. Es wird schon wieder kritisch im handwerklichen Bereich. Wir sagen, dass dieser nicht tabu sein darf. Was sagen Sie eigentlich dazu? Wie halten Sie es mit der Öffnung der sogenannten Positivliste, die zurzeit sinnvolle Beschäftigung nicht regelt, sondern eher verhindert? Haben die Jobcenter eigentlich zugesagt, bei dem Modellprojekt mitzumachen? Welche Bezirke machen überhaupt mit? Das sind alles Fragen, die auch nach dieser Diskussion ungeklärt bleiben. Der vorliegende Antrag ist damit leider kein Konzept, über das man ernsthaft diskutieren könnte, sondern leider reine Symbolpolitik.
Vielen Dank für die pünktliche Redezeiteinhaltung! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Lehman das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Forderungen nach einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor verdeutlicht in aller Härte den unterdurchschnittlich ausgeprägten ökonomischen Sachverstand des linken Lagers hier in diesem Haus.
Dass es unser Ziel sein muss, auch schlecht qualifizierte Langzeitarbeitslose in Lohn und Brot zu bringen, ist unbestritten. Nur in der Wahl der Instrumente werden wir uns wohl nie einig. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, auf Kosten der Steuerzahler einen dritten Arbeitsmarkt zu schaffen. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, sich auf dem Feld der Wirtschaft einzumischen. Der Staat soll Schiedsrichter sein, aber nicht Mitspieler. Als Schiedsrichter muss man geeignete Rahmenbedingungen schaffen, also Regeln aufstellen.
Die Verzerrung des Arbeitsmarktes durch staatlichen Interventionismus ist aus liberaler Sicht nicht hinnehmbar.
Es sind Unternehmen, die durch Investitionen Arbeitsplätze schaffen. Um in dieses Stadium zu gelangen, dass es überhaupt Unternehmen gibt, die Arbeitsplätze zu schaffen imstande sind, müssten die Rahmenbedingen jedoch erst einmal stimmen. Die Posse um den Flughafen Tempelhof zeigt jedoch, wie der Wowereit-Senat aktiv die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert: Investoren werden abgeschreckt, verhöhnt und vergrault.