Protokoll der Sitzung vom 08.03.2012

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 29. Februar 2012 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 7. März 2012 Drucksache 17/0207

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0118

in Verbindung mit

lfd. Nr. 21:

Keine Umgehung der Grunderwerbsteuer: Initiative zum Schließen von Schlupflöchern im Grunderwerbsteuerrecht

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0198

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 17/118 auf.

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte sehr!

Weil gerade der Wechsel ist, muss ich beides sagen: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte zu dieser Gesetzesänderung bettet sich in unsere gegenwärtige Haushaltsdiskussion ein, wo wir hart um Einnahmen ringen und auch um jede Ausgabe streiten, natürlich mit dem Ziel, im Ergebnis einen Haushalt vorzulegen, der die richtigen Entscheidungen für diese Stadt trifft. Hier sind die Auffassungen und Schwerpunktsetzungen der einzelnen Fraktionen durchaus sehr unterschiedlich. Ich weiß auch nicht, ob alle Fraktionen hier unsere Einschätzung teilen, dass wir in Berlin vor allem ein Einnahme- und kein Ausgabeproblem haben. Einig sind wir uns im Parlament jedoch darin, dass Berlin seine Möglichkeiten, Einnahmen zu erzielen, erweitern muss. Deshalb ist es erst einmal richtig, hier die Grunderwerbsteuer in den Blick zu nehmen, und durch die Erhöhung des Hebesatzes um 0,5 Prozent verspricht sich der Senat zusätzliche Einnahmen in Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr. So weit, so gut.

Aber uns reicht das nicht, und zwar aus zwei Gründen nicht. Erstens weil wir es nicht hinnehmen wollen, dass dem Gemeinwesen Einnahmen durch Schlupflöcher entgegen. Das betrifft die sogenannten Share-Deals. Hier erwirbt der Käufer nicht das Objekt, sondern Anteile an einer Gesellschaft, in deren Besitz das Objekt ist und offiziell auch verbleibt. Erwirbt der Käufer weniger als 95 Prozent, also beispielsweise 94,9 Prozent, ist der Kauf von der Grunderwerbsteuer befreit. Er zahlt also die Steuer, die hier erhöht werden soll, gar nicht. Ist bekannt, wie viel Einnahmen dem Fiskus dadurch entgehen? Gestern im Hauptausschuss wusste das niemand zu sagen.

Die geplante lineare Erhöhung verstärkt die faktisch bestehende Ungerechtigkeit zwischen privaten und gewerblichen Erwerbern. Dieses Schlupfloch wollen wir schließen. Deshalb fordern wir den Senat auf, eine Bundesratsinitiative zur Erhebung der Grunderwerbsteuer auch bei Share-Deals auf den Weg zu bringen. Da hier zusätzliche Steuereinnahmen in Millionenhöhe zu erwarten sind, sind wir uns sicher, dass sich schnell weitere Länder zur Unterstützung einer solchen Initiative finden werden.

Es gibt einen zweiten Grund, der ist vielleicht noch wichtiger als der erste, weshalb wir uns gegen den jetzt vorgeschlagenen Weg des Senats aussprechen. Wir wollen mit den Steuern tatsächlich auch steuern. Wir wollen das Instrument der Grunderwerbsteuer wieder schärfen, um damit das Problem der Mietsteigerungen und Verdrängung durch Immobilienspekulation anzugehen.

[Beifall bei der LINKEN]

Das betrifft einerseits Besteuerung der Share-Deals, wie angesprochen, hier müssen die Spekulanten zur Kasse gebeten werden, um die Spekulationen zu verteuern und unattraktiver zu machen. Aber auch darüber hinaus wollen wir gezielter steuern. Wir wollen den Hebesatz der Grunderwerbsteuer differenzieren, denn auch unabhängig vom Problem der Share-Deals ist eine einheitliche Höhe der Steuerpflicht nicht ausgewogen und hat keine bzw. nur eine geringe Steuerungswirkung. Selbstgenutzte Immobilien wollen die Menschen, um darin zu wohnen oder zu arbeiten, nicht um ihr Kapital arbeiten zu lassen.

[Joachim Esser (GRÜNE): Ändert sich!]

Es geht hier also nicht um Immobilienspekulationen. Deshalb sollte dieser Eigentumserwerb geringer besteuert werden und mindestens beim jetzigen Steuersatz verbleiben. Dagegen sollte die Grunderwerbsteuer auf Immobilien zur Kapitalverzinsung deutlich erhöht werden. Die Spekulation mit Immobilien, der Handel mit ihnen würde dadurch unattraktiver, das langfristige Halten und Entwickeln von Immobilien wahrscheinlicher. Das gibt einen weiteren Effekt. Der stetige Handel mit Wohn- und Gewerbeimmobilien steigert nur die Renditeerwartungen, bringt aber nichts für den Neubau. Eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer für Nichtselbstnutzer kann hier die Investitionen in die richtige Richtung lenken. Ein Neubau ist steuerlich weniger belastet, weil nur für das Grundstück die Grunderwerbsteuer anfällt.

Eine weitere Möglichkeit, die Einnahmesituation des Landes Berlin zu verbessern, sehen wir darin, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, sich an Ihren eigenen Parteitagsbeschluss zur Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent halten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Auch heute wurde im Plenum mehrfach über Gerechtigkeit gesprochen, gerade von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Aber ist es gerecht, dass die Finanzierung des Gemeinwesens immer wieder zu übergroßen Teilen auf den Schultern der Geringverdienenden liegt, warum Menschen mit hohen Einkommen immer wieder Schlupflöcher finden, auf legitime Weise der Besteuerung zu entgehen?

Sie müssten dann zum Ende kommen, bitte!

Einen Satz noch! – Wir fordern daher den Senat auf, im Bundesrat dem Entschließungsantrag zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer von 42 auf 49 Prozent zuzustimmen. Damit würden Sie wenigstens dem Satz zustimmen, der bereits unter der schwarzgelben Regierung der 90er-Jahre bestand.

Ein langer Satz!

Und es wäre vielleicht der erste Schritt zu dem von der Linken geforderten Spitzensteuersatz von 53 Prozent. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Auch vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Kollege Schneider das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Frau Dr. Schmidt! Zu dem Antrag, den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent zu erhöhen: Inhaltlich unterstützt die SPDFraktion das Ansinnen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Zurufe von den PIRATEN: Aber?]

Die Prämisse, möglichst geringe Steuerbelastungen für Spitzenverdiener würden zu mehr Wachstum und zu mehr Arbeitsplätzen führen, kann nach unserer Überzeugung als wiederlegt gelten.

[Beifall bei der LINKEN]

Schreiben Sie das mal auf ins Protokoll! – Das ist im Übrigen dieselbe Fehlsicht wie die Behauptung, möglichst geringe Bezahlung von Arbeitnehmern würde zu mehr Beschäftigung führen.

[Beifall bei der LINKEN – Elke Breitenbach (LINKE): Genau! Richtig! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Weiter so!]

Selbst die seinerzeitige Absenkung von 53 auf 42 Prozent hat keine signifikanten konjunkturellen Effekte gehabt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das ist ja wunderbar, Herr Lederer!

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Warum klatschen die Sozis nicht?]

Ja, Sie wissen noch gar nicht, was kommt. – Umgekehrt würde eine Anhebung von 42 auf 49 Prozent voraus

sichtlich zu Mehreinnahmen von über 5 Milliarden Euro führen und die Haushalte deutlich stärken.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Aber – und jetzt kommt das Aber, Sie haben ja alle darauf gewartet –

[Christopher Lauer (PIRATEN): Bingo!]

Also, lieber Kollege! Zwischenruf ist gut, aber nicht johlen, bitte!

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich wollte einfach meine Freude über den Kollegen ausdrücken!]

Freuen kann man sich auch anders.

Also diese fünf Sekunden schenke ich Ihnen, Herr Präsident. – Natürlich kennen Sie die bundesweite Haltung der SPD und wissen auch, dass der in Rede stehende Bundesratsantrag eine A-Länder-Initiative ist. Und ehrlich gesagt, ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, Ihnen Nachhilfe zu Koalitionsmechanismen zu geben.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU – Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Sie sollten langsam wissen, dass diese Koalition stabil arbeitet,

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

ohne unterschiedliche Grundpositionen zu räumen.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Umfaller!]

Viel spannender wird es sein, wann sich Die Linke einmal aus ihrer Lethargie und ihrem Applaus für mich verabschiedet und hier eigene Schwerpunkte aufruft, als die geneigte Berliner Öffentlichkeit ständig mit fremden Bundesratsthemen zu befassen. Das langweilt uns.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wollen Sie den Beifall wirklich haben?]