steuern 12 Prozent bei. Hier von einer großen Gerechtigkeitslücke zu sprechen, scheint, was die Zahlen anbetrifft, nicht ganz zu stimmen.
Man muss natürlich auch auf die individuelle Belastung der Bürgerinnen und Bürger abstellen. Da kann man ja über unterschiedliche politische Ansätze streiten, und ich gebe gern zu, dass sich auch viele in der SPD darüber Gedanken machen, wie man das gerechter machen kann. Aber es gibt auch die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle aufgestellt hat, was den Halbteilungsgrundsatz anbetrifft. Und der sagt eben, dass die Steuern auf Einkommen und Vermögen zusammen maximal nur 50 Prozent sein dürfen. Und wenn wir uns insgesamt die Steuerbelastung der Menschen in unserem Land angucken und sehen, welche sonstigen Abgaben und Beiträge sie zu zahlen haben – wir diskutieren in Berlin beispielsweise auch über die Kosten des Wassers und anderer Dinge –, dann ist die Belastung gerade für mittlere Einkommen schon sehr hoch. An dieser Stelle würden wir als Union eher den Handlungsbedarf sehen, wenn man über Gerechtigkeitsfragen nachdenkt. Denn wenn Sie sich anschauen: Diejenigen die 50 000 bis 125 000 Euro verdienen, sind diejenigen, die 40 Prozent des Steueraufkommens ausmachen. Und wenn es einen politischen Handlungsbedarf gibt, dann würden wir ihn eher da sehen. In diesem Zusammenhang ist, Frau Kollegin Herrmann, die Frage der kalten Progression schon eine, die man diskutieren muss. Wir sehen nicht zwingend ein, warum bei jeder Gehaltserhöhung, die die Tarifparteien ausverhandeln, der Staat automatisch mitverdienen muss, obwohl darüber nie ein Steuergesetz gemacht worden ist. Wir glauben, dass das eher eine Gerechtigkeitslücke ist, die es hier gibt. Aber wir kommen halt auch zu der Erkenntnis – da kann ich dem Kollegen Schneider nur zustimmen –: Hier sind zwei Parteien in einer handlungsfähigen Koalition,
und wir müssen unsere Politik an dieser Stelle nicht mit solchen Diskussionen belasten, die nicht in der Gestaltungsmöglichkeit des Landes Berlin liegen. Da können Sie sich ja, liebe Kollegen der Linken, die Sie jetzt hier lauthals rumrufen, Ihre Vergangenheit vor Augen halten und feststellen, dass Sie immer nur im Bremserhäuschen saßen und offensichtlich weniger hinbekommen haben.
Was die Grunderwerbsteuer anbetrifft, ist es in der Tat so: Es gibt ja nicht nur für Unternehmen und den Personenkreis, den Sie aufgezählt haben, diesen Gestaltungsspielraum. Auch für Private sieht das Grunderwerbsteuergesetz Gestaltungsmöglichkeiten vor. Insofern ist es nicht richtig, dass man hier eine riesige Lücke schließen muss, die sich aufgetan hat. Im Übrigen, ich habe mal versucht rauszukriegen, wie eigentlich die Zahlen sind, die durch diese vermeintlichen Umgehungsgeschäfte dem Fiskus entgehen. Niemand ist in der Lage zu sagen, wie hoch tatsächlich das ist, was wir hier verlieren. Steuer
behörden sind ja manchmal findig. Ich glaube, wenn es ein nennenswerter Betrag wäre, wäre man schon in der Lage, uns diesen zu nennen.
Wenn es um soziale Steuerungsmöglichkeiten, Frau Kollegin Dr. Schmidt, an dieser Stelle geht, und Sie die Mietsteigerungen als Gestaltungspotenzial andenken, so darf ich Ihnen sagen: Das ist auch eine Frage von „wie viel bezahlbaren Wohnraum biete ich an“, also eine Frage von Wohnungsbau. Und wenn ich mir dann manche Stadtsanierungsgebiete, die wir in Berlin haben, angucke: Da haben wir mit staatlichen Fördergeldern noch dafür gesorgt, dass diese Wohnungen jetzt in einem Zustand sind, dass man sie teuer als Eigentumswohnungen verkaufen konnte und sie im Ergebnis gerade nicht mehr als preiswerter Wohnraum zur Verfügung stehen. Da war doch die Fehlsteuerung in den letzten Jahren, die wir in manchen Stadtquartieren jetzt bedauern, und nicht bei der Frage, ob wir Share-Deals beseitigen oder nicht. Ich glaube, insgesamt liegen Sie hier mit dem, was Sie zu initiieren versuchen, auf einer sehr schmalspurigpopulistischen Ebene, die jedenfalls nicht in der Lage ist, für die Einnahmesituation des Landes Berlin oder irgendeinen anderen sozialen Steuerungsaspekt einen relevanten Beitrag zu liefern. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Goiny! – Für die Fraktion der Piraten hat der Kollege Herberg das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr schön, dass wir zu der Uhrzeit noch zu einem so wichtigen Thema wie Steuern reden; ein ganz schön großes Päckchen: Grunderwerbsteuer, Schlupflöcher, Spitzensteuersatz. Der Grundtenor ist schon genannt worden: Es geht irgendwie um Steuergerechtigkeit. Ich werde das mal wie die anderen sukzessiv abarbeiten.
Die Beschlussempfehlung zur Grunderwerbsteuer, die wir dem Senat mitgeben sollen, ist erst mal positiv zu nehmen. Wir legen 0,5 Prozent drauf. Wir von den Piraten haben auf mehr Mut gehofft, vielleicht ein bisschen größer. Berlin ist interessant für Spekulanten etc. Da hätte man vielleicht ein bisschen mehr gestalten können. Wir werden mal schauen, ob wir zu den nächsten Haushaltsberatungen davon überzeugen können, dass wir beim nächsten Mal ein bisschen höher gehen.
Dann kommen wir zum Antrag, den wir in den Senat geben sollen als Bundesratsinitiative. Dieser enthält keine konkreten Forderungen, das ist kein Arbeitsauftrag. Wenn ich so was in unseren Vorstand oder sonst was
gebe, dann lachen die mich aus. Die fehlende Faktenlage, so Zahlen wie Millionen und Milliarden, die uns durch irgendwelche Share-Deals entgangen sein sollen, verstehe ich an der Stelle nicht. In unserem Squad Finanzen und Haushalt gehen sie eher davon aus, dass wir möglicherweise bestimmte GmbHs etc. zu hoch besteuern, genau weil wir in dem Bereich schon mit der Fünfprozentklausel arbeiten. Ich glaube, das müssen wir im Ausschuss noch ein bisschen diskutieren. Vielleicht kommen wir da zu Potte. Und vielleicht kriegen wir irgendwann einmal Fakten auf den Tisch. Bis dahin kann man so etwas auf keinen Fall einfach an den Senat bzw. an den Bundesrat weitergeben. Was soll der denn damit anfangen?
Dann haben Sie sogar einen konkreten Antrag, der im Bundesrat schon vorliegt: „Spitzensteuersatz rauf!“. Ich lese da als Erstes den Satz vor, den mir das Squad Finanzen gegeben hat.
Die Forderung nach einem Spitzensteuersatz von 49 Prozent ist eine platte politische Aktion der Linken im Vorwahlkampf zur Bundestagswahl 2013, um mit diesem Thema Emotionen zu wecken und Wählerstimmen zu gewinnen.
Das größere Problem, Steuergerechtigkeit und Schlupflöcher, das wir im Prinzip haben: Wir müssen, wenn wir über dieses Thema reden, über Verbreiterung der Besteuerungsgrundlagen reden, über Abschreibungsmöglichkeiten, gerechtere Verteilung auch der Sozialversicherungskosten – das ist vor allem etwas, was in den niedrigeren Breichen eher zu Problemen führt – gegen Steuerflucht durch mehr fahnden etc. Das sind alles so Dinge, über die wir reden können. Aber das ist eine Sache – –
Das ist kein Antrag, den wir hier einbringen; das ist Schwachsinn, weil: Wenn wir irgendetwas einbringen und in den Bundesrat schieben, dann haben wir da verschiedene Parteien, Land, Bund etc. Das ist Blödsinn. Wir müssen im überparteilichen Bereich da mal zusammenkommen.
Nein, nein! Das Steuersystem ist auf Bundesebene ganz oben. Entweder wir schaffen es, überparteilich da mal zu einem Konzept zu kommen, oder wir ändern daran überhaupt nichts und pfuschen daran immer weiter herum.
Vielen Dank, Herr Kollege Herberg! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu den Anträgen der Fraktion Die Linke wird die Überweisung an den Hauptausschuss empfohlen. – Da höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Was die Gesetzesvorlage Drucksache 17/0118 angeht, empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen Die Linke die Annahme. Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind CDU und SPD. Wer ist dagegen? – Das ist Die Linke. Wer enthält sich? – Die Piraten enthalten sich. Und die Grünen?
Dann stimme ich noch mal ab, weil ihr nicht ganz einig seid, wie ihr stimmt. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU, der Piraten und der Grünen. Dagegen ist Die Linke. Ein Pirat ist dagegen. Das wird dann noch vermerkt. Ein Pirat, Kollege ClausBrunner, hat dagegen gestimmt. Eine Enthaltung sehe ich auch noch. Langsam, aber sicher kommt das Meinungsbild dort zustande. Damit ist das Gesetz, hier auch kurz als Steuergesetz bezeichnet, beschlossen.
Auch hier wieder fünf Minuten pro Fraktion. Es beginnt in diesem Fall Die Linke als Antragstellerin. Dr. Lederer, Sie haben das Wort – bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, dass Sie alle schon ins Bettchen wollen. So schlecht bezahlt, wie wir sind, ist es schon richtig, muss man eigentlich schon um 20 Uhr Schluss machen. Ich will den Kollegen Herberg auch gar nicht aufhalten. Sie können ja dann alle auf Ihre Redebeiträge verzichten.
Aber ich finde, das Thema ACTA lohnt es, auch zu dieser Zeit noch zu reden. Ich glaube auch, dass wir gut daran tun, uns als Land Berlin in diese Debatte einzubringen und mit darüber öffentlich zu diskutieren, was da eigentlich verhandelt worden ist. Denn es wird viel Unsinn erzählt über ACTA, es gibt viel Mythenbildung. Warum das so ist, ist klar: Von 2006 bis 2010 ist dieser Vertrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt worden, und erst durch Leaking im Juli 2010 konnte die interessierte Öffentlichkeit erfahren, was da hinter verschlossenen Türen eigentlich ausgehandelt wird. Wir wissen, dass zumindest geplant war, den Internetdatenverkehr ziemlich strikten Reglementierungen zu unterwerfen, bis zum Ausschluss von Nutzerinnen und Nutzern bei Verstößen gegen das Urheberrecht.
Schon die Entstehung von ACTA spricht jeglicher und nötiger Verfahrenstransparenz in einer modernen Demokratie Hohn. Viele der Horrorszenarien, die in mannigfaltigen Blogs, Webauftritten oder Podcasts entworfen worden sind, sind zum Glück in der aktuell diskutierten ACTA-Fassung nicht mehr vorhanden, muss man sagen.
ACTA schreibt im Wesentlichen auf internationaler Ebene das fest, was in Deutschland bereits Recht und Gesetz ist, und trifft Vereinbarungen zur Kooperation zwischen den Vertragsstaaten betreffend Urheberrecht, Patentschutz und Schutz vor Produktfälschung. Was aber in Deutschland noch angehen mag, ist im globalen Maßstab verheerend. Nehmen wir beispielsweise Strategien der Aidsbekämpfung in Afrika oder Osteuropa, die Nutzung von Generika, die Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten in armen Ländern! Das Gleiche gilt für lizenzierte landwirtschaftliche Produkte zum Kampf gegen den globalen Hunger. In Vertragsstaaten dürfen die nicht gehandelt werden. Sie müssten vernichtet werden, umweltgerecht, versteht sich. Das steht in Artikel 32 des ACTAAbkommens.
Bevor ein so folgenreiches Abkommen in Kraft gesetzt wird, muss darüber öffentlich breit diskutiert werden.
Es steht die ethisch ziemlich zentrale Frage, was mehr wiegt, Menschenleben oder der Urheberrechtsschutz bei Pharmafirmen oder Lebensmittelkonzernen. Klar ist, dass Nutzerinteressen und Immaterialgüterschutz in vernünftige Balance gebracht werden müssen. Das muss aber modern und zeitgerecht geschehen. ACTA ist nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Insbesondere, und da komme ich auf das Thema Web zu sprechen, die Versuche, die Vermarktungsinteressen der Vertriebsfirmen auch global festzuzurren, sind zutiefst kritikwürdig.
Statt sich in einen demokratischen Diskurs über die Möglichkeiten und Herausforderungen der Nutzung geistiger Leistungen zu begeben, wird hier versucht, sich in Hinterzimmern über die Arena demokratisch gewählter Par
lamente hinwegzusetzen und Fakten zu schaffen. Dagegen muss die Demokratie verteidigt werden. Dem dient unser Antrag.
Es gibt inzwischen eine große Klarheit über die Grenzen des klassischen Urheberrechts. Mehr und mehr setzt sich bei allen Differenzen im Detail die Überzeugung durch, dass der Reformbedarf wächst und wächst. ACTA versperrt die Tür für solche Reformen, nicht nur zulasten der Demokratie, nicht nur zulasten der Nutzerinnen und Nutzer, ja selbst zulasten derjenigen, die täglich geistige Leistungen vollbringen, denn selbst sie sind den Vermarktungsindustrien und Verwertungsgesellschaften ausgeliefert, können über die Ergebnisse ihres Schaffens nicht mehr frei entscheiden. Was kommerzielle Verwertung ist und was nicht, darüber kann man trefflich streiten. Wer erlebt hat, wie Abmahnkanzleien in Inkassobüros hinter Kopierern und Nutzern geistiger Inhalte hergeiern, der weiß, dass die Chancen moderner Wissenserzeugung und -verbreitung damit brachliegen und sanktioniert werden,