Wir können uns sehr gut vorstellen, diesen Antrag – auch gerade wegen der rechtspolitischen und verbraucherschutzrelevanten Aspekte – im zuständigen Ausschuss für
Recht und Verbraucherschutz zu diskutieren. Wir werden dem Überweisungsantrag zustimmen. Es ist völlig korrekt, dass er wegen der Relevanz für die Senatskanzlei federführend in den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien geht. Wir sehen aber durchaus auch die entsprechende Relevanz für einen anderen Ausschuss. Wir werden dem deshalb zustimmen, und ich freue mich auf die Beratung des Antrags und des Änderungsantrags. Ich hoffe, wir finden dann eine sehr breite Mehrheit in diesem Haus für dieses Anliegen.
Danke sehr, liebe Kollegin Schillhaneck! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt Kollege Goiny das Wort. – Bitte, lieber Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es auch gut, dass wir die Gelegenheit haben, im Berliner Abgeordnetenhaus über diesen Vertragsentwurf zu reden. Ich denke, da gibt es in der Tat einiges an Diskussionsbedarf. Insofern sind die Ausschussüberweisungen, wie bereits genannt, richtig.
Wir müssen zunächst einmal festhalten, dass weder Produktpiraterie noch Urheberrechtsverletzungen oder der Raub von geistigem Eigentum etwas ist, was wir begrüßen. Hier muss auch gegengesteuert werden. Was man aber mit ACTA über Jahre ausverhandelt hat, ist, glaube ich, in beiden Teilen, die dieser Vertragsentwurf regelt, nicht sachgerecht. Es ist gerade schon von den Vorrednern und Vorrednerinnen darauf hingewiesen worden, dass insbesondere in anderen Regionen der Welt, wenn es um die Gesundheitsversorgung geht, dieser Vertragsentwurf geeignet ist, vielleicht mehr Schaden als Nutzen anzurichten.
Wenn wir uns die Regelungen für den Internetbereich angucken, dann müssen wir auch feststellen, dass an dieser Stelle die getroffenen Maßnahmen eher in die falsche Richtung gehen, als dass sie wirklich geeignet sind, dies zu bekämpfen. Urheberrechtsverletzungen im Internet: Da hat man, muss man sagen, in weiten Teilen noch keinen richtigen Weg gefunden. Wir haben die Internet-Enquetekommission im Deutschen Bundestag. Wir sind gespannt, ob wir hier entsprechende Vorschläge bekommen.
Ich darf an dieser Stelle noch mal darauf hinweisen, dass man in Deutschland nicht erst in den letzten Wochen auf dieses Vertragswerk aufmerksam geworden ist, sondern der Deutsche Bundesrat bereits am 7. Mai 2010 in einem Entschluss erhebliche Kritik an diesem Vertragsentwurf
geäußert hat. Ich finde, das, was im Mai 2010 bereits beschlossen wurde, ist auch noch heute durchaus zutreffend. Da wurde nämlich zunächst einmal darauf hingewiesen, dass es nicht hilfreich ist, dass dieser Vertrag nicht innerhalb vorhandener Wirtschafts- und Handelsstrukturen ausgearbeitet wurde. Der Bundesrat hat ausdrücklich kritisiert, dass man beispielsweise die WTO nicht in den Entwurf dieses Vertrages einbezogen hat. Und es ist auch darauf hingewiesen worden, dass unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mangelnder Beteiligung von relevanten gesellschaftlichen Kreisen verhandelt wurde und dass nach der Intention dieses Vertrages auch die Gefahr von nicht zulässigen Grundrechtseingriffen und Verletzungen der Privatsphäre bestand.
Insofern können wir uns inhaltlich dem, was der Deutsche Bundesrat am 7. Mai 2010 zu ACTA beschlossen hat, voll umfänglich anschließen und sehen auch noch in dem jetzt vorliegenden Entwurf Diskussions- und Änderungsbedarf. Im Übrigen darf man wohl davon ausgehen, dass nach dem inzwischen auch endlich öffentlich gewordenen Reaktionen dieser Entwurf in Europa so keine Mehrheit mehr finden wird. Wir werden im Ausschuss diskutieren müssen, inwieweit wir als Berliner Parlament vielleicht auch über den Bundesrat einen Beitrag zu einer ziel- und sachgerechten Diskussion dieses Themenkomplexes leisten können. – Vielen Dank!
Danke schön, Kollege Goiny! – Für die Piraten hat jetzt der Kollege Weiß das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!
Ich freue mich, denn ich muss spontan den Teil meiner Rede, in dem ich erkläre, warum ACTA abzulehnen ist, etwas kürzen, denn das haben wir schon von allen Seiten gehört.
Eigentlich wäre dieses Abkommen schon von seiner Entstehungsgeschichte her abzulehnen. Es wurde jahrelang hinter verschlossener Tür unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Dies ist gleichzeitig unter dem starken Einfluss von Lobbyvertretern geschehen, die sehr einseitig Einfluss genommen und partikuläre Interessen vertreten haben. Alles, was man in diesen Jahren von ACTA erfahren hat, ist an die Öffentlichkeit gekommen, weil es geleakt wurde. Es gab eigentlich keine öffentliche Diskussion bzw. eine öffentliche Diskussion fand statt, hatte aber keinen Einfluss auf das Abkommen. An der Stelle sollte man die Arbeit derjenigen würdigen, die in
der Zeit, als ACTA noch nicht das große Thema war, das es jetzt plötzlich geworden ist – nun ist es auch global in der zivilgesellschaftlichen Diskussion angekommen – aktiv waren.
Ich freue mich, dass die Linken diesen Antrag gestellt und wichtige Kritikpunkte genannt haben. Viele weitere Kritikpunkte haben wir in unserem Änderungsantrag ergänzt.
Worauf ich aber eigentlich eingehen möchte: Alle haben gesagt, dass sie ACTA inhaltlich ablehnen und man etwas tun möchte. Ich frage mich allerdings, was die Konsequenz sein soll. Ich bin ein bisschen skeptisch, und das liegt daran, dass ich gestern die Pressemitteilung der Senatskanzlei gelesen habe. Herr Böhning ist jetzt nicht da, aber ich spreche stellvertretend Herrn Wowereit an.
In dieser Pressemitteilung steht einiges an Kritik am Abkommen, allerdings etwas weniger hart, als jetzt zu hören war. Es steht drin, man müsste das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Es ist so: Die EUKommission hat den Europäischen Gerichtshof beauftragt, die rechtlichen Aspekte des Abkommens zu prüfen. Jetzt gibt es die Äußerung des Senats – ich habe die Befürchtung, dass es in den Ausschüssen in diese Richtung gehen könnte –, man müsste diese Prüfung abwarten. Das dauert aber ein bis zwei Jahre. Dann gibt es ein Ergebnis. Wenn man sich nur auf dieses Ergebnis bezieht, entzieht man sich jeder politischen Verantwortung. Das ist keine politische Diskussion.
Zudem bezieht sich der Prüfauftrag nur auf bestimmte rechtliche Aspekte, nämlich auf die Vereinbarkeit des Vertragstextes mit den Primärrechten der Europäischen Union. Es ist aber gar nicht davon auszugehen, dass der positiv ausfällt.
Das hat aber nichts mit den bereits genannten Kritikpunkten und den Folgen des Abkommens zu tun. Es ist in seiner letzten Fassung an vielen Stellen sehr vage formuliert. In der ursprünglichen Version, die an die Öffentlichkeit gelangt ist, war es viel konkreter formuliert und enthielt Maßnahmen, die bereits genannt wurden und massiv in Grundrechte eingreifen, Three Strikes usw. Aber nur, weil es jetzt so vage formuliert ist, muss es nicht auch so vage umgesetzt werden. Es wird ganz konkret umgesetzt werden. Es ist da, und es wird entsprechende Interessen geben. Das kann keine Entwarnung sein. Daran kann auch der Europäische Gerichtshof nichts ändern.
Ich will auf Folgendes hinaus – ich spreche insbesondere die SPD- und CDU-Fraktion an –: Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag und in Ihrer Regierungserklärung festgestellt, dass Sie sich für ein faires Urheberrecht und einen fairen Interessenausgleich einsetzen und diese Dis
kussion auch auf Bundesebene führen wollen. Wenn Sie das tun wollen, dann haben Sie jetzt die perfekte Gelegenheit dazu.
Dazu müssten Sie aber mehr sagen als: Wir warten zwei Jahre auf die Entscheidung des Gerichtshofs und fangen dann eine Diskussion an.
Lesen Sie die Pressemitteilung! – Dazu muss sich das Land Berlin, insbesondere das Abgeordnetenhaus, und in seiner Vertretung der Senat eindeutig auf Bundesebene positionieren. Wenn Sie das jetzt nicht tun, können Sie den Satz wieder aus der Koalitionsvereinbarung streichen, denn dann wird die nächsten fünf Jahre garantiert nichts passieren.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag und zum Änderungsantrag der Piratenfraktion wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien und mitberatend an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit empfohlen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Dem Antrag auf zusätzliche Überweisung an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung ist von den Koalitionsfraktionen widersprochen worden. Darüber lasse ich abstimmen. Wer einer Überweisung an diesen Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Die Linke, Grüne und die Piraten. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und damit die Mehrheit. Enthaltungen sehe ich keine, auch nicht bei den Piraten. – Ich frage extra nach, Kollege Claus-Brunner! – Dann ist das so entschieden.
Der Tagesordnungspunkt 17 steht auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 18 war Priorität der Fraktion Die Linke unter der Nummer 4.2. Der Tagesordnungspunkt 19 steht wieder auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 20 war Priorität der Piratenfraktion unter der Nummer 4.3. Der Tagesordnungspunkt 21 wurde bereits in Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 15 behandelt. Und der Tagesordnungspunkt 22 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter der Nummer 4.1.
Wer eine Wohnung bei den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin mietet, wohnt nicht immer billiger als bei einem privaten Vermieter – oft sogar teurer. Das ging erstmalig aus einer Übersicht der Senatsverwaltung für Finanzen „Zur wirtschaftlichen Lage der städtischen Wohnungsbaugesellschaften 2009“ hervor. Nachdem der Senat die städtischen Wohnungsbaugesellschaften jahrelang nach Belieben schalten und walten ließ, müssen sie von Ihnen endlich wieder wohnungspolitisch in die Pflicht genommen werden. Mit diesem Antrag machen wir Ihnen einen konkreten Vorschlag dafür.
Denn die Aufgabe der städtischen Gesellschaften ist es, vor allem die Versorgung der einkommensschwachen Haushalte mit Wohnraum sicherzustellen. Dass wir einen angespannten Wohnungsmarkt haben, dürfte ja niemandem entgangen sein, und der macht es den Menschen mit wenig Einkommen sehr schwer, angemessenen Wohnraum auch in ihrem Lebensumfeld zu finden. Daher ist die Erweiterung der Bestände durch Zukauf notwendig – und das vor allem, weil die Herren von SPD und Linke unter der Regie des damaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin die GSW mit 75 000 Wohnungen und 130 000 Mieterinnen und Mietern im Jahr 2004 verkauften. Wissentlich hat also damals vor allem die SPD eine der letzten Möglichkeiten, regulierend auf dem Wohnungsmarkt eingreifen zu können, verkauft. Und was hatten die Mieterinnen und Mieter der GSW-Häuser davon? – Keine oder schlechte Sanierungen, Mieterhöhungen und regelrechte Entmietungen. Das war jahrelang politisch so gewollt!
Auch ist es problematisch, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sich bisher nur am Mietspiegel orientieren, was von den öffentlichen Vermietern oft missbraucht wurde. Denn was passierte? – Direkt nach der Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels im Jahr 2011 schwappte eine wahre Mieterhöhungswelle über die ganze Stadt, etwa 17 000 Haushalte waren betroffen. Immerhin, Herr Senator Müller hat ein MieterhöhungsMoratorium für die 270 000 Wohnungen der landeseigenen Unternehmen ausgesprochen. Der Haken dabei ist aber: Der „Mietenstopp“ ist nicht rückwirkend, es sei denn, der Vermieter hat die Erhöhung zurückgezogen. Und statt eines medienwirksamen Stopps der Mie
terhöhungen nach dem Gießkannenprinzip brauchen die Mieterinnen und Mieter ein verlässliches Konzept für eine soziale Wohnraumversorgung – und das bedarfsgerecht!
Unser Antrag kommt diesem Anspruch nach und schlägt eine neue Belegungsbindung bei den landeseigenen Gesellschaften vor: Senator Müller kann und sollte auf Zielvereinbarungen hinarbeiten, die jeweils ein Drittel der frei werdenden Wohnungen – wir wollen ja, anders als der Senat, niemanden aus der Wohnung werfen – an Haushalte, die ALG II, Wohngeld oder Grundsicherung erhalten, und ebenso ein Drittel an Empfänger/-innen von Wohnberechtigungsscheinen vergeben, damit die Betroffenen wenigstens eine Chance haben, trotz des angespannten Wohnungsmarktes noch eine anständige Wohnung zu finden. Berlin muss die wenigen Wohnungen gerecht verteilen. Dazu braucht man aber natürlich eine Grundlage für die praktische Umsetzung: Der Senat muss also eine entsprechende Analyse der sozialen Zusammensetzung der Mieterinnen und Mieter vornehmen.
In der Vereinbarung der Regierungskoalition finden wir sogar Ansätze, die in diese Richtung gehen. So steht da auf Seite 31:
Bei Neuvermietungen soll ein für das jeweilige Quartier bzw. den jeweiligen Wohnblock verträglicher Anteil der frei werdenden Wohnungen vorrangig an Personengruppen vermietet werden, die aufgrund ihrer Einkommens- oder Haushaltssituation weniger Alternativen bei der Auswahl von Wohnungsangeboten haben.
Unklar ist dabei aber, welcher Maßstab angelegt wird. Wenn Mieterhöhungen an der Leistungsfähigkeit der Mieterinnen und Mieter bemessen werden, braucht man aber transparente Regelungen, die Menschen brauchen Verlässlichkeit. Denn wenn es Vermieter gibt, die sich an den Einkommen ihrer Mieterinnen und Mieter orientieren sollten, dann sind es die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Es kann nicht sein, wie zum Beispiel in Kreuzberg, dass es für Empfänger/-innen von ALG II bei den landeseigenen Unternehmen keine Wohnungen mehr gibt, die der zulässigen Miethöhe für diese Haushalte entsprechen. Daran merken die Menschen doch: Da läuft etwas grundlegend falsch!
In Pankow hat der Baustadtrat Jens-Holger Kirchner gezeigt, wie man mit den landeseigenen Unternehmen auch sozial-ökologisch verträgliche Wege finden kann. Ihm gelang ein Vorstoß zur Mietbegrenzung in zu modernisierenden GEWOBAG-Häusern. Er hat gemeinsam mit der GEWOBAG und der Mieterberatung Prenzlauer Berg einen Vertrag ausgehandelt, der besagt: In acht Häusern mit rund 150 Wohnungen wird die Modernisierungsumlage so begrenzt, dass für die betroffenen Haushalte mit Transferleistungsbezug die Mieten nicht über die vom Jobcenter übernommenen Wohnkosten steigen, und bei wohngeldberechtigten Geringverdienerinnen und
-verdienern beträgt die Miete höchstens ein Drittel des Nettohaushaltseinkommens. So geht eine sozial-ökologisch verträgliche Wohnungspolitik!
Wenn SPD und CDU dem nun entgegnen, es gebe nicht genug Geld für solche Maßnahmen, kann ich nur sagen: Seit Jahren muss die HOWOGE nur eine symbolische Million Euro der Gewinne – die im Jahr 2011 36,1 Millionen Euro betrugen – an den Landeshaushalt abgeben. Wir wollen, dass das Parlament über die Verwendung der Überschüsse der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verfügt und dann auch die Möglichkeit hat, dieses Geld bedarfsgerecht für neue Wohnungen einzusetzen – das hilft schneller als ihre Möchtegernlösung „Neubau“. Es gibt also Finanzierungsmöglichkeiten für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Wohnungspolitik.
Das größte Problem des städtischen Wohnungsbaus ist, dass er stadträumlich ungleich verteilt ist – Hauptursache dafür ist der Verkauf der GSW. Jetzt zeigt sich, wie verheerend diese Entscheidung damals war. Um also die Gefahr einer Konzentration in den Wohngebieten mit großen sozialen Problemen nicht noch zu verstärken, sollte man es dringend angehen, Wohnungen der auslaufenden, insolventen Sozialwohnungen zu kaufen, damit in der Innenstadt für diesen Teil der Bevölkerung mehr Wohnraum geschaffen wird. Die zentrale Frage der zukünftigen Wohnungsversorgung bleibt, wie die Versorgungslücke zwischen dem deutlich begrenzten Angebot an preiswertem Wohnraum und der dieses Angebot übersteigenden Nachfrage durch Mieterinnen und Mieter mit geringen Einkommen geschlossen werden kann. SPD und CDU haben darauf keine Antwort. Stattdessen schauen sie dem Problem weiter zu. Aber wir werden Sie da nicht aus der Verantwortung entlassen!