Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Der Einzige, der schreit, ist Ihr Kollege hier!]

die jedes Grundschulkind in der Stadt, jeder Vater, jede Mutter widerlegen kann. Die Menschen da draußen wissen, dass die Bildungspolitik der SPD seit Jahren, seit Jahrzehnten für mehr Chancen und für mehr Gerechtigkeit sorgt.

Sie müssen zum Ende kommen!

Das ist übrigens auch der Grund, warum hier Klaus Wowereit und nicht Renate Künast sitzt.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Kittler das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin Kittler!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Oberg! Dann will ich einmal etwas zur redlichen Debatte beitragen, denn Sie haben es wirklich nicht getan.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

„Alle Berliner Grundschulkinder sollen die Möglichkeit haben, nachmittags ergänzend gefördert und betreut zu werden“ – so Frau Senatorin Scheeres in einer Pressemitteilung des Senats vom 13. März 2012. Diese Forderung teilt Die Linke unbedingt! – „Durch den Ausbau der Hortbetreuung für die Fünft- und Sechstklässler erreichen wir dieses Ziel“, sagte Frau Scheeres weiter. Dazu müssen wir leider konstatieren: Nein, durch den Ausbau, so wie er im Gesetzentwurf geplant ist, sind wir dem Ziel maximal ein Stück näher gekommen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Der Gesetzentwurf bleibt weit hinter dem zurück, Herr Oberg, wozu im Juni 2011 zwischen SPD, Vertretern des Volksbegehrens und der Linken bereits Konsens bestand. Ich weiß nicht, ob man das Ihnen nicht übermittelt hat. Gemeinsam wollten wir nämlich ab dem Schuljahr 2012/13 in der Schulanfangsphase jegliche Bedarfsprü

fung abschaffen, die Hortlücke in den Klassen 5 und 6 schließen, den Personalschlüssel bei den Erzieherinnen und Erziehern verbessern und ein subventioniertes Mittagessen für alle Grundschulkinder bereitstellen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Da müssen Sie nicht den Kopf schütteln! Das war so vereinbart. – Warum die SPD so weit hinter diesen Konsens zurückgewichen ist, ist hier mal zu fragen. Wahrscheinlich wurden diese Vorhaben Prestigeobjekten geopfert, und jetzt fehlt das Geld.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und bei den PIRATEN]

Von einer konsequenten Weiterentwicklung der Ganztagsschule kann man gleich gar nicht sprechen. Die Linke bleibt also bei ihren Forderungen.

Wir wollen die Ganztagsschule in unterschiedlichen Formen mit Hortbetreuung und Mittagessen für alle Grundschulkinder ohne Bedarfsprüfung und kostenfrei.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir fordern ein Gesamtkonzept mit einem Stufenplan für die Verwirklichung dieses Ziels. Wenn Sie das als Orgie bezeichnen, weiß ich nicht, wo wir uns hier befinden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich – und da teile ich die Meinung des Landeselternausschusses, der GEW und vieler anderer Interessenvertretungen – kann bei dem Vorhaben des Gesetzentwurfs, den die Fraktionen bis heute unverständlicherweise noch nicht offiziell überreicht bekamen, obwohl das laut Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses vorgeschrieben ist, nämlich in Anlage 4 – da können Sie gern nachlesen, Herr Schlede – viele Mängel feststellen.

Erster Mangel: Eine Ferienbetreuung ist mit Eintritt in die 5. Klasse nicht mehr vorgesehen. Dafür würden schließlich zahlreiche Angebote der freien Jugendhilfe, von Sportvereinen und anderen Institutionen zur Verfügung stehen, sagt der Senat. Welche anderen Institutionen sind denn das? Wie sollen Eltern, die über geringe Einkommen verfügen, die Mittel dafür aufbringen? – Wenn es noch nicht bis in dieses Haus gedrungen ist: Aufgrund der Haushaltssituation sind gerade im präventiven Bereich der Jugendhilfe verstärkt Projekte gestrichen worden, die in den Sozialräumen für die sogenannten LückeKinder einmal da waren. Werden die jetzt schnell wieder auferstehen und durch das Land finanziert?

Abgesehen davon ist es rechtlich mehr als fragwürdig, wieso ein in der Schulzeit bestehender Bedarf plötzlich in den Ferien nicht mehr bestehen soll. Wer geht davon aus, dass Eltern die Betreuung ihrer Kinder über 13 Wochen in der Ferienzeit gewährleisten können?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und bei den PIRATEN]

Häufig sind die Kinder, über die wir reden, durch die frühe Einschulung erst neun oder zehn Jahre alt. Soll die Jugendhilfe den verbleibenden Betreuungsbedarf gem. § 22a bzw. § 24 Sozialgesetzbuch VIII gewährleisten? Wie hat der Senat sich das vorgestellt? Werden dafür Personal und zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt? – Da es die Koalition erst gar nicht laut sagt, will ich das hier tun. Die Kinder mit besonderem Bedarf haben vorher in den Klassen 5 und 6 eine Ferienbetreuung bekommen. Für die ist der Gesetzentwurf eine Verschlechterung ihrer jetzigen Situation.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Als zweiten Mangel möchte ich nennen: Eine Verschlechterung würde sich auch für Kinder- und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich geistiger Entwicklung und anderen schweren Behinderungen ergeben. Mich und sicherlich alle anderen hier erreichten dazu heute Mittag noch zwei E-Mails zu diesem Thema. So schreibt die Helene-Haeusler-Schule in einem offenen Brief – ich zitiere –:

Einer minimalen Ergänzung der Betreuungszeit durch die Einführung eines einstündigen Moduls steht der ersatzlose Wegfall der bedarfsgerechten Ferienbetreuung entgegen. Weiterhin würde durch die neue Gesetzeslage die bisher an unserer Schule praktizierte Hortbetreuung der behinderten Schülerinnen und Schüler berufstätiger Eltern auch in den Klassen der Ober- und Abschlussstufe nicht fortgeführt werden können. Wir haben Frau Scheeres anlässlich ihres Schultourbesuchs in unserer Schule am 2. 3. ausdrücklich auf diese fatalen Auswirkungen der Neuregelung aufmerksam gemacht und sind sehr enttäuscht, dass unsere Sorgen offensichtlich nicht ernst genommen werden. Sollte die Hortbetreuung in der von Senatorin Scheeres vorgelegten Fassung neu geregelt werden, könnten viele Eltern an unserer Schule neben der aufwendigen und intensiven Betreuung ihrer behinderten Kinder keiner eigenen Arbeit mehr nachgehen. Der Wegfall der Ferienhortbetreuung und das Ende der Hortbetreuung auch älterer behinderter Kinder an unserer Schule würde eine Berufstätigkeit der Eltern nicht erlauben.

Ich denke, das ist eine Diskriminierung von Eltern von Kindern mit Behinderungen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wie schwer haben es eigentlich die Eltern dieser Kinder? Wie viel Kraft und Liebe müssen sie aufbringen? – Das können nur die Betroffenen wirklich erleben. Aber wir

können es wissen und ihnen helfen. Diese Streichung dürfen wir nicht zulassen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Der dritte Mangel, den ich hier feststelle: Auch in der Vorbereitung in den Bezirken auf das neue Schuljahr sind viele Fragen offen. Gilt der jeweils bestehende Hortvertrag eigentlich weiter? Wie werden die Eltern informiert? Wie viele Erzieherinnen und Erzieher werden neu eingestellt? Sind in Berlin überhaupt genügend vorhanden? Welche Konzeptionen gibt es für die räumliche Absicherung? Es gibt ja jetzt schon in zu vielen Schulen die Doppelnutzung der Räume, und das Problem wird sich jetzt natürlich verschärfen. Werden durch den Senat zusätzliche Sachmittel zur Verfügung gestellt?

Die Linke fordert den Senat auf, den Gesetzentwurf in puncto Ferienbetreuung und Ausschluss von Verschlechterungen zu überarbeiten und unter Einbeziehung von Pädagoginnen und Pädagogen sowie Eltern eine Konzeption für die Zukunft zu erarbeiten. Wir sind gern bereit, dabei konstruktiv mitzuwirken. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kittler! – Für die Fraktion der Piraten hat jetzt der Kollege Delius das Wort. – Bitte sehr!

Der Senat schließt die Hortlücke. – Nein, das hört sich irgendwie falsch an, das haben wir heute schon mal gehört. Versuchen wir es noch mal: Der Senat wird die Hortlücke schließen. – Das passt auch nicht.

[Zuruf: Das Abgeordnetenhaus!]

Das Abgeordnetenhaus sollte es vielleicht tun, das ist richtig. – Der Senat wird die Hortlücke vielleicht irgendwann schließen

[Zuruf: Das Parlament!]

oder das Abgeordnetenhaus –, das würde eher passen.

Wir haben letzte Woche im Ausschuss über das Thema diskutiert. Herr Oberg! Sie erinnern sich vielleicht. Von der Koalition her – komplett Langeweile. Sie haben gesagt: Ja, der Entwurf kommt noch. Wir gucken mal, Mai, dann können wir darüber diskutieren. Dann können wir konstruktiv zusammenarbeiten. – Jetzt haben wir eine Aktuelle Stunde, und hier wird darüber lamentiert, wie unwichtig oder wichtig der einen oder anderen Fraktion, der Koalition oder der Opposition dieses Thema ist. Da kann ich einen Tweet – den Nachrichtendienst Twitter

kennen Sie – von Ihnen, Herr Oberg, zitieren, der hieß: Hier wird gequatscht, als ob es kein Morgen gäbe, keine anderen Themen auf der Welt gäbe. – Das haben Sie während der Debatte zu diesem Thema geschrieben.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Wir hatten dazu einen Oppositionsantrag, darf ich Sie daran erinnern? Ich stand schon mal hier vorn und habe zur 5. und 6. Klasse und der Hortlücke gesprochen. Der Oppositionsantrag war am letzten Donnerstag im Ausschuss. Darüber wurde abgestimmt, und zwar negativ, von der Koalition abgelehnt.

Wem ist denn das Thema hier wichtig? – Wenn ich Ihre Ränge angucke, weiß ich das. Ich glaube, Die Linke ist im Moment an der Spitze.

[Beifall bei der LINKEN]

Danach kommen die Piraten. Die Grünen schwächeln auch ein bisschen, sind aber immer noch voller.

[Beifall bei den PIRATEN]

Die Koalitionsplätze sind leer.