Vielleicht erinnert sich der frühere Koalitionspartner noch: Die Abschaffung des Gesetzes wollten wir schon seit längerer Zeit. Vor den Wahlen 2011 haben Sie das entweder stoisch oder vehement abgelehnt, das eine oder andere Problem zugestanden, der einen oder anderen kleinen Änderung zugestimmt, aber strikt abgelehnt, das Gesetz abzuschaffen, obwohl es seinen Praxistest erkennbar verfehlt hat.
Die Linksfraktion steht im Übrigen zu ihrer Verantwortung. Fehler zu machen ist in der Politik und im Leben überhaupt nicht ungewöhnlich. Es ist sogar unvermeidlich, wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen. Fehler zu korrigieren, das ist in der Politik und im Leben die eigentliche Herausforderung. Und das schafft Glaubwürdigkeit.
Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, daran zu erinnern – das hat hier der eine oder die andere schon getan –, warum das Gesetz 2006 beschlossen worden ist. Es galt seinerzeit mehrheitlich als wesentliche Voraussetzung für eine erfolgversprechende Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Anerkennung der Haushaltsnotlage und Bundesfinanzhilfen. Berlin war neben Baden-Württemberg das einzige Bundesland ohne eine solche Rechtsgrundlage. Berlin konnte also nicht mit gutem Gewissen argumentieren, dass die Stadt selbst alles ihr mögliche tut, um mehr Einnahmen zu erzielen.
Ich möchte auch die Damen und Herren von der CDU daran erinnern, dass die CDU in vielen Bundesländern den gleichen Rechtsgrundlagen zugestimmt hat und dass es insbesondere CDU-geführte Länder waren, die Berlin unter Druck gesetzt haben, seine Einnahmepotenziale auszuschöpfen. Den Linken war es seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren ein wichtiges Anliegen, diese neue öffentliche Einnahmemöglichkeit in enge, demokratisch kontrollierte Schranken zu weisen. Das Gesetz sollte keinesfalls ein Blankoscheck für überdimensionierte oder unnötige Straßenbauvorhaben sein. Deshalb gibt es die umfassenden Regelungen zur Bürgerbeteiligung und zur politischen Kontrolle mit schriftlichen Informationspflichten des Bauträgers – in der Regel der Bezirksämter – gegenüber den Anliegern und Beitragspflichtigen mit der Zustimmungspflicht der Bezirksverordnetenversammlungen zum Ausbauprogramm mit der Verpflichtung des Bauträgers, neben einer Vorzugsvariante auch eine kostengünstige Alternativvariante aufzustellen. All das sind Meilensteine der Transparenz und Bürgerbeteiligung, hinter die wir auch nach Aufhebung des Gesetzes nicht zurückfallen sollten.
Wie Sie auch alle wissen, ist die Geschichte weitergegangen. Berlins Klage in Karlsruhe war nicht erfolgreich. Und bei der Anwendung des Gesetzes lief vieles schief. Es ist dem Senat zu keinem Zeitpunkt gelungen, ein berlinweit einheitliches Handeln der Bezirke zu erreichen. Die Intentionen zu Transparenz und Bürgerbeteiligung sind unterschiedlich interpretiert und umgesetzt worden. Konkretisierende Ausführungsvorschriften sind von der Bauverwaltung erst Ende 2008 erlassen worden, wichtige Korrekturen erst durch Gesetzesänderungen 2010 möglich gewesen. – Alles in allem bleibt ein Fazit: Das Gesetz hat den Stresstest nicht bestanden und muss deshalb weg.
Wir werden im Weiteren darauf achten, dass diejenigen, die einen Anspruch auf Rückzahlung haben, diesen auch geltend machen können. Wir fordern den Senat und die Bezirke auf, umfassend und breit über die Änderungen zu informieren, da die Rückzahlung dem Vernehmen nach
nur auf Antrag erfolgen soll. Wenn sich das ändern soll, dann müssten die Regierungsfraktionen einen Änderungsvorschlag machen, dann sind wir sofort dabei.
Wir setzen uns auch dafür ein, dass die finanziellen Folgen der Gesetzesaufhebung nicht an den Bezirken hängenbleiben. Gut, dass der Senat eine Basiskorrektur für die zurückzuerstattenden Beiträge zugesichert hat. Erstaunlich ist aber weiterhin, dass die Einnahmevorgabe von insgesamt immerhin knapp 100 000 Euro vom Senat nicht korrigiert und auf null gesetzt wird. Das ist widersinnig.
Zum Schluss will ich meine Anregung zur Beibehaltung von Transparenz- und Bürgerbeteiligung wiederholen und einen Appell an Senat und Koalition richten, da Sie hier die Anträge der Opposition ohnehin alle ablehnen. Es wäre ein Rückschritt, wenn die bisher geltenden Partizipationsmöglichkeiten künftig nicht mehr gelten würden. Stellen Sie im Dialog mit den Bezirken sicher, dass die demokratische Kontrolle bei öffentlichen Straßenbauvorhaben auch künftig in gleichem oder gerne auch im erweiterten Umfang ausgeübt werden kann! Wenn das auf dem Weg der Vereinbarung nicht garantiert werden kann, dann schaffen Sie neue gesetzliche Grundlagen! Das ist Ihre Regierungspflicht. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Lompscher! – Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Herberg das Wort.
Danke sehr, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Abgeordnete! Ich habe hier einen sehr polemischen Anfang meiner Rede, wo ich auf der SPD herumhacken wollte, aber ich lasse es mal weg, weil sich gerade auch die letzten Redner sehr gut benommen haben, und komme gleich zum Thema Abschaffung.
Die Zurverfügungstellung von Infrastruktur ist auch eine Aufgabe des Staates. Bei einer Erhöhung von Grundstückspreisen holen wir uns die Wertsteigerung über die Grundsteuer wieder. Das ist auch ein Punkt, den man nennen könnte. Vor dem Hintergrund einer Mineralölsteuer, einer Kfz-Steuer, einer Grundsteuer für den Besitz eines Grundstückes, Abwassergebühren, auch den schon genannten Grunderwerbsteuern sowie Baugebühren, wie es schon drinsteht, ist es eigentlich nur richtig, das Gesetz wieder abzuschaffen.
Schön wäre es gewesen, wenn der Murks 2006 nicht passiert wäre. Der bürokratische Aufwand, den man hier sieht, hat nicht dazu geführt, dass wir erhöhte Einnahmen gehabt haben, sondern dass wahrscheinlich die Einnah
men, die wir getätigt haben, durch den bürokratischen Aufwand wieder weggefressen sind; das ist bloß nicht ausgerechnet worden.
Die Ausrede, dass Berlins Klage nur durch die Schaffung dieses Straßenausbaubeitragsgesetzes vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe Bestand hat, hat sich auch nicht als richtig herausgestellt. Deswegen ist es noch einmal richtig, das Gesetz zurückzunehmen. Wir werden dem ebenfalls zustimmen. Lassen Sie uns das im Ausschuss noch einmal bereden! Dann kommt es nochmal wieder, dann stimmen alle dafür, dann haben Sie es weg.
Vielen Dank, Herr Herberg! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Initiative sexuelle Vielfalt (ISV)/Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie fortführen und qualifizieren
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Birk. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Berlin geht leider so einiges schief, ob es die Bruchlandung beim Flughafen ist oder die sinnlose Hängepartie bei dem Neubau für die Ernst-Busch-Schauspielschule, aber manchmal klappt auch was. Und es geschehen sogar kleine Wunder. Vor drei Jahren ist so ein kleines Wunder geschehen. Der Anlass war ein ernster und bleibt ein ernster. Nach brutalen Übergriffen auf Lesben, Schwule und Transgender und mehreren Anschlägen auf das Mahnmal für die verfolgten Homosexuellen im Tiergarten hatten wir Ende 2008 einen Antrag für einen Aktionsplan gegen Homophobie ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Und statt ihn, „wie üblich“ – wie Frau Lompscher eben sagte – abzulehnen, hat die damalige rot-rote Koalition einen ausführlichen Änderungsantrag vorgelegt, der als „Initiative sexuelle Vielfalt“ auch ein
stimmig beschlossen wurde. In einem gemeinsamen Kraftakt von Verwaltung und Community wurde der Beschluss mit über 60 Einzelprojekten unterlegt und schließlich im Doppelhaushalt 2010/2011 mit 2,1 Millionen Euro finanziert.
Dass dieses Wunder möglich wurde, ist vor allem zwei Menschen zu danken: Eren Ünsal, der Leiterin der Landesantidiskriminierungsstelle, und Klaus Lederer, der es auf einem Podium einmal so ausdrückte: „Da war etwas liegengeblieben.“ – Klaus, wir wissen, dass du diesen Anteil hast, und wir wissen das auch zu schätzen.
Der Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie ist nun Vorbild geworden für viele andere Bundesländer, insbesondere für die mit grüner Regierungsbeteiligung. So freuen wir uns seit dem letzten Wochenende auch auf die Umsetzung in Schleswig-Holstein.
Die rot-schwarze Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, diese Initiative fortzuführen, die Akzeptanz sexueller Vielfalt weiterzuentwickeln und zu befördern und jegliche Form von Homo- und Transphobie zu bekämpfen. – Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Wir nehmen Sie beim Wort und haben schon einmal einen Arbeitsplan für diese Weiterentwicklung formuliert; dieser liegt jetzt als Antrag vor.
Die wichtigsten Eckpunkte dieser Weiterentwicklung sind für uns die stärkere Einbindung der Bezirke, denn dort wird viel der praktischen Arbeit geleistet. Hier müssen insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fortgebildet werden. Dort, wo es entsprechende Beschlüsse in den BVVen gab, war für die Fortbildungsträger der Zugang sehr viel einfacher. Wir fordern aber den Senat auch auf, mit den Bezirken aktiv bei der Umsetzung zu kooperieren.
Die Akzeptanzförderung für Lesben, Schwule und Transgender soll unter dem Aspekt der Mehrfachdiskriminierung in einen Diversity-Ansatz eingebunden werden. Dann muss es uns aber auch besser gelingen, die Mehrheitsgesellschaft wirklich zu erreichen. Das gelingt vielleicht dann, wenn wir Jugendliche stärker als Akteurinnen und Akteure beteiligen und einbinden, denn wenn Jugendliche nicht nur passiv Botschaften vernehmen, sondern selbst aktiv für Akzeptanz werben, hat dies nachweislich eine nachhaltigere Wirkung – und das wollen wir ja auch erreichen.
Folgerichtig liegt der Schwerpunkt beim Antrag im Bereich Jugend und Schule, denn hier werden die Grundla
gen für eine akzeptierende Haltung gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen und zu einem Empowerment von queeren Jugendlichen gelegt.
Hier müssen wir einen langen Atem bewahren. Deswegen freue ich mich auch, dass der Bildungsausschuss den Haushaltsentwurf korrigiert und die Fortbildung zu sexueller Vielfalt im Bereich der Jugendhilfe für die nächsten zwei Jahre gesichert hat. – Danke, Herr Oberg!
Weitere Themenfelder: Die Polizei und vor allem die Justiz sollen vertrauensbildende Impulse setzen, um die Anzeigebereitschaft zu erhöhen und damit die weiterhin hohe Dunkelziffer von ca. 90 Prozent nicht angezeigter Straftaten zu senken. Die allgemeine Verwaltung soll die versprochenen Diversity-Konzepte endlich entwickeln und umsetzen. Der Dialog unter gesellschaftlichen Gruppen zur Förderung der gegenseitigen Akzeptanz muss weitergeführt und qualifiziert werden. Die individuellen Bedürfnisse von queeren Menschen mit Behinderungen oder im Alter sollen erkannt und berücksichtigt werden.
Sehr wichtig: Menschen, die in ihrem Herkunftsland von Verfolgung als Lesben, Schwule und Transgender bedroht sind, brauchen einen sicheren Aufenthaltsstatus in Berlin und Deutschland.
Hier gibt es ein aktuelles Beispiel, Herry H. – Ich appelliere an Sie, Herr Henkel, dass der von Zwangsheirat in Indonesien bedrohte Herry H. hierbleiben kann, Sie der Härtefallkommission folgen und die Abschiebung verhindern!
Dieses Jahr ist das Thema Wissenschaft Schwerpunkt beim CSD – aus gutem Grund: Wir meinen, dass Wissen über gleichgeschlechtliche Lebensweisen schon ins Lehramtsstudium gehört. Auch ist die Ignoranz mancher Mediziner gegenüber den Rechten intersexueller Menschen auf körperliche Unversehrtheit nicht nur für die Betroffenen nicht mehr hinnehmbar. Dazu muss ein öffentlicher Diskurs geführt werden.