Dieses Jahr ist das Thema Wissenschaft Schwerpunkt beim CSD – aus gutem Grund: Wir meinen, dass Wissen über gleichgeschlechtliche Lebensweisen schon ins Lehramtsstudium gehört. Auch ist die Ignoranz mancher Mediziner gegenüber den Rechten intersexueller Menschen auf körperliche Unversehrtheit nicht nur für die Betroffenen nicht mehr hinnehmbar. Dazu muss ein öffentlicher Diskurs geführt werden.
Ich komme zum Schluss: Wir bekräftigen von Berlin aus die Forderung zur Öffnung der Ehe für Lesben und
Schwule und zur Abschaffung des veralteten Transsexuellengesetzes. Der Antrag ist lang, aber bei dem langen Vorlauf wäre es nicht angemessen gewesen, nur kurze Worthülsen zu wählen. Ich freue mich aber auf jeden Änderungsvorschlag, und deswegen freue ich mich auch auf die öffentliche Debatte im Ausschuss. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Birk! – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Schreiber das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Birk! Ja, Sie haben vollkommen recht: Das, was wir insgesamt als Berliner Abgeordnetenhaus hier auf den Weg gebracht haben, ist wegweisend nicht nur für Berlin, sondern auch für die Bundesrepublik. Ich würde so weit gehen, weil wir mit der damaligen Initiative „Sexuelle Vielfalt“ gemeinsam – man muss es deutlich machen: Das ganze Haus hat das beschlossen – einen Weg beschritten haben, denn es vorher so nicht gab.
Das heißt: Es geht hier Schritt für Schritt weiter. Mit einem Bild gesprochen, haben wir mit der ISV das Grundstück gesichert und sind jetzt dabei, das Haus auf das Fundament zu setzen, das wir schon ein Stück gebaut haben. Wir müssen versuchen, dass es in die richtige Richtung geht.
Und der Finanzdeckel! Herr Lederer, das ist völlig richtig, und ich will es noch einmal erwähnen, obwohl Herr Birk es schon gesagt hat: Es ist völlig richtig, dass man das hier und da auch finanziell unterfüttert. Klar war aber auch, dass die ISV nicht in voller Größe weiterfinanziert werden kann, sondern dass wir dort weiterhin Schwerpunkte fördern und weiterentwickeln werden.
Am Montag gab es im Roten Rathaus die Auswertung zur Gesamtevaluierung der ISV. Es ist mir wichtig, dass wir gerade in den Gesprächen mit den Multiplikatoren, mit denen, die vor Ort aktiv waren und sind, und in den Beratungen nicht nur die Ergebnisse hineintragen, sondern auch die Nachhaltigkeit im Blick behalten. Das heißt, dass wir über den Doppelhaushalt, den wir im Sommer beschließen, über den darauf folgenden Doppelhaushalt und über die gesamte Wahlperiode die ISV einfach weiter denken. Ich glaube, es ist ein wichtiger Punkt, dass man sich diese Initiative nicht nur im Zweijahresrhythmus betrachtet, sondern dass sich etwas grundlegend bewegt.
Die Evaluierung hat gezeigt, dass es einige Punkte gibt, die gut laufen, etwa – ein Stück weit – bei den Multipli
katoren. So wurde die Lehrerfortbildung angestoßen, und mit den Sozialarbeitern folgt Weiteres. Es ist eben wichtig, dass die ISV nicht nur vom Kopf her gedacht wird, sondern mit dem Herzen gelebt wird. Deswegen können wir als Koalition und Sie als Opposition stolz sein, dass es dort insgesamt weitergehen wird.
Zum Antrag selber – die Fachdebatte werden wir im Ausschuss führen –: Ich glaube, es herrscht in vielen Punkten ein Stück weit Einigkeit über das, was gut, und über das, was schlecht gelaufen ist. Ich bin auch der Meinung, dass wir in einigen Punkten auch Anhörungen durchführen sollten, um der ISV ein größeres Podium zu bieten, auch in den Ausschüssen, die hier nicht genannt wurden. Dabei sollten die Multiplikatoren dazu angehört werden, was positiv und was negativ war und wo wir noch weitere Schwerpunkte für die Beratung der ISV setzen können.
Die ISV ist die richtige Antwort, wenn es um Hass, Gewalt und Homophobie geht. Zum anderen geht es darum, dass wir mit der ISV insgesamt einen Weg beschritten haben und weiterhin beschreiten werden, der parteiübergreifend funktionieren wird, wie ich finde und hoffe. Es wird ja nur gemeinsam funktionieren, die richtigen Stellen – sei es die Verwaltung in den Bezirken und beim Senat, NGOs und andere – für dieses Thema zu sensibilisieren und ein Netzwerk aufzubauen, was seinesgleichen sucht. – Herzlichen Dank! Ich freue mich auf die Debatte in den jeweiligen Fachausschüssen.
Vielen Dank, Herr Schreiber! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Lederer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal froh über den Antrag der Grünen, denn er gibt Gelegenheit zu bilanzieren, was in jüngerer Zeit in Sachen „Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ geschehen ist und wohin in der Stadt Berlin gerade die Zeichen der Zeit zeigen.
Es ist schon darauf hingewiesen worden: Wir haben hier 2009 einen gemeinsamen Beschluss gefasst. Das war ein guter, ein einstimmiger Beschluss, dem vor allem viel Kooperation mit den Communities vorausgegangen ist. Wer, wenn nicht die Engagierten, weiß am besten, wo die Probleme liegen, wo man anknüpfen muss, wo man vorwärtskommt, um mehr Aufklärung, Emanzipation und Freiräume zur Selbstbestimmung zu schaffen und die Notwendigkeiten, die insbesondere im Bildungssystem liegen, anzugehen? Es gab dann eine sehr engagierte
Arbeit, vor allem in der Landesstelle gegen Diskriminierung, bei den Trägern und Initiativen. Es gab zwei Senatsbeschlüsse, 2010 und 2011, wo sehr ambitionierte Ziele benannt worden sind, die zum Teil auch noch hinausgingen über das, was im Ursprungsantrag stand, und die teilweise auch realisiert worden sind.
Man muss aber auch konstatieren, dass Teile der Landesverwaltung, insbesondere die Schulverwaltung und die Justizverwaltung, nichts unversucht gelassen haben, und zwar von Anfang an, um die Aufgaben des Abgeordnetenhauses als unnötig oder nicht umsetzbar zu charakterisieren bzw. höchstens das Allernotwendigste zu tun, um sich nicht den Vorwurf der Ignoranz gegenüber dem Parlament einzuhandeln. Die SPD-geführte Justizverwaltung hat sich mit haarsträubenden Argumenten gegen die Bundesratsinitiative „Rehabilitierung und Entschädigung von verurteilten Schwulen nach 1945“ gewandt. Jetzt kommt diese Initiative, aber von einer knallharten Rehabilitierungsforderung ist keine Rede mehr, auch nicht mehr von Entschädigungen. Im Rechtsausschuss – Tom Schreiber hat eben geredet – straft der SPD-Abgeordnete Schreiber die Haltung seiner eigenen Fraktion Lügen, die vor einem Jahr auf einem Kolloquium vertreten worden war, indem er sich hinstellt und sagt: Die Forderung nach Rehabilitierung und Entschädigung sei realitätsfern und naiv. Lieber Kollege Schreiber! Menschenrechte sind aus meiner Sicht nichts zum Verhandeln. Ihr Auftritt im Rechtausschuss war aus meiner Sicht eine Peinlichkeit.
Im Bildungsbereich streicht der Senat erst mal die Multiplikatorenschulung zusammen. Ich bin froh, wenn der Bildungsausschuss das jetzt korrigiert, und ich finde, die halbe Stelle, die in der Senatsverwaltung für Bildung vorhanden ist, müsste mindestens auf eine ganze aufgestockt werden, um die ganzen liegengebliebenen Aufgaben, die im Bildungsbereich immer noch abzuarbeiten sind, zu erfüllen.
Die Verbesserung der Erkenntnisgrundlagen, die wir damals beschlossen haben, wird für beendet erklärt, ohne jede Evaluation, ohne jede ernsthafte Auswertung bei einer ganzen Reihe offener Forschungsfragen und Forschungslücken; einfach auf null gesetzt. Wir werden den Antrag stellen – ich gehe davon aus, dass wir dafür Unterstützung bekommen –, dass man das rückgängig macht, denn es gibt haufenweise offene Fragen, und es gibt immer noch genug über die Lebenssituation von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen oder Identitäten zu erforschen.
Das Dokumentations- und Forschungszentrum zur Verfolgung von Menschen aufgrund von sexueller Orientierung oder Identität in Berlin seit 1945, vom Senat vor einem Jahr beschlossen, ist scheinbar gestorben. Jedenfalls ist das mein Eindruck. Und auch viele andere Auf
träge, die das Abgeordnetenhaus den Berliner Schulen erteilt hat, Peer-to-Peer-Arbeit, Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner unter den Lehrerinnen und Lehrern und vieles andere mehr sind bis heute gänzlich unbearbeitet. Dazu hören wir seit einem halben Jahr überhaupt nichts von der Koalition und auch nichts vom Senat.
In den Richtlinien der Regierungspolitik, die hier im Abgeordnetenhaus gebilligt worden sind, ist von der Fortführung und Weiterentwicklung der ISV die Rede. Das ist erst einmal gut. Ich empfinde derzeit aber, dass eine Abwicklung und Festivalisierung der Initiative stattfindet. Statt kontinuierlicher Antidiskriminierungsarbeit des Senats wird auf ein Zusammenstreichen der Mittel versus Büttenreden, Schirmherrschaften und Appelle gesetzt. Das aber ist nicht das, was das Parlament 2009 beschlossen und gefordert hat.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass das auch ein bisschen was mit dem neuen Koalitionspartner der SPD zu tun hat und dass dort nach wie vor Haltungen präsent sind, die die SPD aber aus Machtkalkül und Ideenlosigkeit zu akzeptieren bereit ist. Es reicht eben nicht aus, so gut und wichtig das ist, sich gegen Menschenrechtsverletzungen in Sankt Petersburg, Moskau oder Budapest gemeinsam zu engagieren. Wo bleibt denn der Aufschrei, die gemeinsame Initiative aus dem Haus, als der CDUStadtrat Blechschmidt vor anderthalb Wochen in Plauen erklärte, Homosexualität sei eine Krankheit?
Wo bleiben die neuen Ideen für Emanzipation, für Demokratie, Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt? – Dagegen hilft kein Appell an den Senat, doch bitte noch ein bisschen weiterzuarbeiten und die ISV nicht abzuwickeln. Ich gebe den Grünen absolut recht: Es gibt Ziele der ISV, die nicht erreicht sind. Es gibt neue Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Und ich glaube, die Stärke des Prozesses 2009 war seine Bottom-up-Linie, der Versuch, mit den Initiativen gemeinsam etwas Neues zu entwickeln. Wir arbeiten derzeit auch daran, und ich möchte jetzt explizit alle Fraktionen einladen – Thomas, ich nehme euer Angebot da gern an –, dass wir gemeinsam mit den Initiativen beraten, wie wir eine ISV 2.0 auf die Beine bekommen. Und dann hoffe ich, dass wir es wieder schaffen, sie einstimmig zu beschließen. Und Geld kostet das dann, liebe Koalition, leider auch noch. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Evers das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Dr. Lederer! Es war bei allem, was wir vorher an Einmütigkeit vernommen haben, fast schon erfrischend, jetzt etwas Polemik in die Debatte zu bringen, wenn auch völlig unangebracht. Ich schicke voraus, warum auch wir ganz klar in dem Koalitionsvertrag eine Selbstverpflichtung aufgenommen haben und diese auch mit Leben erfüllen, die ISV nicht nur fortzusetzen, sondern sie auch weiterzuentwickeln. Die Beantwortung einer Kleinen Anfrage – ich glaube, sie ist aus Ihrer Fraktion heraus gestellt worden – zum Thema Hasskriminalität hat noch einmal sehr deutlich gemacht, warum wir uns nicht ausruhen dürfen auf dem, was bereits geschafft wurde. Man kann dort sehr bildhaft anhand einer Reihe von Deliktschilderungen – die Dunkelziffer ist ja schon geschildert worden, sie liegt in dem Bereich sehr hoch – die nach wie vor traurige Realität in Berlin nachvollziehen. Ich glaube, für uns ist das Auftrag und Verpflichtung zugleich, uns hier nicht im Parteienstreit zu verlieren, sondern gemeinsam genau hinzuschauen: Was haben wir in der Initiative Sexuelle Vielfalt erreicht, und wo gilt es nachzujustieren und zu verbessern?
Bei der Frage, wo müssen wir nachbessern, haben wir zunächst einmal einen Haushaltsentwurf vorgefunden, hinterlassen von einem Senat, dem Kollegen Ihrer Partei, Herr Kollege Dr. Lederer, angehört haben, die dem durchaus hätten widersprechen können. Dann wäre das überflüssig geworden, was der Bildungsausschuss unternommen hat. Dort haben wir nämlich Haushaltsansätze korrigiert und gerade in dem so wichtigen Bereich der Kinder- und Jugendarbeit Mittel eingestellt, um die Arbeit der freien Träger, was die Weiterbildung von Sozialarbeitern und Pädagogen angeht, fortsetzen zu können.
Sie haben Probleme angesprochen, die es in einzelnen Bereichen in der Vergangenheit gegeben haben mag. Ich gehörte diesem Haus früher nicht an, habe aber einiges aus der Distanz heraus verfolgen können. Ihr Beispiel war die Justizverwaltung. Ich kann nur schildern, dass wir in einem sehr konstruktiven Dialog mit der Justizverwaltung sind, wie wir bei der Staatsanwaltschaft oder bei den Justizvollzugsbeamten die Ansätze, die Sie eben als gelebte Diversity in der Berliner Verwaltung beschrieben haben, umsetzen können. Das alles passiert. Es passiert heute schon. Dazu brauchte es nicht erst den Antrag von Herrn Birk, sondern dazu haben wir uns schon in der Koalitionsvereinbarung klar bekannt und selbstverpflichtet.
Dennoch glaube ich, dass wir uns die Zeit nehmen sollen und müssen, uns mit Ihrem Antrag in den Fachausschüssen sehr ausführlich zu beschäftigen. Denn es gibt ja nicht nur diesen Antrag, es gibt auch die Ergebnisse der Gesamtevaluation der ISV. Und dann sollten wir uns ohne Scheuklappen darüber unterhalten, welche Schwachstellen sich aus unserer eigenen Wahrnehmung
der bisherigen Umsetzung, aber auch aus den Ergebnissen der Evaluation ergeben. Gemeinsam müssen wir klären: Wo haben wir sowohl den finanziellen Spielraum als auch die politischen Möglichkeiten nachzubessern? Dabei muss man auch über Prioritäten reden. Sie haben eben beispielsweise über die Zusammenarbeit mit den Bezirken gesprochen. Da bin ich nicht sicher, ob es so gerechtfertigt ist, wie es uns immer dargestellt wird, dass man vor allem auf die Bezirke setzt, bei denen die Bereitschaft am größten ist, mitzumachen in der ISV. Müssen wir nicht eher danach gehen, wo die größten Probleme bestehen? Und müssen wir die Bezirke möglicherweise auch zu ihrem Glück zwingen? Darüber werden wir uns sicherlich auch streitbar mit den entsprechenden Bezirken austauschen müssen.
Sie sehen, es geht um ein sehr komplexes Thema. Ich glaube, es waren 23 Anträge, die von diesem Haus insgesamt beschlossen und in der ISV gebündelt wurden. Es geht um über 60 einzelne Projekte. Das hier in einer ersten Lesung in Bausch und Bogen abzuhandeln ist uns schlechterdings nicht möglich. Es ist, glaube ich, auch gar nicht gewünscht. Der eine oder andere hat Interesse an einem frühen Feierabend erkennen lassen. Insofern lassen wir es dabei, dem Antrag einen guten Weg in die Ausschüsse zu wünschen. Wir freuen uns auf eine sicherlich kontroverse, aber im Ergebnis hoffentlich ertragreiche Auseinandersetzung darüber, was konkret getan werden muss, um die ISV weiterzuentwickeln. Ich bin recht zuversichtlich, dass wir hier wie auch in anderen Bereichen zu guten Ergebnissen kommen werden.
Ein letztes Wort noch zum Thema Rehabilitation, weil Sie das auch aufgeworfen hatten. Das gehört zum Teil auch in den Gesamtzusammenhang der ISV hinein. Wir stehen dazu, dass es allemal besser ist, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, die Aussichten auf eine Mehrheit hat und die Aussichten darauf hat, dass tatsächlich etwas für die betroffenen Menschen getan wird. Wir wollen keine Schaufensterpolitik betreiben mit Anträgen, von denen jeder weiß – auch Sie, Dr. Lederer, wissen das –, dass sie für andere Bundesländer große rechtspolitische Probleme beinhalten. Insofern haben wir die entsprechende Offenheit gezeigt, die notwendig ist, eine breite Mehrheit der Bundesländer im Sinne der Betroffenen zu erreichen. Unsere Justizverwaltung, unsere Abgeordneten und viele andere Angehörige der Community sind dabei, entsprechend einzuwirken auf die Kollegen aus anderen Bundesländern, um eine solche Mehrheit sicherzustellen. Auch hier bin ich sehr zuversichtlich. – Vielen Dank!
Lieber Kollege! Das ist genau die Art und Weise, bei der wir uns überlegen müssen, wie wir miteinander umgehen wollen. Bisher waren es die Christdemokratische Union und die CSU Bayern, die Mehrheiten im Bundesrat und im Bundestag für die Rehabilitierung und Entschädigung der nach § 175 StGB verurteilten Männer verhindert haben. Niemand sonst!
Sie reden hier über Realismus und über Mehrheiten und nehmen dabei nicht zur Kenntnis, dass es in den Reihen Ihrer Partei – ich habe vorhin ein Beispiel genannt – immer noch Leute gibt, die es völlig normal finden, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität und Orientierung zu diskriminieren und zu – – Mir fallen keine Worte dazu ein, wenn jemand sagt: Homosexualität ist eine Krankheit. Dann frage ich mich: Braucht der nicht ein bisschen Hilfe?
Wenn Sie jetzt sagen, das sei ein Schaufensterantrag, dann will ich an dieser Stelle noch mal klipp und klar sagen: Setzen Sie sich bitte mit Ihrem Koalitionspartner auseinander! Die LADS hat im vergangenen Jahr, am Tag gegen Homophobie, in diesem Haus gemeinsam mit der Linksfraktion und der SPD-Fraktion eine Veranstaltung durchgeführt, eine Veranstaltung, wo es um die Frage der Rehabilitierung und Entschädigung von homosexuellen Männern ging, die nach 1945 gemäß §§ 175, 175a StGB und ähnlichen Normen verurteilt worden sind.
Heute Morgen war auf dem Bebel-Platz das Lesen gegen das Vergessen. Das ist eine Veranstaltung, bei der der Bücherverbrennung auf dem damaligen Opernplatz durch die SA-Horden und der Schändung unter anderem des Magnus-Hirschfeld-Instituts gedacht wird. Der Historiker Julius Schoeps hat gesagt: Für die schwulen Männer war 1945 das Dritte Reich nicht zu Ende. – Wenn Sie sich jetzt hinstellen und sagen: Es ist realistischer, die Bundesregierung devot zu bitten, ob sie nicht mal prüfen will, ob man irgendwann einmal diese Menschenrechtsverletzung beendet. – und auf eine Entschädigungsforderung verzichten, dann führt das absurderweise dazu, dass Menschen, die während der Nazizeit nach §§ 175, 175a StGB verurteilt worden sind, eine Entschädigung beanspruchen können und die schwulen Männer, die nach 1945 in der Bundesrepublik nach genau denselben Normen verurteilt worden sind, eine solche Entschädigung nicht bekommen. Wie absurd ist das denn, und was ist das denn für eine Relativierung von Menschenrechten, der Sie hier das Wort aus angeblich taktischen Gründen reden?