Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

[Martin Delius (PIRATEN): Das sind keine hoheitlichen Aufgaben! – Weitere Zurufe von den PIRATEN]

Das kann kein Schritt der Trennung sein.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von den PIRATEN]

Es gibt doch gar keinen Grund, meine Herren, sich so zu echauffieren! – Als Nächster hat Herr Goiny von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag ist in die Kategorie „Dem kann man gar nicht zustimmen, weil er Quatsch ist“ einzuordnen.

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (LINKE): „Gute“ Begründung! – Martin Delius (PIRATEN): Ausgefeilte Rhetorik!]

Kollege Lauer hat durch wiederholte Kurzinterventionen versucht zu erklären, was die Piraten sich dabei gedacht haben. Sie wollen Staat und Kirche trennen, und meinen, durch den Kirchensteuereinzug des Staates ist das nicht gewährleistet. Gut, das ist Ihre Auffassung. Sie haben da allerdings schon ein völlig falsches Verständnis von unserem Grundgesetz, das sich die Trennung von Staat und Kirche so gar nicht denkt. Der Neutralitätsgedanke bedeutet vielmehr, dass anerkannte Religionsgemeinschaften laut unserer Verfassung bestimmte Möglichkeiten haben, in der Mitte unserer Gesellschaft zu wirken. Ihr Antrag würde, selbst wenn er beschlossen würde, daran nichts ändern, weil er am falschen Objekt ansetzt. Das wollen wir politisch auch gar nicht ändern. Insofern ist

nicht nur das Ansinnen, das Sie an uns richten, eines, das wir inhaltlich ablehnen, es ist auch ein untauglicher Versuch, weil das von Ihnen intendierte Ziel mit Ihrem Antrag gar nicht erreicht werden kann.

Was man Ihnen am Ende dann auch noch ausreden muss, ist, dass Sie sich dabei auch noch auf das Bundesverfassungsgericht beziehen. Das Bundesverfassungsgericht hält nämlich die bestehende Rechtslage ausdrücklich für richtig und zulässig. Insofern dient dieser Antrag höchstens Ihrer politischen Bildung, aber er ist keine Grundlage, auf der wir hier irgendwelche Beschlüsse fassen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Als Nächster spricht für Die Linke der Kollege Brauer.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Eintreiben von Steuergeldern gehört seit den Zeiten des Königs Hammurabi von Babylon zu den gesellschaftlich nicht unbedingt geliebten Tätigkeiten.

[Uwe Doering (LINKE): Von wem?]

Notwendig ist es aber dennoch. Die Gesellschaft erwartet von staatlichen Strukturen Leistungen, die allen zugute kommen sollen und also auch von allen finanziert werden müssen. Ganz anders aber verhält es sich mit Angeboten von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen für ihre Gruppenangehörigen. Diese können gegebenenfalls mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, wenn es im Interesse der Allgemeinheit liegt und eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit vorliegt. Grundsätzlich, Herr Goiny, ist das aber zu trennen. Das wussten bereits die Evangelisten. Ich zitiere Matthäus 22,21, das berühmte Gleichnis vom Zinsgroschen. Nämlich sagte Jesus: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber gebt Gott, was Gott gehört.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Andreas Gram (CDU): Recht hat Er!]

In Deutschland ist das aber anders, Herr Kollege! Vor einiger Zeit zitierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, das „Violettbuch Kirchenfinanzen“. Den Autoren mag das Blatt nicht, aber seine Daten musste es akzeptieren. Auf satte 19,9 Milliarden Euro summieren sich alljährlich die Ausgaben des Steuerzahlers – da ist es egal, ob es ein Katholik oder ein Muslim, ein Jude oder ein Heide ist oder was auch immer –, an die Katholische respektive die Evangelische Kirche. Die tun nun auch Gutes dafür, das haben wir gehört. Immerhin 5 Prozent des Etats zum Beispiel des bischöflichen Missionswerks Misereor werden von der Kirche selbst gezahlt. Bei vielen anderen guten Taten zahlt auch die öffentliche Hand. 3,9 Milliarden Euro kosten allein die katholischen und

evangelischen Kindergärten. Was bekommen denn eigentlich in Berlin die muslimischen Kindergärten?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Nach meinen Informationen sind diese Institute alleinige Sache der Moscheengemeinden. Ein tolles Beispiel für Verteilungsgerechtigkeit!

Nun ist das Ganze durch ein hochkomplexes System – die Rechtskonstruktion, Herr Goiny – vertraglicher Regelungen abgesichert, deren Zwangsläufigkeit seitens der kirchlichen Rechtshistoriker nötigenfalls, wir haben es hier gehört, bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555 zurückgerechnet wird. Sie trauen sich nur noch nicht, die Konstantinische Schenkung zu zitieren, von 315,

[Beifall bei den PIRATEN]

eine einigermaßen erwiesene Fälschung. Die „Berliner Zeitung“ sprach 2010 mit Blick auf das „Handbuch des Staatskirchenrechts“ – ein dicker Wälzer mit zwei Bänden, schon der Titel ist verräterisch, „Staatskirchenrecht“ – von einem in Deutschland existierenden weltweit einmaligem Labyrinth von Normen und Verträgen, die „von nichts anderem handeln als von der staatlichen Gewährleistung des öffentlichen Wirkens der Kirchen“. Übersetzen wir das: Dieses System handelt von Geld, von nichts anderem.

„Die Kirche hat einen guten Magen“, brachte es Mephistopheles es auf einen kurzen Nenner. Ich zitiere nicht weiter, weil auch Goethe strafbar sein kann in diesem Hause.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Nun geht es im vorliegenden Antrag der Piraten auf Gesetzesänderung nicht um die guten Taten des Staates in Form von Überweisungsaufträgen an die Kirchen. Es geht nur um indirekte Zahlungen, um die Mittel, die die Kirchen einsparen bei dem Unternehmen, den Zwangsobolus ihrer Schäfchen einzutreiben.

Nur in Bayern – ein Lob den klugen Bayern – existieren kirchliche Steuerämter. Für das katholische Bistum Eichstätt – nicht gerade ein Hort der europäischen Aufklärung – sind diese: „eine wichtige Kontaktstelle zu den Steuerpflichtigen.“ Also eine Kontaktstelle zwischen der Leitung des Bistums und den Gläubigen. Weshalb die anderen Bistümer darauf verzichten, weiß ich nicht. Eine interessante Sicht, wie ich finde. Dieses Bistum Eichstätt weist übrigens auch dezidiert darauf hin, dass die Kirchensteuer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts „von den einzelnen Staaten des Reiches in Deutschland der Kirche aufgedrängt“ wurde. O-Ton Eichstätt. Allerdings sparen die Kirchen in Deutschland etwas 1,8 Milliarden Euro Aufwand beim Eintreiben dieser Beiträge. Diese Beiträge sind gut 9,4 Milliarden Euro bundesweit. Gut, der Staat erhält dafür eine Aufwands

entschädigung. Die fällt aber bei diesen Summen kaum ins Gewicht, da haben die Piraten recht. Dafür gehen aber dem Staat aufgrund der Absetzbarkeit der Kirchensteuer 3 Milliarden Euro jährlich verloren.

Der Antrag der Piratenfraktion ist vernünftig. Er wäre geeignet, in Berlin bayerische Verhältnisse herzustellen. Die Bischöfe der Diözesen im Freistaat sind weit denkende Leute. Da ist nicht alles schlecht. Dass nun ausgerechnet die SPD gegen die Trennung von Kirche und Staat argumentiert, um Gottes willen! Da könnte man fast sprachlos werden. Herr Verrycken! Bitte erklären Sie uns, welche Art Kirchenstaat oder Staatskirche Sie denn nun eigentlich künftig wünschen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag der Piratenfraktion empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten und an den Hauptausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch, wir verfahren so.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt die zusätzliche Überweisung an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung. Wer dieser zusätzlichen Überweisung an den Rechtsausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Dann ist das einstimmig so beschlossen – inklusive des fraktionslosen Kollegen.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 5:

Gesetz zur Änderung des Berliner Datenschutzgesetzes

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 23. April 2012 Drucksache 17/0283

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/0170

Zweite Lesung

Ich eröffnet die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der Artikel I und II miteinander zu verbinden – und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II – Drucksache 17/0170. Es ist keine Beratung mehr gewünscht.

Zum Gesetzantrag auf Drucksache 17/0170 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Annahme. Wer dem Antrag zustimmen

(Präsident Ralf Wieland)

möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wir sind beim Tagesordnungspunkt 5. Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU sowie der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die Piraten, die Grünen und die Linke. Das Erstere war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz zur Änderung des Berliner Datenschutzgesetzes so beschlossen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich komme zu

lfd. Nr. 6:

Gesetz zur Bestimmung von zuständigen Stellen im Bereich der Berufsbildung

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0274

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 7 war Priorität der Fraktion der CDU unter Nummer 4.2. Der Tagesordnungspunkt 8 war Priorität der Piratenfraktion unter Nummer 4.5.

Ich komme zu

lfd. Nr. 8 A: