Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

den Spätwirkungen immer noch. Deswegen habe ich meine Fragen an Sie gerichtet. Kann ich Ihre Aussage so interpretieren, dass sowohl Sie als auch Ihre Kollegin von Obernitz den Beschäftigten die Ihnen mögliche Unterstützung gewähren werden? Die Beschäftigten sind im Augenblick offensichtlich auf dem Weg von der Leipziger Straße zum Roten Rathaus, um genau diese Unterstützung vom Senat zu erbitten.

Bitte, Herr Senator!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrter Kollege! Ich kann Ihnen natürlich versichern, dass die Arbeitsplätze ein großes Anliegen des Senats sind. Wir tun viel – alles kann ich nicht sagen, weil das manchmal nicht geht –, um Arbeitsplätze zu schützen und zu erhalten. Aber ich muss sagen, dass das zunächst eine Frage eines privaten Arbeitgebers ist. Wir können anbieten, mit dem Arbeitgeber zu sprechen. Dafür gibt es bestimmte Instrumentarien, die wir in solchen Fällen auch nutzen. Das Angebot ist gemacht worden. Bislang wurde es nicht aufgegriffen. Ich bin sicher, dass wir ganz konsequent dabei sein und uns über den Fortgang der Dinge unterrichten lassen werden. Soweit es uns möglich ist, werden wir uns darum kümmern – wie wir uns in der Vergangenheit auch immer um Arbeitsplätze gekümmert haben. Das haben wir zuletzt bei Schlecker getan.

Dann kommen wir zu der Frage der Piraten. – Bitte, Kollege Lauer!

Mal theoretisch angenommen, es gibt ein Ereignis in der Stadt, das Fraktionen in diesem Haus dazu führt, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, und angenommen, eine andere Fraktion dieses Hauses gibt zehn Minuten vor Beginn der Plenarsitzung eine Pressemitteilung heraus, durch die dieses Thema seine Erledigung findet,

[Torsten Schneider (SPD): Unerhört!]

wie bewerten Sie das im Sinne der parlamentarischen Fairness?

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Lachen bei der SPD]

Dass die SPD bei parlamentarischer Fairness lachen muss, können wir alle nachvollziehen. – Noch einmal Herr Wowereit: Mal angenommen, so etwas würde hier im Haus passieren, wie würden Sie das bewerten?

Bitte, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich wundere mich ein bisschen, welche Stellung neuerdings der Regierende Bürgermeister in unserem Rechtssystem einnehmen soll. Die Studentinnen und Studenten der Schauspielschule sagen: Machen Sie Ihre Richtlinienkompetenz gegenüber dem Parlament deutlich! – Das haben auch schon Parlamentarier gefordert. Das ist eine interessante Verfassungsänderungsdebatte. Ich lege Wert darauf, dass ich maximal im Senat eine Richtlinienkompetenz habe, aber nicht gegenüber dem Parlament.

[Beifall bei der SPD – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Jetzt reden Sie sich raus!]

Wenn ich jetzt auch noch die Pressearbeit der Fraktionen dieses Hauses als Oberzensor oder Schiedsrichter bewerten soll, dann kann das nicht in Ihrem Interesse sein.

Was ich aber gerne sage: Es wundert mich schon ein bisschen, dass Sie nicht mitbekommen haben, dass es eine – Gott sei Dank – positive Wende bei „Ernst Busch“ gegeben hat,

[Beifall bei der SPD und der CDU]

obwohl Sie ja dauernd auf dem Stand der Zeit sind. Dann hätten Sie ja eigentlich alles mitbekommen müssen. Aber Sie halten hier Reden, als ob diese Pressekonferenz nicht stattgefunden hat. Herzlich willkommen, dass Sie sie jetzt schon zur Kenntnis genommen haben!

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD]

Ich freue mich inhaltlich darüber, dass hier eine positive Entscheidung für „Ernst Busch“ getroffen worden ist, und auch darüber, dass eine Fraktion oder zwei Fraktionen, die hier eine andere Entscheidung getroffen hatten, den Mut haben, über den eigenen Schatten zu springen und vielleicht auch unter Gesichtsverlust, wie das immer so schön bezeichnet wird, eine Entscheidung zu korrigieren. Das sollten wir doch gemeinsam begrüßen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Herr Kollege Lauer! Sie haben das Wort für eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Wowereit! Vielleicht können Sie mir dann diese Frage doch noch beantworten: Wie viele SPD-Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus gibt es genau?

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Wollen Sie jetzt eine offizielle Antwort haben?

[Christopher Lauer (PIRATEN): Immer!]

Also im Parlamentshandbuch ist eine drin, aber es kann natürlich in der Praxis schon mal sein, dass es auch Gruppierungen gibt – auch in Fraktionen. Das soll sogar bei Ihnen so sein, nehme ich mal an.

[Heiterkeit bei der SPD – Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich habe gehört, Sie sind offiziell eine Fraktion, aber in Wirklichkeit höchstwahrscheinlich 15. Das wurde ja gerade vom parlamentarischen Geschäftsführer gesagt. Herzlichen Glückwunsch! Das ist auch eine schöne Variante.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Daniel Buchholz (SPD): Wo jeder allein für sich abstimmt! – Weitere Zurufe von der SPD und den PIRATEN]

Die erste Runde nach Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Ich eröffne diese Runde mit einem Gongzeichen. Schon mit dem Ertönen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch Ihre Ruftaste anzumelden. Alle vorher eingegangenen Meldungen werden gelöscht.

[Gongzeichen]

Frau Kollegin Matuschek!

Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister. – Herr Wowereit! Wie bewerten Sie das Nachspielen der Entscheidungsschlacht des Zweiten Weltkriegs im Spreeparkgelände in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Tag der Befreiung und in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Sowjetischen Ehrenmal, einer großen Kriegsgräberstätte, für die sich die Bundesrepublik zu einem respektvollen Umgang verpflichtet hat?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Ich denke, bei all diesen Aktivitäten – es handelte sich hier, glaube ich, um eine private Aktivität – ist selbstverständlich eine besondere Sensibilität an den Tag zu legen. Das erwarte ich von jedem Veranstalter. Noch besser wäre es, wenn auch eine Öffentlichkeit dadurch reagiert, dass sie, wenn sie den Eindruck hat, dass diese Sensibilität nicht eingehalten wird, dann auch tatsächlich dieser Veranstaltung eine Absage erteilt.

Frau Matuschek hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!

Die Öffentlichkeit hat sich u. a. auch durch meine Frage hier bemerkbar gemacht. Es handelt sich tatsächlich um eine private Veranstaltung, aber im Rahmen der siebten Biennale. Es gab keine Genehmigungsmöglichkeit welcher Verantwortlichen auch immer, um auf diesen Veranstalter einzuwirken. Deshalb meine Frage an Sie: Sehen Sie die Möglichkeit, auch bei einer Kunstaktion im Rahmen einer Biennale, die für die Anwohnerinnen und Anwohner sowie für die Besucherinnen und Besucher des Spreeparks überhaupt nicht als Kunstaktion deutlich wurde, auf solche privaten Veranstaltungen einzuwirken, um für einen respektvollen Umgang mit den Toten des Zweiten Weltkriegs im Sowjetischen Ehrenmal zu sorgen?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Sie haben darauf hingewiesen, dass das im Rahmen der Biennale stattfand. Die Kuratoren der Biennale hatten angekündigt, durchaus auch provozieren zu wollen – auch mit der Auswahl der einzelnen Aktionen oder Kunstwerke. Damit kommen wir in diesen Spannungsbogen hinein: Ich glaube, es ist für den Regierenden Bürgermeister nicht angesagt, sich zensierend in die Kunst einzumischen.

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Ich habe es bislang auch immer so verstanden, dass Sie als Fraktion das auch nicht machen wollen. Hier muss ein Freiheitsbegriff vorhanden sein. Da, wo etwas an Grenzen stößt, muss gegebenenfalls eingeschritten werden, aber ansonsten muss die Auseinandersetzung geführt werden. Deshalb habe ich vorhin darauf hingewiesen: Wenn das Anstoß erregt, dann muss es auch eine öffentliche Debatte geben. Ich habe den Eindruck, dass das sogar gewünscht war. Es ist in Berlin etwas schwierig, dann auch diese Aufmerksamkeit dafür zu erzielen. Aber es

muss dann eine Auseinandersetzung stattfinden. Eine Zensur sollte in einem solchen Fall, wenn Grenzen nicht überschritten sind – –

[Jutta Matuschek (LINKE): Da wurden private Einnahmen beim Spreepark erzielt!]

Das mag ja sein, aber das ist dann Teil dieser Veranstaltung Biennale.

Das Wort zur nächsten Frage hat Kollege Lauer von den Piraten. – Bitte!

Ich frage den Kultursenator von Berlin, Herrn Klaus Wowereit: Herr Wowereit, könnten Sie mir 500 000 Euro geben?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht aus meiner Privatschatulle haben wollen, wo nichts drin ist – jedenfalls nicht eine solche Summe, und wenn doch, würde ich sie Ihnen auch nicht geben.

[Heiterkeit – Beifall bei der SPD und der CDU – Christopher Lauer (PIRATEN): Sehr transparent!]

Denn ich glaube, man soll Sie auch nicht unnötig belasten.