Weiterhin fehlen Erzieherstellen. Das haben Sie beim Ausbau auch nicht berücksichtigt. Wir brauchten 2 400 bis 3 100 weitere Erzieher. Jetzt haben wir noch größere Gruppen bei gleicher Erzieherzahl. Wie soll das funktionieren?
Auch nicht weit genug gedacht haben Sie, indem Sie den Erzieherberuf nicht attraktiver gestaltet haben. Das hätte man auch schon vor Jahren machen können, indem man z. B. die Gehälter anhebt. Welcher Hochschulabsolvent mit einem Bachelor möchte denn bei 1 300 Euro netto enden? Da wird man doch lieber Grundschullehrer. Natürlich würde das alles mehr kosten, dann gibt es eben keine Landesbibliothek. Und ja, darauf können wir verzichten. Besser soziale Gerechtigkeit und frühkindliche Bildung als falsches wirtschaftliches Wachstum. Wo das endet, sehen wir schließlich beim Flughafen.
Nun zum zweiten Punkt: Das ist die Jugendarbeit in Kapitel 1042, Titel 684 25. Am ersten Juni gab es die Protestaktion „Jugend verschwindet“, die von Kinder- und Jugendprojekten organisiert wurde. Stetige Kürzungen bis hin zur Leistungsgrenze hat die Jugendarbeit hinneh
men müssen. Immerhin ist die Koalition bereit, 100 000 Euro dazuzugeben. Die Arbeitsgemeinschaft der Berliner Jugendbildungsstätten fordert allerdings 500 000 Euro. Beides ist zu wenig. Das sieht man daran, dass immer mehr Jugendliche keinen Abschluss haben. Durch die Mangelwirtschaft in der Jugendbildung verschärfen wir ebenfalls die soziale Ungleichheit. Na super, gleich in der Kita und in der Jugendbildung hinterher noch einmal! Wir brauchen also dringend eine bessere Jugendarbeit, sonst haben wir Frust und Wut vorprogrammiert.
Dann haben wir wieder fragende Gesichter im Innenausschuss: Woher kommt die Jugendgewalt an Schulen und an U-Bahnhöfen? Was machen wir mit den brennenden Autos? Woher kommen die Jugendbanden? Es gibt nur eine klare Lösung, das alles zu verhindern: Wir müssen für die Jugendlichen eine Perspektive und eine Zukunft schaffen und ihnen einen Arbeitsplatz sichern. Denn damit wird die Jugend zufrieden, und wir verhindern Wut und Frust und damit letztendlich auch die Gewalt.
Vielen Dank, Frau Graf! – Für den Senat spricht jetzt Bürgermeister Müller anstelle der Bildungssenatorin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich nicht gang und gäbe, dass ein Senator die Haushaltsrede eines anderen Senators oder einer anderen Senatorin übernimmt, wie wir das jetzt hier machen, aber ich nehme diese Aufgabe sehr gerne für meine Kollegin Scheeres wahr, denn zum einen handelt es sich bei der Bildungspolitik um einen dezentralen Schwerpunkt in der Berliner Politik – neben dem Stadtentwicklungsbereich natürlich –,
und zum anderen nimmt Frau Scheeres auch für Berlin und für die Berliner Universitäten und die Charité jetzt einen wirklich wichtigen Termin wahr, nämlich bei der Entscheidung um die Exzellenzinitiative. Da möchte ich ihr von dieser Stelle aus viel Erfolg und gutes Gelingen im Interesse Berlins wünschen.
Die Senatorin kann mit Zuversicht in die Gespräche gehen. Die Berliner Universitäts- und Wissenschaftslandschaft ist exzellent aufgestellt. Das hat sie zuletzt wieder
mit ihrem Abschneiden beim DFG-Förderatlas gezeigt mit den Plätzen 1, 5 und 25 für FU, HU und TU beim Einwerben von Fördermitteln. Das zeigt sich auch in der Breite der Hochschulbildung. Zum nächsten Semester wird es in Berlin 31 500 Plätze für die Studienanfängerinnen und -anfänger geben. Damit konnten die Vereinbarungen über den Ausbau der Studienanfängerplätze sogar übertroffen werden.
Berlin ist in diesem Zusammenhang auch Vorreiter bei der Öffnung der Hochschulen für Bewerberinnen und Bewerber, die über kein Abitur verfügen, aber wichtige Qualifikationen mitbringen. Berlin ist, was Studienplätze und wissenschaftliche Leistungen angeht, das Geberland in der Bundesrepublik. Diese Position Berlins ist Folge der Leistungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der Hochschulen insgesamt und der Politik, die den Rahmen setzt. Einen guten Rahmen zu setzen, ist uns auch mit diesem Haushalt wieder gelungen.
Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Sicherung der Zuschüsse für die Hochschulen. Es ist gelungen, die Finanzierung der Hochschulverträge 2010 bis 2013 zu sichern und sogar um bis zu 7,6 Prozent zu steigern. Im Ergebnis werden die Hochschulen einschließlich der Charité in den nächsten Jahren 2012 und 2013 im Rahmen der leistungsbasierten Hochschulfinanzierung Zuschüsse von insgesamt mehr als 1,2 Milliarden Euro erhalten. Mit dem Haushalt 2012/2013 und der mittelfristigen Finanzplanung wurde auch die finanzielle Grundlage für die Fortführung des Masterplans Ausbildungsoffensive zur Sicherung der Qualität von Studium und Lehre geschaffen.
Auch bei den Investitionen gehen wir die notwendigen nächsten Schritte, sei es bei der Sanierung des Bettenhochhauses der Charité, sei es für die Schauspielschule „Ernst Busch“ oder das neue Laborgebäude für das BIMSB, das Berlin Institute for Medical Systems Biology. Die Finanzierung der Einstein-Stiftung, die immer besser in die Gänge kommt, ist gesichert, genauso wie die Kofinanzierung für die Exzellenzinitiative.
Ich habe eingangs schon gesagt, dass ich die Rede gerne übernommen habe. Dafür gibt es auch einen weiteren Grund, denn der Senat hat auf den Bildungsbereich einen glasklaren Schwerpunkt gesetzt. Hier macht es die Haushaltsrede auch angenehmer und leichter, aber vor allem ist das entscheidend für die Stadt, dass dieser Schwerpunkt gesetzt wurde. Wir stehen für die besten Bildungschancen für die Berliner Kinder, für eine familienfreundliche Stadt, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und die politische Konkurrenz hat wieder während der Koalitionsverhandlungen gesagt, dass das, was wir an Verbesserungen vorhaben, alles nicht zu leisten sei, ähn
lich, wie es schon war, als wir die beitragsfreien Kitajahre versprochen haben, ein Déjà-vu, das wir hier erlebt haben. Wir haben Verbesserungen versprochen, und wir haben auch im Bildungsbereich wieder Wort gehalten.
Alle Berliner Grundschulkinder werden in der Zukunft bei Bedarf jetzt auch eine Hortbetreuung in der 5. und 6. Klasse bekommen. In diesem Jahr geht es mit der 5. Klasse los, im nächsten folgt die 6. Klasse. Das ist ein großer und wichtiger Schritt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die berufstätigen Eltern haben damit Sicherheit, dass ihre Kinder bis 18 Uhr gut und sicher betreut sind. Darüber hinaus bekommen auch die lebensälteren behinderten Kinder eine Hort- und Ferienbetreuung. Die Eltern haben damit erstmals seit Jahren Rechtssicherheit. Angesichts ihrer ohnehin schon schwierigen Erziehungsaufgabe ist uns das wichtig. Wir haben insgesamt für die Hort- und Ferienbetreuung im Doppelhaushalt noch einmal 13 Millionen Euro in die Hand genommen.
Dieser Begriff Hortlücke ist eigentlich nur in Berlin bekannt. Warum ist das so? – Weil der Begriff Lücke voraussetzt, dass es links und rechts bzw. vorher und nachher etwas gibt: für die kleineren Kinder eine längere Betreuung und auch für die älteren. Aber die anderen Bundesländer haben eben eine Ganztagsbetreuung in diesem Umfang nicht, schon gar nicht bei den weiterführenden Schulen. Auch diesen Weg des Ausbaus der gebundenen Ganztagsschulen gehen wir weiter und haben dafür noch mehr Geld in den Haushalt eingestellt: 2,5 Millionen Euro extra.
Den Fokus wird die Bildungsverwaltung dabei auf Schulen in sozialen Brennpunkten legen, aber auch die Gymnasien werden berücksichtigt. Im kommenden Schuljahr profitieren die Berliner Gymnasien auch davon, dass die über 300 Lehrerinnen und Lehrer, die eigentlich nach dem doppelten Abiturjahrgang dort zuviel sind, direkt an den Gymnasien oder in Kooperation bleiben können. Auch diese Maßnahme zeigt, dass die Gymnasien für uns eine wichtige Säule der Berliner Schullandschaft sind.
Gymnasien und Sekundarschulen, beide Schultypen sind erfolgreich. Das hat gerade auch wieder die Anmeldung für das neue Schuljahr gezeigt. Die Sekundarschulen sind beliebt und nachgefragt. Die Unheilspropheten, die vorausgesagt haben, dass keiner sein Kind auf einer Sekundarschule anmelden würde und diese zu Resteschulen
Ein Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern ist uns wichtig. Wir werden sie weiterhin fortlaufend im Jahr vornehmen. Wenn Lehrer ausscheiden, werden neue eingestellt, nicht wie in der Vergangenheit, als Lehrerinnen und Lehrer nur zu wenigen festen Terminen eingestellt wurden. Und es bleibt auch dabei, dass die angestellten Lehrerinnen und Lehrer in Berlin als Berufseinsteiger gleich die Erfahrungsstufe 5 bekommen. Für einen Lehrer mit zwei Fächern sind das rund 4 300 Euro. Damit erhalten sie ein angemessenes Angebot, mit dem wir in den anderen Bundesländern durchaus in der Konkurrenz auch bestehen können.
Aber nicht nur der Senat hat mit seinem Haushaltsentwurf viele wichtige neue Akzente gesetzt und weitere Maßnahmen in die Finanzierung genommen, auch die Koalitionsfraktionen haben hier noch mal draufgelegt, z. B. beim Schul- und Sportstättensanierungsprogramm. Dieses hat jetzt einen Umfang von 48 bzw. 64 Millionen Euro. Ich glaube, dass auch das eine ganz wichtige Weiterentwicklung ist.
Als wir im Wahlkampf und auch danach in der Koalitionsvereinbarung von Schulfrieden gesprochen haben, da hat der eine oder andere gefragt, ob das heißen würde, dass nun im Schulbereich nichts mehr passieren sollte. Schulfrieden heißt, dass es jetzt keine großen weiteren Reformschritte geben wird. Die Schulen brauchen nach den wichtigen und notwendigen Reformen der letzten Jahre Ruhe und Zeit. Aber Frieden heißt nicht Stagnation, nicht Stillstand. Im Gegenteil, wir haben die Weichen für zahlreiche Fortschritte gestellt. Stillstand wollen und können wir uns im Bildungsbereich nicht erlauben. Zu stark hängt die Zukunft der Stadt vom Bildungsbereich ab. Berlins Zukunft kann nur die Stadt des Wissens sein.
Natürlich hat Berlin als Metropole auch ganz besondere Herausforderungen, ganz besondere Probleme in diesem Bereich. Wer für soziale Gerechtigkeit steht, muss im Bildungsbereich investieren. Der Berliner Senat steigt aus diesem Grund mit dem Doppelhaushalt auch in die Finanzierung von Familienzentren ein. In jedem Berliner Bezirk sollen mindestens zwei Familienzentren eine Unterstützung bekommen. Dafür sind 2 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. In den Familienzentren werden vor allem die Angebote zusammengeführt, die es in Berlin gibt. Die Familienzentren werden eine enge Verknüpfung mit dem Sozialraum haben und – wenn möglich – in einer Kita angesiedelt sein. Die Eltern kommen hier zusammen, tauschen sich aus, bekommen Tipps und Hilfe.
Wenn man innerhalb des Schwerpunkts Bildung noch eine weitere zentrale Maßnahme herausgreifen will, dann ist das der Ausbau der Kitaplätze. Das sieht man auch
bereits an den dafür zur Verfügung gestellten Mitteln: 20 Millionen Euro für das Schaffen neuer Kitaplätze zusätzlich für die nächsten beiden Jahre. Aber das Ziel ist auch ambitioniert: Bis Ende 2015 wollen wir bedarfsgerecht bis zu 19 000 neue Plätze in den Kitas schaffen. Mit den 20 Millionen Euro für die Jahre 2012 und 2013 steigen wir in dieses Landesprogramm für den Kitaausbau ein. Bereits seit Wochen ist die Senatsverwaltung deshalb mit den Trägern in Gesprächen. Und die Gespräche laufen vielversprechend. Die Träger haben großes Interesse an den angebotenen Maßnahmen. So kann es ein Startgeld von 1 000 Euro pro Platz für alle geben, die bis zu 30 Kitaplätze schaffen. Damit können notwendige Renovierungen finanziert und Ausstattungen gekauft werden. Das ist insbesondere auch eine geeignete Förderung für Elterninitiativen, die eine Kita gründen wollen.
Bereits jetzt gehen in Berlin rund 63 Prozent der Kinder im Alter von 1 bis 3 Jahren in die Kita. Manch ein anderes Bundesland kämpft gerade darum, die 30 Prozent zu erreichen. Wir rechnen sogar damit, dass bei uns in vier Jahren 70 Prozent der Kinder in diesem Alter zur Kita gehen. Berlin ist also bereits vorn und hat vorgesorgt. Wir stehen auch für das Fachkräfteangebot in diesen Kindertagesstätten. Verdoppelt haben sich die Kapazitäten an den Fachschulen für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern. Waren es im letzten Jahr rund 1 300 Erzieherinnen und Erzieher, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, so werden es 2014 2 600 sein. In diesem Haushalt haben wir noch einmal weitere 500 000 Euro pro Jahr eingestellt.
Wir gehen diesen Weg des massiven Ausbaus der Kitaplätze, denn Kitabesuch bringt Erfolg. Das hat gerade wieder die Schuleingangsuntersuchung deutlich gemacht. Eindrucksvoll wird dies an den Sprachfähigkeiten der Kinder mit Migrationshintergrund deutlich. Von den Kindern, die keine Kita besucht haben, sprechen nur etwas über 30 Prozent gut deutsch. Von den Kindern, die länger als zwei Jahre in eine Kita gegangen sind, sind es fast 80 Prozent. Aber nicht nur für die Kinder mit Migrationshintergrund ist der Kitabesuch wichtig, er ist für alle wichtig. Aus diesem Grund lehnen wir ein Betreuungsgeld ab. Wir brauchen die Kinder in der Bildungseinrichtung Kita.
Die Zahlen sprechen für sich: In diesem Jahr gibt es ein Plus von fast 400 Millionen Euro im Vergleich zum Ansatz 2011, und im Jahr 2013 dann noch mal 40 Millionen Euro. Das entspricht einer Steigerung von über 10 Prozent. Im Jugendbereich ist es sogar eine Steigerung von 30 Prozent. Auch im Vergleich mit dem Haushaltsentwurf des letzten Jahres für 2012 und 2013 gab es ein dickes Plus.
Die Hortlücke wird geschlossen. Der Ganztagsbetrieb wird weiter ausgebaut. Neue Kitaplätze werden ge
schaffen, Familienzentren finanziert. Das ist ein Haushalt, der für Verantwortung für Bildung und Chancen steht. Es ist ein guter Bildungshaushalt für unsere Stadt. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Vielen Dank, Herr Bürgermeister Müller! – Für die SPDFraktion hat nun Herr Abgeordneter Oberg das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Senator Müller! Ich glaube Ihnen, dass Sie diese besondere parlamentarische Situation genossen haben, denn der Bildungsetat ist so etwas wie das Glückskind des Berliner Haushalts. Seit Jahren wachsen die Ausgaben für Bildung, Jugend und Wissenschaft deutlich an. Auch in den Jahren 2012 und 2013 packen wir richtig etwas obendrauf, und zwar mehr als in jedem anderen Politikbereich, über den wir heute diskutieren.