Vielleicht sollte ich einen Moment warten, bis wieder Ruhe eingekehrt ist. Wenn die Herrschaften sich sortiert haben, können wir fortfahren.
Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Lux, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht an sich nahtlos weiter mit Wissen und Kontrolle, mit Transparenz und Verantwortung, mit alldem, über das wir auch in der Aktuellen Viertelstunde diskutiert haben, denn wir Grüne haben ein Transparenzgesetz für Berlin vorgelegt.
Ich möchte an dieser Stelle noch die ehemalige Kollegin Ingrid Lottenburger, damals auch von der GrünenFraktion, begrüßen. Sie ist auf der Tribüne. Sie war damals Verfasserin des ersten Berliner Informationsfreiheitsgesetzes.
Dieses Informationsfreiheitsgesetz soll heute in einer ersten Beratung ein paar Schritte nach vorne gebracht werden, denn – und das war Kern des Informationsfreiheitsgesetzes – die Bürgerinnen und Bürger, die Berlinerinnen und Berliner müssen sich momentan noch an das Amt wenden, um aufwendig Akteneinsicht zu beantragen und an Information zu gelangen.
Die meisten Berlinerinnen und Berliner – da bin ich mir sicher – wollen endlich eine Politik, die aktiv informiert. Nur so können staatliche Entscheidungen verstanden, nachvollzogen, diskutiert und am Ende vielleicht sogar akzeptiert werden. Sie sehen die Parallelen mit dem heute behandelten Untersuchungsausschuss, mit dem heutigen Thema Flughafen. Die Themen könnten gar nicht näher liegen. Auch wir als Staat haben eine Bringschuld. Wir haben eine Pflicht, die Bevölkerung aktiv zu informieren, das wollen wir nicht als Gnadenbrötel tun, sondern das wollen wir als Grundsatz haben, eine aktive Veröffentlichungspflicht für Berlin.
Vielleicht geht der Mentalitätswechsel dann hin zu einer neuen nachvollziehbareren politischen Kultur. Was haben die Berlinerinnen und Berliner davon? – Eine ganze Menge. Sie sollen in Zukunft wissen, was in ihren Lebensmitteln steckt, die unsere Ämter kontrollieren. Sie sollen wissen, welche schädlichen Umwelt- und Gesundheitsbelastungen festgestellt werden, welche Spielplätze gut oder schlecht sind, überhaupt, was im eigenen Kiez passiert, was auf dem nächsten Baugrundstück passieren
soll, welches Projekt und welche Stadtplanung vorgesehen sind, welcher Baum gefällt wird, wo Tierversuche welche Tiere und Lebewesen quälen, aber auch welche Durchwahlen es bei den Ämtern, welche Förderungen es im Land Berlin gibt, was der Senat insgesamt beschließt, wie die Steuergelder im Einzelnen ausgegeben werden.
Ich bin mir sicher, hätten wir das Transparenzgesetz schon vor Jahren gehabt, dann wäre dieses Debakel um den Berliner Flughafen, dann wäre das Desaster in der Bevölkerung über mangelnde Transparenz, über Geheimhaltung, die dem Senat unterstellt wird, wesentlich anders abgelaufen.
Die Entscheidungen wären besser nachvollziehbar geworden. Ich denke, dass wir gerade deswegen heute dieses Transparenzgesetz positiv beraten sollten.
Es ist ja auch kein Wunder, dass sich viele Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, der Antikorruptionsszene, Transparency International, aber auch andere, die staatliches Wissen haben wollen, vereinen, sich zusammensetzen und sagen, es geht, der Staat kann Informationen von sich aus veröffentlichen.
Es ist nicht mehr länger geheim, was wir an Informationen diskutieren. Der Bürger muss nicht zu uns kommen und einen Antrag stellen. Wir veröffentlichen von uns aus. Wir haben nichts zu verbergen. Der Aktendeckel soll gelüftet werden. Wir wollen mit offenem Visier den Bürgerinnen und Bürgern entgegentreten.
Die staatlichen Informationen, die gespeichert sind, werden von Verfassungsrechtlern als Schatz bezeichnet, den es zu heben gilt. Wir können in dieser Legislaturperiode in einer längeren Beratung dazu beitragen, dass dieser Schatz zur Verbesserung des Gemeinwohls gehoben wird, indem wir z. B. Anwendungen schaffen. Ich glaube, da kann eine andere Fraktion sogar besser darüber reden, bzw. Leute mit noch mehr technischem Sachverstand als ich, über das Schaffen von Anwendungen, die uns allen helfen, diesen Schatz zu heben.
Was man aus den Informationen und dem Wissen des Staates machen kann, daran sollen viele mitwirken und gemeinsam mitberaten können. Wir als Grüne haben versucht, eine Grundlage dafür zu erarbeiten, aber dieses Gesetz wird das Parlament nicht so verlassen, wie es eingebracht wurde. Es muss darüber mit den Fachpolitikerinnen und -politikern verhandelt werden. Dazu lade ich Sie herzlich ein.
Im Grundsatz sollten wir weg von der Akteneinsicht hin zur Veröffentlichungspflicht. Darum geht es. Dafür sollten wir gemeinsam stehen. Wir sollten keinen Überbietungswettbewerb führen,
sondern im Gegenteil die Verwaltung mitnehmen. Das wird ein Kraftakt für die Berliner Verwaltung. Ich bin deswegen auch froh, dass die Berliner CDU, die jetzt leider gar nicht da ist,
die aber vor 15 Jahren noch davor gewarnt hat, dass autonome Friedrichshainer das Bezirksamt Friedrichshain lahmlegen würden, wenn es ein Informationsfreiheitsgesetz gäbe.
Der Kollege Gewalt hat genau das hier gesagt, dass die Berliner CDU leichte Skepsis hat, aber ich bin überzeugt davon, wenn Sie sich mit der Materie auseinandersetzen und bürgerschaftliches Engagement so ernst nehmen, wie Sie hier suggerieren, dann werden Sie dieses Gesetz positiv mitberaten. Und wir freuen uns auf diese gemeinsame Beratung. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Lux! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Herr Abgeordnete Kohlmeier das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Zuhörer und Zuschauer an den Empfangsgeräten! Sie sahen und hörten gerade die luxsche Märchenstunde.
Die vierte Reihe der SPD-Fraktion will mal erzählen, wie die Geschichte hätte lauten müssen, Herr Lux.
Es war einmal eine Freie und Hansestadt Hamburg, hoch im Norden an der Elbe gelegen. Zwischen Reeperbahnpfaden und Elbtunnelwegen begehrten die Bürger eines Tages auf, denn sie wollten endlich wissen, was die da oben so machen. Sie wollten Transparenzia endlich zu ihrer Königin machen. Nachdem des Bürgervolkes Stimme erhoben wurde, lenkten die da oben ein und machten Transparenzia zu ihrer gemeinsamen Königin.
Auch eine 775 Jahre alte Stadt wollte Transparenzia zu ihrer Königin machen. Aber Transparenzia war ja schon Königin von Hamburg. Also machten sich die Spreefreibeuter und die Rucolabauern daran, Transparenzia nachzubauen.
Jeder wollte der Erste sein, sodass selbst die Berliner Tagespostillen von peinlicher Oppositionsposse schrieben. Und die Moral von der Geschicht’: Kleinliche Possen um die Transparenzia wollen die Berliner nicht!