Protokoll der Sitzung vom 25.10.2012

[Christopher Lauer (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Die Folge wären: weniger Anbieter geeigneter Software, weniger Wettbewerb, damit höhere Anschaffungs- und Betriebskosten, da es sich in den vorliegenden Fällen um eine explizit entwickelte Software handelt.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Im Ergebnis würden wir in vielen Fällen sogar den Ermittlungsbehörden das weniger geeignete oder sogar kein Werkzeug an die Hand geben können.

Die Piraten wollen dem Berliner Datenschutzbeauftragten mit ihrem Antrag nicht nur mehr Kontrollrechte gewähren, sondern sie legen ihm regelrecht zusätzliche Kontrollpflichten auf.

[Martin Delius (PIRATEN): Na, super!]

Die Prüfung eines Quellcodes ist allerdings immer sehr aufwendig. Quellcodes sind ein gewaltiges Datenpaket mit fast unendlichen Zeilen, verfasst in einer der möglichen sieben Programmiersprachen. Diese sind sehr komplex, sodass sie nicht immer von einer einzelnen Person beherrscht werden können. Ich bezweifle daher nicht die fachliche Kompetenz des Berliner Datenschutzbeauftragten, aber Sie sagen nicht, woher die notwendigen Kapazitäten und die technischen Möglichkeiten zur Erfüllung dieser zusätzlichen Aufgaben kommen sollen.

Ihr Antrag ist von Ihrem üblichen Misstrauen gegenüber dem Staat und seinen rechtstaatlichen Institutionen geprägt. Einerseits soll sich der Staat um alles kümmern, aber andererseits nicht um das Internet und die dort aufzuklärenden Straftaten. Einerseits misstrauen Sie ihm, auf der anderen Seite soll er alles kontrollieren. Da müssen sie sich entscheiden.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Er soll nicht alles kontrollieren!]

Fazit: Vordergründig wollen Sie dem Berliner Datenschutzbeauftragten mehr Kontrollmöglichkeiten einräumen. Ihr Antrag zielt aber vielmehr darauf ab, die Entwicklung und Einführung geeigneter Überwachungssoftware so zu torpedieren und unmöglich zu machen, dass die Software in der Praxis nicht mehr einsetzbar ist. Sie beabsichtigen nicht die Kontrolle der Anschaffung, sondern vielmehr die komplette Verhinderung. Ihr Ziel ist ein unkontrolliertes, vielleicht auch ein unkontrollierbares Internet. Dies trennt Sie klar von der Auffassung der Union. Wir sind der Überzeugung, dass der Staat grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, eine funktionale Online-Überwachung im gegebenen rechtstaatlichen Rahmen durchzuführen, denn das Internet darf nicht zum rechtsfreien Raum werden.

[Zurufe von den PIRATEN: Bingo!]

Wir werden den Antrag daher in den zuständigen Ausschüssen besprechen und eine rechtskonforme Lösung für die Beschaffung und Anwendung geeigneter und notwendiger Software sowie deren Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten finden und dabei explizit nicht die Rechte des Datenschutzbeauftragten einschränken. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Jetzt hat der Kollege Lauer für eine Kurzintervention das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege Lauer!

Herr Friederici! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Mehr Rechte einräumen – es geht hier nicht darum, dem Datenschutzbeauftragten mehr Rechte einzuräumen. Er

hat diese Rechte schon. Wir wollen nur, dass der Senat, wenn er Verträge abschließt, sicherstellt, dass es keine Regelungen gibt, die diese Rechte einschränken.

Wenn Sie davon sprechen, das sei Software, die von seriösen und angesehenen Anbietern hergestellt wird, würde ich sagen: Gut, ich wusste nicht, dass es seriöse Anbieter für so etwas gibt. Nennen Sie mir welche! Wenn Sie über das Thema Urheberrecht reden, was erwarten Sie? Dass der Datenschutzbeauftragte von Berlin bei einer Firma reinreitet, sich das kopiert und danach den Quellcode auf Pirate Bay reinstellt, oder was, und dann ein Urheberrechtsverletzer ist? In dem Moment, in dem Sie so etwas sagen, unterstellen Sie dem Datenschutzbeauftragten von Berlin schon so ein potenzielles schwerkriminelles Handeln.

Dass der Staat da Monopolabnehmer ist, stimmt auch nicht. Es gibt auch noch andere Staaten – kennt man auf dem Globus –, andere Länder. Es gibt auch andere Unternehmen, die möglicherweise ein Interesse an so was haben. Und noch mal: Der Staat ist da in einer besonderen Pflicht, wenn er Aufträge vergibt, und kann das entsprechend bei der Vertragsgestaltung machen. Dass der Quellcode zu komplex sei, als der Datenschutzbeauftragte in der Lage sei, ihn zu analysieren. Ja, holla die Waldfee! Wissen Sie irgendwas über den Berliner Datenschutzbeauftragten, was wir alle irgendwie wissen sollen? Kommt der jetzt schon seinen Aufgaben nicht hinterher?

Zusätzliche Aufgaben – wie gesagt: Das ist eine Aufgabe des Berliner Datenschutzbeauftragten, solche Software zu untersuchen. Noch mal: Dieser Antrag will das nicht verhindern, sondern stellt sicher, dass er das macht, ohne dass ihm irgendwelche absurden Bedingungen gegeben werden und er das machen kann. Und dass man die Software nicht mehr einsetzen kann, wenn sie der Berliner Datenschutzbeauftragte kontrolliert, ohne dass man ihm dabei Steine in den Weg legt, das müssen Sie mir tatsächlich noch mal erklären. Noch mal: Es geht darum, dass er es überhaupt kontrollieren kann. Wenn Sie Informationen darüber haben, dass der Berliner Datenschutzbeauftragte nicht in der Lage ist, so etwas zu kontrollieren, dann her damit, das interessiert uns sicher alle. Ansonsten: Vielleicht möchte der Praktikant, der die Rede geschrieben hat, auch gerne mal irgendwie eine Hospitanz bei der Piratenfraktion machen oder so. Dann können wir dem erklären, wie das alles funktioniert. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE) – Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Was zahlt ihr denn?]

Vielen Dank! – Dann hat jetzt für die Fraktion Die Linke Herr Kollege Doering das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Piraten fordern mit ihrem Antrag den Senat auf, bei allen zukünftigen Vertragsabschlüssen mit Privatfirmen zum Ankauf von Software, die der Überwachung dient oder die über Überwachungsfunktionen verfügt, sicherzustellen, dass der Datenschutzbeauftragte – a – in jede Software uneingeschränkt Einsicht nehmen kann und – b – über jeden Ankauf solcher Software informiert wird.

Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Piraten mit ihrem Antrag darauf aufmerksam machen, dass bei dem staatlichen Ankauf von Überwachungssoftware die datenschutzrechtliche Kontrolle umgangen werden kann. Um welche Art von Software es sich hier handelt und welche gemeint ist, geht aus dem Antrag leider nicht hervor. Das kann man lediglich in Ansätzen der Begründung entnehmen. Ich will aber darauf hinweisen, dass die Logik des Antrags besagt, dass die Piraten den Ankauf von Überwachungssoftware legitimieren, wenn der Datenschutzbeauftragte den Quellcode der Software einsehen kann.

An dieser Stelle frage ich mich dann allerdings, warum die Piraten dann zu Anfang des Jahres aus meiner Sicht zu Recht hier im Abgeordnetenhaus eine Debatte zum Einsatz von Staatstrojanern losgetreten haben.

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Herr Kollege Doering! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lauer?

Nein! Er kann ja eine Kurzintervention machen. Dann kann ich darauf reagieren.

Herr Lauer hat in der Debatte zur ersten Lesung des Antrags „Kein verfassungswidriger Staatstrojaner in Berlin“ gesagt:

Diese Software darf in Berlin niemals zum Einsatz kommen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ähnliches war von den Piraten in der Debatte zum sogenannten Schultrojaner zu hören. Nun erleben wir offensichtlich den Rückfall hinter diese Position. So etwas hat sich auch schon beim Antrag der Piraten „Videoüberwachung transparent und nachvollziehbar gestalten“ angedeutet. Hier sollte durch Hinweisschilder Transparenz hergestellt bzw. erhöht werden. Aber der massive Grundrechtseingriff wird nicht gemindert, weil durch Hinweisschilder auf eine Videoüberwachung hingewiesen wird.

Der Grundrechtseingriff bei der Anwendung von Software zur Telekommunikationsüberwachung wird auch nicht durch die Einsichtnahme des Datenschutzbeauftragten in die anzuschaffende Überwachungssoftware gemindert. Der Einsatz von Überwachungssoftware hat technische und rechtliche Aspekte. Bei aller Affinität zu den technischen Aspekten des Themas, die rechtliche Würdigung sollte hier doch an erster Stelle stehen. Das Post- und Fernmeldegeheimnis ist unverletzlich.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Dabei sollte es bleiben. Es kann nur bei der Verletzung schwerster Rechtsgüter außer Kraft gesetzt werden. Dann muss jeder Eingriff in die Grundrechte auf das absolut Notwendigste beschränkt werden. Mein Kollege Lederer hat bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass die Anwendung einer Software, die zur Quell- und Telekommunikationsüberwachung geeignet ist, verfassungsrechtliche Anforderungen nicht erfüllt.

Nun erleben wir in diesen Tagen, dass die Bundesregierung in Reaktion auf ein entsprechendes Bundesverfassungsgerichtsurteil einen Gesetzentwurf beschlossen hat. Dabei geht es um die Frage, inwieweit und in welchem Umfang Sicherheitsbehörden über Mobilfunk- und Internetanbieter Zugriff auf Bestandsdaten wie Namen und Adressen, auf PIN-Codes und Passwörter sowie dynamische IP-Adressen zugreifen können. Für diese Möglichkeit soll jetzt auf eine Rechtsgrundlage geschaffen werden. Das heißt doch im Klartext: Das ist ein weiterer Versuch, in das vom Grundgesetz geschützte Fernmeldegeheimnis einzugreifen bzw. auszuweiten. Und das, liebe Piraten, sind die Dimensionen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Deshalb gilt für die Linksfraktion: Ein bisschen Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten rechtfertigt nicht den Einsatz von Software für die Quellen-TKÜ. Wir lehnen dies ganz ab, weil sich dies kaum von der Onlinedurchsuchung unterscheidet. Auch andere unverhältnismäßige Überwachungsinstrumente wie den viel diskutierten Schultrojaner wollen wir erst gar nicht anschaffen. Dass die Piraten mit dem vorliegenden Antrag hier zurückrudern, das verwundert uns doch sehr.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für eine Kurzintervention hat der Kollege Lauer das Wort.

Herr Doering! Ich kann Sie beruhigen, es ist nicht so, dass die Nähe zur CDU-Fraktion durch irgendeine spuk

hafte Fernwirkung im letzten Jahr dazu geführt hätte, dass wir jetzt auf einmal alle Überwachungsfreaks sind.

[Heiterkeit bei Dr. Klaus Lederer (LINKE) – Zuruf von der CDU]

Ich kann auch dem, was Sie in Ihrer Rede gesagt haben, weitestgehend zustimmen. Der Gedanke dahinter ist einfach, wie ich auch in der Rede vorhin gesagt habe, ist nach Auffassung der Piratenfraktion eine solche Software nach Vorgaben des Verfassungsgerichts technisch nicht möglich. Und sie ist natürlich auch nicht wünschenswert.

Wenn wir aber einen Datenschutzbeauftragten haben, der aufgrund irgendwelcher absurden vertraglichen Regelungen daran gehindert wird, das auch noch mal offiziell als Datenschutzbeauftragter festzustellen, finden wir das schlecht. Deswegen möchten wir es dem Datenschutzbeauftragten so einfach wie möglich machen festzustellen, dass die Software, die das Land Berlin kauft und die dann etwaige Überwachungsfunktionen hat, nicht eingesetzt werden darf. Darum geht es und um nichts anderes. Es geht nicht darum, irgendeiner Software irgendein Plazet zu geben und dann den Eindruck zu erwecken, da würde irgendwas stattfinden, was dann mit den Vorgaben des Verfassungsgerichts irgendeiner Form vereinbar wäre. Im Gegenteil, wir wollen dem Datenschutzbeauftragten ermöglichen, seine Arbeit zu tun und eben das zu verhindern, was Herrn Schaar auf Bundesebene passiert ist, als er den Staatstrojaner untersuchen wollte. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Herr Doering – bitte schön!

Ich danke Herrn Lauer für die Bemerkungen und möchte sie nur noch mal aufgreifen, indem ich sage: Mir war wichtig, dass man diese verfassungsrechtlichen Grundsätze noch mal aufzeigt, weil wir immer allzu schnell über Überwachungssoftware und Einsatz von Software diskutieren. Das haben wir gerade erst am letzten Montag im ITDat-Ausschuss erlebt. Aber ich greife Ihre Bemerkung gerade auf und biete einfach an, dass wir im entsprechenden Ausschuss mal über eine Präzisierung des Antrags nachdenken, um diese Unklarheiten zu beseitigen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Stefan Gelbhaar (GRÜNE) und Thomas Birk (GRÜNE)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 A: