Ich bleibe jetzt mal bei der direkten Demokratie und will mich auf den Antrag der Piraten beziehen. Wir sind bei der direkten Demokratie als Hauptstadt Berlin auf alle Fälle nicht das Schlusslicht, sondern ziemlich weit oben. Das heißt aber noch lange nicht, dass man nicht noch mehr machen kann. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir – das wurde hier mehrfach erwähnt – eine Referendumspflicht bei der beabsichtigten Übertragung zentraler öffentlicher Aufgaben an Private vorgeschlagen. Das dient alles – wie auch direkte Demokratie an sich, Frau Kollegin Seibeld – nicht dem Zweck, die repräsentative Demokratie abzuschaffen, sondern es dient dem Zweck, die repräsentative Demokratie durch demokratische Möglichkeiten zu ergänzen und den direkten Einfluss der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Dagegen hatte hier im Haus immer mal wieder jemand etwas, aber ich habe gehofft, dass wir uns inzwischen über eine Frage einig sind: dass die direkte Demokratie Berlin bereichert hat und dass über diverse politische Fragen hier in der Stadt
Jetzt zur Frage, ob es sinnvoll ist, Referenden, die Verfassungsänderungen betreffen, von oben nach unten obligatorisch zu machen: Ich persönlich bin der Ansicht, es gibt die eine oder andere Verfassungsänderung, die tatsächlich so technisch und formal ist, dass jedes Gesetz, jede Verordnung für viele Menschen in der Stadt mit tiefgreifenderen Veränderungen der Wirklichkeit verbunden ist. Auf der anderen Seite gibt es Verfassungsänderungen, die fundamental für alle Berlinerinnen und Berliner sind.
Jetzt ist die Grundannahme, wir hätten über jede Verfassungsänderung auch noch mal das Volk zu befragen, aus meiner Sicht eine sehr formale. Okay, Hessen macht das, Bayern macht das, da ist die Welt noch nicht zusammengebrochen, aber das ersetzt nicht, sich die Frage zu beantworten: Ist es schlau, wenn wir das auch machen? Ich persönlich glaube, dass es wichtiger ist, die abenteuerlich hohen Hürden zu senken, die jetzt die Initiativen von unten versperren, und zwar sowohl bei Verfassungsänderungen als auch bei ganz normalen Gesetzesänderungen als auch bei ganz normalen Volksinitiativen. Ich würde eher die Frage stellen: Wie erleichtern wir Menschen, die sich für ein bestimmtes Anliegen in der Stadt stark machen wollen, ihrerseits zu erfolgreichen Volksentscheiden oder Volksinitiativen zu kommen? – Das wäre mein erster Anknüpfungspunkt. Ich finde das fast wichtiger als die Frage der obligatorischen Referenden von oben.
Die andere Sache ist, ob es nicht diskutabel wäre, obligatorische Entscheidungen auf bestimmte materielle Normen in der Verfassung zu konzentrieren, zum Beispiel den Grundrechtekatalog der Berliner Verfassung. Wenn sich die Parlamentsabgeordneten daran vergreifen, dann bitte, Abgeordnetenhaus, frage die Berlinerinnen und Berliner, ob sie das genauso sehen! Und dann, finde ich auch, sollte das hürdenfrei laufen. Dann sollte die Mehrheit entscheiden. Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg.
Dieses Generelle – da hat der Kollege Behrendt nicht unrecht. Wir würden unter Umständen über jeden Halbsatz abstimmen, der aus technischen Gründen geändert werden muss. Wir würden über jeden Halbsatz abstimmen, der möglicherweise die inneren Belange des Parlaments betrifft und wahrscheinlich die Berlinerinnen und Berliner in der großen Mehrheit überhaupt nicht vom Hocker haut. Ob da der Automatismus – Verfassungsänderung, immer abstimmen! – so durchschlagend ist, bin ich mir noch unsicher. Ich finde, wir sollten noch einmal gründlich darüber diskutieren; denn letztlich ist das alles mit Ressourcen und Aufwand verbunden. Da stelle ich
mir die Frage, ob es im Sinne der Erfinderin oder des Erfinders ist, wenn wir in regelmäßigen Rhythmen über solche Fragen abstimmen, die die Berlinerinnen und Berliner überhaupt nicht tangieren.
Aber, wie gesagt, wir haben die Zeit, im Ausschuss darüber zu diskutieren. Das sollten wir dann auch tun. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Lederer! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Zur Begründung der Großen Anfrage erteile ich einem Mitglied der anfragenden Fraktion das Wort mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten. Ich sehe, dass die Kollegin Bayram parat steht, und erteile ihr das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage zum Thema Illegalisierte soll in erster Linie Licht in dieses Dunkel bringen. Es geht darum, dass Berlin nicht nur die Hauptstadt der Republik ist, sondern auch die Hauptstadt der Menschen, die sich hier ohne Papiere bewegen. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum sie ihre Identität nicht aufdecken können, wollen oder sogar davon abgehalten werden. Sie leben mitten unter uns, und oft bin ich darüber erstaunt, wenn ich davon höre, auf welchen Wegen sie es geschafft haben, teilweise über sehr lange Zeiträume hier ein Leben zu führen, das nicht einfach ist. Da muss man sich nichts vormachen.
Insbesondere sind sie der Situation so ausgeliefert, dass andere sie ausnutzen, dass Löhne nicht ausgezahlt werden, dass sie sich immer in der Gefahr befinden, von anderen denunziert zu werden. Sie haben Menschenrechte, dass ist unzweifelhaft nach unserer Verfassung so, und diese Rechte müssen wir ihnen so gewähren, dass sie sie auch in ihrer Situation geltend machen können. Wir müssen die Rechte durchsetzen, ohne dass wir die Menschen zwingen, sich zu offenbaren. Da liegt letztlich die Crux.
Menschen, die in Deutschland ohne Aufenthaltsstatus leben, werden per Gesetz davon abgehalten, grundlegende Menschenrechte in Anspruch zu nehmen. Insbesondere wegen der gesetzlichen Meldepflicht aller öffentlichen Stellen an die Ausländerbehörden meiden die Betroffenen den Kontakt mit staatlichen Einrichtungen aus Furcht, dass dadurch ihr Aufenthalt in Deutschland bekannt wird. So kommen ihnen Leistungen nicht zugute, selbst wenn sie darauf einen Anspruch haben. Das gilt insbesondere für den Zugang zur medizinischen Grundversorgung, für die Kita- und Schulbesuche ihrer Kinder und auch – wie vorhin von mir erwähnt – für die Durchsetzung von Lohn- und Entschädigungsansprüchen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, dass diese unteilbaren Rechte der Menschen uns dazu verpflichten, den Menschen ohne Papiere oder – wie auch genannt – Illegalisierten die Rechte und Unterstützung zu geben, soweit es uns möglich ist. Bereits vor einigen Jahren wurde hier im Abgeordnetenhaus über das Thema debattiert. Ich habe in ganz verschiedenen Zusammenhängen die Rückmeldung erhalten, dass sich dort nur ganz wenig verändert hat. Die meiste Unterstützung bei der Durchsetzung des Rechts auf medizinische Versorgung oder bei der Durchsetzung der Lohnansprüche wird von Beratungsstellen sowie von kirchlichen und karitativen Einrichtungen gewährt, also von zivilgesellschaftlichen Akteuren, die dafür keine staatliche Unterstützung bekommen. Ich bin der Ansicht, dass das falsch ist. Es gibt verschiedene rechtliche Gutachten, die sich mit der Thematik beschäftigen und zu dem Ergebnis kommen, dass auch Menschen, die sich ohne Papiere unter uns bewegen und ihre Identität nicht offenlegen möchten, dennoch grundsätzliche Menschenrechte genießen wie auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und auch auf die Durchsetzung ihrer Ansprüche. Darüber möchte ich mit Ihnen auch noch zu dieser späten Stunde diskutieren und bin sehr gespannt auf die Antworten auf unseren umfangreichen Fragenkatalog. Wir haben 32 Fragen zu den unterschiedlichen Themenfeldern gestellt. Es ist auch eine Abfrage, wie bewusst sich dieser Senat der Verantwortung für diese Menschen ist und wie er mit dieser Verantwortung umgeht. Es ist selbstverständlich, dass die Große Anfrage erst einmal der Ausgangspunkt ist, um den Status quo abzufragen. Dieses Thema wird Sie und uns hier noch öfter beschäftigen. Da bin ich schon sehr gespannt auf die Diskussionen, die wir dazu haben werden. – Danke schön!
Danke, Frau Kollegin Bayram! – Zur Beantwortung durch den Senat erteile ich jetzt Frau Senatorin Kolat das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte mich recht herzlich für diese Große Anfrage, Frau Canan Bayram, bedanken, da sie den Blick auf ein sehr wichtiges Thema in unserer Stadt lenkt, das nicht oft an prominenter Stelle behandelt wird und nicht oft in der öffentlichen Diskussion steht.
Auch wenn es in der Tat etwas spät ist, freue ich mich trotzdem, dass wir dieses Thema heute hier behandeln.
Es geht um Menschen in unserer Stadt, die weder einen Aufenthaltsstatus noch eine Duldung haben. Dennoch leben sie in unserer Stadt, sie sind hier. Die Ursachen für einen illegalen Aufenthalt können sehr vielschichtig und komplex sein. Frau Canan Bayram! Sie sind auch darauf eingegangen. Es kann in der Tat passieren, dass Menschen aus verschiedensten Gründen illegal in unser Land einreisen. Oder sie befinden sich schon hier, und während des Aufenthalts in Deutschland findet dann aus verschiedensten Gründen eine Illegalisierung statt. Sie befinden sich – und das ist das, was alle von ihnen auch vereint – zumeist in einer unsicheren Lebenssituation.
Wegen ihres fehlenden Aufenthaltsstatus leben sie in ständiger Angst, durch das Personal z. B. in medizinischen Einrichtungen oder Schulen angezeigt zu werden. Meine ganz persönliche grundsätzliche Haltung dazu ist: Kein Mensch darf sich aus Angst vor einer Abschiebung scheuen, in Notsituationen einen Arzt aufzusuchen oder seine Kinder in die Schule zu schicken. – Dafür setzt sich der Senat seit sehr vielen Jahren ein. Auch dieser Senat wird dies weiterhin tun. Frau Bayram! Da brauchen Sie nicht irgendwohinein Licht bringen, ich denke, dass der Senat in diesem Bereich schon Vieles unternimmt.
Bevor ich zur Beantwortung der Großen Anfrage komme, erlaube ich mir, einige Vorbemerkungen, insbesondere was die Begrifflichkeiten und die grundsätzliche Haltung des Senats angeht. Bei dem Begriff „Illegalisierte“ – und das ist genau im Mittelpunkt dieser Großen Anfrage – handelt es sich um eine kritisch zu wertende Bezeichnung, die keine rechtliche Grundlage hat und nicht eindeutig ist. Der Begriff kann sich sowohl auf aufenthaltsrechtliche als auch auf arbeitserlaubnisrechtliche Bereiche beziehen.
Zudem existiert neben dem Personenkreis der behördlich nicht erfassten hier lebenden Menschen auch ein Personenkreis, der zwar im aufenthaltsrechtlichen Sinn keinen legalen Aufenthaltsstatus, aber dennoch ein behördliches Dokument wie z. B. Duldung oder Grenzübertrittsbescheinigung besitzt und insofern behördlich erfasst ist. Gegenstand der Großen Anfrage sind offenbar – und so
verstehe ich das – Menschen, die weder über ein Aufenthaltsrecht noch über eine Duldung bzw. Grenzübertrittsbescheinigung verfügen.
Der Senat hatte zuletzt am 30. Januar 2008 ausführlich auf die Große Anfrage Ihrer Fraktion über Menschen in Berlin ohne Aufenthaltsstatus Stellung genommen. In dieser Antwort wurde ausdrücklich auf das Berliner Integrationskonzept, das sich unter anderem auch mit dem Handlungsfeld Verbesserung der sozialen und gesundheitlichen Lage von Personen ohne Aufenthaltsstatus beschäftigt, hingewiesen. Das Integrationskonzept ist nach wie vor Handlungsrahmen für die Senatspolitik. Ich möchte aus einschlägigen Passagen des Integrationskonzepts zitieren:
Berlin sieht sich auch in der Verantwortung für diejenigen, die ohne Aufenthaltsstatus in unserer Stadt leben. Es ist ein wichtiger staatlicher Grundsatz zu verhindern, dass Ausländer zur Illegalität ermuntert werden dürfen. Andererseits hat der Staat die Aufgabe, aus Illegalität entstehende soziale Probleme abzumildern und die Einhaltung der Menschenrechte auch für diesen Personenkreis zu sichern.
Nun komme ich im Namen des Senats von Berlin zur Beantwortung der Fragen, die Sie hier im Rahmen der Großen Anfrage gestellt haben. Bei 32 Fragen werde ich es hier nicht schaffen, auf jeden einzelnen Punkt detailliert einzugehen, aber ich werde versuchen, die wichtigsten Aspekte hier für den Senat zusammenzutragen.
Sie stellen zu Recht die Frage, wie es denn aussieht mit der Zahl der Menschen, die betroffen sind. Da kann ich Ihnen sagen, dass die Zahl der in Berlin ohne Aufenthaltsstatus lebenden ausländischen Staatsangehörigen nicht bekannt ist. Sie kann den in Eurostat gespeicherten Angaben nicht entnommen werden. Statistisch ist auch nicht festgelegt, ob Behörden diesen Personenkreis aufdecken konnten. Auch im Nachhinein ist die Ermittlung dieser Daten nicht möglich.
In der Anfrage geht es auch darum, wie der Senat die soziale Lage, insbesondere der Kinder, Jugendlichen und Familien einschätzt, und wie die Lebenssituation einzuschätzen ist. Viele Menschen ohne Aufenthaltsstatus sind mit gravierenden sozialen Schwierigkeiten konfrontiert. Ihre unsichere Situation führt zu teilweise lebensbedrohlichen Abhängigkeiten, aus denen sie sich nur schwer lösen können. Ja, Sie haben das auch betont, auch ich beobachte das, sie sind Zielgruppe für Arbeitsausbeutung, aber auch Frauenhandel, um hier nur zwei Beispiele zu nennen.
Der Zugang zu sozialen Leistungen stellt eine erhebliche Hürde dar, da er regelmäßig mit der Offenlegung der aufenthaltsrechtlichen Situation verbunden ist. Dieses
Problem – und da komme ich jetzt auch zu den Lösungen, die unsere Stadt anbietet – stellt sich aber bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit nicht, sodass der Besuch von Jugendfreizeiteinrichtungen möglich ist und Angebote der aufsuchenden Jugendarbeit z. B. Straßensozialarbeit wahrgenommen werden können. Darüber hinaus stellen freie Träger eine Vielzahl von sehr niedrigschwelligen Beratungs- und Hilfsangeboten außerhalb eines Regelantragssystems zur Verfügung. Da bieten die Stadtteilzentren, aber auch die Wohlfahrtsverbände viele Angebote. In Krisensituationen, die einen sofortigen Schutz insbesondere in Gewalt- und Ausbeutungssituationen erfordern, kann auch das Angebot des Berliner Notdienst Kinderschutz in Anspruch genommen werden. Bei drohender Zwangsverheiratung kann die überregionale Kriseneinrichtung Papatya aufgesucht werden. Auch dort sind die Angebote sehr niedrigschwellig.
Der Senat unterstützt Einrichtungen, in denen z. B. Menschen ohne Versicherungsschutz, somit auch Betroffene ohne Aufenthaltsstatus, medizinische Betreuung erhalten. Beratung und Fürsorge – und da kommt die Differenz, Frau Bayram, zu Ihnen – für Menschen ohne Aufenthaltsstatus können nur in begrenzten Fällen eine staatliche Angelegenheit sein. Dies betrifft die Ermöglichung des Schulbesuchs für Kinder und Jugendliche, die Unterstützung von schwangeren Frauen bei Vorsorge, Entbindung und Nachsorge, die Gesundheitsversorgung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen sowie Maßnahmen in gesundheitlichen und sozialen Not- und Härtefällen.
Ungeachtet dessen – und darüber bin ich sehr froh – bieten Wohlfahrtsverbände und andere nichtstaatliche Einrichtungen Menschen in Not ihre Hilfe an. Diese sind dahin gehend zu unterstützen, dass sie ihre Angebote für diesen Personenkreis insbesondere im Zusammenhang mit Gesundheit und Obdachlosigkeit aufrechterhalten. Der Senat wird den niedrigschwelligen Zugang zu Beratung und Fürsorge durch solche Stellen auch weiterhin unterstützen.
Leitbild der Senatspolitik ist die kinder-, jugend- und familiengerechte Stadt. Das betone ich an dieser Stelle, weil Sie in Ihrer Großen Anfrage auch nach der geltenden UN-Kinderrechtskonvention und ihrer Umsetzung fragen. Dem Berliner Senat ist es wichtig, die UN-Kinderrechtskonvention umzusetzen. So hat die Koalition unter anderem beschlossen – das ist, denke ich, wesentlich in diesem Zusammenhang –, das Recht auf Bildung auch Kindern ohne gesicherten Aufenthaltsstatus zu gewährleisten und ihnen einen Zugang zu öffentlichen Schulen zu ermöglichen.
Dass das Land Berlin sich auch auf Bundesebene für die Umsetzung der Konvention eingesetzt hat, möchte ich an dieser Stelle nicht vertiefen. Aber auch im Bundesrat hat das Land Berlin im November 2011 die Entschließung
Auf Landesebene ist dieser Schritt bereits vollzogen. Seit März 2010 sind die Kinderrechte in Artikel 13 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verankert. Damit hat Berlin ein wichtiges Signal dafür gesetzt, dass die Bedürfnisse und Rechte von allen Kindern – hier unterstreiche ich „von allen Kindern“ – im öffentlichen Bewusstsein stehen.
Sie fragen ganz konkret auch z. B. nach Bund-LänderArbeitsgruppen, wie das Land Berlin beteiligt ist. Da kann ich Ihnen sagen, dass Berlin sehr aktiv beteiligt ist. An der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Integration durch Bildung ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft mit beteiligt, aber auch bei den jährlich stattfindenden Sitzung der Migrationsreferentinnen und -referenten der Länder ist diese Senatsverwaltung vertreten. Im Mai 2012 wurde dort beispielsweise die Beschulung von Kindern ohne Aufenthaltsstatus thematisiert.
Ich möchte gern zu dem Komplex „Ausbeutung bekämpfen“ kommen, weil das auch in meine Zuständigkeit fällt. Sie fragen nach den Arbeitsgerichten als öffentliche Stellen, ob sie nach § 87 Aufenthaltsgesetz mitteilungspflichtig sind. Da kann ich verweisen: Ausweislich Nr. 87 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz – Frau Bayram, das ist Ihnen ganz sicher bekannt – sind Arbeitsgerichte übermittlungspflichtige öffentliche Stellen im Sinne des § 87 des Aufenthaltsgesetzes. Die einzelnen Richterinnen und Richter entscheiden im Einzelfall, ob sie oder er eine solche Frage für die Rechtspflege für erforderlich hält. Diese Entscheidung erfolgt im Rahmen der richterlichen Tätigkeit und ist somit von der richterlichen Unabhängigkeit erfasst. Dennoch teile ich Ihre Einschätzung – was in Ihre Frage reinformuliert ist –, dass die Mitteilungspflicht in der arbeitsgerichtlichen Praxis zumindest keine beachtenswerte Rolle spielt. Der aufenthaltsrechtliche Status ist in der Regel für arbeitsrechtliche Klagen ohne große Bedeutung.
Sie stellen auch Fragen, was Opfer sexueller Ausbeutung angeht und Opfer von Arbeitsausbeutung, welchen Schutz der Staat und das Land Berlin diesen Menschen bietet. Grundsätzlich vorab: In Deutschland sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also auch solche, die ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis einer Beschäftigung nachgehen, durch Gesetze vor Arbeitsausbeutung im rechtlichen Sinne geschützt. Unmittelbaren Schutz erfahren die Betroffenen in erster Linie dadurch, dass sie ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche außergerichtlich und gerichtlich einfordern und durchsetzen können, auch wenn ihre Beschäftigung, wie es oft der Fall ist, nicht regelkonform angemeldet ist.
Seit dem 23. November 2011 verpflichtet § 98a Aufenthaltsgesetz die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber ausdrücklich zur Zahlung der vereinbarten Vergütung auch