Meine Damen und Herren Kollegen und Kolleginnen! Tun Sie doch bitte mir und vor allem uns allen und diesem Parlament den Gefallen und führen Sie Ihre Gespräche draußen fort! Das Ganze hat gerade wieder einen Geräuschpegel erreicht, das ist nicht angemessen!
Dass sich die CDU für dieses Thema nicht interessiert, wundert mich, ehrlich gesagt, nicht! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nehmen wir diese Debatte zum Anlass, in der Frage der sogenannten Illegalen neue, menschenwürdige Wege zu beschreiten, denn Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes sagt nicht: Die Würde des legalen Menschen ist unantastbar. Dort steht:
Vielen Dank, Herr Taş! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Prof. Dr. Korte das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion! Als ich mir in den vergangenen Tagen Ihren mehrseitigen Fragenkatalog angesehen habe, stellte ich mir unwillkürlich die Frage: Was bezwecken Sie eigentlich damit?
Sie stellen zu einem guten Teil Fragen, von denen Sie genau wissen, dass eine Beantwortung nicht möglich ist. Selbstverständlich ist es so, Frau Bayram, das wissen Sie genau, dass auch die Berliner Senatsverwaltung uns Par
lamentariern keine umfassenden und exakten Angaben etwa zu der Anzahl der Menschen in unserer Stadt vorlegen kann, die ein Interesse – welches Interesse das auch immer ist – daran haben, ihre Anwesenheit zu verschleiern.
Mir kommt dabei der Verdacht, dass es Ihnen vor allem auch um eine reißerische Überschrift geht, um das Wort „illegalisiert“. Das ist ein Wort, von dem die Senatorin Kolat sehr vornehm und zu Recht gesagt hat, dass es kritisch betrachtet werden muss. Es muss kritisch betrachtet werden, weil das Wort in die Irre führt. Die Wahrheit ist: Das Zuwanderungsrecht illegalisiert niemanden.
Nicht das Gesetz zwingt die Menschen, gegen das Gesetz zu verstoßen und sich damit gegen die Gesellschaft zu stellen, welche die Gesetze durch ihre demokratischen Entscheidungen und Institutionen trägt.
Sie versuchen, das Parlament in ein Forum für zuwanderungspolitische Vorstellungen zu verwandeln, für die es in der Bevölkerung keine Mehrheit gibt.
Ich muss davon ausgehen, dass Sie mit dem Begriff „Illegalisierte“ die Menschen meinen, die sich ohne einen legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland aufhalten. Es handelt sich also um Menschen, die entweder erst gar keinen Antrag auf einen legalen Aufenthalt gestellt haben, oder deren legaler Aufenthalt endete oder deren Antrag abgelehnt wurde. Hierzu gehört, das haben wir schon gehört, ein großes Spektrum von Fallgestaltungen: Das sind Studierende, die einen gestatteten Aufenthaltszeitraum überziehen, weil sie nicht ins Heimatland zurückkehren wollen, dazu zählen Saisonarbeiter, die über die vereinbarte Zeit hinaus in Deutschland bleiben wollen, dazu zählen auch Großeltern, die einreisen, um sich um den Haushalt ihrer eingewanderten Kinder zu kümmern, und es zählen dazu Flüchtlinge, die erst den Versprechen der glänzenden Medienbilder und schließlich den Lügen ihrer Schleuser folgen.
Es gibt aber ein klares rechtliches Verfahren für Ausländer, die in die Bundesrepublik einreisen, und dieses Verfahren – die Systematik von Visa, Aufenthaltserlaubnis und -duldung – ist Ihnen ja auch nur allzu gut bekannt. Die Bundesrepublik hat ein modernes Zuwanderungsrecht. Das BAMF in Nürnberg prüft schnell und einzelfallbezogen, ob Ausländer, die illegal in die Bundesrepublik eingereist sind und einen Asylantrag stellen, in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden – diese erhalten nach Abschluss dieses Asylverfahrens einen legalen Aufenthaltstitel. Bei den Menschen, die Sie als Illegalisierte bezeichnen, handelt es sich also zumeist um ausrei
sepflichtige Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, weil sie nicht als politisch Verfolgte oder Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind und deren Ausreisepflicht auch nicht vorübergehend durch eine Duldung ausgesetzt wurde.
Herr Kollege! Sie haben ja jetzt die Gruppe beschrieben, die nach Ihrer Sicht der Dinge betroffen ist. Sind Sie denn der Ansicht, dass sie damit jedes Recht auf Menschenwürde, auf medizinische Versorgung, auf faire Behandlung bei den Löhnen, auf Zugang zu Kita und Schulen und sonst was verwirkt haben? Das sind nämlich die Dinge, die ich abgefragt habe. Ich bin der Ansicht, dass aus diesem Menschenwürdegedanken unseres Grundgesetzes heraus eine Verpflichtung des Staates besteht, –
unabhängig von dem Status dieser Menschen, die auch ganz ohne Papiere sein können, ohne jemals hier abgelehnt worden zu sein.
Selbstverständlich gilt die Menschenwürde mit den Ansprüchen, die Sie genannt haben, auch für die Menschen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben, dazu werde ich noch kommen. – Warum es mir wichtig ist, das zu betonen, und das können auch Sie nicht leugnen, ist, dass man die Begriffe nicht verwirren soll. Wer sich nämlich illegal in Deutschland aufhält, der muss mit einer Abschiebung rechnen. Ein Verzicht auf diese eindeutige Rechtslage, Frau Bayram, würde letztlich dazu führen, dass das zentrale Prinzip des Ausländerrechts ausgehebelt und jede Steuerung der Migration unmöglich gemacht werden würde. Das können auch Sie nicht befürworten.
Es gibt natürlich Stimmen, die jede Art der Kontrolle von Zuwanderung in unser Land fallen lassen würden. Im Grunde möchten die Vertreter dieser Auffassung, dass jeder Mensch aus aller Welt frei bestimmen kann, in Deutschland zu leben. Das hieße, alle Grenzen fallen zu lassen, und das führte zu einer dramatischen Zuwanderung von Hunderttausenden in jedem Jahr.
denn zur Integration gehört eben auch das Erlernen der Sprache – das wollen Sie vielleicht nicht hören, aber das ist dennoch richtig –, und es gehört die Kenntnis der politischen und gesellschaftlichen Kultur dazu. Das sind u. a. auch die Voraussetzungen, um auskömmliche Arbeit zu finden, die ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland ermöglicht.
Aber natürlich müssen wir mit dem Umstand umgehen, dass es zahlreiche Menschen in der Illegalität in Berlin gibt. Gerade die Anonymität von Metropolen und Großstädten zieht Menschen an, die sich illegal in Deutschland aufhalten wollen. Es zeugt von Humanität, dass der Senat sich zu der Aufgabe bekennt,
die aus der Illegalität entstehenden Probleme abzumildern und die Einhaltung der Menschenrechte auch für diese Menschen zu sichern. Hier stehen wir natürlich vor einem politischen Spagat, bei dem wir aufpassen müssen, dass die Instrumente nicht das Gegenteil des Gewollten bewirken. Eine Ausweitung der institutionalisierten Hilfe für Illegale durch die öffentliche Hand würde gleichzeitig auch gegen den genauso wichtigen staatlichen Grundsatz verstoßen, dass Ausländer nicht zur Illegalität ermuntert werden dürfen.
Wir unterstützen die Ansicht des Senats, dass Beratung und Fürsorge für Menschen ohne Aufenthaltsstatus nur in begrenzten Fällen eine staatliche Angelegenheit sein kann. Im Vordergrund stehen dabei natürlich der Schutz für Kinder und Jugendliche, die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, und die Unterstützung schwangerer Frauen und von Menschen in medizinischen Notlagen. Die Unterstützung für den niedrigschwelligen Zugang zu Beratung und Fürsorge durch freie Träger ist dabei sicherlich der richtige Weg.
Eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Aufenthaltsrechts, wie Sie es gegen Ende Ihrer Ausführungen angeregt haben, Frau Bayram, kann ich mir deshalb nicht vorstellen. Wenn nach einer bestimmten Jahresfrist ein illegaler Aufenthalt automatisch in einen legalen Status umgewandelt wird, senden wir das falsche Signal aus. Denn jede automatische Legalisierung beinhaltet das
Signal, dass diejenigen, die es eine bestimmte Zeit geschafft haben, in der Illegalität zu verharren, keine Sanktionen befürchten müssen. Dies führt zu einer Sogwirkung, die es zu vermeiden gilt, und jeder, der diese Idee unterstützt, fördert damit letztlich auch das Schleuserunwesen. Das kann nicht gewollt sein.
[Canan Bayram (GRÜNE): Woher wissen Sie das? Wie können Sie das belegen? – Udo Wolf (LINKE): Pure Ideologie! – Zuruf von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Senatorin Kolat! Mir bleibt am Ende meiner Ausführungen nur noch, namens der CDU-Fraktion Ihnen und Ihren Kollegen für die Ausführungen zur Beantwortung der Großen Anfrage zu danken.
Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Korte! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Reinhardt das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste, die Sie bis zu dieser späten Uhrzeit durchgehalten haben! Wir diskutieren jetzt nicht über die Frage, ob illegalisierte Menschen in Deutschland Teil der Gesellschaft sind. Sie sind es, sie leben hier, und sie werden es auch bleiben. Wir diskutieren auch nicht über die Frage, ob Menschen illegal in Deutschland leben wollen, denn da sind wir uns wahrscheinlich einig, wenn wir ein bisschen darüber nachdenken: Niemand will illegal in Deutschland leben. Natürlich ist der legale Status immer vorzuziehen.
Gehen wir mal einen Schritt zurück! Wer ist eigentlich illegal in Deutschland? Wir wird man zu einem Illegalisierten? – Es gibt verschiedenste Ursachen für ein Leben in Illegalität – z. B. abgelehnte Asylanträge. Inzwischen werden immer weniger Asylanträge anerkannt. Daher ist das auch immer häufiger ein Symptom für die Illegalität – z. B. abgelaufene Duldungen von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten, Entzug des Aufenthaltsrechts durch strafrechtliche Verurteilung, abgelaufene Visa, nicht erneuerte Arbeitsgenehmigungen oder der Verlust des Aufenthaltsrechts durch Scheidung. Illegalisiert wird man durch eine verfehlte Asyl- und Flüchtlingspolitik. Deutschland hat schon immer eine rigide Migrationspolitik betrieben, die auf Abschottung und Kontrolle von Migrantinnen und Migranten angelegt war. Es gibt immer weniger Möglichkeiten der legalen Zuwanderung nach Deutschland.
Wie viele Illegalisierte gibt es in Deutschland und in Berlin? – Ihre Anzahl ist unklar. Es gibt nur Vermutun
gen, Schätzungen und Hochrechnungen zur Größenordnung. Im Bericht der Süssmuth-Kommission von 2011 wird von 200 000 bis zu 1 Million Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland gesprochen. Berliner Wohlfahrtsverbände gehen von etwa 100 000 Papierlosen in der Stadt aus. Eine Studie über Berlin aus dem Jahr 2001 schätzt ihre Zahl auf 100 000 bis 250 000. Allein diese Spannweite macht deutlich, dass wir kaum gesicherte Erkenntnisse über die Größenordnung haben.