Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

Die Voraussetzungen sind da, nicht nur in Moabit, auch anderswo. Mit den vorhin schon erwähnten weltweit leistungsfähigsten Gasturbinen, den stärksten Windkraftgeneratoren und der Smart-Grid-Technologie für die intelligenten Stromnetze kommen aus Berlin schon jetzt Exportschlager der Green Economy, nur leider weiß der Rest der Welt bisher nichts davon.

Bringen Sie Berlins Potenziale an die Oberfläche! Diese Themen müssen endlich auch Eingang in den Masterplan finden. Und wenn wir es geschafft haben, die Ziele und das Leitbild zu schärfen, dann müssen wir uns endlich auch an die bessere Umsetzung machen, denn bis jetzt ist der Masterplan ein dicker Packen Papier. Gut, es wurden schon einige Dinge angestoßen. Sie haben vorhin einige davon erwähnt: Die Lange Nacht der Industrie – das machen andere Regionen schon seit Jahren. Das ist sinnvoll, aber, seien Sie ehrlich, das ist nur ein Tröpfchen. Für Tegel wurde die Beuth-Hochschule gefunden. Das ist auch nicht wirklich neu.

Oder nehmen wir das Projekt C 1, Analyse von Finanzierungsbedarfen. Dieses ist laut Umsetzungsbericht vom Juni nicht gesichert, weil die Finanzierung nicht geklärt ist. Ich müsste fast lachen, aber es ist zum Weinen, denn diese Bemerkung „Die Finanzierung ist nicht geklärt“ trifft für zahlreiche Projekte des Masterplans Industrie zu. Das ist ja auch nicht überraschend, wenn ein Masterplan weder ausreichend mit Geld noch mit Personal unterlegt ist. Wie sagte es Arno Hager von der IG Metall im September: „Hier wird gekleckert, wo geklotzt werden muss.“

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Uwe Doering (LINKE)]

Doch zu dieser kritischen Sicht ist der Senat leider nicht in vollem Umfang fähig. Er hält sich fest an dem Katalog und wartet weiter. Der Senat, der Regierende Bürgermeister und die Wirtschaftssenatorin müssen mehr tun. Es reicht nicht, Berliner Erfolgsgeschichten herbeizureden. Diese haben mittlerweile den gleichen Status wie Chefsachen. Und was haben wir von denen gelernt? – Sollte das Vorhaben scheitern, steht jedenfalls schon fest, wer es nicht verbockt hat: der Chef! – So Jan Thomsen.

Wir sagen: Handeln Sie, und bewegen Sie Berlin weg von der Hauptstadt der prekären Beschäftigung hin zur Hauptstadt der Green Economy! Berlin ist Zukunftsort. Sorgen Sie für die effektive Vernetzung zwischen etablierten Industrieunternehmen und Startups, für den fruchtbaren Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft! Dann höre ich in fünf Jahren hoffentlich etwas anderes als den Satz der Gründerin eines erfolgreichen Berliner Startups auf die Frage, welche Wünsche sie an die Politik hat: „Ach, es würde schon reichen, wenn uns die Politik nicht noch mehr Knüppel zwischen die Beine wirft!“ – Sorgen Sie für impulsgebende Rahmenbedingungen, damit Berlin an erster Stelle steht, wenn Unternehmen in der ganzen Welt an die Zukunftsindustrie rund um die Green Economy denken! Verschenken Sie keine Parkausweise an zufällig ausgewählte Branchen – willkürlich oder an den, der gerade die beste Lobbyarbeit macht –, sondern setzen Sie selbst die Prioritäten und bevorzugen Sie gezielt die Technologien, die Berlin in eine prosperierende Zukunft führen! Schaffen Sie jetzt die richtigen Ansätze für Green Economy in Berlin, einer Stadt, wo Zukunftsweisendes nicht nur entworfen und gedacht, sondern produziert, vorgeführt und dann hoffentlich auch von einem vorausschauenden Senat gefördert wird! Das muss das Ziel sein. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion jetzt der Kollege Melzer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beantwortung der Großen Anfrage hat aus unserer Sicht die Bedeutung der Industriepolitik als wichtige Säule der Berliner Wirtschaft noch einmal deutlich unterstrichen. – Frau Ludwig! Ja, im Parlament werden nicht Arbeitsplätze per Drucksache beschlossen, aber wir beschließen hier die Rahmenbedingungen und setzen den Rahmen,

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE): Mit einer Großen Anfrage?]

damit Wirtschaft, damit mittelständische Unternehmen und Großunternehmen sich hier ansiedeln können und eine Zukunft in diesem Wirtschaftsstandort Berlin haben. Das ist das, wofür wir streiten.

[Beifall bei der CDU]

Mit dem Masterplan, dem Steuerungskreis, dem Netzwerk, mit konkreten Maßnahmen sind Industrie und Industriepolitik im Fokus der Stadt und dankenswerterweise auch im Fokus des Senats und der Koalition. Den Rahmen setzen wir für eine gedeihliche Entwicklung des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes, für Indust

rie und industrienahe Dienstleistungen. Das ist unser gemeinsamer Anspruch.

Frau Ludwig! Weil Sie als Opposition meinen, die Aufgabe zu haben, nur zu kritisieren: Das hat die CDUFraktion aus Verantwortung für die Stadt und den Wirtschaftsstandort Berlin auch schon gesagt, als wir noch in der Opposition waren: Industrie in Berlin ist unabdingbar wichtig, weil sie eben Arbeitsplätze schafft in Industrie und Dienstleistungen. Deswegen ist es für uns ein wichtiges Thema.

[Beifall bei der CDU]

Frau Yzer hat deutlich gemacht, dass das bisher Erreichte zwar ein wichtiges Ergebnis darstellt, wir aber konsequent unsere Bemühungen noch ausbauen müssen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Ihre Bemühungen?]

Da gebe ich Ihnen gerne recht. Wir teilen diese Einschätzung ausdrücklich. Wir haben hier keinen abschließenden Bericht. Deswegen haben wir auch diese Große Anfrage gestellt. Wir haben ein Zwischenergebnis. Der Prozess geht weiter. Er wird weiterentwickelt.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Frau Yzer! Sie haben von der Zielsetzung gesprochen, die Wirkung des Masterplans zu erhöhen, ihn effizienter zu machen. Die Ergebnisse sollen noch deutlicher herausgearbeitet werden. Es geht um das übergeordnete Wachstumsziel, über dem Bundesdurchschnitt zu wachsen, damit die Schere zwischen Bund und Land Berlin endlich kleiner wird. Dieses Mehr an Verbindlichkeit unterstützen wir ausdrücklich. Es manifestiert die Anstrengungen und den guten Willen aller Akteure im Prozess der Weiterentwicklung der Industriepolitik. Die mittelständische Prägung – Herr Jahnke hat darauf hingewiesen – der Berliner Industrie ist häufig genug Ort besonderer Innovation und Kreativität. 50 Prozent der Berliner Industrieunternehmen sind Mittelständler mit starker Verwurzelung hier am Standort Berlin.

Frau Yzer! Sie haben über Ihre Unternehmensbesuche hier berichtet, haben erzählt, dass Sie auch die Hidden Champions ins Augenmerk genommen haben. Ich finde, es ist ausdrücklich positiv, wenn sich der Senat, wenn sich die Wirtschaftssenatorin nicht nur um Großunternehmen, sondern auch um erfolgreiche Mittelständler, die in ihrem Spezialgebiet teilweise Weltmarktführer sind, kümmert und Wertschätzung zuteil werden lässt. Ja, der Senat interessiert sich auch für diese mittelständischen Unternehmen.

[Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (LINKE): Im Wohnzimmer idealerweise!]

Mehr als 730 Betriebe des verarbeitenden Gewerbes haben mehr als 20 Mitarbeiter.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Wir beobachten in Berlin das aktivste Gründungsverhalten der Republik. Sowohl die Anzahl der Industrieunternehmen als auch die Anzahl der Industriebeschäftigten entwickelt sich positiv. Die Exportquote steigt dankenswerterweise. Und auch wenn sich Berlin nicht von der allgemeinen Konjunkturabschwächung abkoppeln kann, bleibt doch für uns festzustellen, das lange Tal der negativen industriellen Entwicklung in Berlin ist durchschritten. Wir haben die Talsohle durchschritten, es geht wieder aufwärts. Mit den Clustern und den Kompetenzfeldern wurden neue Handlungsrahmen geschaffen.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Die Industrie, die Sie in den 90er-Jahren aus der Stadt getrieben haben!]

Berlin hat eine wachstumsfähige innovative und mittelständische Industriestruktur, auf die wir stolz sein und auf die wir aufbauen können.

Wir haben gehört, dass die Metall- und Elektroindustrie von besonderer Bedeutung sind. Wir haben gehört, dass wir aus dem Bereich Pharma, Gesundheitsstadt Berlin eine sehr erfolgreiche Clusterpolitik haben.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Damit haben Sie doch gar nichts zu tun, war alles schon da!]

Wir haben 278 Medizintechnik-, fast 200 Biotechnologiefirmen, 23 Pharmaunternehmen,

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

bereits jeder achte Berliner ist in diesem Sektor tätig. Das sind herausragende Zahlen mit guter Perspektive. Darauf lässt sich und muss aufgebaut werden.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es wurde auch deutlich, dass die enge Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft für eine erfolgreiche strategische Ausrichtung und eine positive Entwicklung steht.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Ich finde das wahnsinnig spannend!]

Die Kooperation von Charité und Max-DelbrückCentrum ist deswegen ein wirklich großartiges Signal für den Forschungs-, Wissenschafts- und Gesundheitswirtschaftsstandort Berlin.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Auch damit haben Sie nichts zu tun! Das war Herr Zöllner!]

Wir freuen uns sehr über diese Entwicklung und danken der Bundespolitik für dieses klare Bekenntnis zu Berlin.

[Beifall bei der CDU]

Dann komme ich mal zu Tegel. – Herr Albers! Da werden Sie dann auch wieder sagen, damit hätten wir nichts zu tun. Die Wahrheit ist, als Ihre Partei im Senat war, war Tegel ganz weit weg.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Stimmt doch gar nicht! Gucken Sie mal in die Protokolle!]

Jetzt gibt es die Entscheidungen, dass wir die Beuth-Hochschule nach Schließung dieses Flughafens als Hochschule in Tegel ansiedeln.

[Zuruf von Michael Dietmann (CDU)]

Es gibt eine Perspektive zur Nachnutzung, eine Hochschule als Ankermieter, eine wirtschaftliche Ausrichtung des Standorts. Frau Yzer hat gesagt, dass es gerade konkrete Ansiedlungsgespräche gibt. Das sind wesentliche Faktoren, um den Standort Tegel zum Erfolg zu führen. Es darf sich dort Tempelhof nicht wiederholen. Wir wollen in Tegel einen Erfolg, deswegen wird der Masterplan Tegel auch im Haushalt ausfinanziert. Deswegen ist es falsch, dass es dort kein Konzept gibt.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Es gibt ein Konzept, es gibt Lösungsansätze, und es gibt die Finanzierung hier im Parlament. Tegel wird ein Erfolg werden.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

So ist es auch bei den weiteren Zukunftsorten, also den Standorten mit Flächenpotenzial,

[Wolfgang Brauer (LINKE): Kaufen Sie sich doch mal einen Grundkurs BWL!]