Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

(Sven Kohlmeier)

Anspruch darauf zu wissen, von wem und in welcher Größenordnung seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich kann auch überhaupt nicht verstehen, was Sie von der Koalition eigentlich fürchten. Im Bund wurden damals auch wüste Zerrbilder gemalt, wozu mehr Transparenz in diesem Bereich führen würde. Nun muss man aber feststellen: Weder ist der Bundestag zu einem Parlament des öffentlichen Dienstes verkommen – der Anteil der Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst ist sogar gesunken – noch erwiesen sich die dortigen Regelungen als verfassungswidrig – das wurde ja munter beklagt – oder gar unpraktikabel.

Und um auch dies klarzustellen: Wir wollen die berufliche Tätigkeit von Kolleginnen und Kollegen nicht verteufeln. Eine berufliche Tätigkeit neben dem Mandat kann den Blick auf das reale Leben schärfen und Unabhängigkeit garantieren. Und gerade deshalb gibt es auch keinen Grund, sie zu verheimlichen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Eine Nebentätigkeit kann aber auch zu Interessenkollisionen und Abhängigkeiten führen. Genau deshalb wollen wir sie transparenter machen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Meine Damen und Herren! Es ist eine Unruhe im Saal. Ich bitte, dem Redner zuzuhören und die Privatgespräche einzustellen. – Danke!

Und jetzt zur Scheinheiligkeit: Plötzlich waren in der Bundesdebatte all jene, die bisher mit Klauen und Zähnen gegen mehr Offenheit wetterten, die größten Freunde dieser Regelung, so z. B. Herr Dobrindt, der sich im Fernsehen als großer Freund des Stufenmodells ausgab und sich nicht mehr recht erinnern konnte, dass er damals dagegen gestimmt hat. Auch Herr Kauder – der große Kauder, also der Fraktionsvorsitzende der CDU –, der zunächst gar nicht marktschreierisch genug fordern konnte, Steinbrück solle die Herkunft seiner Honorare offenlegen, wurde bei der Debatte um eine Veröffentlichung auf Heller und Cent ganz wortkarg. Und für die SPD erklärte der Landesvorsitzende Jan Stöß, er wäre dafür, dass die Verdienste auf Heller und Cent angegeben werden,

[Beifall bei den GRÜNEN]

und seine Parteifreunde verweigern hier das Stufenmodell. Das ist doch schizophren.

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Wenn es im Bund nicht nur um Theaterdonner gegangen ist, dann geben Sie sich heute endlich einen Ruck und lassen Sie uns gemeinsam in Sachen Transparenz bei Nebentätigkeiten einen Schritt vorangehen! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön, Kollege Dr. Behrendt! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Kollege Kohlmeier das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Behrendt! Herzlichen Dank für diese dann doch tolle Rede, die man vielleicht im Bundestag hätte halten können, aber doch nicht im Abgeordnetenhaus! Sie reden hier fünf Minuten über den Bundestag, über Steinbrück. Sie werden nicht im Bundestag sitzen – nicht heute und nicht morgen, möglicherweise in fünf Jahren, wenn dann Opa Christian nicht mehr möchte.

Wie Sie wissen, lieber Kollege Behrendt, sind Sie freigestellte Richter. Sie müssen sich also keine Sorgen darüber machen, was Sie machen, wenn Sie nicht mehr im Abgeordnetenhaus sitzen. Sie haben einen Stuhl, einen Schreibtisch und auch einige Akten. So gut haben es nicht alle Parlamentarier in diesem Haus. Einige geben auf ihren Internetseiten an, Vollzeitparlamentarier zu sein, andere üben neben dem Mandat noch einen Beruf aus, z. B. als Kommunikationsexperte, Freiberufler, Unternehmer, Arzt oder Rechtsanwalt.

[Heiko Herberg (PIRATEN): Lobbyist!]

Es gibt Abgeordnete, die einen Beruf ausüben, weil wir ein Halbtagsparlament sind, weil das Büro weitergeführt werden soll oder weil die Abgeordneten einfach noch ein bisschen Geld nebenbei verdienen wollen.

Zu der Gruppe der beruflich tätigen Abgeordneten gehöre auch ich. Für mich steht kein warmer Richterstuhl nach dem Abgeordnetenhausmandat bereit.

[Lachen bei den PIRATEN]

Ich bin nicht nur Abgeordneter, sondern auch als Rechtsanwalt in einer kleinen Kanzlei in Köpenick tätig. Aber bin ich deshalb ein schlechterer Abgeordneter als der Kollege Behrendt? Sind die Parlamentarier, die sich im Parlament engagieren und zudem einen Beruf nachgehen, gleich alle korrupt, bestechlich oder anfälliger für Verquickungen von parlamentarischen und beruflichen Interessen? – Ich sehe diesen Zusammenhang nicht, und ich unterstelle allen Abgeordneten, die neben dem Mandat einem Beruf nachgehen, dass sie sich rechtmäßig und

moralisch ordnungsgemäß verhalten und keine Interessenkollision haben.

[Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Weiß?

Sehr gerne!

Bitte, Herr Kollege!

Herr Kohlmeier! Sie haben gerade gesagt, dass es bei Ihnen anders ist als bei Herrn Behrendt und dass es für Menschen wie Sie nicht so einfach wäre. Jetzt ist es doch aber so, dass – wenn ich das richtig sehe – Sie genau die Veröffentlichungspflichten, die im Antrag der Grünen für das Gesetz gefordert sind, für sich persönlich in diesem Stufenmodell schon umgesetzt haben. Können Sie erklären, wie das zusammengeht?

Das möchte ich Ihnen sehr gern erklären, Kollege Weiß. Wenn Sie auf meine Internetseite www.svenkohlmeier.de gehen, dann steht dort unter Vita, dass ich freiwillig meine Einkünfte veröffentliche. Ich werde Ihnen gleich sagen – das habe ich im Rechtsausschuss auch gemacht, das ist vielleicht bei Ihnen nicht angekommen, das mag an mir liegen –, warum eine gesetzliche Verpflichtung nicht möglich ist.

Schon heute – und das ist ein Stück weit der Kern der Frage – ist doch überhaupt nicht geheim, was die Abgeordneten nebenbei machen. Es gibt dieses ganz tolle, interessante Abgeordnetenhaushandbuch zur 17. Wahlperiode. Darin steht, welcher Abgeordneter welche Tätigkeit ausübt, welchen Beruf er hat, in welchem Verein er ist, welche Unternehmensbeteiligungen er hat, welche gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen er hat. Alles das steht hier drin, zusätzlich für die Piraten und alle internetaffinen Menschen auch noch im Internet.

Deshalb müssen wir uns doch von den Grünen hier keine Transparenzdiskussion aufdrücken lassen. Ich würde mir wünschen, dass die Grünen zusammen mit uns endlich Druck auf die Bundesregierung ausüben und erhöhen, dass die Abgeordnetenbestechung endlich unter Strafe gestellt wird.

[Beifall von Björn Eggert (SPD)]

Seit Jahren weigert sich die Bundesregierung, die UNKonvention umzusetzen, die Gefälligkeiten von Lobbyisten an Politiker unter Strafe zu stellen. Aber das steht leider nicht in Ihrem Antrag drin, lieber Kollege Behrendt.

Zu den rechtlichen Gründen, warum der Antrag abzulehnen ist – erstens: Das Bundesverfassungsgericht hat für den Bundestag bestätigt, dass die Nebeneinkünfte zu veröffentlichen sind. Das Berliner Parlament ist, wie bekannt, ein Halbtagsparlament. Das heißt, der Landesgesetzgeber geht davon aus, dass Abgeordnete neben ihrem Mandat noch einen Beruf ausüben können und sollen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die Regelungen des Vollzeitparlaments auf das Halbtagsparlament zu übertragen, konnten die Grünen im Ausschuss leider nicht ausräumen.

[Zuruf]

Die Zwischenfrage von Herrn Behrendt? – Ah, hinterher! – Zweitens: Der Antrag ist rechtsfehlerhaft.

Gestatten Sie, Herr Kollege, eine Zwischenfrage des Kollegen Rissmann?

Sehr gerne!

Bitte, Kollege Rissmann!

Geschätzter Kollege Kohlmeier! Ich erinnere mich an die letzte Sitzung des Rechtsausschusses und möchte Sie fragen, ob Sie dem Plenum darstellen wollen, wie es sich bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zwischen Anspruch und Wirklichkeit verhält. Damit meine ich: Die Grünen haben ja beschlossen, sich selbst zu verpflichten, sämtliche Einkünfte offenzulegen, und haben es offenbar, jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Rechtsausschusses, nicht geschafft, diesem freiwilligen Beschluss selbst Folge zu leisten.

Ich danke Ihnen für die Zwischenfrage! Ich bin darauf für den Schluss meiner Rede vorbereitet. Die letzte Minute werde ich genau darauf verwenden, um Ihre Frage zu beantworten, ob sich in den letzten 14 Tagen etwas verbessert hat.

Zweitens: Der Antrag der Grünen ist abzulehnen, weil er rechtsfehlerhaft die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen ein

(Dirk Behrendt)

Ordnungsgeld nicht beinhaltet. Dies wäre ein Verstoß gegen Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz.

Drittens ist der Antrag der Grünen abzulehnen, weil nämlich 20 Prozent der Abgeordneten in diesem Haus einem juristischen, ärztlichen oder freiberuflichen Beruf nachgehen. In der „Abendschau“ vom 14. November habe ich zu diesem Thema gesagt: Wir können Ärzte und Anwälte nicht verpflichten mitzuteilen, mit wem sie ein Arzt- oder Mandatsverhältnis haben. Diesen Konflikt bekommen wir derzeit rechtssicher nicht gelöst. Das bestätigt auch das Mitglied von Transparency International Deutschland Michael Prost, der sagt: In den Fällen von Ärzten und Anwälten ist es tatsächlich so, dass es rechtlich schwierig wäre, die Namen von Mandanten und Patienten zu nennen. Und genau deshalb werden wir dem Antrag nicht zustimmen können, weil er rechtlich nicht zulässig ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Zu der Frage vom Kollegen Rissmann: Ich habe mir die Mühe gemacht, die Scheinheiligkeit, die Kollege Behrendt angesprochen hat, zu überprüfen und zu schauen, wie theatralisch-moralisch Transparenz gefordert wird, wie es aber bei den Grünen tatsächlich aussieht. Sie haben einen Fraktionsbeschluss, alles offenzulegen: Jochen Esser legt nichts offen, sitzt aber im Aufsichtsrat vom Liegenschaftsfonds. Nicole Ludwig verdient 1 000 Euro bei der Medienberatung, aber es steht nichts darüber, wo und mit wem sie eigentlich Medienberatung macht. Benedikt Lux, manchmal großartiger Geschäftsführer und Rechtsanwalt – es steht nicht drin, wie viel Kohle er verdient, mit wem er Geschäftsverhältnisse hat und wer seine Mandanten sind. Michael Schäfer verdient 3 500 Euro mit Medienberatung, aber es steht nicht drin, mit wem er eigentlich Kontrakte macht. Vielleicht mit Elefanten? Wen berät er eigentlich? – Das weiß man nicht genau. Stefan Gelbhaar ist erst seit letztem Jahr im Parlament und kann deshalb noch keine Auskunft geben.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Sie müssen jetzt auch zum Ende kommen, Herr Kollege!

So sieht es also aus zwischen dem moralischen Anspruch, der hier dargetan wird, und dem, was man macht! Der Antrag ist abzulehnen; das haben wir schon im Rechtsausschuss dargelegt. – Herzlichen Dank!