Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Mayer. – Bitte sehr!

[Torsten Schneider (SPD): Herr Mayer hat gestern gesagt: Geld ist genug da! – Weitere Zurufe]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Geschätzte Gäste! Ich mache jetzt etwas, was vielleicht nicht ganz in die Rederunde passt. Ich stelle erst mal fest, dass meines Erachtens die Gemeinsamkeiten beim Thema Energiepolitik hier im Haus tatsächlich viel größer sind, als man glauben möchte, wenn man meinen Vorrednern zugehört hat.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir haben vier Anträge, die in diesem Rede-Slot zu besprechen sind. Offensichtlich ist allen Vorrednern unser zweiter Antrag entgangen, nämlich der über den Energiepakt für Berlin und Brandenburg, mit dem wir auf einen Sachverhalt hinweisen möchten, der so unmittelbar einleuchtend ist, dass man sich wundert, warum er nicht längst ein fester Bestandteil Berliner Energiepolitik ist. Denn jedem ist klar, dass Berlin und Brandenburg gemeinsam die Herausforderungen der Energiewende um ein Vielfaches besser meistern können als jedes Land für sich.

Es ist auch klar und schon angesprochen worden: Brandenburg hat die Flächen für alle Arten der erneuerbaren Energieerzeugung, Berlin hat Verbraucher und Kapitalkraft, um auch Erzeugungskapazitäten in Brandenburg mit aufzubauen und zu nutzen. Egal, wie wir uns in Berlin ins Zeug legen, wenn wir im Energiebereich das Ganze weiter so, wie das früher war, als Insel denken, wird das nicht funktionieren. Berlin wird wirtschaftlich seinen Bedarf – das ist relativ klar – niemals allein mit in den Stadtgrenzen produzierter erneuerbarer Energie decken können. Auch Brandenburg steht dabei vor Herausforderungen, weil dort die Bevölkerung voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten deutlich stärker zurückgehen wird als in Berlin – falls sie in Berlin überhaupt zurückgehen wird, denn das sieht ja im Moment nicht danach aus. Auch in Brandenburg können Erträge aus der erneuerbaren Energiewirtschaft helfen, Wirtschaftskraft und Attraktivität des ländlichen Raums zu stärken.

Bisher gilt allerdings im Energiebereich – so, wie ich es gesehen habe – vor allem das Motto: Zwei Länder und zwei Strategien! – Das ist allerdings nur konsequent. Berlin kann tatsächlich nichts anderes tun als das, was bisher getan wurde, nämlich sich auf Verbesserung von Energieeffizienz zu konzentrieren – bessere Wärmedämmung, Kraft-Wärme-Kopplung. Aber so lohnend der Weg auch ist, wir werden damit ziemlich bald an Grenzen stoßen, weil sich Berlin, was die Entwicklung des Endenergieverbrauchs angeht, vom deutschen und auch vom Brandenburger Trend absetzt. Der Endenergieverbrauch pro Kopf nimmt nämlich in Berlin zu. Mit allem Sparen und mit aller Effizienz werden wir nicht weit kommen. Wir werden uns einfach zunehmend mit dem Thema Energieerzeugung beschäftigen müssen. Es liegt dabei im wahrsten Sinne des Wortes nahe, auf Brandenburg zuzugehen, zumal es dort auch Ansätze gibt, die sich ausbauen lassen. Ich nenne hier nur die Stichwörter Landesplanungsvertrag und gemeinsame Landesplanung, bei denen Energie bisher nur eine Nebenrolle spielte. Auch mit dem Energiecluster Berlin-Brandenburg gibt es bislang einen Ansatz. Aber all das wird nicht ausreichen, damit wir in Berlin die Energiewende schaffen. Wir können noch so sehr über Stadtwerke und unser Netz nachdenken, wir werden an der Stelle nicht wirklich weit kommen.

Ich fände es großartig, wenn es gelänge, dass sich Berlin und Brandenburg verabreden könnten, die Energiewende gemeinsam zu stemmen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Harald Wolf (LINKE)]

Zum Thema Kostenschätzung für das Volksbegehren: Ich bin sehr angetan, dass jetzt bei Kostenschätzungen beim Senat und auch hier im Haus in Zukunft kaufmännische Vorsicht herrscht und so etwas wie das Höchstkostenprinzip zur Anwendung kommt. Ich gehe davon aus, dass zukünftig immer, wenn etwas in den Haushalt eingestellt wird, der höchste bekannte Preis oder die höchsten von irgendwem genannten Kosten als Ansatz genommen werden. Vielleicht nennt dann der Senat oder jede einzelne Fraktion ihre Kostenschätzung, und diesen Wert nehmen wir in den Haushalt auf. So werden Überschreitungen des Kostenrahmens vermutlich viel seltener vorkommen, und niemand wird sagen können, er hätte es besser gewusst. Das hat doch einiges für sich.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wenn Sie dieses Höchstkostenprinzip allerdings für unsinnig halten, sollten Sie vielleicht doch dem Antrag der Grünen zustimmen und dafür sorgen, dass eine vernünftige Kostenschätzung auf das Formular kommt.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zu dem Antrag der Koalition muss ich sagen, dass ich ihm Respekt zolle. Es ist nicht alles schlecht, was die

Koalition hier beantragt. Er enthält unserer Meinung nach deutlich mehr Aspekte aus dem Gesetzesvorschlag des Energietischs, als wir erwartet hätten. Erwartungsgemäß fehlen natürlich auch einige Punkte. Insbesondere die Frage des Verwaltungsrats scheint hier der Knackpunkt zu sein. Positiv anzumerken ist, dass vier zentrale Ziele aus dem Volksbegehren aufgenommen wurden. Diese wurden schon genannt: Dezentralisierung, Förderung von Energiespareffizienzmaßnahmen und die umwelt-, sozial- und strukturpolitischen Maßnahmen, die die Stadtwerke umsetzen wollen. Neben dem Dezentralisierungsziel freut uns aber insbesondere noch das Ziel der vollständigen Versorgung aus erneuerbaren Quellen. Hier verweise ich nur auf die anfänglichen Ausführungen, dass es in den Landesgrenzen nicht möglich ist. Das spricht dafür: Auch wenn Brandenburg nicht die einzige Option ist, ist es die naheliegendste.

Der Vorschlag der Koalition hat aber aus unserer Sicht, wenn er auch grundsätzlich zustimmungsfähig ist, noch zwei weitere erhebliche Schwächen. Das Eine ist, dass er an vielen Stellen doch sehr vage bleibt und wenig Sicherheit bietet. Herr Buchholz, ich interpretiere diesen Antrag nicht als Gesetzesantrag, sondern als Antrag, man möge doch einmal ein Gesetz machen,

[Beifall bei den PIRATEN]

ein Gesetz aber in dem Sinne, das den Senat zu irgendetwas verpflichtet, kann ich dort formal nicht erkennen. Vielleicht können Sie mich aber eines Besseren belehren. Möglicherweise sind die formalen Anforderungen an Gesetze doch nicht so, wie ich angenommen habe.

[Beifall bei den PIRATEN]

Was von Herrn Wolf zur Finanzierung des Vorhabens schon angesprochen wurde, findet sich dort auch nicht wieder. Insofern bleibt völlig im Unklaren, ob und wie das alles finanziert werden soll. Wenn Sie daher dort nachlegten, würde das Vertrauen deutlich verbessert, dass Sie es an der Stelle ernst meinen.

Dennoch ist es ein grundsätzlich zu befürwortender Antrag. Wir haben aber auch schon gesehen – es ist völlig klar –, dass dieser Antrag es nicht leistet, wenn er nur darauf abzielen sollte, das Volksbegehren Energietisch überflüssig zu machen. Dafür müssen Fakten her.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Zu dem großen gemeinsamen Oppositionsantrag kann ich nur sagen, dass es eigentlich ein harmloser „Hosenrunter-und-nun-mal-Butter-bei-die-Fische-Antrag“ ist, bei dem es einfach nur darum geht, zu erfahren, was der Senat denkt und will. Ich hege die Hoffnung, dass bei dem Senat in irgendeinem Kämmerlein seit vielen Monaten bereits an einer Strategie gearbeitet wird, die unsere kühnsten Erwartungen übertrifft. Falls ich mich jedoch dabei täuschen sollte, können Sie den Antrag der Opposi

tionsfraktionen wunderbar als brauchbares Briefing für jemanden nehmen, der so etwas gern verfassen möchte.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Ich komme zum Schluss. Wir haben aus unserer Sicht vier akzeptable Anträge zur Energiepolitik, die sich aber auch hervorragend ergänzen. Drei der Anträge werden wohl in die Ausschüsse überwiesen und dann hoffentlich in veränderter Form mit den Stimmen vieler oder aller Fraktionen beschlossen werden. – Ich werde wohl noch träumen dürfen. – Dem Antrag der Grünen, das Preisschild auf dem Volksbegehren zu korrigieren, werden wir zustimmen.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Wenn er, wie ich erwarte, von der Koalition abgelehnt wird, erwarte ich aber, dass die Koalition demnächst auch einem Antrag von uns zustimmen wird, der dieses Höchstkostenprinzip, das wir genannt haben, allgemein festschreibt. – Vielen Dank, frohes Fest, und guten Rutsch!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Mayer! – Für die zweite Rederunde liegt mir eine Wortmeldung vor. Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Stroedter das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon wieder gar nicht mehr erstaunt über die Debatte, die wir hier führen. Sie ist leider eigentlich wie immer. Die Grünen sagen, was nicht geht. Die Linken stellen Fragen und verweisen auf ihre ehemalige Regierungszeit. Es kommt aber kein wirklich ernsthafter inhaltlicher Vorschlag. Ich hätte erwartet, dass Sie sich mit unseren Positionen auseinandersetzen und eigene Vorschläge unterbreiten. Das kommt leider nicht.

[Zuruf von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Nun will ich, Herr Kollege Schäfer, einmal zu Ihrem Antrag sprechen. Dazu haben Sie gar nichts gesagt. Sie haben es vermutlich, weil Sie so spät hereinkamen, vergessen, dazu zu sprechen. Der Antrag hieß: Realistische Kostenschätzung für das Volksbegehren „Neue Energie für Berlin“. Das war Ihr Antrag. Vielleicht erinnern Sie sich noch. Auch dieser Antrag erinnert mich extrem an die Debatten, die wir zum Thema Wasser geführt haben. Warum erinnert er mich daran? Auch hier unterstellen Sie, dass es einen amtlich feststellbaren Kaufpreis des Berliner Stromnetzes geben kann. Ich weiß nicht, ob es bei den Grünen auf den Parteitagen möglich ist, einen

solchen Preis festzustellen. In der Praxis ist das sicher nicht möglich. Im Übrigen ist es auch gar nicht der Zeitpunkt, darüber abschließend zu entscheiden.

Hier muss zwischen dem Ertragswert und dem Sachzeitwert entschieden werden. Insofern ist klar, dass die in der Öffentlichkeit genannten Zahlen weit voneinander abweichen. Der Ertragswert von 370 Millionen Euro, der immer wieder genannt wird, bezieht sich auf ein Gutachten der Senatsverwaltung für Wirtschaft, das Sie, lieber Herr Kollege Harald Wolf, in Auftrag gegeben haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer?

Bitte, Herr Schäfer!

Stimmen Sie mir zu, dass es nicht die richtige Art ist zu schätzen – auch wenn man sagt, dass es ein Schätzwert ist –, bei Vattenfall anzurufen, sich dort den Preis nennen zu lassen und genau das weiterzugehen? Die Senatorin sagte im Ausschuss, sie mache sich diese Schätzung nicht zu eigen. Genau diese Zahl steht aber als Senatsschätzung auf den Unterschriftenlisten. Das wollen Sie doch sicher korrigieren?

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Harald Wolf (LINKE)]

Lieber Herr Kollege Schäfer! Wenn Sie meine Rede zu Ende gehört hätten, hätte ich Ihnen die Frage gleich beantworten können. Sie hätten sie also gar nicht stellen müssen. Das kommt jetzt nämlich noch.

Es ist so, dass die ebenfalls angegebene Schätzung zum Netzwert – das ist ein Unterschied zwischen zwei und drei Milliarden Euro –, nicht nur – wie Sie behaupten – auf Angaben von Vattenfall beruhen. Zu dem Zeitpunkt lagen diese Angaben von Vattenfall überhaupt gar nicht vor. Es ist klar, dass Vattenfall ein eigenes Interesse hat, diese Zahlen entsprechend hoch zu treiben. Es ist auch klar, dass Vattenfall ganz eindeutig versucht, die Daten, die wir alle benötigen, gar nicht erst herauszugeben.

Die SPD-Fraktion bewertet den tatsächlichen Wert der Netze im Übrigen deutlich niedriger als die Traumvorstellung des Unternehmens Vattenfall. Wir können si

cherlich alle davon ausgehen, dass letztlich eine juristische Entscheidung über die Ermittlung des Kaufpreises erforderlich sein wird.

Wir haben im Herbst der Entscheidungen bei SPD und CDU festgelegt, dass sich das Unternehmen BerlinEnergie bei der Neuvergabe der Energiestromnetzkonzession an dem Vergabeverfahren beteiligen wird. An diesem Unternehmen wird das Land dauerhaft mindestens 51 Prozent der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte behalten, denn wir wollen nicht, lieber Kollege Wolf, dass die Gewinne auf Dauer nach Schweden gehen. Deshalb haben wir hier einen entsprechenden Ansatz gemacht.

Die Koalitionsfraktionen haben auch intensive Gespräche mit den Initiatoren des Volksbegehrens geführt, mit dem Ziel, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Auch hier ziehen wir – anders als andere – die richtigen Lehren aus dem Volksentscheid „Wasser“. Wir wollen, dass das Volksbegehren überflüssig wird. Wir wissen natürlich, was gestern in der Debatte besprochen worden ist. Da muss man auch mal deutlich sagen, ob man einen Volksentscheid nur deshalb durchführen sollte, weil Einzelne meinen, sie müssten für sich persönlich starke Rechte haben, obwohl das Gesamtpaket eigentlich ordentlich und vernünftig ist. – Auch diese Frage wird sich stellen und zu gegebener Zeit zu prüfen sein.

Wir streben durch die Neuvergabe der Stromnetzkonzession an, öffentlichen Einfluss auf die Verteilnetze und die Verteilnetzbetreiber zu nehmen. Die Netze sollen eine dezentrale Energieeinspeisung ermöglichen und nachhaltig die Klimaschutzstrategie Berlins unterstützen. Wir wollen, dass das Verfahren rechtssicher, transparent und diskriminierungsfrei durchgeführt wird. Wir rechnen uns gute Chancen dafür aus, dass das auch in diesem Sinn verlaufen wird. Wir sind davon überzeugt, dass sich mithilfe der Neuvergabe die Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation Berlins deutlich verbessern wird.

Ich würde mich freuen, wenn die Opposition nicht wieder nur sagen würde, was nicht geht, sondern mithilft und mit debattiert. Wir werden das in Ruhe in den Ausschüssen machen, mit dem Ziel eines gemeinsamen Ergebnisses. Ich befürchte nur, dass wir am Ende etwas vorlegen und Sie – wie immer – nein sagen werden. – Das wäre dann leider wie immer. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Kollege Stroedter! – Der Kollege Harald Wolf hat sich zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr!

Herr Kollege Stroedter! Natürlich werden wir mitdiskutieren. Ich sagte vorhin: Wir haben ein großes Interesse daran, dass das Thema Umbau der energiewirtschaftlichen Strukturen und Rekommunalisierung ein erfolgreiches wird. Ich möchte nur eines deutlich machen – das halte ich für das große Missverständnis, das wir hier haben –: Wenn gesagt wird, wo sind denn eure Änderungsanträge zum Gesetz oder zur Satzung, dann sage ich, Änderungsanträge zum Gesetz oder zur Satzung zu schreiben, das ist die geringste Übung. Das eigentliche Problem – das ist die zentrale Aufgabe, darüber müssen wir uns unterhalten – ist die Entwicklung eines Unternehmenskonzepts, und das geht über den Gesetzentwurf, über die Satzung und die Frage hinaus, was die richtige Struktur dafür ist. Das ist auch der Grund, weshalb wir damals unter Rot-Rot mit der Entwicklungsplattform Energie so lange gebraucht haben, denn es geht überhaupt erst einmal darum, und dieser Aufgabe müssen wir uns gemeinsam unterziehen, mit den kommunalen Unternehmen die Diskussion zu führen, welche Erzeugungsstrukturen und Möglichkeiten sie haben, welchen Eigenbedarf, welches Lastprofil und welche Möglichkeiten sie sehen, ihre Energieerzeugungsaktivitäten auszubauen – sowohl was den Strommarkt als auch was den Wärmemarkt angeht –, dies in ein unternehmerisches Konzept zu gießen und Formen für die Kooperationsstruktur zu entwickeln – und sei es, dass es um vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Regelungen für die Kooperationsstrukturen geht.