Protokoll der Sitzung vom 17.01.2013

Bei der Abstimmung in Liquid Feedback fand der Antrag auch die breite Unterstützung unseres Landesverbandes. Vielen Dank an alle, die sich beteiligt haben, an welcher Stelle auch immer!

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Bevor ich auf einzelne Punkte des Antrags eingehe, stelle ich aber noch folgende Frage, gerade an Herrn Graf und Herrn Saleh: Sie haben sich in der Vergangenheit immer wieder gewünscht, dass wir konkrete Vorschläge aus der Opposition bringen. Wie verhält es sich in diesem Fall?

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Sie haben zu viel zu tun! Sie schaffen das nicht!]

Haben wir mit unseren Vorschlägen aus der Opposition, von der Linken und den Piraten sowie den Grünen, denn so dermaßen ins Schwarze getroffen, dass Sie unsere

Vorschläge nur noch unterstützen können? Oder nehmen Sie Ihre Koalitionsvereinbarung so ernst, dass Sie Ihre konkreten Umsetzungsvorschläge erst nach den Beratungen zum Haushalt 2014/2015 im Parlament beraten wollen? – Wie auch immer – ich stelle fest: Die einzigen konkreten Vorschläge kommen bisher aus der Opposition – zu Ihrem eigenen Punkt im Koalitionsvertrag!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Im Antrag fordern wir, dass im Bildungsbereich die Grundlagenarbeit stattfindet, die für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft notwendig ist. Gerade in den Bereichen, wo Jugendliche selbstständig aktiv sind, soll ein Empowerment zusätzlich unterstützen und aktivieren. So fordern wir den Senat auf, einen flexiblen Fonds zur Verfügung zu stellen, der es Jugendlichen ermöglicht, unbürokratisch Mittel abzurufen und bei der Umsetzung eigener Projekte Unterstützung zu erfahren.

Eine weitere klare Forderung ist die Schaffung einer Ansprechpartnerin für Diversity und Fragen der sexuellen Vielfalt an jeder Schule, die auch entsprechend auszubilden ist. Dass das grundsätzlich eine gute Idee ist, hat Herr Heilmann gezeigt, der bei der Staatsanwaltschaft eine entsprechende Ansprechpartnerstelle für die Opfer auch homophober Gewalt geschaffen hat.

Ich freue mich auf die Beratung und würde mich noch mehr freuen, wenn wir in der zweiten Lesung hier auch wieder einen gemeinsamen Antrag, unterlegt mit den entsprechenden Titeln im Haushalt, verabschieden würden und wir das vielleicht sogar einstimmig schafften. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Arbeit, Integration und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich komme zur

lfd. Nr. 5:

Einführung eines „P-Kontos für jedermann“ (Änderung des Berliner Sparkassengesetzes)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 14. November 2012 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 12. Dezember 2012 Drucksache 17/0733

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0231

Zweite Lesung

Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 17/0231-1.

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatungen der drei Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III, Drucksache 17/0231. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Spies. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit wir den Antrag Einführung eines „P-Kontos für jedermann“‘ eingebracht haben, hat sich bereits einiges geändert. Bis Oktober 2012 gab es bei der Berliner Sparkasse ein sogenanntes Jedermann-Konto – das ist der Terminus Jedermann – auf Guthabenbasis zu einer erhöhten Kontoführungsgebühr von 5 Euro monatlich. 2011 wollte die Sparkasse diese Gebühr auf 8 Euro erhöhen, was durch politischen Druck erfolgreich verhindert werden konnte. Die Gebühr lag dennoch über der üblichen Gebühr von 2 Euro für das einfache Girokonto.

Ab Oktober 2012 gibt es aufgrund der Initiative des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes bei der Berliner Sparkasse auch das Bürgerkonto für jede Privatperson auf Guthabenbasis für 2 Euro im Monat, also ohne erhöhte Gebühr. Einen Rechtsanspruch auf ein Konto bei den Sparkassen in Berlin gibt es – im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern, z. B. in Nordrhein-Westfalen – nicht. Hierzu begrüße ich ausdrücklich den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die dieses Manko beheben will und auch im Berliner Sparkassengesetz einen Rechtsanspruch für ein Girokonto verankern möchte.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Neben dem fehlenden Recht auf ein Girokonto waren bei der endgültigen Einführung des P-Kontos zum 1. Januar 2012 das größte Problem für die Betroffenen, deren finanzielle Situation naturgemäß angespannt ist, die zusätzlichen Kontoführungsgebühren von bis zu 25 Euro im Monat. Mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2012 wurde die Erhebung dieser zusätzlichen Gebühren untersagt. Bereits bezahlte Zusatzgebühren können auf Grundlage dieses Urteils zurückgefordert werden.

Dieses klare Urteil ist sehr zu begrüßen, auch wenn die Situation der Betroffenen nicht nachhaltig verbessert wird. Da für Banken und Sparkassen P-Kontoinhaber

scheinbar zusätzliche Kosten verursachen, sind deren Konten immer wieder von Kündigungen bedroht. Gründe hierfür können aufgrund der finanziellen Situation der Betroffenen leicht konstruiert werden. Als Beispiel ist hier die fristlose Kündigung eines P-Kontos durch die Berliner Sparkasse genannt. Dabei wurde aus einer erhöhten Anzahl von Kontobewegungen durch private Verkäufe im Internet auf einen Missbrauch des Kontos geschlossen.

Es ist unverständlich, weshalb P-Konten von den Banken und Sparkassen mit großem Personaleinsatz überwacht werden müssen. In Zeiten des computergestützten Geldhandels sollte es möglich sein, P-Konten als Guthabenkonten automatisiert zu führen. Der auf dem Konto zur Verfügung stehende Betrag berechnet sich einfach aus dem pfändungsgeschützten Betrag des aktuellen Monats sowie dem nicht in Anspruch genommenen pfändungsgeschützten Betrag des Vormonats. Es ist nicht notwendig, Auszahlungen zum Monatsende zu sperren oder Auszahlungen generell nur am Schalter in der Filiale vorzunehmen, was besonders peinlich werden kann, wenn dort laut geredet wird: Wie geht denn eigentlich die Auszahlung bei Kontopfändung?

Nach dem BGH-Urteil erfüllen die Banken und Sparkassen mit der Führung eines Girokontos als P-Konto eine gesetzliche Pflicht, die dem Kunden nicht in Rechnung gestellt werden darf. Es sollte auch in ihrem Interesse liegen, diese Aufgabe kostengünstig zu erfüllen, ohne den Kunden dabei zu diskriminieren.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Berliner Sparkasse hat aufgrund ihres gesetzlichen Auftrags eine besondere Verpflichtung, Finanzdienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zur Verfügung zu stellen. Es wäre schön, wenn dies auch für die von Pfändung Betroffenen gälte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Köhne. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für uns in der Politik ist es in den vergangenen Jahren in der politischen Debatte schon zum parteiübergreifenden Mainstream geworden, stets die hohe Bedeutung der Eigenverantwortung des einzelnen Bürgers hervorzuheben. Über Sinn oder Unsinn dieser immer wiederkehrenden Forderungen möchte ich heute an dieser Stelle gar nicht strei

ten. Wenn wir aber alle dies in den unterschiedlichsten Zusammenhängen so gerne fordern, dann müssen wir zumindest politisch auch die Grundlagen dafür schaffen. Im vorliegenden Fall ist es völlig eindeutig, dass eine selbstständige und eigenverantwortliche Teilnahme am Arbeits-, Wohn- und Wirtschaftsalltag nur auf der Grundlage eines Girokontos mit normalen Funktionen als Guthabenkonto, als dem sogenannten Basiskonto, überhaupt möglich ist.

Wer aufgrund einer sowieso schon problematischen Lebenssituation kontolos ist, gerät in eine Abwärtsspirale, die dann kaum noch zu stoppen ist, denn ob Mietüberweisungen, Gehalts- oder Sozialleistungsempfänge, ein Konto wird vorausgesetzt. Dies nicht vorweisen zu können, führt zu Scham, Abweisung, hohem Zusatzaufwand und vor allem auch zu hohen Kosten. Und was für die heutige Diskussion besonders wichtig ist: Wer kein Girokonto besitzt, besitzt auch keinen Pfändungsschutz. Jegliche finanzielle Lebensgrundlage kann also schutzlos entzogen werden.

An diesem Punkt sind wir im Prinzip ganz bei dem zur Abstimmung vorliegenden Antrag der Piratenfraktion Einführung eines „P-Kontos für jedermann“/jedefrau. Da ein Pfändungsschutzkonto nur durch die Umwandlung eines Girokontos eingerichtet werden kann, ist die eigentliche Grundlage für den im wahrsten Sinne so lebenswichtigen Pfändungsschutz zuallererst die Existenz eines Girokontos, eines Basiskontos. Weil dies so ist, sollten wir genau das dann aber auch fordern, um hier schon mal den ersten Unterschied zu unserem eigenen Antrag der Regierungsfraktionen, den wir zeitnah einbringen werden

[Lachen bei den GRÜNEN]

also der ist schon in der Pipeline –, deutlich zu machen.

Auch hat die Europäische Union ihre Mitgliedsstaaten im Übrigen nach einem längeren inhaltlichen Sondierungsprozess mittlerweile klar dazu aufgefordert, dieses Recht auf ein Basiskonto endlich umzusetzen. Deshalb sollten wir auch genau auf der Ebene ansetzen, auf der endlich gehandelt werden muss, und das ist nicht Berlin, sondern der Bund. Die Berliner Sparkasse allein in die Pflicht zu nehmen, während alle anderen Kreditinstitute weiter vom Nichthandeln der Bundesregierung profitieren, wäre keine faire Lösung.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Claudio Jupe (CDU)]

Diese anderen Kreditinstitute verweisen bei Kontoeröffnungsanträgen mit schwierigen sozialen Hintergründen bereits heute auf die Sparkassen – die nehmen nämlich eigentlich jeden, ich habe mich erkundigt und nachgefragt, die Sparkassen nehmen die Leute, man muss sie gar nicht mehr zwingen – und schieben somit einseitig eine nicht rentable Klientel ab. Darüber hinaus wird es mittlerweile auch langsam wirklich langweilig, die politische Verweigerung im Bund immer wieder durch den Verweis

auf die noch ausstehende konkrete Ausgestaltung der EURegelungen zu rechtfertigen. Dies ist kein ausreichendes inhaltliches Argument, vor allem deshalb nicht, weil es hier nicht um einen umstrittenen, hochkomplexen Gesetzentwurf geht, sondern die Forderung, um die es geht, ist einfach und eindeutig.

[Andreas Otto (GRÜNE): Wo ist denn Ihr Antrag?]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Baum?

Nein! – Für uns als SPD ist deshalb klar: Wir benötigen nach der nicht eingehaltenen Selbstverpflichtung der Banken nun endlich eine bundesweite Lösung, und wir sind sehr froh, dass wir gemeinsam mit der Union zu der Haltung gekommen sind, uns auf Bundesebene für genau diese Lösung einzusetzen, auch wenn die Union im Bund dies bisher abgelehnt hat.

[Beifall bei der SPD]

Ich bin mir sicher, im Grunde sind wir uns einig, nur wollen wir eben keine einseitige Verantwortung allein bei den Sparkassen und auch nicht nur eine Lösung auf Landesebene, weshalb wir sowohl den Antrag der Piraten als auch den Änderungsantrag der Grünen nicht unterstützen. Alle Kreditinstitute bundesweit in die Pflicht nehmen, dafür ist die Zeit bei diesem Thema reif. Genug Zeit war in den vergangenen Jahren vorhanden, um sich darauf einzustellen, und deshalb werden wir unseren Antrag demnächst einbringen und die vorliegenden nicht unterstützen. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Köhne! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Altug. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Sehr geehrte Frau Köhne! Vielleicht sollten wir eine Pause machen, um über Ihren Antrag zu diskutieren bzw. bis Sie Ihren Antrag einbringen. Das wäre nicht schlecht.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Andreas Baum (PIRATEN): Unterbrechung der Sitzung!]