Es werden noch andere Lösungswege in der Union mit großem Engagement diskutiert. Ihnen allen ist gemein, dass bei jeder gesetzlichen Regelung zur Lohnuntergrenze immer die Tarifautonomie gewahrt bleiben muss. In der Diskussion müssen sowohl die Belange der Arbeitnehmer als auch die der Wirtschaft berücksichtigt werden, um faire Arbeitsbedingungen zu erreichen, ohne Arbeitsplätze zu gefährden. Die Festlegung eines rein politischen Mindestlohns kann dies nicht erreichen, und darum ist die Einbeziehung der Sozialpartner einfach unverzichtbar.
Im Ausschuss sollten wir die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten im Detail diskutieren, wir beantragen darum die Überweisung. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Korte! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Spies das Wort. – Bitte sehr!
Danke, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 1894 vergibt die Stadt Amsterdam öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen, die einen Mindestlohn zahlen.
Inzwischen hat sich diese Idee weltweit durchgesetzt. In der Europäischen Union gibt es heute in 20 Ländern einen Mindestlohn, nur in Deutschland nicht, weil wir auf Bundesebene eine Koalition der Blockierer haben, die konsequent gegen den Willen der Bevölkerung handelt.
Seit Jahren sprechen sich in Umfragen rund drei Viertel für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn aus, zuletzt in einer Infratest-dimap-Umfrage vom November 2012.
Nach Walter Eucken, manche nennen ihn den geistigen Vater der sozialen Marktwirtschaft, gehört der Mindestlohn neben Kartellkontrolle und Steuerprogression zum ordnungspolitischen Instrumentarium des Staates. Seine Grundidee ist, der freie Markt führt ins gesellschaftliche Chaos. Es ist die Aufgabe des Staates, Regeln zu schaffen und durchzusetzen, um die Freiheit aller, der Menschen und des Marktes, zu erhalten.
Der fehlende Mindestlohn hat deutliche Auswirkungen. Nach Erhebungen der OECD sorgen die im europäischen Vergleich deutlich sinkenden Reallöhne für eine zu
nehmende Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Rund 1,4 Millionen Menschen sind auf staatliche Lohnkostenzuschüsse angewiesen, etwa 400 000 davon trotz Vollzeitbeschäftigung. Viele Menschen brauchen zwei oder drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse führen zu hoher Arbeitsbelastung, in der Folge zu höheren Gesundheitskosten und verhindern dabei die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, die entstehen, wenn keiner mehr gezwungen ist, mehrere Jobs auszuüben.
Viele Studien belegen, dass ein Mindestlohn sich positiv auf die Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen auswirken wird. Nach einer Studie der Prognos AG im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, ich glaube die SPD-Fraktion kennt diese Stiftung,
aus dem Jahre 2010, würde ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro dem Staat knapp 700 Millionen Euro an Mehreinnahmen bringen. Eine Analyse im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums, ich glaube, die CDUFraktion kennt Frau von der Leyen, aus dem letzten Jahr erwartet durch die Einführung eines Mindestlohns positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt.
Der Mindestlohn führt demnach zu einer Stärkung der Kaufkraft, Mehreinnahmen für Staatshaushalte und Sozialkassen sowie zusätzlichen Arbeitsplätzen. Führende Ökonomen der London School of Economics, die als gläubige Marktradikale jahrzehntelang den Mindestlohn bekämpften, konnten diese Effekte nach Einführung des Mindestlohns im Jahre 1999 in Großbritannien nachweisen.
Es ist zwar nicht neu, dass Marktradikale irren, es kommt allerdings nicht so oft vor, dass sie das auch zugeben.
Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass viele von ihnen nach wie vor den Mindestlohn bekämpfen. Fatal ist nur, dass diese Marktradikalen in der Bundesregierung bisher erfolgreich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland verhindern konnten. Die Koalitionsfraktionen in diesem Hause, vor allem die SPD-Fraktion, sollten sich schämen, bis jetzt hier den Willen der Mehrheit der Menschen in diesem Land, in dieser Stadt mit blockiert zu haben.
[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von den PIRATEN: Bravo! Zuruf von den PIRATEN: Wer hat uns verraten?]
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist notwendig, er ist allerdings auch keine Wunderwaffe zur Beseitigung von Erwerbslosigkeit, Niedriglöhnen und Armut. Zwar arbeiten heute in Großbritannien nur
2 Prozent der Beschäftigten für den Mindestlohn, das Lohnniveau ist aber insgesamt nicht wesentlich gestiegen. Auch die Kluft zwischen Arm und Reich besteht nach wie vor.
Die Debatte um den Mindestlohn darf nicht davon ablenken, dass es viel weitergehender Maßnahmen bedarf, um das Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe, das unser Grundgesetz garantiert, für alle Menschen dieses Landes zu verwirklichen.
Neben der Abschaffung der Sanktionen und Arbeitsbeschränkungen bei Hartz IV, der Sicherung von Gesundheits- und Pflegeversorgung, der Beseitigung von Alters- und Kinderarmut durch Schaffung einer zukunftssicheren Rente und einer Grundsicherung für Kinder wird dieses Ziel unserer Meinung nach nur durch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu erreichen sein.
[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN Zuruf von den PIRATEN: Bravo!]
Für uns Piraten ist der Mindestlohn eine Brückentechnologie hin zu einem Grundeinkommen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke, Herr Kollege Spies! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und auch an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.
Auch hier wieder bis zu fünf Minuten Redezeit. Es beginnt die Piratenfraktion, und da ist mir der Kollege Dr. Weiß als Redner benannt worden. – Bitte sehr!
Vielen Dank! – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bereich Abgeordnetenbestechung gehört in der deutschen Gesetzgebung der letzten Jahre sicher zu einem der unerfreulicheren. Vor zehn Jahren schon verpflichtete sich die Bundesrepublik durch Beitritt zur UN-Konvention gegen Korruption, die Bestechung von Volksvertretern unter Strafe zu stellen. Einige europäische Abkommen, an denen die Bundesrepublik teilhat, gehen noch weiter zurück. Inzwischen sind 164 Staaten, also die überwiegende Mehrzahl der Staaten dieser Welt, dieser Konvention beigetreten. 11 davon, Deutschland ist einer davon, haben sie bis heute nicht ratifiziert.
In der Zwischenzeit wurden im Bundestag immer wieder einmal Regelungsvorschläge diskutiert, um Abgeordnetenbestechung unter Strafe zu stellen, immer von der Opposition vorgeschlagen. Dies wurde dann von der Mehrheit immer verhindert, ohne eigene Alternativen darzulegen.
Währenddessen haben wir im momentan im Strafgesetzbuch § 108e, der dem Namen nach die Abgeordnetenbestechung strafbar machen soll. Tatsächlich ist es kaum mehr als ein schlechter Witz – um es etwas höflicher zu formulieren: eine praktisch bedeutungslose symbolische Gesetzgebung, so der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2006. Unter Strafe gestellt ist dort nur der explizite Stimmkauf, tatsächlich Kauf im Sinn eines Kaufvertrags, und im Vorfeld der Abstimmung nur, was die Abstimmung im parlamentarischen Prozess angeht, also nichts, was drumherum ist. Das kann man schon umgehen, indem man einfach im Nachhinein tätig wird. Das Ganze ist auf eine Situation zugeschnitten – um es überspitzt zu sagen: Man geht ins Abgeordnetenbüro und stellt den Geldkoffer auf den Tisch –, die man selbst einem schlechten Drehbuchschreiber nicht durchgehen lassen würde.
Entsprechend ist es in der gesamten 19-jährigen Geschichte dieses Paragrafen auch nur ein einziges Mal im Jahr 2007 jemandem gelungen, tatsächlich gegen diese Paragrafen nachweislich zu verstoßen.
Das weiß ich gerade nicht, welche Partei es war. – Allerdings muss man da schon von einer besonderen Leistung ausgehen, da muss sich jemand schon ganz besonders ungeschickt angestellt haben.
Das Ganze kann nicht anders bezeichnet werden als eine peinliche Farce. Dieser peinlichen Farce sollte endlich ein Ende gesetzt werden.
Im Antrag, den wir als Oppositionsfraktionen hier eingebracht haben, fordern wir den Senat auf, im Bundesrat tätig zu werden. Offen gelassen ist, ob dies im Rahmen einer eigenen Initiative oder durch Unterstützung einer Initiative geschehen soll. Nordrhein-Westfalen hat vor Kurzem Entsprechendes angekündigt. Dort soll es noch im Frühjahr eine Initiative geben. Das wird man sehen. Wenn es so ist, wäre es sicherlich nicht schlecht, wenn Berlin von Anfang an dabei wäre. Auch die Justizministerkonferenz hat zuletzt eine Entschließung gefasst, die endlich eine wirksame Bestrafung von Abgeordnetenbestechung verlangt. Die Voraussetzungen sind hier also durchaus nicht schlecht.
Was man beim Thema Bundesratsinitiative erwähnen sollte, weil es oft aus dem parlamentarischen Bereich in die Kritik kommt: Da es hier um eine Regelung geht, die die parlamentarische Arbeit, letztendlich unsere Arbeit und die Umstände, direkt berührt, ist es auch durchaus unserer Meinung nach richtig, wenn das Abgeordnetenhaus vorangeht und die Initiative ergreift.
Als Opposition greifen wir mit diesem Antrag auch ein Angebot der Koalitionsfraktionen aus der Beratung zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften auf. Ich glaube, es war Herr Kohlmeier, der sich damals dazu geäußert hat. Für uns ist beides, eine wirksame Bestrafung von Abgeordnetenbestechung wie auch eine umfassende Veröffentlichung von Nebeneinkünften wichtig und richtig. Es ist für uns auch beides ein Ausdruck einer ehrlichen und verantwortungsbewussten Politik und nicht etwa ein Ausdruck grundsätzlichen Misstrauens.