Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Meine Damen und Herren von der CDU! Keine Sorge, wir werden Sie weiter treiben, bis Sie einem Mindestlohn zustimmen, denn wir brauchen einen Mindestlohn! Ihre Blockadehaltung müssen Sie beenden. Sie kommen mir vor wie das kleine gallische Dorf, das alles blockiert. Aber, meine Damen und Herren von der CDU, Sie werden den Fortschritt nicht aufhalten! Mittlerweile haben sich die politischen Mehrheitsverhältnisse im Bund verändert. In der Länderkammer besteht mittlerweile eine Mehrheit. Heute hat auch das Land Rheinland-Pfalz eine entsprechende Bundesratsinitiative beschlossen. Wenn wir noch Rot-Rot in Brandenburg dazunehmen, dann ist sicher, dass der Mindestlohnantrag im Bundesrat verabschiedet wird. Sie können den Fortschritt nicht aufhalten. Sie können uns nur ersparen, dass sich Berlin nicht permanent blamiert, wenn wir uns in Sachen Mindestlohn enthalten. Kein Land braucht den Mindestlohn so dringend wie Berlin. Sie kennen die Lohnverhältnisse. Ich finde es mittlerweile peinlich, wie Sie sich gegen einen Mindestlohn sperren.

Und Sie von der SPD, wie Sie sich von der CDU am Nasenring durch die Gegend ziehen lassen! Es ist nur peinlich, und Sie sollten sich schämen! Wir brauchen den Mindestlohn, und zwar jetzt!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Das ist ihnen auch peinlich!]

Vielen Dank, Frau Bangert! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Prof. Dr. Korte das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Offenbar wird es zum Ritual, dass wir uns alle zwei bis drei Wochen mit Anträgen zum Mindestlohn beschäftigen.

[Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN) – Heiko Herberg (PIRATEN): Ist ja auch ein dringendes Thema! – Martin Delius (PIRATEN): Wir werden auch nicht aufhören damit!]

Deshalb, aber auch, weil es mir fast schon unbehaglich ist, hier vorne der Einzige zu sein, der außer dem Kollegen von den Freibeutern, der nach mir spricht, noch zwischen Ihnen allen und dem Feierabend steht, deshalb werde ich mich kurz fassen, was diesen Antrag angeht.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Danke für die ausführli- che Erklärung, warum Sie es kurz machen wollen!]

Wir haben in diesem Haus nicht nur einmal bekannt, dass die CDU zur ihrem Ziel auskömmlicher und fairer Löhne steht. Arbeit muss sich lohnen und ein existenzsicherndes Einkommen ohne Transferleistungen garantieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht, Danke! – Dass das nicht überall und in allen Branchen gewährleistet ist, wissen wir auch. Darum unterstützen wir gerne eine Initiative für eine bundesweite Lohnuntergrenze. Aber ich habe schon bei meiner letzten Rede zum Thema Mindestlohn ausführlich dargestellt, wie wir uns die Festlegung des Mindestlohns vorstellen. Ein rein politischer Mindestlohn, der durch ein Gesetz festgelegt wird, ist nicht geeignet, die bewährte und notwendige Einbeziehung der Tarifparteien zu gewährleisten. Auch wenn im Gesetzesantrag an den Bundesrat vom 21. Februar – der ist also von heute und wirklich druckfrisch –, auf den Sie sich beziehen, immerhin eine paritätische Mindestlohnkommission vorgesehen ist, so wird doch immer noch ein konkreter Mindestlohn direkt durch Gesetz vorgegeben. Damit wird die Tarifautonomie doch wieder ausgehebelt. Wir begrüßen es zwar, dass die Mindestlohnkommission in jährlichen Abständen über den Betrag beraten soll, aber ich frage Sie: Warum geschieht das nicht konsequent von Anfang an? Warum nicht schon beim Ausgangsbetrag, der im Gesetz mit 8,50 Euro festgelegt wird? Auch dieser Betrag sollte von den Tarifparteien ausgehandelt werden.

Die CDU stimmt nicht für einen fixen Mindestlohn, der per Gesetz festgelegt wird, ohne die Tarifautonomie zu beachten. Darum können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Ihr Antrag zum gesetzlichen Mindestlohn, Drucksache 17/087, der am 31. Januar im Plenum diskutiert wurde, lässt immerhin die Möglichkeit offen, dass wir uns einer Bundesratsinitiative anschließen sollten, die unseren Vorstellungen näher kommt.

[Martin Delius (PIRATEN): Sie wollten sich doch kurzfassen!]

Darum wurde er in den Ausschuss für Arbeit überwiesen, und dort wollen wir ihn beraten, gern zusammen mit dem heutigen Antrag. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall von der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Abgeordnete Frau Breitenbach. – Bitte sehr!

Werter Herr Korte! Beim Berliner Vergabegesetz ist die CDU mit stolzgeschwellter Brust rumgelaufen und hat gesagt: Wir haben einen Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt. – Was ist an diesen 8,50 Euro beim Berliner Vergabegesetz anders als bei einem bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn?

Der zweite Punkt: Wenn Sie jetzt noch mal lang und breit erklären, warum Sie einem Mindestlohn nicht zustimmen können, dann, lieber Herr Korte, noch mal der Verweis: Nicht nur das Saarland, auch Mecklenburg-Vorpommern stimmen dieser Bundesratsinitiative zu. Erklären Sie mir bitte, warum die Berliner CDU sich dem verweigert und diese Koalition letztlich die theoretische Mehrheit, die wir in diesem Hause haben, behindert, weil die SPD irgendwie treu und bedingungslos zu Ihnen steht. Ich würde von Ihnen gerne die inhaltliche Begründung wissen: Warum können das andere CDU-Landesverbände? Was ist an der CDU-Position in Berlin anders? Warum können Sie dem nicht zustimmen?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Sabine Bangert (GRÜNE): Weil sie keine moderne Großstadtpartei ist!]

Vielen Dank! – Herr Korte, Sie möchten antworten? – Bitte!

Sehr geehrte Frau Kollegin Breitenbach! Sie fragen, was anders ist beim Vergabegesetz und bei einer allgemeinen Lohnuntergrenze. Beim Vergabegesetz, das wissen Sie selbst, sind das Land Berlin und die Firmen betroffen, mit denen Berlin in Vertragsbeziehungen steht. Die allgemeine Lohnuntergrenze ist eben eine allgemeine, und die muss, das hat sich bewährt, von den Tarifparteien ausverhandelt werden.

Allerdings bricht es mir fast das Herz,

[Oh! von der LINKEN]

wenn Sie uns vorwerfen, wir würden Ihre theoretische Mehrheit gefährden.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Wir haben zusammen mit dem Koalitionspartner die praktische Mehrheit in diesem Haus, und deswegen werden wir gemeinsam das beschließen, was richtig ist – und das ist ein gesetzlicher Mindestlohn, eine Lohnuntergrenze dann, wenn sie durch die Tarifparteien festgelegt worden ist. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Vielen Dank, Herr Dr. Korte! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Spies. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Korte! Fünf Minuten reichen wahrscheinlich nicht aus, ich brauchte 50 Minuten, um Ihnen alle Argumente vorzutragen, die Sie hier einfach weggewischt haben.

[Oh! von der CDU – Björn Eggert (SPD): Wir haben Zeit!]

Sie halten immer noch an den veralteten Vorstellungen fest. Nehmen wir die Tarifautonomie. Fragen Sie die Gewerkschaften! Die haben sich von diesen Vorstellungen schon lange gelöst. Auch die Gewerkschaften fordern heute den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, der lange überfällig und dringend erforderlich ist und deshalb möglichst schnell beschlossen werden soll. Er entspricht im Übrigen auch dem Willen der Bevölkerungsmehrheit.

Nehmen Sie es mir bitte ab, es ist nicht Wahlkampf, wenn ich sage: Es ist wieder mal dieser Fraktionszwang, das parlamentarische Regierungssystem, dass die SPDFraktion bedingungslos gegen all das stimmt, was sie den Menschen im Wahlkampf versprochen hat und was sie den Menschen auf der Straße als ihre Politik verkauft.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Martin Delius (PIRATEN): Wahlalter ab 16!]

Ich weiß nicht, wie Sie sich fühlen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, dass Sie hier in dieser Situation sind, aber ich sage Ihnen: Bleiben Sie doch bitte bedingungslos bei dem, was Sie den Menschen versprochen haben, und nicht bedingungslos bei der Regierungsmehrheit!

Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, Sie sind die letzte Dagegen-Partei, Sie stellen seit Jahren alles an, um den Mindestlohn zu verhindern. Sie sind nur dagegen, ohne konstruktive Vorschläge zu machen, wie es ohne Mindestlohn geht.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Dr. Korte! Die 1,4 Millionen Leistungsbezieherinnen und -bezieher, die arbeiten gehen und dann noch zum Jobcenter gehen, sich drangsalieren lassen müssen, die von ihrer Arbeit nicht leben können, die werden Ihnen zustimmen: Arbeit muss sich wieder lohnen! Aber dann verschaffen Sie ihnen doch mit einem Mindestlohn diese Möglichkeit!

Ich will es nicht noch einmal wiederholen: Auch die Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass der Mindest

lohn wirkt, dass die Arbeitslosigkeit sogar zurückgeht, dass der Staat entlastet wird. All die Argumente, die ich auch letztes Mal genannt habe, will ich jetzt gar nicht wiederholen. Ich weiß, Sie wollen alle nach Hause, Sie wollen, dass wir das in den Ausschüssen versenken. Aber ich sage Ihnen trotzdem: Sie werden es nicht erreichen, der Mindestlohn wird kommen – auch in Deutschland!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Spies! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Antragsteller haben die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen jedoch die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und an den Hauptausschuss. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU sowie der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piraten. Enthaltungen? – Keine. Dann ist dieser Antrag an die beiden Ausschüsse überwiesen.

Meine Damen und Herren! Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste, das ist dann die 28. Sitzung, findet am Donnerstag, dem 7. März 2013 um 13 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen. Schönen Heimweg!

[Schluss der Sitzung: 21.19 Uhr]

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 9: