Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, wir können es im Ausschuss ganz intensiv diskutieren. – Diese Vorgehensweise folgt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und steht im Einklang mit den einschlägigen bundesgesetzlichen Regelungen. Das, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, halten wir auch für richtig, denn die Summe ist eben von dem Kollegen von den Grünen schon angesprochen worden: 1,4 Milliarden Euro fließen im Jahr hier in diesen Bereich. Ein Drittel davon bringt der Bund auf.

[Zurufe von Heidi Kosche (GRÜNE) und Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Im letzten Jahr waren es bei den zusätzlichen Kosten 11 Millionen Euro für das Land Berlin. Dann können Sie sich den Anteil des Bundes auch ausrechnen. Wenn man so etwas macht, dann muss man auch berechenbar sein. Dann müssen wir uns auch an die Voraussetzungen halten, die hier auf Bundesebene gelten.

Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Antragstellerinnen und Antragsteller, werden Sie uns ja sicher im Ausschuss noch über die finanziellen Auswirkungen ihrer Vorschläge genauestens und umfassend informieren und uns handfeste Finanzierungsvorschläge machen, die Sie uns leider bisher in Ihrem Antrag vorenthalten haben.

Zum Antrag 17/0817: Zielsetzung – völlig einverstanden! Klar, das haben wir auch mit der SPD im Koalitionspapier vereinbart. Wir wollen vieles dafür in die Wege leiten und tun, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den Kiezen möglichst zu halten. Da gibt es keine Patentlösung. Da müssen wir noch vieles diskutieren. Das werden wir auch gemeinsam im Ausschuss machen, aber nicht nur im Sozialbereich, da gehören noch ganz andere Felder mit hinzu.

Wenn ich aber Ihre Kernforderung im Sozialpolitischen aus dem Antrag 17/0817 richtig verstehe, dann soll anfangs zeitbegrenzt, dann später grundsätzlich der Anteil der Sozialmieten und – eben haben wir es im Beitrag schon anklingen gehört – womöglich auch anderer Mieten, der über den Richtwerten der WAV liegt, vom Staat getragen werden, ganz egal, wie hoch dieser Betrag sein würde. Das käme in meinen Augen einem Blankoscheck gleich, die entsprechenden Mieten, ohne dass hier eine qualitätssteigernde Leistung durch die Vermieter erbracht wird, in die Höhe zu treiben nach dem Motto: Der Staat übernimmt ja sowieso die Kosten, das kriegen wir schon alles abgewälzt. – Dafür habe ich keine Lust, meine Hand zu heben.

Auch an dieser Stelle vermisse ich in der Antragstellung eine Überlegung dahingehend, wie man das Ganze fi

nanzieren könnte. Ich denke, wenn man seriös handelt, dann gehört das auch mit dazu.

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Nach allem, was mir bisher bekannt ist und was ich von meinen Kolleginnen und Kollegen weiß, wird die CDU einen solchen Weg nicht mitgehen. Mietausgleiche sind für uns nur dann sinnvoll, wenn sie mieterbezogen sind, aus mieterbezogenen Gründen erfolgen, wie das beim Wohngeld der Fall und bei anderen Transferleistungen auch die Praxis ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Das werden wir alles im Ausschuss diskutieren. – Wir haben unseren Weg deutlich gemacht, als wir bei der WAV die Härteregelungen übernommen haben, als wir diese auch weiter ausgestaltet haben. So ähnlich stellen wir uns den Umgang mit den Bürgern und die Hilfe für die Bürger an dieser Stelle vor. Ich bin sicher, dass wir die Thematik mit unterschiedlichen Standpunkten, aber mit großem Einsatz und mit den Bürgern im Auge, um die es hier geht, im Ausschuss intensiv diskutieren werden. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Krüger! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Abgeordnete Frau Breitenbach. – Bitte sehr!

Ich fand eigentlich, dass der Antrag ausgesprochen klar ist, aber ich kann es auch noch einmal sagen: Der Antrag für ein Moratorium ist auf den sozialen Wohnungsbau bezogen. Er ist zeitlich befristet. Das steht auch in diesem Antrag. Und für diese Zeit sollen die Umzugsaufforderungen und die Kostensenkungsverfahren ausgesetzt werden. Wir möchten gern für diese Zeit einen individuellen Mietenausgleich. Mit diesem individuellen Mietenausgleich hat die Bundesregierung erst einmal nichts zu tun, sondern das Land Berlin müsste sagen: Bei Lieschen Müller in dieser Wohnung ist ein individueller Mietenausgleich nötig, der wird aus Landesmitteln getragen.

Wenn Sie sagen, Sie tragen das nicht mit, dann möchte ich einmal gerne wissen, wie Sie damit umgehen, dass zunehmend mehr Transferleistungsbeziehende aus ihren Wohnungen herausmüssen, weil sie einfach nicht mehr über die WAV getragen werden können. Die Richtwerte reichen nicht aus, um die Miete zu bezahlen. Und Sie werden das im Übrigen mit der noch unter Rot-Rot ge

schaffenen Sonder- und Härtefallregelung nicht aufhalten können. Da würde ich gerne von Ihnen wissen, was Sie eigentlich machen wollen, weil es bislang kein gesondertes Konzept für den sozialen Wohnungsbau gibt. Sie aber wollen sich ansehen, wie zunehmend mehr Menschen ausziehen sollen.

Was die Grünen gesagt haben, das haben die Grünen gesagt. Wenn die Grünen jetzt einen anderen Antrag haben oder das ausweiten und mehr individuellen Mietenzuschüsse haben wollen, dann werden die Grünen möglicherweise einen entsprechenden Antrag vorlegen. Die Grünen stehen auf diesem Antrag nicht drauf, das ist ein Antrag der Piraten und der Linken, und der ist relativ deutlich. Aber vielleicht könnten Sie mir beantworten, wie Sie dieses Problem besonders für den Bereich des sozialen Wohnungsbaus lösen wollen, der mit den Mietkosten jenseits der Richtwerte in Ihrer WAV liegt.

[Beifall bei der LINKEN]

Herr Krüger! Sie möchten antworten! Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Frau Kollegin! Ich habe jetzt nicht die Zeit, das mit Ihnen diskutieren zu können. Aber wir haben im Ausschuss mit Sicherheit genügend Möglichkeiten, diese Thematik anzugehen. Allein schon, wenn Sie zu dem, was Sie gesagt haben, nur den Beitrag der Fraktion der Grünen nehmen – da war schon so viel Differenzierung drin.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Akzeptieren Sie doch, dass ich hier meinen Standpunkt vorgetragen habe, aber dass wir im Ausschuss noch sehr viel zu diskutieren haben. Sie sollten sich ja nicht einbilden, dass Sie die Patentlösung gefunden haben! Das, glaube ich, muss deutlich werden.

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (LINKE): Wir haben aber eine Lösung vorzuschlagen!]

Vielen Dank, Herr Krüger! – Das Wort zu einer zweiten Kurzintervention hat der Abgeordnete Beck. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungskoalition! Wir haben noch nicht gehört, wie Sie wirklich damit umgehen wollen, dass immer noch rund 70 000 Bedarfsgemeinschaften aus ihrem Existenzminimum zu den Mieten dazuzahlen müssen. Sie haben nicht gesagt, wie Sie sich vorstellen, dass man realitätsnahe Mieten gestal

ten kann. Wir wollen keine Zwangsumzüge mehr in der Stadt, wir wollen keine Zuzahlungen von Menschen, die schon am Existenzminimum leben, aus ihren Mieten. Das geht auf Kosten von ganz vielen Menschen, auf Kosten der Benachteiligten. Sie argumentieren bürokratisch mit der Verordnung, ohne zu sagen, wie Sie sich vorstellen, dass wir verfassungsgerechte WAV-Sätze haben.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall den PIRATEN]

Möchten Sie replizieren, Herr Krüger? – Sie verzichten! Danke sehr!

Das Wort für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Spies. – Bitte sehr, Herr Spies!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drastisch steigende Mieten werden für die Berlinerinnen und Berliner zunehmend zu einem existenziellen Problem. Seit Mai 2012 befindet sich die Mieterinitiative Kotti & Co im Dauerprotest gegen die unsoziale Mietenpolitik in dieser Stadt. Die Mieterinnen und Mieter des sozialen Wohnungsbaus um das Kottbusser Tor protestieren, weil sie sich die Mieten im sozialen Wohnungsbau nicht mehr leisten können.

Es gibt heute einen Bestand von etwa 150 000 Sozialwohnungen. Davon liegen innerhalb des S-Bahnrings und in Großsiedlungen jeweils rund 60 000. Die Bewohnerschaft ist finanziell nicht gut aufgestellt, die Zahl der Grundsicherungsbezieher höher als im Durchschnitt der Bevölkerung. In einzelnen Großsiedlungen beziehen 40 Prozent der Mieter Leistungen gemäß Sozialgesetzbuch II oder XII. Die anderen befinden sich überwiegend am unteren Ende der Lohnskala, nur wenige Hundert Euro oberhalb der Anspruchsschwelle auf Wohngeld oder Aufstockungsleistung. Sie haben nicht die Möglichkeit, der steigenden Mietbelastung durch Umzug oder gar Eigentumserwerb zu entgehen. Es handelt sich um zwangsweise Sesshafte, denen es aus eigener Kraft vollkommen unmöglich ist, im Kiez oder auch nur im weiteren Wohnumfeld eine kostengünstige Alternative zu finden und zu nutzen.

Diese Situation ist vor allem für diejenigen unerträglich, die den unzureichenden Mietobergrenzen der Wohnaufwendungenverordnung unterliegen. Diese hat aus unserer Sicht den Konstruktionsfehler, dass weder Sozialmieten noch die Mieten für kleine Wohnungen unter 40 Quadratmetern in die Berechnung dieser Mietobergrenzen eingeflossen sind. Die Mieten im sozialen Wohnungsbau liegen bereits deutlich über dem zulässigen Höchstwert von 4,91 Euro pro Quadratmeter kalt, denn das System der Kostenmiete sorgt für kontinuierlich

steigende Mieten, ganz unabhängig von Qualität, Ausstattung und Lage der Wohnung.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders pervers, dass immer mehr Sozialwohnungen leer stehen. Während der Leerstand in der ganzen Stadt gegen null geht, liegt der Leerstand bei Sozialwohnungen bereits über 7 Prozent. Einerseits fallen sie aufgrund der hohen Mietkosten als Wohnraum für die Versorgung von Grundsicherungsbeziehern aus, andererseits finden potenzielle Mieter mit höherem Einkommen immer noch bessere und im Verhältnis günstigere Wohnungen auf dem freien Markt.

Das Jobcenter genehmigt keine Umzüge in Wohnungen, die über den Mietobergrenzen liegen, selbst wenn die Miete geringer ausfällt als die der bisherigen Wohnung. Bei einer Kostenfestsetzung durch den Träger der Grundsicherung sind die Mieter gezwungen, den vollen Differenzbetrag aus ihrem Regelsatz zu finanzieren. Dadurch verarmen die betroffenen Haushalte immer mehr und sind schließlich auf die Berliner Tafeln oder Kleiderspenden angewiesen. Das ist unwürdig und birgt zudem die Gefahr, dass Mietschulden entstehen. Falls das Jobcenter diese Schulden am Ende übernimmt, hat die Kostenfestsetzung ihren Einspareffekt verloren, falls nicht, folgen Zwangsräumung und Unterbringung in einer Unterkunft für Obdachlose, deren Kosten in der Regel deutlich höher liegen als die Kosten der bisherigen Unterkunft.

Darin liegt das Dilemma der Mieterinnen und Mieter im sozialen Wohnungsbau. Während die Mieten von Jahr zu Jahr steigen, machen ihnen die Jobcenter Druck, ihre Mietkosten zu senken. Das muss sich ändern! Wir fordern ein Moratorium, um in dieser Zeit die durch Verdrängung bedrohten Menschen vor Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit zu bewahren, bis der Senat in der Mieten- und Wohnungspolitik endlich in die Puschen kommt.

Ich erwarte von Senator Czaja die Anpassung der Richtwerte der Wohnaufwendungenverordnung umgehend nach Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels 2013. Hierbei ist auch die Gelegenheit, in Kooperation mit Senator Müller die Lösung für das speziellere Problem der Sozialmieten zu finden. Nehmen Sie die Sorgen der Berlinerinnen und Berliner, den Protest der Mieterinnen und Mieter von Kotti & Co endlich ernst und handeln Sie! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE) und Wolfgang Brauer (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Spies! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/0771 – Stichworte: Mietspiegel 2013 anpassen – wird die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Zu dem Antrag Drucksache 17/0817 – Stichwort Wohnaufwendungenverordnung – wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Auch das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 21

Internetzugang für Flüchtlinge im Abschiebeknast garantieren

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0816

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Reinhardt. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr gehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Wir sprechen heute über die Situation im Abschiebegewahrsam Köpenick. Die Piratenfraktion war kürzlich vor Ort und hat sich dort umgeschaut. Wir haben ein nicht gerade buntes Bild vorgefunden. Das Bild war geprägt von hohen Mauern und Stacheldraht rundum – nicht ein Flecken Grün. Kurz: ein ehemaliger DDR-Frauenknast, der sich auch stark nach Knast anfühlt.