Protokoll der Sitzung vom 07.03.2013

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN, der SPD und der CDU]

87 Prozent der Teilnehmer an dieser Befragung haben sich für den Brommysteg ausgesprochen, aber wer A sagt, muss auch Mauerlücke sagen, wenn diese Planung das verursacht. Selbst in diesem schönen Prospekt von Mediaspree ist diese Mauerlücke drin, und sie wurde nie problematisiert. – Ich finde das übrigens gut, dass meine Uhr nicht läuft, ich kann noch den ganzen Abend.

[Heiterkeit]

Danke, dass Sie mich hier auf ein Kernthema der Piratenpartei ansprechen! Natürlich brauchen wir verbindliche und klar nachvollziehbare Bürgerbeteiligung, insbesondere bei Bauprojekten, das zeigt dieser ganze Schlamassel. Aber hier wird ja immer gesagt: Mehr Beteiligung brauchen wir nicht! – Hier haben wir mit der East-SideGallery ein tolles Gegenbeispiel.

Eines muss ich noch zu der Geschichte von Herrn Schulz sagen. Ich finde besonders interessant, dass er noch den Finanzsenator, der jetzt leider nicht hier ist, mit reinzieht. Da wird dann gesagt, man solle demonstrieren, damit der Finanzsenator zu vernünftigem Handeln gezwungen wird. Was ist denn das für eine Logik? Sollen sich jetzt alle Berliner Bezirke ein Too-big-to-fail anheften, und für jede fehlgelaufene Planung sagt man dann beim Finanzsenator: Hallöchen, ich bräuchte da mal ein Ersatzgrundstück. Uns ist jetzt aufgefallen, wir wollen das jetzt doch nicht mehr. Die Planung läuft zwar irgendwie seit 21 Jahren, aber sorry. – Was ist denn das für ein Signal für Investoren?

[Beifall bei den PIRATEN, der SPD und der CDU]

Der hat alle Genehmigungen, der möchte da bauen, dem wird gesagt: Baue da! Dann wird er von dem angekachelt, der ihm sagt: Baue da! Dann wird ihm gesagt, dieser Mauerdurchbruch war eigentlich gar nicht notwendig, und zwar von den Leuten, die früher gesagt haben, Mauerdurchbrüche seien okay! Und dann war der Finanzsenator schuld!

[Heiterkeit bei den PIRATEN, der SPD und der CDU]

Was hätten Sie sich, liebe Grüne, hier aufgeregt, wenn wir wegen dem BER oder einer anderen Geschichte zum Bund gelaufen wären oder zu sonst wem und gesagt hätten: kleine Fehlplanung, wir hätten gerne ein Ersatzgrundstück!

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN, der SPD und der CDU]

Ganz ernsthaft: Wenn Ben Becker und David Hasselhoff die Berliner Politik kommentieren, dann haben wir ein ganz ernsthaftes Problem.

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN, der SPD, der CDU und der LINKEN]

Erstens müssen wir dafür sorgen, dass es in Zukunft verbindliche Bürgerbeteiligung in dieser Stadt, in diesem Land gibt, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

[Beifall bei den PIRATEN – Zuruf von den GRÜNEN]

Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir als Politik Menschen, die hier in diese Stadt investieren, nicht so in den Rücken fallen, wie das hier leider fraktionsübergreifend getan worden ist. Das ist ein fatales Signal.

Noch ein Wort zum authentischen Mauergedenken: Ich habe das zum Glück nicht erleben müssen. Ich bin auch ein Zugezogener. Aber was ich sehr eindrucksvoll finde, ist die Gedenkstätte Bernauer Straße. Wenn Sie sich da einfach einmal hinstellen und sagen: Hier ist die Mauer, und jetzt überlege ich mir zu flüchten –, dann ist das keine Mauer zum Drüberhüpfen und man ist im Westen. Das ist eine Mauer, und dann sind das 50 Meter, deswegen heißt das Todesstreifen. Da können Sie sich das überlegen und da können Sie versuchen nachzuvollziehen, wie das sein muss, über Stacheldraht zu springen, dann angeschossen zu werden und irgendwo in der Ecke dreckig zu verbluten. Da können Sie sich das vorstellen. An der East-Side-Gallery, die ein schönes Denkmal dafür ist, was nach der Wende getan worden ist, vollziehen Sie das nicht nach. Da wäre ich auch, was Todesstreifen usw. angeht, ziemlich vorsichtig.

[Beifall bei den PIRATEN, der SPD und der CDU]

Als Anwohner der Bernauer Straße fand ich das damals sehr beeindruckend, wie die Mauer da systematisch weggekloppt worden ist. Ich kann mich auch nicht an einen Aufschrei der damaligen Politik erinnern, aber das liegt wohl daran, dass es in irgendein Konzept gepasst hat. Den Eindruck, dass wir ein Konzept haben, erwecken wir im Moment nicht, und darauf müssen wir nicht unbedingt besonders stolz sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Für den Senat hat jetzt der Senator Müller das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man muss es ja mal deutlich sagen: Die Rede von Herrn Lauer hat richtig Spaß gemacht, die war richtig gut.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Der Senat kann ja jetzt auf seine Rede nicht verzichten.

[Heiterkeit]

Nein, Sie haben wirklich, das muss man sagen, viele Dinge gut auf den Punkt gebracht und richtig dargestellt.

[Thomas Birk (GRÜNE): Das haben 60 000 Petenten auch gemacht!]

Ja, deswegen will ich das hier auch noch mal aufgreifen. – Es geht nicht nur um die 70 000 Petenten, die da etwas unterschrieben haben, sondern wir haben seit der vergangenen Woche in der gesamten Stadt eine sehr intensive Debatte um die East-Side-Gallery, um die historische Bedeutung der East-Side-Gallery mit Sicherheit auch, wobei ich glaube – auch da hat Herr Lauer recht –: Natürlich hat die East-Side-Gallery ihre Bedeutung auch als ehemalige Grenzmauer, sie hat auch diese historische Bedeutung, aber diejenigen, die in unsere Stadt kommen oder die Berlinerinnen und Berliner, die ein Gefühl für den Schrecken haben wollen, den die Mauer ja verbreitet hat, für das, was es bedeutet hat, in diesem geteilten Berlin zu leben, diejenigen gehen zu der beeindruckenden Gedenkstätte Bernauer Straße, die wirklich eine hervorragende Arbeit macht und wo sehr intensiv zu erleben ist, was die Mauer für diese Stadt bedeutet hat.

Die East-Side-Gallery spielt historisch eine Rolle, sie spielt kulturell natürlich eine Rolle, auch touristisch, das ist überhaupt keine Frage. Deswegen haben sich in den letzten Tagen so viele Menschen so intensiv engagiert. Das war auch von Vielen gut gemeintes, ehrliches bürgerschaftliches Engagement für den Erhalt der East-SideGallery.

Aber eins will ich auch ganz deutlich im Namen des Senats sagen: Das, was sich da mitunter abgespielt hat, das waren auch unsägliche Vergleiche, Beschimpfungen, Diffamierungen, die teilweise noch vonseiten der Politik – nicht nur von Ben Becker oder anderen –, sondern vonseiten der Politik angeheizt wurden.

[Zuruf von Thomas Birk (GRÜNE)]

Wenn ein gewählter Regierungsvertreter eines Bezirks, wenn der Bezirksbürgermeister sagt: Das ist das größte Hassobjekt unserer Stadt –, dann fordert es geradezu Holzköpfe auf, auch noch aktiv zu werden und irgendwelche Anschläge zu machen und noch mal eins draufzusetzen mit Diffamierungen. Das muss aufhören!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Es müssen insbesondere diese Beschimpfungen der Investoren aufhören. Die Investoren können nämlich nichts für diese Situation. Sie sind für diese Situation nicht verantwortlich, sondern politische Entscheidungen sind für diese Situation verantwortlich, eben auch politische Entscheidungen, die im Bezirk getroffen worden sind. Das muss man auch noch mal ganz klar an dieser Stelle betonen. Es war von Frau Herrmann vorhin bei der Begründung der Aktuellen Viertelstunde, wie ich fand, so ein

(Bürgermeister Michael Müller)

bisschen jammervoll zu sagen: Der Bezirk kann doch gar nicht anders, da muss man doch nur weiterführen, was vor 15 oder 20 Jahren entschieden wurde. – Nein, das muss man eben nicht weiterführen, wenn man es denn nicht will. Hier ist der Bezirk kein Erfüllungsgehilfe des Landes Berlin, sondern man steht in einer politischen Verantwortung. Ein Bezirksbürgermeister ist der politische Chef und der Verwaltungschef einer 300 000Einwohner-Stadt. Er ist verantwortlich für sein politisches Tun, und er muss dazu auch stehen, er muss sein politisches Agieren auch erklären!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Der Bezirk hat eben auch in seiner politischen Verantwortung kontinuierlich das entschieden und das gemacht, was er offensichtlich für richtig hielt. Von 1997 bis 2005 sind die B-Planverfahren auf Bezirksebene vorangetrieben worden. 2008 hat es die Baugenehmigung gegeben. 2012, noch im Oktober, ist die Senatsverwaltung angeschrieben worden, ob wir denn etwas dagegen hätten, wenn der Bebauungsplan zugunsten einer Grünfläche verändert werden würde. Wir haben geantwortet: Nein, das ist eure Verantwortung, wir haben nichts dagegen. – Es wurde vom Bezirk dann aber nicht weiterbetrieben. Da kann man nicht immer mit Anfang der Neunzigerjahre, Mitte der Neunzigerjahre, mit Verantwortung von Herrn Hassemer und Herrn Strieder kommen. Jetzt, in diesen letzten Jahren, im letzten Oktober wurden die Briefe vom Bezirksbürgermeister Schulz unterzeichnet. Er hat sich im Februar 2013 und nicht irgendwann Anfang der Neunzigerjahre ganz bewusst entschieden, mit dem Investor einen städtebaulichen Vertrag auszuhandeln und ihn aufzufordern, eine Öffnung, eine Lücke in der Mauer darzustellen.

Warum eigentlich? Warum hat der Bezirksbürgermeister das eigentlich gemacht? – Ich glaube, diese Diskussion um die Brommybrücke ist keine ehrliche Debatte. Das ist überhaupt nicht der Ausgangspunkt dafür. Es ist so, dass der Bezirk, die BVV, mal entschieden hat: Wir wollen da eine Brücke für Fußverkehr, für Radverkehr und für Busse.

[Antje Kapek (GRÜNE): Keine Busse!]

Und dann muss man natürlich auch eine entsprechende Öffnung in der Mauer machen, wenn man das ernst meint. 2008 hat es dann aber ein Überdenken dieser ganzen Möglichkeiten gegeben, und dann wurde gesagt: Nein, das wollen wir jetzt nicht mehr. Es soll eine Rad- und Fußverkehrbrücke sein. – Die Landesebene hat sich dem selbstverständlich angeschlossen, hat gesagt: Ja, klar, ist in Ordnung, dann machen wir eine Rad- und Fußverkehrbrücke. – Dafür braucht kein Mensch in dieser Stadt eine 23 Meter breite Öffnung! Warum hat Bezirksbürgermeister Schulz eigentlich den Investor im Februar dieses Jahres aufgefordert, eine Lücke von 23 Meter zu schaffen für eine Brücke, die das überhaupt nicht braucht? Wo liegt der Grund?

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ist es Unwilligkeit oder Unfähigkeit? Oder ist es vielleicht etwas ganz anderes? Es ist im Zusammenhang mit der Diskussion um diese ganze Situation deutlich geworden, dass der Bezirk durchaus von den ganzen Vereinbarungen mit den Investoren profitiert.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Der Bezirk hat eine Ausgleichszahlung für die Entwicklung auf diesem Stück Mauerstreifen hinter der EastSide-Gallery ausgehandelt und hat sich weitere Parkentwicklungen mit 570 000 Euro bezahlen lassen. Vielleicht profitiert der Bezirk ja von all dem und ist in der Sache eigentlich gar nicht gegen diese Entwicklung, gegen die er jetzt auftritt, sondern ist in der Sache tatsächlich dafür, dass dort etwas passieren soll, weil er sich an anderer Stelle mit den Investitionen dieser Investoren finanziert? Zu einem anderen Schluss kann man kaum kommen.

[Torsten Schneider (SPD): Hört, hört!]

An dieser Stelle muss man dann auch Verantwortung übernehmen und zu dem stehen, was man da miteinander entschieden hat.

Jetzt sind wir in einer Situation, wo wir nach vorne gucken und sehen müssen, wie wir mit ihr umgehen. Das, was in den Anträgen des Abgeordnetenhauses teilweise formuliert ist, ist das, was der Regierende Bürgermeister gemacht hat, als er die Initiative ergriffen hat, um die Leute an einen Tisch zu holen, um die Investoren, die beteiligten Senatsverwaltungen und die Bezirksebene zusammenzuführen. Es geht jetzt darum, genau zu gucken, wie die Verträge, die der Bezirk geschlossen hat, wie die Beschlüsse, die auf Bezirksebene gefallen sind, zu erfüllen sind, wie Entwicklungen möglich gemacht werden können.

Heute würden wir vielleicht alle miteinander auch das eine oder andere anders bewerten.

[Thomas Birk (GRÜNE): Ah!]

Ja, man ist nur nicht mehr ganz so frei, wenn alle Verträge und Beschlüsse gemacht wurden.

[Joachim Esser (GRÜNE): Ach!]