Betroffene Forscher würden deshalb wohl in nicht wenigen Fällen gezwungen sein – wenn man mal den Gedanken weiterspinnt und sagt: nicht nur die Feststellungsklage –, sich notgedrungen nach einem besseren Standort als Berlin für ihre wissenschaftlichen Arbeiten umzusehen.
Innovative Grundlagenforschung und die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Biomedizin würden hierdurch auch stark behindert werden. Der Wissenschafts- und Forschungsstandort Berlin würde in erheblicher Weise geschwächt werden und bei einer Lösung in Berlin wichtiges Know-how ganz klar in die umliegenden Bundesländer abwandern.
Aus den vorgenannten Gründen lehnt die CDU-Fraktion, lehne ich deshalb den Antrag auf Einführung eines Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine in Berlin ab. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Herrmann! – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Kowalewski das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir haben jetzt zum ersten Mal dieses Thema in dieser Legislaturperiode im Plenum, nachdem es in der 29. Sitzung vertagt wurde, in zweiter Lesung, nachdem es auch im Rechtsausschuss zweimal vertagt wurde. Aber das war noch nicht alles. Ein ähnlich lautender Antrag wurde nicht nur 2009 abgelehnt, sondern auch 2006. Und jetzt haben wir wieder eine Beschlussempfehlung, die sagt: Ablehnen! Warum eigentlich?
Wir haben bisher Verbandsklagen im Naturschutzrecht, im Behindertenrecht, im Wettbewerbsrecht, im Verbraucherschutzrecht, sogar ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften ist im Gespräch. Und warum gibt es diese Verbandsklagerechte? – Die meisten, um Sammelklagen abzustellen, also gerade, um eine Klageflut von rechtsfähigen Betroffenen einzudämmen oder – und das ist viel wichtiger meiner Meinung nach – weil das betroffene Subjekt selbstständig nicht rechtsfähig ist. Die Natur kann eben nicht Klage erheben, deshalb machen das Naturschutzverbände. Tiere können auch nicht klagen. Somit haben wir hier ein deutliches Rechtsungleichgewicht. Gegen einschränkende Verwaltungsakte können die Tierausnutzer klagen. Wenn aber das einschlägige
Tierschutzrecht nicht ausreichend angewendet wird, gibt es keinen sinnvollen Rechtsweg. Und die Ethikkommissionen, die der Kollege Herrmann angesprochen hat, helfen auch nicht wirklich, weil sie eben überwiegend mit Vertretern der Tierausnutzer besetzt sind.
Droht jetzt mit dem Verbandsklagerecht eine Klageflut? – Genauso so, wie es eine Flut von sinnlosen Klagen im Bereich des Verbraucherschutzes gibt: nämlich nicht. Tierschutzvereine, die übrigens durch Spenden finanziert werden und meistens noch nicht einmal besonders gut, müssen sinnvoll mit ihren Ressourcen umgehen. Klagen, die von vornherein aussichtslos sind, wird es also allein deswegen schon nicht geben. Die Behörden hingegen könnten eventuell etwas wachsamer werden, wenn sie davon ausgehen müssen, dass Entscheidungen künftig eben auch gerichtlich überprüft werden könnten. Artikel 31 Abs. 2 der Berliner Verfassung sagt: Tiere sind als Lebewesen zu achten und vor vermeidbaren Leiden zu schützen. Diese schön Satz sollte, wie jeder andere in der Verfassung, eben durchsetzbar sein.
Bremen hat – das haben wir gehört – das Verbandsklagerecht seit 2007. In NRW, dem Land der Schweinemäster, wird es voraussichtlich nächsten Monat eingeführt; alle Zeichen stehen darauf. Schleswig-Holstein und Hamburg haben einen Gesetzentwurf in der Richtung aussichtsreich in der Beratung. In Baden-Württemberg und RheinlandPfalz steht es im Koalitionsvertrag. Und Schwarz-Rot hat im Saarland selbst Anfang des Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Es wird also gerade überall in Deutschland und quer durch alle politischen Lager, von der FDP jetzt einmal abgesehen, besser.
[Oliver Friederici (CDU): Das stimmt doch überhaupt nicht! – Daniel Buchholz (SPD): Das ist jetzt aber überzogen!]
Die Frage ist natürlich: Wenn überall in Deutschland die Bedingungen für die Tierausbeuter schlechter werden, wollen wir hier bald in Berlin dann Legebatterien statt Kleingärten haben?
Liebe Kollegen Herr Buchholz und Herr Herrmann! Sie winden sich deshalb – bei aller Hochachtung – ein wenig und begründen die Ablehnung Ihrer Fraktion mit Formalargumenten. Natürlich wäre eine weitergehende bundeseinheitliche Lösung besser – bei der entsprechenden Abstimmung im Bundesrat hat sich Berlin ja enthalten –, aber der vorliegende Antrag würde eine solche eben nicht verhindern, sondern vielmehr befördern. Und – das geht jetzt an die SPD – wer sich hier in Berlin sperrt, der bekommt auch bei der Bundestagswahl keine Kekse.
Frau Kollegin Platta! Ich hätte ja auch gern ein besseres Tierschutzgesetz, aber das hilft auch nur beschränkt viel, wenn wir ein Vollzugsdefizit haben und das nicht abstellen können. Wenn also Schwarz-Rot heute hier in Berlin das Tierschutzverbandsklagerecht ablehnt, ist das Thema damit eben nicht vom Tisch.
Die Berliner Verfassung auch nach 22 Jahren und inzwischen drei Anläufen weiter in dem Punkt zu missachten, ist traurig, es wird aber auf Dauer nicht möglich sein. Das Verbandsklagerecht wird dann eben wiederkommen und von der nächsten Koalition angenommen. – Vielen Dank!
[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Antje Kapek (GRÜNE) und Claudia Hämmerling (GRÜNE)]
Danke, lieber Herr Kollege Kowalewski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Gesetzesantrag Drucksache 17/0549 empfiehlt der Rechtsauschuss mehrheitlich gegen Grüne und Piraten bei Enthaltung Linke die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Grüne und Piraten. Wer ist dagegen? – Das sind CDU und SPD, so weit ich sehe vollständig. Enthaltung der Linken vermute ich? – Damit ist der Antrag abgelehnt.
Gesetz über Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen
Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 15. April 2013 Drucksache 17/0936
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der vier Paragrafen miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch.
Also rufe ich auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 4 der Drucksache 17/0642. Auch hier wieder fünf Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion Die Linke, und der Kollege Taş steht schon in den Startlöchern. – Bitte schön!
Es ist hier gerade die Debatte entstanden, dass wir gleich über den Rücküberweisungsantrag der Fraktion Die Linke vom 7. März 2013 auf Beratung im – kurz gesprochen – Rechtsausschuss abstimmen. Wer dem Antrag auf Rücküberweisung der Gesetzesvorlage Drucksache 17/0642 an den – kurz gesprochen – Rechts- und Verbraucherschutzausschuss zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Linke, Grüne und Piraten. Wer ist dagegen? – Das sind SPD und CDU. Letzteres ist die Mehrheit.
Dann darf ich bitten, dass Kollege Taş als Antragsteller als Erster das Wort ergreift. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In seinen Interviews erklärt der Fraktionsvorsitzende der SPD Herr Saleh gerne, mit der CDU würde die SPD linke Politik hier in dieser Stadt machen. Ich würde gerne darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Ich möchte Ihnen, liebe SPD, anhand des Versammlungsrechts heute erklären, was tatsächlich linke Politik ist.
Linke Politik ist, wenn man unbekümmert Versammlungen als einen Gewinn für die Demokratie betrachtet. Linke Politik ist, wenn man alles tut, damit die Menschen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit uneingeschränkt wahrnehmen können. Linke Politik ist, wenn der Staat, also auch die Polizei, sich aus Versammlungen so weit wie möglich heraushält. Und linke Politik ist – die letzten zehn Jahre war es das auch –, bei Versammlungen die sogenannte Deeskalationsstrategie einzuführen, die genau dies bedeutet: ein zurückhaltendes Auftreten der Polizei, Offenheit und Transparenz und ein konsequentes Einschreiten nur dann, wenn wirklich Straftaten passieren.
Herr Saleh! Wenn Sie dieses Gesetz, das uns heute vorliegt, als linke Politik bezeichnen, dann ist das nichts anderes als Selbsttäuschung und ein Hohn für Ihre Wählerinnen und Wähler.
Wahrscheinlich halten auch Sie sogar Wladimir Putin für einen lupenreinen Demokraten. Thomas Rogalla hat es in seinem Beitrag in „Berliner Zeitung“ von gestern richtig
erkannt: Die SPD ist gerade dabei, ihre historischen Errungenschaften aufzugeben. Sie sind gerade dabei, mit Ihrem Koalitionspartner die Versammlungsfreiheit zu beschneiden und ein Klima der Einschüchterung zu schaffen. Die Anhörung und die Beratungen in den Ausschüssen haben gezeigt: Hier wird ein schwerer Eingriff in die Grundrechte vorgenommen, einzig und allein, um es der Polizei ein Stück weit bequemer zu machen. Eine andere Rechtfertigung gibt es für dieses Überwachungsgesetz nicht, denn bei konkreten Gefahren darf die Polizei auch jetzt schon filmen und aufzeichnen.
Der Änderungsantrag, den Sie noch auf den letzten Drücker eingereicht haben, ändert nichts an den grundlegenden Kritikpunkten. Jede Kamera hat eine Einstellungsauswirkung auf die Versammlungsteilnehmer, und das wird dazu führen, dass Menschen davon abgeschreckt werden, an Demonstrationen teilzunehmen. Versammlungsfreundlichkeit sieht anders aus, liebe Koalition!
Die Polizei darf selbst entscheiden, ob sie Übersichtsaufnahmen anfertigen darf. Wenn sie eine Versammlung für groß und unübersichtlich hält, darf sie filmen. So steht es im Gesetz. Was das heißen soll, weiß übrigens niemand. Klar ist nur: Je mehr Menschen zu einer Demonstration hingehen, desto eher werden sie videoüberwacht. Zurückhaltung des Staates sieht anders aus, liebe Koalition!
Es besteht auch weiterhin das Problem der Abgrenzung zwischen den verschiedenen Rechtsgrundlagen. Niemand weiß bei einer Versammlung, auf welcher Rechtsgrundlage er gefilmt wird und ob die Polizei gerade aufzeichnen darf oder nicht. Offenheit und Transparenz sieht anders aus, liebe Koalition!
Nicht zuletzt hat der Senat keinen Plan, wie er die Bildaufnahmen vor dem Zugriff von Dritten schützen will.
Dieses Gesetz ist ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit. Es hat so viele gravierende Schwächen, und die technische Umsetzung ist vollkommen unklar. Wir lehnen es deshalb nicht nur als Ganzes ab, sondern sehen uns auch gezwungen, eine Klage diesbezüglich zu prüfen. Liebe Sozialdemokraten! Wenn Sie linke Politik machen wollen, dann sollten Sie dieses Gesetz heute hier stoppen. – Herzlichen Dank!