Ja! Ich würde gerne noch das Bundesverfassungsgericht zitieren und dann beenden. – Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass durch die Kameraüberwachung nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigt werden, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist. Der bisherige Vertrag ist: Die Kameras können angeschaltet werden, wenn es eine Gefahr gibt. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Kein moderner Rechtsstaat ohne Demonstration! Sie bewirken mit Ihrem neuen Gesetz, dass Bürgerinnen und Bürger davon abgehalten werden, von ihrer Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen. Das bitte ich Sie zu verhindern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss ganz kurz auf die letzte Anmerkung antworten. – Herr Kollege Lux! Unser Interesse ist es, dass in Berlin das Demonstrationsrecht von so vielen Bürgerinnen und Bürgern wie möglich wahrgenommen werden kann, die das wünschen, und dies zu gewährleisten ist die Aufgabe der Politik und auch der Polizei, und diesem Ziel dient auch dieses Gesetz. Das ist erst einmal der Grundsatz.
Ich möchte Ihnen entgegenhalten, weil Sie sagen, wir würden hier so weit eingreifen, dass es verunmöglicht wird und die Einschüchterung zu groß wird und dass das vom Verfassungsgericht nicht getragen sei, was das Verwaltungsgericht Berlin unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht ausführt. – Herr Präsident! Wenn ich darf!
Da die Beobachtung der Versammlung vom 5. September 2009 sowohl einen Eingriff in den Schutzbereich der vorrangigen Versammlungsfreiheit aus Artikel 8 Abs. 1 GG als auch in den der informationellen Selbstbestimmung aus Artikel 2 Abs. 2 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG darstellt, bedurfte es zu dessen Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage, aus der nachvollziehbar und klar der Umfang der Beschränkung erkennbar ist.
In diesem Satz stecken zwei Aussagen. Erstens: Es war damals die rechtliche Grundlage nicht gegeben, deswegen durfte es nicht geschehen. Zweitens: Es kann aber eine rechtliche Grundlage geben, in der die Beschränkungen klar beschrieben sind, durch die zulässigerweise in das Grundrecht eingegriffen werden darf.
Sie werden zugeben, dass nicht jeder Eingriff in ein Grundrecht deswegen verfassungswidrig ist, weil er stattfindet, sondern er braucht eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage. Das Gericht hat den Weg vorgezeichnet, eine solche verfassungsgemäße Grundlage zu schaffen. Genau dies machen wir, und deswegen bewegen wir uns nach meiner Überzeugung genau in dem verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Zimmermann! Worüber unterhalten wir uns hier? Ich meine, es ist eine politische Frage. Wir Grüne wollen nicht, dass friedliche Demonstrationen anlasslos von Kameras aufgezeichnet
[Torsten Schneider (SPD): Hast doch selber das Gericht zitiert! Hast du doch verlesen! Ist doch Quatsch!]
Das andere können wir auch gerne den Gerichten überlassen. Wir haben hier bereits angekündigt, dort die rechtliche Klärung zu suchen. Nur weil es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt, heißt es noch lange nicht, dass es auch angemessen und verhältnismäßig ist. Das wissen Sie genauso wie ich.
Hören Sie bitte auf mit der Feststellung, dass Kameraüberwachung ohnehin kein schwerer Grundrechtseingriff ist. Gleich wird Herr Juhnke kommen und uns erzählen, dass überall gefilmt wird, dass zu Recht Bauhäuser mit Kameras überwacht werden oder an jedem Bankautomat eine Kamera steht. Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, wie wir als Rechtsstaat Versammlungen in diesem Land behandeln. Ich sage Ihnen, erst wenn es eine Gefahr gibt, erst wenn es Straftaten gibt: Kamera an – alles andere: Kamera aus.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich weiß gar nicht, ob es noch sinnvoll ist, hier zu sprechen, weil Herr Lux offensichtlich schon weiß, was ich sagen werde. Ich werde mir aber trotzdem Mühe geben, das eine oder andere Interessante dazu zu ergänzen.
Die Koalition legt Ihnen heute einen Entwurf über ein Gesetz über Aufnahme und Aufzeichnung von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen vor, weil die Polizei für uns Garant dafür ist, dass die Versammlungsfreiheit in dieser Stadt gewährleistet werden kann, und weil wir die Sicherheit für die Teilnehmer, die Demonstranten und sonstige Betroffene wie Anwohner, aber auch natürlich für die eingesetzten Polizeikräfte sicherstellen wollen. Das ist besser mit einer Übersichtsaufnahme zu bewerkstelligen, als es beispielsweise die Beobachtung der Beamten vor Ort und die Weiterleitung dieser festgestellten Beobachtung per Funk oder auf anderem Weg sein können. Deswegen hatten wir dies auch in unserem Koalitionsvertrag vereinbart. Deswegen ist es früher auch schon so gemacht worden – so viel möchte ich nur zu dem Tenor sagen, der hier bei dem einen oder anderen auch schon anklang, beispielsweise bei Herrn Taş, der an dieser Stelle den Untergang des
Abendlandes prognostiziert hat und die Negierung der Versammlungsfreiheit – was ich alles hören musste –, ein völlig übertriebener Blödsinn.
Der einzige Unterschied ist – das hat Herr Zimmermann bereits erwähnt –, dass früher keine solche Regelung getroffen worden ist.
Das greife ich gar nicht an. Es war früher gar nicht als Eingriff in das Grundrecht anerkannt. Das hat erst die Rechtsprechung festgestellt. Aus diesem Grund gibt es jetzt eine Rechtsgrundlage, die wir vorlegen wollen.
Dazu hat es eine Anhörung gegeben. Diese Anhörung ist auf Druck der Opposition zustande gekommen. Mir bricht auch kein Zacken aus der Krone, das zuzugeben. Es war auch hilfreich, weil es verschiedene Dinge hat klarer werden lassen und wir die Vorlage daraufhin auch verändert haben, wobei ich auch im Ausschuss deutlich gemacht habe, dass auch die erste Vorlage praktikabel und rechtssicher gewesen wäre. Es gibt aber nichts, was man nicht noch besser machen könnte. Insofern haben wir verschiedene Punkte verändert. Beispielsweise haben wir die Überschrift verändert, die nun klarer ist und deutlicher zum Ausdruck bringt, was dort geregelt wird.
Wir haben statt eines Verweises auf § 12a Bundesversammlungsgesetz jetzt tatsächlich den Text übernommen. Wir haben klargestellt, obwohl das schon in dem Terminus „Übersichtsaufnahme“ enthalten ist, dass eine Identifizierung nicht möglich ist. Wir haben auch noch einmal deutlich gemacht, dass auch der Veranstalter vorher unverzüglich informiert werden muss, wenn solche Aufnahmen durchgeführt werden müssen. Ich glaube, dass dies wichtige Beiträge auch zur Normenklarheit und Fairness sind. Auch der Gutachter Herr Knape hat in dieser Anhörung deutlich gemacht, dass die Sinnhaftigkeit der Übersichtsaufnahmen für ihn nicht infrage steht. Es gibt auch keine Zweifel an der Verfassungsgemäßheit von Übersichtsaufnahmen. Dies wurde auch gern immer ein wenig hier vermischt.
Es gab damals die Frage, ob man das Bundesrecht so einfach durch Landesrecht ersetzen kann. Dazu gibt es ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes, das auf Hinweise der Grünen entstanden ist und bestätigt hat, dass man das kann. Deshalb glaube ich, dass es neben der Kommentierung aus dem Bundesverfassungsgericht ziemlich eindeutig ist.
Was ist also dort geregelt? – Die Absätze 1 und 2 sind mehr oder weniger wörtliche Übernahmen aus § 12a des Bundesversammlungsgesetzes, das ganz offensichtlich nicht verfassungswidrig ist, zumindest in jedem Fall noch nicht einmal diskutiert wurde, wenn es um die Frage einer Versammlung unter freiem Himmel geht. Wir haben in Absatz 3 weitgehende Übernahmen aus dem Musterentwurf zu einem Versammlungsgesetz und von an
deren Ländern durchaus praktizierte Regelungen. Das sind mit Sicherheit Dinge, die alle auch rechtssicher sind. Die dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe sind im Übrigen auch Gegenstand der Überprüfung von Gerichten, wenn es dann notwendig sein sollte. Dort gilt natürlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deshalb glaube ich, dass wir auf der sicheren Seite sind.
Wir sind auch nicht so weit wie der Musterentwurf gegangen, der von liberalen Rechtsprofessoren vorgelegt wurde. Wir sind dem nicht vollständig gefolgt, sondern haben verschiedene Dinge weggelassen, beispielsweise die Aufzeichnungsmöglichkeit und spätere Verwendung für Trainings- oder Aus- und Fortbildungszwecke oder anderes. Das ist dort beispielsweise nicht enthalten. Das verschweigt aber die Opposition, dass wir durchaus liberaler herangehen, als es selbst der Musterentwurf vorsieht.
Wir haben ein gutes Gesetz. Meine Zeit läuft mir davon. Deswegen komme ich zum Schluss. Wir haben ein gutes Gesetz im Interesse der Bevölkerung und auch im Interesse der Teilnehmer sowie der Polizei. Dieses wird ohnehin nur bei einem Bruchteil der Demonstrationen in der Stadt zum Tragen kommen. Das muss auch gesagt werden, weil immer so getan wird, als würde es bei jeder Demonstration und bei jedem Aufzug eine Rolle spielen. Das dürfte nur bei einigen wenigen der Fall sein. Ich wünschte, dass es bei immer weniger Demonstrationen und Aufzügen eingesetzt wird, und ich wünsche mir einen 1. Mai, der mit viel weniger Polizei auskommt. Wir fürchten aber, dass es ein frommer Wunsch sein wird, solange man auch immer wieder dem Treiben vieler Leute auch durch verbale Radikalisierungen durchaus noch Antrieb gibt. In diesem Sinne glaube ich, dass wir heute ein gutes Gesetz verabschieden. Ich lade alle ein, diesem zuzustimmen. – Vielen Dank!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir reden hier über diese Übersichtsaufnahmen. Es ist schon viel dazu gesagt worden. Um die Argumentation der Koalition aufzugreifen, sage ich: Ja, Berlin kann stolz sein.
Es ist schon großartig: Wenn wir das mit dem diktatorischen Ausland vergleichen, stehen wir im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht da.
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eben genauso aus, dass er der Polizei für den 1. Mai eine Möglichkeit geben soll, diese Übersichtsaufnahmen durchzuführen. Was dort jetzt stattfinden soll, weiß ich nicht. Ob jemand die Bilder vom Helikopter liefert und auch noch über Funk mit Klaus Kandt Rücksprache hält und sagt: Du, ich glaube, da kommen irgendwie gerade gewaltbereite Südosteuropäer um die Ecke. Was sollen wir machen? Nein, es sind doch Asiaten. Die sind statistisch gesehen gar nicht so gewaltbereit. – Ich weiß es nicht.
Dieses Gesetz ist komplett unnötig. Auch wenn Sie sich mit Berlinerinnen und Berlinern, die bei der Polizei bei Hundertschaften arbeiten, unterhalten, werden Sie hören, dass sie sagen, dass sie es auch nicht brauchen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum man Menschen bei Demonstrationen filmen und Übersichtsaufnahmen oder Ähnliches herstellen muss. Das Ideal muss doch sein, dass wir sagen: Demonstrationen finden hier so friedlich statt, dass überhaupt keine Polizei anwesend sein muss, höchstens mal ein Beamter, der den Verkehr regelt, wenn die Teilnehmer über eine Straße wollen. Hier legt die Koalition aber auch nichts vor. Ich fand das, was Herr Zimmermann gesagt hat, ganz interessant. Es hörte sich so an, als wollte die SPD Wert darauf legen wollen, dass bei der Polizei in Berlin die technischen und organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, dass für die Demonstrantinnen und Demonstranten klar wird, auf welcher Rechtsgrundlage gefilmt wird. Wir werden gespannt sein und das mit Freude beobachten.
Ich muss Sie, Herr Zimmermann, an einer Stelle leider korrigieren. Es ist technisch nicht möglich, ein Signal zu übertragen, ohne dass es an irgendeiner Stelle zwischengespeichert wird. Dann sagen Sie natürlich, es werde wieder gelöscht und die Daten seien flüchtig. Dann gibt es wieder Leute, die sagen, sie hätten gelernt, wie man Datenforensik macht, und wüssten, wie man solche Daten wieder herstellt.
Ein ganz großes Problem ist, dass die Daten unverschlüsselt übertragen werden. Das haben wir in den Ausschussberatungen mehrfach angesprochen. Das bedeutet, dass die Daten für jemanden, der technisch versiert ist und sich das Equipment für wenig Geld kauft, abfangbar sind. Die Polizei zeichnet also nicht auf, stellt aber ein Signal zur Verfügung, das unverschlüsselt ist und von Dritten aufgezeichnet werden kann und dann möglicherweise auftaucht, was dann möglicherweise auch wieder für die
Alles in allem geht es hier um die Bequemlichkeit. Das hat Herr Kandt mehr oder weniger so am 11. März bei einer Podiumsdiskussion gesagt. Es geht der Polizeiführung um Bequemlichkeit, nicht mehr vor Ort sein zu müssen. Was passiert aber, wenn bei einer solchen Demo der Strom ausfällt? Was passiert, wenn das tolle Blinken nicht mehr da ist und die Beamtinnen und Beamten vor Ort entscheiden müssen, wie sie mit einer Demonstration umgehen? Mir ist eine gut ausgebildete Berliner Polizei, die auf technischen Schnickschnack verzichtet und eine Demonstration vor Ort ordentlich bewerten kann, lieber als eine, die sich auf technischen Firlefanz verlässt, der dann im Ernstfall ausfällt. Dann stünden nämlich alle angeschmiert da. Es gäbe weder ein Signal noch Funk oder irgendetwas anderes.
Es sind so viele Sachen enthalten, die keinen Sinn ergeben. Es werden alle Versammlungen ohne Versammlungsleitungen ausgeschlossen. Das soll es aber auch geben. Die Versammlungsleitung soll der verlängerte Arm der Polizei werden. Die Polizei sagt also der Versammlungsleitung: Wir führen jetzt die Übersichtsaufnahmen durch, und dann soll der Versammlungsleiter – der nicht weisungsgebunden ist – das der gesamten Demonstration mitteilen. – Das ist bei einer Demonstration, die Sie sich groß und unübersichtlich vorstellen, total interessant, aber vielleicht stellt der Innensenat – die Berliner Polizei mit Sicherheit nicht – sich das so vor, dass der Versammlungsleiter auf der 18-Uhr-Demo am 1. Mai sagt: Stoppt mal kurz, ich gehe mal eben herum und sage allen Bescheid, dass die Polizei gerade Übersichtsaufnahmen durchführt. – Ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen. Was schon vom Kollegen Lux und vom Kollegen Taş erwähnt worden ist, ist vollkommen richtig, es schreckt Leute ab. Was ist das für ein Bild in dieser Stadt, wenn die Polizei bei friedlichen Demonstrationen friedlichen Demonstranten sagt: Wir machen hier mal Übersichtsaufnahmen, weil es gerade ein bisschen unübersichtlich ist? – Niemand braucht dieses Gesetz. Sie werden es beschließen – wir werden dagegen klagen. – Vielen lieben Dank!