Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

[Dr. Manuel Heide (CDU): Warum?]

Trotz dieser Bemühungen seitens des Senats ist es tatsächlich so, dass das Landesamt mittlerweile keine Plätze mehr in Unterkünften zur Verfügung hatte und Flüchtlin

ge sogar direkt gefragt hat, ob sie nicht bei Verwandten in Berlin unterkommen können. So weit ist es mittlerweile also schon gekommen.

Trotz dieser Versuche des Senats, weitere Gebäude zu akquirieren und zu Unterkünften zu kommen, bleibt eine Sache weiterhin völlig unbeantwortet, und zwar die Frage: Wie kommen wir zu mehr Wohnungen für Flüchtlinge in Berlin? – Sammelunterkünfte, das ist klar in den Regularien vorgesehen, sollen eine Übergangslösung von drei Monaten darstellen. Flüchtlinge wollen nicht über Monate oder Jahre in diesen riesigen, menschenunwürdigen Sammelunterkünften wohnen. Sie wollen in ganz normalen Wohnungen leben, so wie wahrscheinlich jeder von uns hier auch, mit normaler Privatsphäre, einem normalen sozialen Umfeld, ohne Isolierung. Privatwohnungen sind für die Stadt, das haben wir neulich mit einer Kleinen Anfrage klargestellt, noch nicht einmal ein finanzieller Nachteil, sie sind sogar günstiger. Dennoch: In den letzten drei Jahren sind die Zahlen der Flüchtlinge, die in Sammelunterkünften wohnen, von 15 Prozent auf 50 Prozent angewachsen. Das gilt es jetzt zurückzudrehen, und darum drehen sich auch unsere Anträge.

Mit diesen beiden Anträgen haben wir zwei konstruktive Vorschläge gemacht. Wichtig ist uns jedoch, dass der Wille da ist. Unsere Anträge zielen auf eine deutlich stärkere Beteiligung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Dass wir uns alle einig sind, dass die Wohnungsbaugesellschaften sich an dieser Aufgabe beteiligen müssen, sieht man daran, dass es schon einen Kooperationsvertrag gibt, an dem mehrere Wohnungsbaugesellschaften beteiligt sind. Nur muss dieser auch durchgesetzt werden. Von den 275 Wohnungen, die jährlich zugesagt sind, wurden 2011 nur 30 Prozent und 2012 50 Prozent bereitgestellt. Das reicht nicht aus!

Zusätzlich wollen wir weitere Unternehmen in diesen Vertrag einbinden – wie z. B. berlinovo. Berlinovo ist zu 98 Prozent in Landeshand, das sollte für diese Verpflichtung eigentlich ausreichen. Der Leerstand bei Apartments betrug Ende März 2012 noch rund 20 Prozent im Bezirksdurchschnitt. Jetzt tischen Sie uns in den verschiedenen Ausschüssen eine Ausrede nach der anderen auf, warum die Apartments nicht zur Verfügung stünden. Mal seien sie alle vermietet, mal seien sie an Wohnungslose, mal an Studierende oder an Pendler vergeben. Bohrt man allerdings nach, merkt man, dass Sie uns tote oder alte Geschichten auftischen. Es ist unerträglich, dass aufseiten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gemauert wird oder aufseiten des Senats Konzeptlosigkeit und mangelnde Durchsetzungsfähigkeit vorherrschen.

Sie müssten zum Ende kommen, Herr Kollege!

Ich komme zum Ende. – Das Sonderbarste für uns an dieser Situation ist: Sie erkennen die Wohnraumprobleme an, Sie erklären uns, dass unsere Konzepte, unsere Lösungsvorschläge unbrauchbar sind, machen aber, Herr Senator, keine Gegenvorschläge. Das ist so, als würden Sie den Kopf in den Sand stecken. Davon haben die Menschen nichts –

Herr Kollege Reinhardt! Ende heißt Ende.

Ja, sofort! –, die gerade Gewalt und Verfolgung hinter sich haben, die in Deutschland um Aufnahme bitten und nach dem Schlüssel zu uns verteilt werden. Sie brauchen Vorschläge, Konzepte und kein spontanes Hin und Her von beschlagnahmten Gebäuden, sondern langfristige Überlegungen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke auch! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Kollegin Radziwill das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Reinhardt! In Ihrem Antrag Nr. 648 stolpert man leider nicht in erster Hinsicht über Ihre inhaltliche Forderung, sondern schon über die Begrifflichkeit, die Sie gewählt haben – Privatwohnungen statt Lager. Dass Sie den Begriff Lager immer noch verwenden, ist aus unserer Sicht geschmacklos. Erstens ist dieser Begriff im Zusammenhang mit Menschen historisch in Deutschland belastet. Da hätte ich Ihnen mehr Sensibilität im Umgang mit solchen Begriffen zugetraut. Obwohl wir das schon mal im Ausschuss besprochen hatten, haben Sie das immer noch nicht korrigiert und geändert.

Zweitens vermittelt dieser Begriff aus unserer Sicht für die Notunterkünfte kein realistisches Bild. Es gehört auch zur Wahrheit, dass eine vorübergehende Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder Erstunterkünften gesetzlich vorgegeben ist. Sie sollte – da bin ich bei Ihnen – nur vorübergehend sein. Unser Ziel ist es in der Tat, dass die Flüchtlinge nach einem kurzen Aufenthalt, besonders Familien mit Kindern und Ehepaare, in Wohnungen unterkommen. Über 50 Prozent sind auch schon in Wohnungen untergebracht. Das wissen Sie. Das haben wir auch im Ausschuss so behandelt. Sie kennen auch die Zahlen von Herrn Ahlert. Wir haben im Koalitionsvertrag auch klar festgeschrieben, dass wir zu dieser Verantwortung stehen, dass dieser Senat auch zu dieser Verantwor

tung steht, und die Zahlen belegen das. Das können Sie nicht so einfach ignorieren.

Es geht Ihnen aus meiner Sicht nicht in erster Linie um die Thematik und eine realistische Problemlösung, sondern Sie pöbeln und wollen sich auf dem Rücken dieser Schwächsten, wahrscheinlich angesichts der schwachen Umfragewerte der Piraten, auch profilieren.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das ist ganz schön erbärmlich, was Sie da machen!]

Wir berücksichtigen sehr wohl, dass die Not- und Gemeinschaftsunterkünfte nur für die erste Zeit sein sollen. Dieser Senat – das kann ich Ihnen gleich anhand von Zahlen belegen – arbeitet sehr emsig daran und auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales arbeitet sehr emsig daran, das zu verbessern.

Aktuell ist es so, dass z. B. in Reinickendorf – da will ich auch Herrn Czaja ausdrücklich loben, wir hatten diese Debatte schon länger, dass die Verteilung nicht in allen Bezirken gleich ist – 450 Plätze ein Okay bekommen haben, das heißt, dort können Menschen untergebracht werden. Das ist gut so. Dann möchte ich anführen, dass z. B. Ende Mai in Charlottenburg-Wilmersdorf eine Veränderung kommen wird, aber eben auch für Ende Oktober noch mal 125 Plätze schon jetzt vorgesehen und vorbereitet worden sind. Das heißt, der Senat handelt aktiv nach vorne blickend. Wir wissen um die steigenden Zahlen und bereiten schon jetzt entsprechende Unterkünfte vor.

Berlin hatte schon Zeiten, in denen es eine wesentlich höhere Anzahl von Flüchtlingen gab. Bis zu 35 000 Menschen haben wir hier untergebracht. Die Zahlen, die wir jetzt haben, sind weit darunter. Nichtsdestotrotz müssen wir natürlich schauen, dass wir uns auf das vorbereiten, was noch kommen kann und wahrscheinlich auch kommen wird an Menschen, die Hilfe und Unterstützung bei uns suchen.

Ich will noch auf Ihren Antrag berlinovo eingehen. Sie sind uns auch im Ausschuss leider den Beweis schuldig geblieben, woher Sie konkret Ihre Behauptung haben, dass dort Plätze, Wohnungen, Apartments frei seien. Sie haben Zahlen von Ende März 2012 vorgetragen. Auch heute in dieser Beratung geben Sie keine weiteren Zahlen an. Wenn Sie sagen, bei berlinovo sind noch so viele Plätze frei, vielleicht ist es so, dann werden wir noch mal nachhaken. Wir haben aber aktuell nachgefragt, auch im Ausschuss, das gemeinsam behandelt, und Herr Ahlert hat auch bestätigt, dass dort der Leerstand sehr gering sei. Wenn Sie aktuelle Zahlen haben, dann legen Sie uns das vor!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Breitenbach?

Bitte!

Frau Kollegin! Würden Sie mir zustimmen, dass Abgeordnete nicht viel mehr machen können, als Kleine Anfragen zu stellen, aber dass eigentlich der Senat die Aufgabe hat, Zahlen vorzulegen und diese auch zu belegen?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das haben wir ja auch nachgefragt, und der Senat hat uns gegenüber erklärt, dass diese Zahlen, die behauptet werden, nicht vorliegen. Was aber jeder Abgeordnete, jede Abgeordnete auch machen kann, ist, hingehen zu berlinovo und nachfragen: Stimmen die Zahlen? – Könnte man ja auch machen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wessen Aufgabe ist denn das?]

Der Senat legt uns diese Zahlen vor, die nachweislich da sind, dass diese Plätze nicht vorhanden sind, von denen Sie berichten. Deswegen glauben wir an der Stelle dem Senat.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Sie glauben dem Senat an jeder Stelle, nicht nur dieser!]

Wenn es sich anders entwickelt, dann werden wir selbstverständlich noch mal nachhaken.

Jetzt will ich noch zwei Punkte erwähnen, die mir auch wichtig sind. Ich denke, in dem Kontext „Unterbringung von Flüchtlingen“ müssen wir auch zusehen, dass wir Verbesserungen im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes erwirken. Das ist eine Aufgabe, die auf Bundesebene zu regeln ist, aber auch, dass wir eine bessere europäische Flüchtlingspolitik brauchen.

Sie müssten zum Ende kommen, Frau Kollegin, bitte!

Mache ich gerne, Herr Präsident! – Es ist wichtig, dass sich Deutschland der Verantwortung nicht entzieht. Ein Land mit einem so guten Wohlstand muss ja auch seiner Verantwortung gerecht werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Ich danke auch und erteile dem Kollegen Höfinghoff das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Kollegin Radziwill! Das war mal wieder ziemlich entlarvend. Wessen Aufgabe ist es denn bitte schön, die Realzahlen von der berlinovo einzuholen? Wenn wir hier Kleine Anfragen machen, was übrigens passiert ist, dann fragen wir den Senat. Und der Senat ist dann in der Verantwortung, sich bitte schön die richtigen Zahlen bei der Berlinovo abzuholen. So weit erst mal dazu!

Die tatsächlich ziemlich – wie drücke ich das jetzt vorsichtig aus? – impertinente Unterstellung, meine Fraktion würde mit solchen Anträgen auf Wahlkampftour gehen und irgendwie versuchen, sich aus dem Umfragetief herauszuholen – ich sage Ihnen mal eines, und da bin ich mir mit dem Kollegen Reinhardt und meiner restlichen Fraktion ziemlich einig: Eher gewinne ich mit dieser Piratenpartei keine einzige Wahl mehr bzw. ziehe in kein einziges Parlament mehr ein, als dass ich mir verbieten lasse, eine Lagerunterbringung als Lagerunterbringung zu bezeichnen, wenn sie eine ist.

[Beifall bei den PIRATEN – Zuruf: Das ist kein Lager!]

Danke schön! – Wollen Sie erwidern, Frau Kollegin Radziwill? – Dann erteile ich jetzt der Kollegin Bayram für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte sehr!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Menschen haben ein Recht zu wohnen, aber es gibt immer wieder die Schwierigkeit, dass insbesondere die Unterbringung in den Lagern,

[Beifall bei den PIRATEN]

die in Berlin halt als Notunterkünfte, Erstaufnahmeeinrichtungen, Sammelunterkünfte u. Ä. bezeichnet werden – – Ich weiß, dass gerade von den Kollegen, die vor mir gesprochen haben, alle schon in solchen Einrichtungen waren, sodass sie selbst wissen, dass man das, was dort stattfindet, wirklich nicht als Wohnen bezeichnen kann. Daher ist es eben auch oft so, dass die Gerichte das nicht als Wohnen bezeichnen. Das hat dann oft zur Folge, dass diese Einrichtungen in Wohngebieten nicht zugelassen werden. Genau so einen Konflikt hat es dann in den ganzen letzten Jahren, in denen wir dieses Thema schon auf der Tagesordnung haben, auch mit einigen Bezirken gegeben.

Wir Grünen sind für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen. Wir haben dazu auch einen Antrag eingebracht, ein gesamtstädtisches Konzept für die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen einzuführen. Jetzt ist es so, dass ein Bestandteil dessen tatsächlich in der Zeit, als Die Linke noch an der Regierung war – insbesondere Frau Bluhm hat sich da starkgemacht –, über die Vereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen wurde. Es ist auch richtig, dass es teilweise gelingt, dort Menschen unterzubringen. Ich will hier auch noch mal ausdrücklich erwähnen, dass sich das Landesamt für Gesundheit und Soziales dort einsetzt und auch direkt mit den Leuten die Unterstützung gibt, damit mehr Menschen in Wohnungen kommen.

Andererseits muss man sagen, wenn man in der Statistik sieht, wie viele Wohnungen dort angeboten werden, die gar nicht zum Wohnen geeignet sind, oder wie viele Wohnungen auf einmal dann nicht da sind, obwohl sie angeboten wurden, scheint das Ganze einige Schwierigkeiten zu haben, und wir sollten uns, glaube ich, ganz in Ruhe darüber unterhalten. Und wenn das stimmt, was im Ausschuss besprochen wurde, dass sowohl der Sozialsenator Czaja als auch der Stadtentwicklungssenator Müller sich in dem Bereich einsetzen und versuchen, mehr landeseigene Wohnungsbaugesellschaften in diese Vereinbarungen zu bekommen oder die Umsetzung der Vereinbarungen durchzusetzen, dann kann man wirklich nicht anders, Frau Radziwill, als diese Akteure auch dafür zu loben.

Ich kann aber in dem Zusammenhang nicht umhin, auch das anzusprechen, was die Kollegin Breitenbach in ihrer Anfrage dargestellt hat, dass insbesondere CDU-Stadträte in Reinickendorf und Mitte nicht nur durch Baurecht und andere listige Tricks verhindern, dass dort Unterkünfte für Flüchtlinge eingerichtet werden, sondern in einer respektlosen und einer Verwaltungsleitung unwürdigen Art und Weise Hetze gegen Flüchtlinge betreiben. Das muss aufhören, meine Damen und Herren von der CDU! Machen Sie doch Ihrem eigenen Senator das Leben nicht unnötig schwer!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und nach dem Interview, das der wohl NochStaatsekretär im Bereich der Sozialverwaltung, der für das Thema Flüchtlingsunterkünfte zuständig ist, heute in der „Jungen Freiheit“ gegeben hat, kann man wirklich nur sagen: Es ist unglaublich, dass so ein Mann so lange für dieses Thema zuständig war. Auch da kann man wirklich nur den Sozialsenator Czaja loben, dass er diesen Büge endlich auf den Weg dahin gebracht hat, wo er hingehört: außerhalb dieses Senats.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Zum Schluss will ich noch mal ganz kurz darauf eingehen, dass es wirklich wichtig ist, die gesamtstädtische Bedeutung bei dem Thema nicht nur anzusprechen, sondern auch wahrzunehmen. Mein Eindruck ist, dass die bisherigen Vereinbarungen im Rat der Bürgermeister, die Verantwortung für das Thema mehr zu verteilen, teilweise ganz gut gelungen sind, aber teilweise einfach noch stärker scheitern. Da war und ist es ein richtiger Ansatz, dass auch der Bausenator damit droht, die gesamtstädtische Konzeption baurechtlich geltend zu machen, um notfalls durch den Senat die Baugenehmigung für Flüchtlingsunterbringungen zu erteilen, zu denen manche CDUStadträte nicht in der Lage sind.