Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Daher gehört die künftige Luftverkehrsstrategie der Berliner Landespolitik hier in die Aktuelle Stunde, denn wir erwarten einen belastbaren BER-Eröffnungstermin von der Flughafengesellschaft,

[Martina Michels (LINKE): Wann denn?]

damit wir nicht nur den Fluggesellschaften sagen können, wie es weitergeht. Wir benötigen klare, belastbare Umzugsdaten, weil wir uns auch um die Weiternutzung des Flughafens Tegel intensiv kümmern. Der von uns angestoßene Technologie- und Innovationspark Tegel, bei dem wir Arbeitsplätze schaffen und Innovationsfähigkeit beweisen wollen, braucht einen klaren Zeitplan. Und wir brauchen Verlässlichkeit und das klare Bekenntnis der

Flughafengesellschaft für den versprochenen Schallschutz gerade auch rund um den neuen Standort BER. Darüber sollten wir heute in der Aktuellen Stunde reden.

[Uwe Doering (LINKE): Machen wir doch! Stimmen Sie zu!]

Für die Berliner CDU-Fraktion heißt das auch: Wir wissen, dass es in der heutigen Zeit nicht auf einmal geht, Berlin-Tegel innerhalb eines Abends zu schließen und fünf Stunden später dann an einem neuen Standort zu öffnen. So etwas geht international heute nicht mehr, wie das einmal in München passiert ist.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Wir wissen auch: Einen dauerhaften, beispielsweise einjährigen oder deutlich mehrmonatigen parallelen Flugbetrieb in Tegel bei gleichzeitiger, bereits einjähriger oder längerer Öffnung von BER wird es nicht geben können.

[Zuruf von Thomas Birk (GRÜNE)]

Zum Stichwort Startbahn ist auf Frankfurt am Main verwiesen worden. Hier ist es möglich, im laufenden Betrieb diese zu sanieren. Das sollte nicht als Argument dafür herhalten, nun festzuschreiben, den Flughafen Tegel auf drei Jahre offen zu lassen. Allenfalls einige Tage oder wenige Wochen – ich betone für die CDU ausdrücklich: wenige Wochen – wird ein paralleler Betrieb von Tegel und BER notwendig sein. Aber das werden wir sehen. Das wird die Zeit bringen, und wir werden von vielen Faktoren abhängig machen müssen, wie lang dieser kurze Zeitraum sein wird.

Gleichfalls freuen wir uns, dass die Flughafengesellschaft und vor allem die Aufsichtsräte aus Berlin sich dafür einsetzen, Schadensersatzansprüche gegen ehemalige Verantwortliche der Flughafengesellschaft zu prüfen, und wir werden abwarten, dies genau begleiten und sehen, was passiert.

Wir wollen heute in der Aktuellen Stunde nun endlich auch mal fundierte Ideen der Opposition hören – und Ihnen eine Plattform geben –, wie man sich dort die Zukunft und das Wachstum von Arbeitsplätzen und effizientem Flugbetrieb vorstellt. Opposition heißt nämlich Verantwortung, auch wenn das seit eineinhalb Jahren diese Opposition hier im Hause ganz anders sieht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Alexander Morlang (PIRATEN)]

SPD und CDU wollen heute hören, ob es die Opposition ernst meint im Interesse der Menschen oder ob das nicht wieder eine der üblichen Wahlkampfshows im Lichte des Bundestagswahltermins sein soll. Deswegen wollen wir heute in der Aktuellen Stunde über die Perspektiven und die Möglichkeiten des Luftverkehrsstandortes für Berlin und Brandenburg reden.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Uwe Doering (LINKE): Machen wir doch! Stimmen Sie zu, Sie haben die Mehrheit!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt Herr Kollege Lux – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns gemeinsam als Abgeordnetenhaus von Berlin über die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds und die damit verbundene schlimmste rechtsextreme Terrorserie unserer Zeit zutiefst bestürzt gezeigt. Der Prozess in München gegen fünf mutmaßliche NSU-Terroristen hat gerade begonnen. Das Gericht, die Prozessbeteiligten und vor allem die Öffentlichkeit stehen vor enormen Herausforderungen im Umgang mit diesem Prozess, und wir wünschen von hier aus viel Erfolg für einen fairen und rechtsstaatlichen Prozess und viel Erfolg bei der Sachverhaltsaufklärung und der Suche nach der Schuld der Angeklagten.

Wir – die Politik, Regierung und Parlamente – haben aber auch einen Verfassungsauftrag. Wir müssen erforschen, wieso unsere Sicherheitsbehörden jahrzehntelang von dem Treiben der Nazi-Zelle nichts mitbekommen haben. Hätten Morde und Anschläge verhindert werden können, wenn man die richtigen Schlüsse gezogen hätte? Warum wurde zu Unrecht das Umfeld der Opfer verdächtigt? Waren die Behörden getrieben von Vorurteilen und Betriebsblindheit? Wurden sie von zahlreichen V-Leuten hinter das Licht geführt, die ganz nah dran waren an der Terrorzelle?

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages hat heute – gerade jetzt – seine letzte öffentliche Sitzung. Er hat herausragende Arbeit geleistet und Missstände aufgeklärt – das übrigens auch mit einer vorbildlichen, überparteilichen Zusammenarbeit. Mein Dank gilt hier stellvertretend dem Vorsitzenden, Herrn Edathy.

[Allgemeiner Beifall]

Es ist dem Bundestag zu verdanken, dass auch die Beteiligungen Berlins ans Licht kamen. Zwar wusste der Innensenator bereits im März letzten Jahres von einem VMann des Berliner Landeskriminalamts, der 2002 Hinweise auf das untergetauchte Terrortrio lieferte, und er war verpflichtet, die Parlamente zu unterrichten. Er hat es nicht getan. Er hat entschieden: Ja, ja, das soll der Generalbundesanwalt mal regeln. – Und auch beim Berliner Verfassungsschutz hat er gesagt: Ja, ja, die werden das schon allein regeln. Sie sollen arbeiten. – Das Ergebnis ist bekannt. Die Akten wurden geschreddert, und zwar Akten über das Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“, das

der Humus für die braune Terrorzelle war, wie wir heute erfahren.

Und was machen Sie danach? – Sie setzen einen Sonderermittler ein. Wieder jemand anderes, der arbeiten muss! Ja, ja, soll der Ermittler, sollen andere das mal regeln. Bis heute sind Sie massiven Widersprüchen und Unwahrheiten aus seinem Bericht nicht nachgegangen. Sie dachten, die Sache sei überstanden, die NSU-Aufarbeitung sei abgeschlossen. Und wieder kam der Sound von Innensenator Henkel: Ja, ja, sollen die anderen, die Polizei, das Landeskriminalamt, die Opposition mal weiter aufklären.

[Zuruf von der CDU: Blödsinn!]

Jeden Tag kommt die Wahrheit scheibchenweise ans Licht, Stück für Stück, und das bei dieser Terrorserie. Das ist unanständig, und es ist sehr unanständig, dass es Sie nicht zu interessieren scheint, dass Berlin noch einen zweiten V-Mann, einen zweiten Neonazi-Spitzel, hatte, der dem mutmaßlichen Terrorhelfer Jan W. – der Mann ist in München angeklagt – quasi auf dem Schoß saß. Warum hat es Sie nicht interessiert, was z. B. mit dem Jahrhundertgeständnis von Jan W. im August 2002 gemeint ist? Wie nah dran war Berlin, Ihre Behörde, wirklich?

Letzte Woche rächte sich Ihr Desinteresse erneut. Wieder gab es Hinweise, die der Staatsschutz über ein halbes Jahr liegen ließ, in Akten, die wir als Parlamentarier nicht sehen durften. Wie kommt es eigentlich, dass erst die Opposition nach den Akten fragen muss – und ich sage Ihnen, das ist anstrengend –, damit so etwas an das Tageslicht kommt? Was ist aus Ihrem Versprechen der maximalen Transparenz geworden? Wieder nur ein Spruch?

Ihre Lippenbekenntnisse, die auf Ihrem Sprechzettel stehen, sind entlarvend, Herr Innensenator. Sie haben letzte Woche gesagt: „Ich kann mich nicht mehr schützend vor meine Polizei stellen.“ – Ein offener Konflikt zwischen Polizei und Ihnen als CDU-Innensenator! Wer hätte das je gedacht? Es sind immer die anderen, die schlecht arbeiten, die die Schuld abtragen müssen, die Sie verschieben. Nur Sie und Ihr Staatssekretär, Sie packen es nicht an. Während Sie versuchen, dem Regierenden Bürgermeister das Wasser zu reichen, merken Sie nicht, dass Ihnen das Wasser schon bis zum Hals steht. Und Ihr Staatssekretär ist schon längst abgesoffen, weil er damals beim Seepferdchen auch schon die Leistung verweigert hat.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Es ist eine Amtsführung zu Tage getreten, die weit über den NSU hinausgeht, denn auch bei wichtigen Personalfragen oder bei der Kriminalitätsbekämpfung haben Sie die Behörde nicht im Griff, und Sie leisten nichts. Hehre Worte, nichts dahinter! Berlin braucht einen Neuanfang in der Innenpolitik, um Glaubwürdigkeit, Vertrauen und

auch Handlungsfähigkeit wieder zurückzugewinnen. Darüber sollten wir heute reden. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke Herr Kollege Harald Wolf – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Friederici hat den bemerkenswerten Satz gesagt: Opposition heißt Verantwortung. – Das teile ich, und ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass es in den letzten beiden Legislaturperioden die CDU-Opposition war, die fahrlässig ein Volksbegehren zur Offenhaltung von Tempelhof initiiert hat

[Beifall bei der LINKEN]

und immer wieder eine Diskussion über die Offenhaltung von Tegel vom Zaun gebrochen hat und damit den Planfeststellungsbeschluss für den BER infrage gestellt hat. Wer Linie gehalten hat, wer Kurs gehalten hat, das waren Sozialdemokraten, Linke und Grüne. Verantwortungslos war die CDU in dieser Frage. Und ich sage: Wir halten weiter Linie.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Wolfram Prieß (PIRATEN)]

Deshalb war der Vorschlag der Koalition ja durchaus interessant, über den Flughafenstandort zu diskutieren. Wir halten es auch für nötig, dass das Parlament auch mal deutlich Position bezieht zu dem Agieren des gegenwärtigen Vorstandsvorsitzenden des Flughafens.

[Heiko Melzer (CDU): Wozu reden Sie denn?]

Denn ich finde, es ist nicht akzeptabel, dass jemand, der dafür eingesetzt worden ist, um die Probleme am BER zu beheben, mittlerweile nicht nur wöchentlich, sondern nahezu täglich eine neue Sau durch das Dorf treibt, ohne irgendein Konzept vorzulegen.

[Beifall bei der LINKEN – Andreas Gram (CDU): Worüber reden Sie jetzt?]

Es ist unverantwortlich. immer wieder neue Diskussionen über die Offenhaltung von Tegel anzuzetteln. Ich rede jetzt nicht über die Frage, ob man den Umzug innerhalb von 24 Stunden macht oder über mehrere Wochen und Monate verteilt. Hier wird aber über eine längere Offenhaltung von Tegel diskutiert. Auch wird über die Lärmschutzthematik debattiert, die wir hier auch schon ausführlich behandelt haben und zu der es Entscheidungen der Gesellschafter gab, keinen Planfeststellungsänderungsbeschluss einzuleiten. Das wird wieder öffentlich diskutiert.

Ich verlange von einer Geschäftsführung und von einem Vorstand, dass sie sich mit den Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat abstimmen, bevor sie unausgegorene Vorschläge in die Welt blasen. Deshalb sollten wir im Ausschuss demnächst mit Herrn Mehdorn ausdrücklich darüber reden. Der Regierende Bürgermeister hat schon klare Worte gesagt – wenn ich das von der letzten Aufsichtsratssitzung richtig verstanden habe. Er sollte vom Parlament auch noch einmal unterstützt werden. Ich verlange auch, dass die CDU jetzt in Regierungsposition Verantwortung übernimmt und nicht nur sagt, wie toll sie das findet, dass Herr Mehdorn so erfrischend ist. Mag ja sein, dass sie es erfrischend findet, jeden Tag in der Presse eine neue Schlagzeile zu lesen, ich finde, dass damit die Aufgabe verfehlt ist.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Jetzt komme ich aber zu unserem Thema. Wir möchten heute über die Frage diskutieren, wie Öffentlichkeit, Transparenz und eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der Stromnetze und die Konzessionsvergabe organisiert werden kann. Wir sind uns – vielleicht nicht alle, aber zumindest doch der überwiegende Teil dieses Hauses – inzwischen einig darüber, dass die Frage der Stromnetze ein wesentliches Thema der öffentlichen Infrastruktur ist. Wir wollen öffentliche Kontrollen über diese Infrastruktur. Das wird inzwischen auch von allen Fraktionen hier im Haus so formuliert. Deshalb muss es auch im Vorfeld eine öffentliche Diskussion über die Fragestellung geben, welche Anforderungen wir an einen künftigen Netzbetreiber stellen. Was sind die Ausschreibungskriterien, die ganz entscheidend für die Netzvergabe in diesem rechtsförmigen Verfahren sind? Welche Möglichkeiten gibt es hier, über die Ausschreibung klare Vorgaben zu formulieren?

Es ist rechtlich möglich, dieses im Vorfeld zu diskutieren. Andere Städte haben uns das vorgemacht. In Berlin ist das gegenwärtig anders. Es wird als rein exekutive Angelegenheit hinter verschlossenen Türen verhandelt; die Unterlagen kommen in Geheimschutzräume. Das ist nicht notwendig. Darüber wollen wir diskutieren. Wir wollen, dass sich alle in der Gesellschaft, die sich mit diesem Thema befassen – Umweltorganisationen, Gewerkschaften, bei denen es auch um die Frage der Interessen der Beschäftigten geht und wie diese in diesem Konzessionsvergabeverfahren berücksichtigt werden – die Möglichkeit haben, ihre Vorschläge einzubringen und das zu diskutieren. Deshalb sind wir der Meinung, dass das jetzt diskutiert werden muss, weil der Senat im September über die Ausschreibungskriterien für die Stromnetzkonzession beschließen will. Deshalb wollen wir, dass die Möglichkeit geschaffen wird, im Vorfeld eine öffentliche Diskussion mit allen an diesem Thema Interessierten zu führen. Deshalb bitten wir darum, dass heute diese Aktuelle Stunde beschlossen und auch über unseren Antrag zu diesem Thema diskutiert wird.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Lauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Piratenfraktion würde heute gern über die Staatsoper diskutieren. Ich habe nicht so ganz verstanden, was mit Herrn Mehdorn passieren soll. Es böte sich aber auch an.

Die Staatsoper sollte ursprünglich einmal 242 Millionen Euro kosten. Das tut sie jetzt aber nicht mehr, denn – das haben wir am Wochenende erfahren – die Baukosten steigen auf 296 Millionen Euro. Das sind 54 Millionen Euro mehr als geplant. Das ist eine Steigerung von 22 Prozent. Die Fertigstellung wird voraussichtlich zwei Jahre länger als ursprünglich geplant dauern. Das kommt uns alles sehr bekannt vor. Es ist natürlich auch vor dem Hintergrund interessant, dass es eben in Berlin deutlich mehr Gebäude vom Typ einer Staatsoper gibt, die saniert werden müssen, als einen Flughafen, der ein Langzeitprojekt ist und möglicherweise alle 50 und mehr Jahre neu gebaut und saniert werden muss. Deswegen würde die Piratenfraktion gern heute in der Aktuellen Stunde darüber sprechen, wie es dazu kommen kann, dass ein weiteres Bauprojekt in Berlin wieder so aus dem Ruder läuft, wie es das tut.

Wir haben allein 10 Millionen Euro Mehraufwand bei der Abdichtung des Hauses, beim Untergrund. Das Grundwasser kommt hoch. Wir haben explodierende Baukosten bei den Baunebenkosten und bei der Projektsteuerung. Wir haben bei der Projektsteuerung 7,3 Millionen Euro Mehrleistung. Wir haben 6,5 Millionen Euro Mehrleistung bei den Architekten und Ingenieuren. Das ist dann ein Verhältnis von Planungskostensteigerung zu Baukostensteigerung von 63 Prozent. Das ist für solche Bauprojekte ungewöhnlich.