Protokoll der Sitzung vom 13.06.2013

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion – Herr Mayer!

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Gäste! Es ist mir ein bisschen peinlich, aber ich bin mir an sehr vielen Stellen vor allem mit Herrn Evers einig, was diesen Antrag betrifft.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es ist tatsächlich grundsätzlich eine gute Idee, aber es gibt in der Tat eine ganze Reihe von Problempunkten, und ich glaube auch nicht, dass die Änderungen, die die Grünen gegenüber dem Hamburger, Bremer, SchleswigHolsteiner Gesetz vorgenommen haben, die alle sehr ähnlich sind, wirklich eine substanzielle Verbesserung darstellen. Die Probleme, die angesprochen worden sind, sehe ich auch. Und ohne jetzt als Klugscheißer – Entschuldigung – kommen zu wollen, aber, Frau Ludwig, es kommt nicht aus den USA, sondern in Kanada, in Toronto war das erste Projekt der Art, Bloor West Village – nur am Rande. Und tatsächlich kann man jetzt auf eine ganze Reihe von Erfolgen auch in Deutschland zurückblicken. Ich bin auf 28 Projekte der Art gestoßen, die jetzt in sieben Bundesländern, die ein so ähnliches Gesetz haben, stattfinden, mit Schwerpunkt Hamburg – zehn Projekte, wo Summen von immerhin rund 25 Millionen Euro mobilisiert wurden. Das ist sicherlich nicht schlecht. Die Vorteile wurden ja auch schon geschildert.

Ich würde aber gern noch etwas zu dem Trittbrettfahrerproblem sagen. Bei Kritik wird eben auch immer angemerkt, es gibt halt tatsächlich einen Trittbrettfahrer an der Stelle, nämlich den Staat, der sich dann möglicherweise aus bestimmter Verantwortung zurückzieht. Und man muss auch sehen, auch in die Debatte möchte ich das sogenannte Modell der europäischen Stadt und ihrer Unteilbarkeit werfen, das man auch im Auge behalten sollte. Es ist nicht ganz unkritisch, das Ganze, und speziell in Berlin muss man darauf achten, dass das nicht passiert, dass die Leute dann alleingelassen werden.

(Stefan Evers)

Ich sehe gerade, in den Änderungen mal geschaut, was ist denn jetzt speziell am Entwurf der Grünen, was bei den anderen nicht drin ist. Ein paar Sachen hatten Sie gesagt, Frau Ludwig. Ich habe noch gesehen, das Quorum für die Beauftragung ist verändert, von 15 auf 10 Prozent gesenkt. Da hätte ich es ganz interessant gefunden, was der Grund war; aber im Kern die 20 Prozent der Mittel für umweltpolitische Maßnahmen – das wurde mehrfach schon gesagt – führen eigentlich gegen den Kern dieser Idee, der vorsieht, dass die Leute die Mittel möglichst in Selbstverantwortung, Eigenverantwortung vergeben. Und das geht dann genau in die entgegengesetzte Richtung. Und das mit den Radwegen oder Förderung des Radverkehrs, gut, das kann auch Fahrradabstellplätze beinhalten. Das ist mir an der Stelle auch aufgefallen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Ludwig?

Ja! – Bitte!

Bitte schön, Frau Kollegin!

Ja, Herr Mayer, Sie haben von Ihren Recherchen erzählt. Ich frage Sie mal: Haben Sie da auch gefunden, dass eine Weiterentwicklung vom Business Improvement District ein Climate Improvement District ist? Und wäre das nicht wünschenswert, auch aus der Sicht Ihrer Fraktion, dass man hier schon mal einen ersten Pflock einschlägt?

Es gibt ja in dem Zusammenhang noch eine ganze Reihe anderer Improvement Distrikte, wie Sie gesagt hatten, natürlich auch das Thema Wohnen an der Stelle. Aber ich persönlich halte das einfach für eine Überfrachtung. Ich bin der Meinung, dass man auf andere Weise gezielter Umweltschutzmaßnahmen herstellen kann, als sie in dieses Gesetz hineinzupacken.

Ich komme dann langsam zum Ende. Wie gesagt, ich finde es einen guten Ansatz, auch vielleicht noch mal jetzt an Herrn Jahnke den Piratenappell: Vielleicht ein bisschen mehr Freiheit statt Angst an der Stelle und ein bisschen mehr machen als prüfen, würde ich mir wünschen, denn es gibt genug Erkenntnisse auch aus anderen Städten, auf die man zurückgreifen kann. Ich sehe tatsächlich nicht, warum man da noch in große Prüfungsprozesse eintreten muss, sondern man könnte einfach mal starten und dann aus den Erfahrungen, die man in Berlin sammelt, dann auch noch Dinge ändern. Auf jeden Fall

freue ich mich auf die weitere Debatte in den Ausschüssen und bedanke mich.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Mayer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 9 war die Priorität der Piraten unter der lfd. Nr. 5.3.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 9 A:

Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbot-Gesetz – ZwVbG)

Dringliche Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1057

Erste Lesung

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Schmidberger, Sie haben das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Ich bin jetzt gerade nur so ein bisschen irritiert, weil anscheinend die SPD nichts zu dem Gesetz zu sagen hat. Oder kommen Sie nach mir noch dran?

[Zuruf von der SPD: Ja!]

Okay, alles klar.

Sehr geehrter Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Mieterinnen und Mieter! Wir alle haben schon nicht mehr daran geglaubt. Obwohl es bereits seit Mai 2011 einen eindeutigen Arbeitsauftrag für den Senat gibt, haben SPD und CDU fast zwei Jahre miteinander gestritten. Doch heute gibt es tatsächlich einen Entwurf – na endlich! Was so eine bevorstehende Bundestagswahl alles bewirken kann!

Erst mal vorneweg: Besonders erfreulich ist, dass der Senat aus unserem Gesetzentwurf den Vorschlag aufgenommen hat, auch gegen spekulativen Leerstand und Abriss vorzugehen. Da müssen wir Grünen Ihnen an dieser Stelle mal ein Lob aussprechen.

(Pavel Mayer)

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es wäre also ein Tag zum Feiern für die Mieterinnen und Mieter in Berlin, wenn da nicht noch einige Haken und offene Fragen wären. Zum einen ist durch Ihren Gesetzentwurf nicht klar, ob ganz Berlin oder nur Teilgebiete der Stadt unter die Regelung fallen werden. Das kann man noch gern in einer Verordnung klären. Aber aus unserer Sicht braucht es dringend eine Regelung für ganz Berlin, nicht nur, weil wir insgesamt für Berlin inzwischen eine zu geringe Leerstandsquote haben – das ist ein Zeichen für einen angespannten Wohnungsmarkt –, sondern auch, weil wir bereits seit mindestens fünf Jahren hohe Mietsteigerungen verkraften müssen und teilweise in vielen Gebieten schon lange einen Wohnraummangel feststellen müssen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer Kollegin Herrmann?

Ja, sehr gerne!

Frau Schmidberger! Sind Sie mit mir der Meinung, dass der zuständige Senator anwesend sein sollte, wenn das Parlament das bespricht?

[Zuruf von der SPD: Hallo!]

Wo ist er denn? – Ach, da hinten!

Ich gebe Ihnen auf jeden Fall recht, Kollegin Herrmann. Es ist schon ein bisschen spät, und wir sind alle ein bisschen urlaubsreif. Na ja, Frau Herrmann kann ja nicht sehen, wer alles in den großen Reihen der SPD sitzt. Die Reihen sind so voll, und es sind so viele Kolleginnen und Kollegen anwesend, dass man Sie jetzt glatt übersehen hat, Herr Müller!

[Zuruf von Björn Eggert (SPD)]

Ganz ruhig! Alles wird gut!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kehrt wieder Ruhe ein. Frau Schmidberger hat das Wort. – Bitte schön!

Das ist wahrscheinlich Atomstrom, deswegen hat das nicht so gut geklappt. – Wenn sich SPD und CDU jetzt

nur auf die innerstädtischen Bezirke beschränken, wie es der Senat anscheinend noch will, ich meine, Sie wissen das ja nicht genau, dann setzt man eine Welle der Zweckentfremdung von Wohnraum auch in den angrenzenden Gebieten in Gang, weil das dann umso attraktiver wird. Das kann man zum Beispiel in Hamburg bereits beobachten. Da haben die nämlich genau den gleichen Fehler gemacht. Schauen Sie sich doch mal Lichtenberg und Neukölln an! Dort ist schon sichtbar, dass auch diese Bezirke unter Druck stehen. Und daher braucht es ein konsequentes Eingreifen und keine Flickschusterei.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Und da braucht es eben nicht nur juristischen Sachverstand, sondern da muss man auch mal Mut beweisen, Herr Müller!

Besonders kritisch an dem Entwurf ist aber, dass der Senat eine zweijährige Übergangszeit für Ferienwohnungen will. Das würde bedeuten, dass das Gesetz bzw. das Verbot des Gesetzes faktisch erst ab 2015 kommt. Jetzt werden Sie wieder argumentieren, dass das Gesetz ja rechtssicher sein muss, und daher ist eine Übergangszeit unbedingt notwendig. Das stimmt aber so nicht. Da machen Sie es sich ein bisschen zu einfach. Warum haben Sie denn dann keine Übergangszeit von sechs Monaten eingeführt? Die von Ihnen aus der Luft gegriffenen zwei Jahre sind anscheinend wieder ein fauler Kompromiss mit der CDU. Oder wollen Sie zwei Jahre Übergang gewähren, weil die Betreiber von Ferienwohnungen so laut waren und sich beschwert haben? Das kann es doch nicht sein. Es gibt nun mal kein Recht darauf, eine Wohnung als Ferienwohnung zu vermieten. Das Eigentumsrecht ist ein hohes Gut, aber das schützt nicht vor Verpflichtungen – schon gar nicht, wenn wir hier über Wohnraummangel und Verdrängung klagen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Eine unechte Rückwirkung, wie wir sie in unserem grünen Gesetzentwurf vorschlagen, ist verhältnismäßig. Vor allem aber verpflichtet uns der Artikel 28 Abs. 1 unserer Verfassung dazu, bezahlbaren Wohnraum gerade für Einkommensschwache zu erhalten und zu schaffen. Daher braucht es eine sofortige, rückwirkende Regelung. Das Gesetz kommt nämlich sonst für einige Bezirke zu spät.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Entscheidend für das Gesetz ist aber auch die Tatsache, ob und wie die Bezirke damit arbeiten können. In Zeiten, in denen die Bezirke die öffentliche Daseinsvorsorge kaum garantieren können, ist es schon verdächtig, dass Sie eine sogenannte Genehmigungsfiktion einführen wollen. Das würde nämlich bedeuten, dass ein Antragsteller für eine Ferienwohnung automatisch eine Genehmigung bekommt, wenn das Bezirksamt nicht in

nerhalb von maximal zehn Wochen Einwände vorbringt. Das hat übrigens auch der Rat der Bürgermeister kritisiert. Da frage ich mich, ob der Senat wirklich ein Interesse daran hat, dass das Gesetz auch wirkt. Jetzt, wo der öffentliche Druck so groß war, kommen Sie nicht ganz darum herum. Ist das jetzt ein Trick zur Beruhigung der Mieterinnen und Mieter? Zumindest im ersten halben Jahr wird es eine große Zahl von Anträgen geben. Deswegen ist klar, dass man ausreichend Personal braucht. Nur dann hat das Gesetz auch eine Wirkung.