Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

[Allgemeiner Beifall]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Mündliche Anfragen

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Drucksache 17/MA35

Die erste Mündliche Anfrage stellt Frau Abgeordnete Franziska Becker von der SPD-Fraktion zum Thema

Vielfalt in der Berliner Verwaltung

Bitte schön, Frau Kollegin!

Ich frage den Senat:

1. Wie weit ist die interkulturelle Öffnung in der Berliner Verwaltung bereits fortgeschritten und umgesetzt?

2. Welche Maßnahmen zu ihrer weiteren Stärkung, beispielsweise hinsichtlich der Diversity-Kompetenz, sind geplant?

Vielen Dank! Es antwortet Frau Senatorin Kolat. – Bitte schön!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Becker! Ich beantworte Ihre erste Frage wie folgt: Ich denke, diesem Hohen Haus ist bekannt, dass das Thema interkulturelle Öffnung eine sehr wichtige Querschnittsaufgabe für den Senat ist. Es ist keine Aufgabe, die sich neu stellt, sondern die seit vielen Jahren verfolgt wird. Wir sind das einzige Bundesland, in dem das Thema interkulturelle Öffnung durch § 4 Partizipations- und Integrationsgesetz auf einer gesetzlichen Grundlage steht. Die Fortschritte sind Ihnen bekannt. Es geht jetzt darum, dass wir uns auf ihnen nicht ausruhen, sondern weitermachen. Wir sind noch lange nicht an dem Ziel angekommen, das wir mit unserem Partizipations- und Integrationsgesetz bezwecken.

Was den Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter den Auszubildenden angeht, haben wir auch 2012 einen Fortschritt erzielen können. 19,3 Prozent der Auszubildenden sind nichtdeutscher Herkunft. Das ist in

(Gerwald Claus-Brunner)

der Tat ein Erfolg. Aber Sie wissen auch, dass unser Ziel bei 25 Prozent liegt. Das entspricht dem Anteil der Berliner Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Unsere Kampagne „Berlin braucht dich!“ ist so erfolgreich, dass wir jetzt auch eine Übertragung auf die Metall- und Elektrobranche vollzogen haben. Zurzeit finden Gespräche mit den Landesbetrieben statt. Dort machen wir gute Fortschritte, wenn man sich die Zahlen 2012 anschaut. Insbesondere bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben wir inzwischen sehr gute Quoten. Dennoch sind wir mit dem kommunalen Arbeitgeberverband in Gesprächen, damit noch weitere Landesbetriebe, die sich bisher an der Kampagne „Berlin braucht dich!“ nicht beteiligen, teilnehmen.

Wir wissen, dass interkulturelle Öffnung nicht nur bedeutet, den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwaltung und den Landesbetrieben zu erhöhen, sondern es sich um eine breiter angelegte Strategie handelt. Es ist eigentlich ein Reformprozess in der Verwaltung. Da geht es darum, dass die Heterogenität der Gesellschaft in Berlin – diese Vielfalt nimmt tagtäglich zu – sich in der Verwaltung widerspiegelt, aber vor allem in den Dienstleistungen, die die Verwaltung – hier spielen die Bezirke eine ganz große Rolle – auch abbildet. Unser Handbuch kennen Sie, das heißt, wir haben hier tatsächlich unseren Fokus auf Organisationsentwicklung, Personalentwicklung und Qualitätsentwicklung und Controlling gesetzt.

Ich denke, Ihre Frage zielt auch darauf ab, was Ende August passiert ist. Dort sind wir in der Tat einen Schritt weitergekommen. Wir haben mit drei Bezirken einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, mit den Bezirken Lichtenberg, Pankow und Tempelhof-Schöneberg. Das ist auf jeden Fall ein weiterer Fortschritt. Diese Bezirke haben sich vorgenommen, Diversity-Kompetenz in ihren eigenen Verwaltungen noch weiter voranzubringen und die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im alltäglichen Umgang nicht nur mit dem Thema interkulturelle Kompetenz und Diversity insgesamt voranzubringen. Wir haben das Projekt Vielfalt in der Verwaltung damit auch noch mal ein ganzes Stück vorangebracht.

Seit Mai 2013 bietet mein Haus für Verwaltungen, auch für die Bezirke, erfolgreich Schulungen an, wo sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung als auch zivilgesellschaftliche Organisationen gemeinsam Diversity-Strategien entwickeln. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit dieser neuen Kooperation noch mal einen Schritt weiterkommen, dass die Vielfalt der Gesellschaft auch in der Vielfalt der Dienstleistungen sich abbildet.

Sie merken das an den Ausführungen, da spielen die Bezirke eine ganz große Rolle, dass das, was die Bezirke gerade im Gesundheits-, aber auch im Sozialbereich Bürgerinnen und Bürgern anbieten, nicht an Migrantinnen

und Migranten vorbeigeht, dass die diese Angebote und Dienstleistungen nicht nutzen, sondern da muss man eben gezielt Schulungen machen, Strategien machen, damit gerade vor Ort die bürgernahen Dienstleistungen vielfältiger werden. – Danke schön!

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Hat Frau Abgeordnete Becker eine Nachfrage? – Nicht, dann hat Frau Bayram das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Es ist ja interessant, Frau Senatorin, dass Sie die Frage gemeinsam so vorbereitet haben, dass Sie etwas zu den Bezirken sagen. Können Sie uns denn auch sagen, wie das Integrationsgesetz auf der Senatsebene wirkt, insbesondere mit Blick darauf, dass der Innensenator primär für die Personal- und Verwaltungsaufstellung zuständig ist? Wie schaffen Sie es denn dort, die interkulturelle Öffnung voranzubringen?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Bayram! Es ist eine Daueraufgabe für den Senat, das Thema interkulturelle Öffnung in allen Senatsverwaltungen voranzubringen. Die Erfolge liegen auf der Hand. Und das kommt nicht von alleine, Frau Bayram, das bedarf Bemühungen gerade der Führungspersonen in den Verwaltungen. Diese Fast-Verdoppelung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter den Auszubildenden ist kein Zufall, sondern Ergebnis von ganz klaren Bemühungen. Und da ist die Führungsebene ungemein wichtig. Was hat der Senat gemacht? Gemeinsam mit Herrn Henkel habe ich ein Handbuch veröffentlicht für die Führungskräfte in der Verwaltung, damit nicht nur auf interkulturelle Öffnung, was Auszubildende angeht, geachtet wird, sondern im täglichen Handeln in der Verwaltung, das heißt Personalentwicklung und Organisationsentwicklung, konkret umgesetzt wird. Unser Handbuch ist ein Exportschlager. Aus anderen Bundesländern, anderen Behörden, auch Privatunternehmen wollen Menschen einfach wissen, wie interkulturelle Öffnung geht. Sie greifen auf unser Handbuch zurück. Wir sind da sehr fortschrittlich, und ich bin auch froh, dass wir im nächsten Doppelhaushalt Mittel zur Verfügung haben, diesen Ansatz weiterzuentwickeln. Einen Schwerpunkt möchte ich nennen, das ist das Thema interkulturelle Öffnung der Jobcenter. Mit den Erfahrungen, die wir haben, machen wir weiter. Das ist neben den Bezirken ein Schwerpunkt.

(Senatorin Dilek Kolat)

Vielen Dank! – Für die zweite Nachfrage hat Frau Kollegin Kofbinger das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Ich habe eine Nachfrage zu meinem eigenen Bezirk, der auch bestimmte Hemmnisse in der Verwaltung hat, was Integration angeht. Ich möchte Sie gern fragen: Wir hatten ja vor nicht allzu langer Zeit eine Anhörung zu dem Thema Umsetzung des Integrations- und Partizipationsgesetzes in den Bezirken. Da hatten wir dankenswerterweise den Integrationsbeauftragten Neuköllns zu Gast. Der hat ganz klar gesagt, er und sein Bürgermeister lehnten das Gesetz ab; das sei völliger Humbug. – Wie gehen Sie denn mit solchen Sachen um, wenn Ihre eigenen Kolleginnen, Kollegen von der SPD in den Bezirken sich weigern, das Integrations- und Partizipationsgesetz umzusetzen?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Frau Abgeordnete! Ich schätze das nicht so ein, wie Sie das hier zusammengefasst haben. Es ist richtig, dass es, was die Umsetzung des Integrations- und Partizipationsgesetzes angeht, in den Bezirken sehr unterschiedlich ist. Die Fortschritte und die Schwerpunkte sind sehr unterschiedlich, aber ich würde jetzt nicht bestätigen, dass Neukölln sich komplett ausklinkt, im Gegenteil. Ich habe mir gerade die Tabelle angeguckt: 30,8 Prozent ist die Quote von Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter den Auszubildenden in Neukölln. Das heißt, dass der Bezirk das Thema interkulturelle Öffnung durchaus ernst nimmt und hier aktiv ist, sonst hätten wir nicht so eine gute Quote in Neukölln.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank!

Ich rufe auf die Mündliche Anfrage Nr. 2 des Kollegen Kurt Wansner von der CDU-Fraktion zum

Verbot von Weihnachtsfesten und Ramadanfesten auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Friedrichshain-Kreuzberg

Bitte schön, Herr Kollege!

[Uwe Doering (LINKE): Will der Wansner jetzt die Weihnachtsfeste verbieten?]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren!

1. Wie bewertet der Senat die Antwort des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg auf die Mündliche Anfrage DS/0819/IV, wonach im Bezirksamt im Juli 2007 vereinbart wurde, grundsätzlich keine Genehmigung für Veranstaltungen mit Religionsgemeinschaften zur Selbstdarstellung im öffentlichen Raum zu erteilen und in der Folgezeit daran festzuhalten?

2. Ist der Senat der Meinung, dass Religionsgemeinschaften aufgrund ihrer Bedeutung für die Menschen im Land Berlin sich im öffentlichen Raum zeigen sollten?

Vielen Dank! – Es antwortet der Regierende Bürgermeister. – Bitte schön, Herr Wowereit!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wansner! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind ja aus diesem Bezirksamt und aus der Bezirksverordnetenversammlung schon einiges gewöhnt. Sie sollen ja einem Ondit zufolge die Szene vor Ort sehr gut kennen. Mich wundert eigentlich, dass Ihnen jetzt erst aufgefallen ist, dass das Bezirksamt solch einen Beschluss gefasst haben soll. Das spricht eher dafür, dass er nicht umgesetzt worden ist. In der Tat bin ich auch selbst fast vom Hocker gefallen, als ich diese Berichterstattung gelesen habe. Ich habe gedacht, das kann jetzt nicht sein, und es passte leider auch in die Tradition der Würdigung des Ehrenamtes, wo man eine entsprechende Passage auch jüngst in der Bezirksverordnetenversammlung gestrichen hat, wo Menschen, die ehrenamtlich in Religionsgemeinschaften arbeiten, dort nicht mehr geehrt werden konnten, sondern nur noch andere.

[Zuruf von den Grünen: Eine Falschaussage!]

Das ist keine Falschaussage, so war die Beschlussfassung. Dementsprechend war das fast eine Tradition. Das darf in der Tat in einer Stadt wie Berlin, die sich zu Recht auf Multikulturalität, auf unterschiedliche Religionen, Lebensweisen und ein Miteinander bezieht, nicht hingenommen werden, wenn es denn so wäre.

Insofern bin ich zufrieden, dass das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in einer Pressemitteilung vom 3. September 2013 unter der Überschrift

In Friedrichshain-Kreuzberg wurden und werden keine Feste wegen ihres religiösen Charakters untersagt oder benachteiligt

das klargestellt hat. Es ist deutlich gemacht worden, dass der damalige Beschluss nicht angewendet wird und auch

nicht Grundlage ist. Ich denke, dass damit ein klares Zeichen gesetzt worden ist, ein richtiges Zeichen, dass bei Ablehnung von Genehmigungen auf öffentlichem Straßenland religiöse Motive keine Rolle spielen dürfen. Da gibt es natürlich Gründe, bei Veranstaltungen unterschiedlichster Art eine Ablehnung zu erteilen. Das ist völlig klar. Aber auf die Idee zu kommen, dass Weihnachtsmärkte oder Ramadanfeste oder andere nicht genehmigungsfähig sind aus religiösen Gründen – dies wäre fatal, wenn so ein Eindruck vorherrschen würde oder sogar zur Grundlage von Handeln gemacht würde. Das wäre auch rechtswidrig. Und das ist mit der Pressemitteilung des Bezirksamts klargestellt worden. Ich glaube, damit ist die Sache dann auch erledigt.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Haben Sie eine Nachfrage, Her Kollege Wansner? – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Regierender Bürgermeister! Dieses Problem ist erstmalig in diesem Jahr aufgetaucht, weil ein Zuckerfest am Mehringplatz von dem zuständigen Bezirksamt verboten wurde. Deshalb nochmal meine Frage: Sie haben zu Recht gesagt, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht unbekannt für gewisse Entscheidungen. Welche Möglichkeiten haben Sie, wenn diese religionsfeindliche Art und Weise dieses Bezirks fortgeschrieben wird? Wir hatten ja in unserer Geschichte, insbesondere im Dritten Reich oder im DDR-Regime, schon Verbote für Religionsgemeinschaften.