Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Regierender Bürgermeister! Dieses Problem ist erstmalig in diesem Jahr aufgetaucht, weil ein Zuckerfest am Mehringplatz von dem zuständigen Bezirksamt verboten wurde. Deshalb nochmal meine Frage: Sie haben zu Recht gesagt, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht unbekannt für gewisse Entscheidungen. Welche Möglichkeiten haben Sie, wenn diese religionsfeindliche Art und Weise dieses Bezirks fortgeschrieben wird? Wir hatten ja in unserer Geschichte, insbesondere im Dritten Reich oder im DDR-Regime, schon Verbote für Religionsgemeinschaften.

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Es kann sein, dass eine Veranstaltung aus anderen Gründen nicht genehmigt wird. Das können verkehrsrechtliche Gründe sein, Gründe des Lärmschutzes oder eine Relation der Beeinträchtigung andere Belange. Das ist ein Abwägungsprozess. Wenn ein Veranstalter damit nicht einverstanden ist, kann er rechtliche Schritte wahrnehmen.

Dieses Haus hat eine Verfassung verabschiedet, die den Bezirken starke Rechte gibt. Wir haben in Einzelangelegenheiten kein Durchgriffsrecht mehr. Das hatten wir früher mal, aber das ist abgeschafft worden. Insofern müsste jetzt bei solchen Verfahren, wenn sie insgesamt offensichtlich rechtswidrig sind, geprüft werden, ob es seitens des Senats eine Eingriffsmöglichkeit gibt. Aber die politische Verantwortung liegt beim Bezirk. Das

wollten wir so haben. Das sind Großstädte. Sie haben alle gewählte Politikerinnen und Politiker, die dort Verantwortung tragen. Selbstverständlich muss die Diskussion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg mit dem gewählten Bezirksamt geführt werden. Das ist die Aufgabe, Herr Wansner.

Trotzdem schadet das ganz Berlin. Mich haben bundesweit Leute gefragt, ob wir in Berlin noch richtig ticken.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Die meinten aber etwas anderes!]

Das kann natürlich nicht gut für diese Stadt sein. Wir laufen durch die ganze Welt mit dem Ansatz, dass wir eine tolerante, weltoffene Stadt sind. Dennoch zeigen wir uns in Teilen dieser Stadt provinzieller als jede Provinz.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Eine weitere Nachfrage hat jetzt der Kollege Reinhardt von der Piratenfraktion. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister, dass Sie noch einmal klargestellt haben, dass die Inszenierung der Springer-Presse in den vergangenen Monaten eine Ente ist. Auch ich bin angesprochen worden, sogar international. Aus Österreich haben mich Anfragen dazu erreicht. Es wurde klargestellt, dass u. a. der Antrag, der auf Initiative der Piratenfraktion entstanden ist, auf keine Art und Weise religionsfeindlich ist.

Können Sie mir und auch den anderen kurz noch einmal sagen, ob Sie der Meinung sind, dass es unter Beachtung des Neutralitätsgebots des Staates in Bezug auf z. B. diese Ehrenamtsmedaille durchaus gängig und juristisch einwandfrei ist, Ehrungen nicht ausschließlich aufgrund religiöser Betätigung zu vergeben, aber religiöse Tätigkeiten dabei nicht beeinträchtigt werden?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Darüber würde ich auch außerhalb dieser Mündlichen Anfrage mit Ihnen ganz heftig streiten. Ich finde es unerträglich, dass da die Kategorien – sie sind ja nicht abschließend – Sport u. a. aufgezählt wurden. Da waren ja die Religionsgemeinschaften enthalten, und die hat man bewusst gestrichen. Warum eigentlich? Für mich ist ein Engagement in einer Kirche auch ehrenamtlich und bürgerschaftlich,

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

[Beifall bei der SPD und der CDU]

weil Kirchen in unserer Gesellschaft weit über ihren eigenen Glauben und ihre Selbstorganisation hinaus wesentliche und wichtige Tätigkeiten für unserer Gesellschaft wahrnehmen, und zwar auch religionsübergreifend. Warum soll denn eine Ehrenamtliche, die bei der Caritas oder anderswo arbeitet, nicht auch geehrt werden? Ich kann nicht entscheiden, ob sie die Medaille bekommt oder nicht, aber sie grundsätzlich herauszunehmen, zeigt, welch Geistes Kind dahintersteht, und das finde ich nicht in Ordnung.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank!

Ich rufe jetzt die Frage Nr. 3 der Kollegin Remlinger von den Grünen auf.

Schulen in freier Trägerschaft: Warum plötzlich die Änderung der Anerkennungszeiten?

Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank! – Ich frage den Senat:

1. Was sind die konkreten Gründe dafür, dass für neu genehmigte Ersatzschulen in freier Trägerschaft nun eine generelle Wartezeit von drei Jahren – bei Grundschulen fünf Jahre – bis zur staatlichen Bezuschussung festgesetzt wird, und ist dem Senat bekannt, dass die besagte Änderung der Wartezeiten eine faktische Verhinderung von Schulneugründungen zur Folge haben wird?

2. Warum wurden gesetzliche Mitwirkungsgremien und Verbände von Schulen in freier Trägerschaft nicht zum Sachverhalt angehört, und wie bewertet der Senat den Umstand, dass durch die besagte Änderung der Wartezeiten bürgerschaftliches Engagement in Form von Bildungsnetzwerken unmöglich gemacht wird?

Vielen Dank! – Es antwortet Frau Senatorin Scheeres. – Bitte schön!

[Joachim Esser (GRÜNE): Da sind wir jetzt aber gespannt!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Remlinger! In Berlin gibt es eine jahre

lange Praxis bezüglich der Wartezeiten, wenn man eine freie Schule gründen möchte. 50 Prozent der genehmigten freien Schulen durchlaufen Wartezeiten. Das ist keine berlinspezifische Regelung, sondern das findet bundesweit so statt. Die Bundesländer praktizieren das, weil man sich erst einmal die Privatschulen anschaut, ob sich deren Arbeit bewährt, bis die Schulen dann in den Genuss einer staatlichen Finanzierung kommen.

Das, was Sie in Ihrer Fragestellung angesprochen haben, bezieht sich sicherlich auf die aktuell im Senat diskutierte Einschränkung der bisherigen sogenannten BewährtenTräger-Regelung. Diese ist vor Jahren im Land Berlin eingeführt worden, auch aufgrund der historischen Situation, wonach es im Ostteil der Stadt wenig Privatschulen gab. Die Regelung wurde dann eingeführt, um gerade in diesen Stadtteilen Privatschulen stärker zu unterstützen. Wenn Sie sich anschauen: Vor ein paar Jahren lagen wir noch ziemlich hinten in der Liste, was die Anzahl der Privatschulen angeht. Jetzt liegen wir, glaube ich, auf Platz 4. Das zeigt, dass dieses Instrument funktioniert hat.

Aber wenn Sie sich bundesweit umschauen, können Sie feststellen, dass es im Land Berlin eine sehr weitreichende Subventionierungsregelung gibt. Es gibt nur in zwei anderen Bundesländern, in Brandenburg und BadenWürttemberg, die Bewährte-Träger-Regelung. Aktuell im Dezember 2012 ist diese Regelung in Sachsen-Anhalt gestrichen worden. Ich kann nur noch einmal sagen, dass 50 Prozent der Schulen Wartezeiten durchlaufen haben. Ich sehe in diesem Zusammenhang keine Verhinderung der Gründung von freien Schulen. Ihnen ist sicher auch bekannt, dass Wartezeiten auch in Baden-Württemberg – mit einer rot-grünen Regierung – selbstverständlich sind. Ich verstehe in dem Zusammenhang die Aufregung nicht, weil das bundesweit so geregelt ist. Nur in zwei Bundesländern gibt es noch die Bewährte-Träger-Regelung.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die geplante Neureglung ist das Ergebnis der senatsinternen Willensbildung. Wir haben uns damit sehr intensiv beschäftigt. Das war nicht von Beginn an als Schulgesetzänderung vorgesehen. Dadurch konnte eine Vorabbefassung im regulären Verfahren nicht erfolgen. Die Senatsvorlage war ja noch keine Beschlussvorlage, sondern sie würde zur Kenntnisnahme eingebracht und geht in den Rat der Bürgermeister und dann in die Anhörung. Es ist noch eine öffentliche Befassung in den nächsten Monaten möglich.

Zu der Frage, ob die vorgesehenen Änderungen der Neugründung von Schulen in freier Trägerschaft von Bildungsnetzwerken unmöglich gemacht wird: Ich sprach eben an, dass die Arbeit und Gründung möglich ist, dass sich 50 Prozent der Schulen im Rahmen dieses Verfahrens gegründet haben. Ich kann nur sagen, dass wir diesbezüglich eine sehr konstruktive Diskussion im Senat hatten. Wir werden uns weiter damit befassen. Wir werden uns das Thema Wartezeiten noch einmal genauer

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

anschauen und auch den Anstieg bei den beruflichen Schulen.

Vielen Dank! – Frau Kollegin Remlinger, Sie haben eine Nachfrage. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich habe keine Frage dazu, dass Sie offensichtlich die historischen Zusammenhänge, warum es ein Recht auf Privatschulgründungen im Grundgesetz gibt, nicht verstanden haben. Aber meine Frage ist: Habe ich richtig verstanden, dass das Vorhaben endgültig vom Tisch ist, weil Sie vielleicht doch eingesehen haben, dass eine solche Veränderung der Finanzierung nicht nur dem Ziel einer besseren sozialen Durchmischung an den freien Schulen schaden würde, sondern auch, weil Sie als Pankowerin und Bildungs- und Jugendsenatorin realisiert haben, dass zum Beispiel der Bedarf an Plätzen im Grundschulbereich, aber auch der Fachkräftebedarf im Bereich von Schule und Kita oder der Altenpflege ohne die freien Schulen überhaupt nicht zu decken gewesen wäre und auch weiterhin nicht zu decken sein wird?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrte Frau Remlinger! Dass die Gründung von Privatschulen im Grundgesetz steht, ist ganz klar. Deswegen finanzieren wir auch Privatschulen mit 93 Prozent. Sie wissen ganz genau – Sie sind selbst Haushälterin –, dass wir in diesem Bereich einen sehr starken Anstieg haben. Ich habe gerade beschrieben, dass in den letzten Jahren sehr viele freie Schulen berechtigterweise gegründet worden sind. Aber man kann natürlich schon auch diskutieren, ob die starke Förderung der bewährten Trägerregelung noch notwendig ist.

Ich habe eben beschrieben, dass wir im Senat sehr konstruktiv darüber sprechen, dass wir uns noch einmal die Wartezeiten und in diesem Zusammenhang auch die beruflichen Schulen anschauen. Ich kann Ihnen sagen: Es ist nicht so, dass alle Plätze bei den Privatschulen belegt sind. Da gibt es auch freie Plätze, und wir haben in diesem Bereich auch Rückforderungen, weil die Schulplätze nicht belegt worden sind. Sie suggerieren ja, es gäbe einen extremen Bedarf und alle Plätze in den Privatschulen wären belegt. Das ist nicht der Fall. Aber eine Gründung von Privatschulen ist weiterhin möglich,

[Joachim Esser (GRÜNE): Das gilt nur für Leute mit viel Geld!]

und Sie wissen, dass das Land Berlin die Privatschulen zu 93 Prozent unterstützt. Das ist uns wichtig. Die Privatschulen sind ein Bestandteil des Berliner Schulsystems, und das stellt überhaupt keiner in Frage.

Vielen Dank! – Für die zweite Nachfrage hat jetzt Frau Kollegin Kittler von der Fraktion Die Linke das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Frau Scheeres! Ich möchte gerne wissen: Wir haben im Ausschuss schon über das neue Finanzmodell auf der Basis von Musterschulen diskutiert. Wie sieht da der Zeitplan zur Einführung aus? – Das wird ja den freien Schulen eine bessere finanzielle Sicherheit geben.

Frau Senatorin!

Wir sind in engem Kontakt mit den freien Schulen, und wir haben, wie Sie gerade beschrieben haben, einen Auftrag des Hauptausschusses, uns mit der Finanzierung der Privatschulen zu beschäftigen. Da gibt es einen Runden Tisch mit den freien Schulen, wo wir modellmäßig ein Finanzierungskonzept entwickelt haben. Wir diskutieren auch die anderen Schulformen diesbezüglich weiter, und es ist geplant, ein weiteres Ergebnis bis Ende des Jahres vorzulegen.

Vielen Dank!

Wir kommen dann zur Frage Nr. 4 der Kollegin Regina Kittler von der Fraktion Die Linke über

Fehlen in den Berliner Schulen Fachlehrkräfte?

Bitte schön, Frau Kollegin!