Sie wundern sich darüber, dass das Netzwerken, das in der Wirtschaft so positiv wahrgenommen wird, in diesem Fall nur deswegen von unserer Seite her negativ konnotiert sei, weil es von Studentenverbindungen komme. Nein, überhaupt nicht! Das ist überhaupt nicht das Problem. Wenn sich akademisch bildende Menschen sich zusammentun, sollen sie das tun. Es herrscht doch Freiheit, sich zusammenzutun, mit wem man Lust hat. Die Frage ist nur, zu welchem Zweck und mit welchen Ausgrenzungsmechanismen.
Da hat Kollege Lauer mit seinem netten Zwischenruf durchaus recht. Wenn Sie sich mal mit der Rolle von insbesondere rein männlichen Bündnissen befassen und bedenken, dass es rein männliche Bündnisse dafür gibt, seit Jahren Frauen aus Machtpositionen auszugrenzen, und wie viel Arbeit es seit Jahrzehnten kostet, da langsam, aber sicher vorzudringen, dann werden Sie wissen, dass es nicht die Frage ist, ob das Studentenverbindungen sind.
Im Gegensatz zu Ihnen in Ihrem Redebeitrag haben wir uns zumindest als Grüne sehr deutlich um Differen
zierung bemüht. Wir haben eine offene Diskussionsveranstaltung hier im Haus gehabt, zu der erfreulicherweise auch ein breites Spektrum von sich Verbindungen zurechnenden Studenten kam, die auch aus ihrer persönlichen Perspektive berichtet haben, weil uns eben daran gelegen ist, nicht alles über einen Kamm zu scheren und nicht einfach zu sagen: Es gibt – naja, ich sage mal – bedauerliche Einzelfälle, die wir an den Rand schieben müssen, und der Rest ist unkritisch. – Dieses Spiel machen wir in der Form nicht mit. Deswegen bitte ich Sie, liebe Kollegin Seibeld, ungefähr genauso differenziert zu sein, wie Sie das von uns immer einfordern! – Danke!
Frau Kollegin Seibeld, wünschen Sie noch einmal das Wort? – Das ist nicht der Fall. Dann hat jetzt für die Piratenfraktion Kollege Höfinghoff das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Kollegin Schillhaneck, für die absolut passende und angebrachte feministische Kritik an Burschenschaften, die hier in jedem Fall in die Debatte mit hineingehört.
Wieder einmal behandeln wir das Thema „Burschenschaften in Berlin“. Ich möchte an dieser Stelle den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke dafür danken, dass sie das Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt haben. Heute ist der Innensenator und Sangesbruder Henkel ja ausnahmsweise mal anwesend, sodass das Thema auch besprochen werden kann. Man könnte fast glauben, er fürchte sich vor dem Thema.
Zuletzt haben uns die seltsamen Männer im bunten Wichs beschäftigt, als die CDU vehement versuchte, den damaligen Staatssekretär Büge im Amt zu halten, der als strammer, deutschnationaler „Gothe“ offenbar nicht so viel vom Grundgesetz hielt. Anders kann ich mir sein Festhalten an der Mitgliedschaft in der völkischen Gothia nicht erklären. Da hilft dann kein Zetern und kein Maulen. Die Burschen aus dem Dachverband Deutsche Burschenschaft lehnen das bundesrepublikanische Grundgesetz ab. Wer am völkischen Nationalbegriff festhält, kann nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.
Die jungen Männer driften zumeist am Beginn ihres Studiums in das burschenschaftliche Milieu ab. Ihnen werden eine preisgünstige Unterkunft, Kontakte in Politik und Freibier auf Lebenszeit versprochen.
Wer Mitglied in einer Burschenschaft wird – in einer Sängerschaft, Turnerschaft oder wie sie sich auch immer schimpfen –, möchte einen Bund auf Lebenszeit eingehen. Wie das Verhalten des ehemaligen Staatssekretärs Büge zeigt, wird dieser Lebensbund höher geschätzt als ein demokratisches politisches Amt. Herr Oberg! Das ist es, was Burschenschaften relevant für dieses Haus macht. Wir müssen uns das mal auf der Zunge zergehen lassen: Jemand tritt zu Beginn einer möglichen Karriere diesem Männerbund auf Lebenszeit bei, kommt in Amt und Würden, pflegt weiterhin seine Verbindungen in seiner Burschenschaft, und die Öffentlichkeit erfährt davon nichts. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Burschenschaften auch nicht sonderlich transparent mit ihren Mitgliederlisten umgehen. Wer weiß schon noch, dass unser geschätzter Innensenator gemeinsam mit seinem großen Paten Klaus Landowsky Mitglied der Berliner Sängerschaft Borussia ist, die zumindest dem nationalkonservativen Spektrum zuzuordnen ist? Damit ist sie schon im gemäßigten Feld der Was-auch-immer-Schaften. Büges Gothia ist da noch ein ganz anderes Kaliber. Wenn Gothen auf irgendeiner Veranstaltung auftauchen, ist das Horst-Wessel-Lied nicht weit. Es erschallt „Deutschland, Deutschland über alles“. Man muss schon wirklich blind sein, und zwar auf dem rechten Auge, um das nicht zu sehen.
Immer wieder treten in den Verbindungshäusern Angehörige der neuen Rechten oder gestandene Rechtsradikale auf und halten Vorträge, diskutieren oder saufen einfach mit. Während der Berliner Verfassungsschutz die Mieten und Fluglärm kriminalisiert, deutscheln die Burschen weiter unbeobachtet herum. Es wird gehetzt gegen Migrantinnen, Linke, Europa und so ziemlich alles, was nicht ihrem Bild von einer weißen deutschen Gesellschaft entspricht. Leider hat mein geschätzter Kollege Taş nur nach Verbindungen der Burschenschaft zur NPD und verschiedenen Organisationen der neuen Rechten gefragt. Es würde mich sehr interessieren, welche Verbindungen es bis in die Parteien gibt, die hier im Abgeordnetenhaus vertreten sind. Da muss ich selbstverständlich an die christliche Burschenunion denken.
Dass aus dieser Richtung keine Aufklärung zu erwarten ist, verwundert nur wenig. Von Herrn Juhnke – jetzt sitzt er leider hinter mir und kann nicht antworten – wüsste ich tatsächlich noch sehr gern – er tritt bekanntlich auch sehr gern bei rechten Burschenschaften auf und sagt dann hinterher, er hätte nicht gewusst, dass es sich um Rechtsradikale handelt –, was aus seinem über die „BZ“ angekündigten Empörungsschreiben an die Teutonia zu
Bei den Verfilzungen dieser Vereinigung mit der Politik verwundert es nicht, dass die Burschen seit vielen Jahren allesamt die Gemeinnützigkeit zuerkannt haben, was bedeutet, dass die völkisch nationale Hetze auch noch steuerfrei betrieben wird. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Offenbar hackt ein Bursche dem anderen kein Auge aus, Herr Henkel. – Ich bedanke mich!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 5. Juni 2013 Drucksache 17/1070
Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag Drucksache 17/0885 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die Grünen und eine Stimme der Piraten bei Enthaltung Linke und einer Stimme der Piraten die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der Grünen und einige Mitglieder der Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen, der fraktionslose Kollege und einige Mitglieder der Piraten. Enthaltungen? – Das sind die Fraktion die LINKE und ein Pirat. Damit ist der Antrag ablehnt. – Zum Abstimmungsverhalten möchte der Kollege Kowalewski eine persönliche Erklärung abgeben.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ich habe gerade schon aus der CDU gehört, dass Sie so traurig waren, dass wir jetzt nicht darüber reden. Deshalb wollte ich Ihnen die Chance geben, mir wenigstens noch einmal kurz zuzuhören. Wir haben in der Fraktion – das haben Sie gerade auch beim Abstimmungsverhalten gesehen – sehr kontrovers über den Antrag diskutiert. Über die vielen positiven Auswirkungen eines Veggie-Days sind wir uns vermutlich alle einig. Das einzig scheinbar gültige Gegenargument ist die vermutete Einschränkung der Freiheit, fünf
mal in der Woche in der Kantine Fleisch essen zu können. Das ist übrigens auch eine Freiheit, die unsere Gesellschaft mit den hohen Kosten für die Behandlung der Folgen dieser Fehlernährung sehr stark belastet.
Was aber übersehen wird, ist, dass die Freiheit der einen manchmal auch mit der Freiheit von anderen kollidiert.
Freiheiten muss man manchmal gegeneinander abwägen. Es geht um die Freiheit, Fleisch zu essen gegen die Freiheit der Tiere, nicht ausgebeutet, getötet und gegessen zu werden,
oder um die Freiheit der Menschen, für die die Nahrungsmittelknappheit ein tägliches Erlebnis ist und die oft gar nichts zu essen haben, weil es keine agrarisch nutzbaren Flächen gibt, weil überall Futter für unsere sogenannten Nutztiere angebaut wird, oder um die Freiheit der nachfolgenden Generation, noch eine lebenswerte Erde vorzufinden, die nicht durch die massiven Klimagase aus der völlig aus dem Ruder gelaufenen Fleischproduktion vernichtet worden ist, oder um die Freiheit der immer zahlreicher werdenden vegetarisch lebenden Menschen, einmal in der Woche ihr Essen in einer Umgebung einnehmen zu können – –
Der Rest des Saales ist jetzt einmal bitte ruhig, und Herr Kowalewski gibt sich bitte einmal ganz kurz Mühe, sehr eindeutig auch für den Rest der Abgeordneten klar zu machen, was Ihre Abwägung bezüglich Ihres Abstimmungsverhaltens war.
Danke schön, Frau Präsidentin! – Es war eine Abwägung zwischen der einen Freiheit und der anderen Freiheit. Ich habe mich für die Freiheit der Mehrheit entschieden und deswegen für den Veggie-Day abgestimmt. Wir werden an dem Thema dranbleiben und einen Antrag ins Plenum einbringen, der noch mehr die Freiheiten der verschiedenen Interessengruppen hier zur Abstimmung bringt und auswiegt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kowalewski! – Der Tagesordnungspunkt 10 steht als vertagt auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 11 war bereits Priorität der Piratenfraktion unter Nr. 4.5.