Um noch einmal aus Ihrer Rede von vor zwei Jahren zu zitieren, Herr Melzer, in der Sie – aktualisiert – sagten: In Deutschland sinkt die Arbeitslosigkeit. Endlich gibt es im Bund weniger als 3 Millionen Arbeitslose. Nur in Berlin kommt dieser Rückgang nicht an. Bundesweit ist die Arbeitslosenquote inzwischen unter 7 Prozent angekommen,
übrigens 4,2 Prozent im rot-grün regierten BadenWürttemberg. – In Berlin hingegen beträgt die Arbeitslosenquote 11,7 Prozent. Sie ist niederschmetternd. Berlin
ist mit einer rot-schwarzen Koalition wieder Schlusslicht, was die Arbeitslosenquote im Bundesdurchschnitt und im Bundesvergleich anbelangt. Die Quote ist fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Sie ist im Vergleich deutlich höher als bei allen ostdeutschen Bundesländern. Diese simple Erkenntnis zeigt, wie absolut fehl am Platz Selbstlob und Selbstbeweihräucherung der Koalition hier sind. Das ist politische Hochstapelei und geht an den Realitäten dieser Stadt vorbei.
Umso mehr gilt das, wenn wir uns ansehen, in welchen Bereichen diese Arbeitsplätze entstehen. In Berlin gibt es 120 000 Aufstockerinnen und Aufstocker. Darunter sind rund 30 000 Menschen, die trotz einer Vollzeitbeschäftigung sich und ihre Familien nicht ernähren können. Darunter sind auch rund 20 000 Selbständige. Das ist eigentlich der Mittelstand, für den Sie hier angetreten sind. Insgesamt gibt es in Berlin rund eine halbe Million atypisch Beschäftigte. Prekäre Beschäftigung und Armut sind das Ergebnis Ihrer Politik.
Dieser Senat hat für die drängenden wirtschaftspolitischen Probleme dieser Stadt keine Lösungen. Jetzt platzt auch die Seifenblase hinter Ihrem Jobwunder und Ihrem Wachstum. Der Kaiser und seine Adjutanten sind in Wirklichkeit nackt.
Dem rot-schwarzen Senat ist es auch mit der Vergabe des Wirtschaftsressorts an die Union nicht gelungen, die Signale der letzten konjunkturellen Belebung für eine positive Entwicklung der Berliner Industrie zu nutzen. Insbesondere wohin sich die Berliner Industrie entwickeln und wie auch in Berlin eine Grundlage für gute Arbeit geschaffen werden soll, ist aus der Arbeit des Senats weiterhin nicht zu erkennen. Stattdessen herrschen in der Wirtschaftsverwaltung seit der Übernahme durch die Union Verunsicherung und Unruhe durch Personalwechsel und Umstrukturierung vor.
Für die wirtschaftliche Zukunft Berlins ist der Ausbau der Infrastruktur, z. B. des Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt … von zentraler Bedeutung.
Die Entwicklung zentraler Flächen der Stadt, z. B. der Tempelhofer Freiheit oder des Geländes des Flughafens Tegel zu wirtschaftlich und städtebaulich nachhaltigen Standorten stellt eine große Chance dar, die Berlin wahrnehmen wird.
Wir alle wissen, das wichtigste Pfund, das Berlin für seine wirtschaftliche Entwicklung hat, sind die exzellenten Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ein wichtiger Kanal dafür, wie Ergebnisse aus der Wissenschaft in die Wirtschaft kommen sollen, ist – im Gegenteil zu dem, was Sie hier gerade behauptet haben – die landeseigene Patentverwertungsagentur. Die wurde dieses Jahr unter einer CDU-Senatorin sang- und klanglos zu Grabe getragen. Nicht, weil es nicht funktioniert hätte. Die IPAL war bundesweit ein anerkanntes Vorzeigeprojekt. Das Aus kommt vielmehr, weil der Geschäftsführer – eigentlich ein Abteilungsleiter der IBB, vom Umfang seiner Personalverantwortung her aber eher mit einem Referatsleiter vergleichbar – nicht in der Lage ist, ein Zukunftskonzept vorzulegen, dass Sie als Senatorin überzeugt hätte. Frau Yzer, diese Maßstäbe erreichen auch Sie selbst und der Regierende Bürgermeister nicht.
Mit der Entscheidung gegen die IPAL haben Sie nicht nur das Geld, das in der Vergangenheit aus Berlin in diesen Bereich geflossen ist, versenkt, Sie haben auch die Bundesmittel, die wir dafür in zehn Jahren bekommen haben, in den Wind geschossen. Aber Sie haben damit insbesondere eine wichtige Infrastruktur verschüttet: Ca. 2 Millionen Euro würde der Erhalt der IPAL jährlich kosten. So viel kosten zwei Tage Spielen von Wowereit, Mehdorn und Amann am BER.
Die Fusion der Berlin Partner und der TSB Innovationsagentur ist ein wichtiger und auch ein richtiger Schritt, den wir als Fraktion begrüßen, denn damit wird endlich auf Ebene der Fördereinrichtung zusammengebracht, was Berlin für die Entwicklung in die Zukunft braucht. Die exzellente Wissenschaft und Forschung ist für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins von höchster Bedeutung. Deshalb ist es auch sehr gut, wenn diese Bereiche zukünftig gut zusammenarbeiten. Wir wünschen deshalb den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der neuen Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH viel Erfolg bei ihrer Aufgabe, die für Berlin so wichtig ist.
Leider gilt aber auch hier mal wieder das Prinzip der rotschwarzen Koalition: Die Kohlen aus dem Feuer holen sollen nämlich andere, die Erfolgsgeschichten feiert dann der Senat.
Aber noch wichtiger: Wie soll denn die Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH, aber wie sollen auch andere Fördereinrichtungen dieser Stadt, die es ja weiterhin gibt, erfolgreich arbeiten, wenn der Senat sich bei den strategischen Vorgaben und insbesondere dabei,
Schwerpunkte zu setzten, vornehm zurückhält? Herr Melzer! Sie haben es selbst skizziert: Berlin hat eine Clusterstrategie, die inzwischen Innovationsstrategie heißt. Immerhin fünf Cluster – das ist ja eine sehr starke Fokussierung. Berlin hat ein Zukunftsortekonzept – welche das genau sein sollen, das wissen wir nicht so ganz genau. Immerhin brauchen wir einen der Zukunftsorte immer noch für den laufenden Flugbetrieb. Dann haben wir einen Masterplan Industriestadt 2010, parallel dazu wird gerade ein Standortentwicklungskonzept – StEK 2030 – erarbeitet. All das ist nicht wirklich fokussiert.
In der Wirtschaftsverwaltung wurden seit Regierungsantritt von Rot-Schwarz – nur zur Erinnerung, das sind zwei Jahre! – bereits die Senatorin und zwei Staatssekretäre ausgetauscht, und das ganze Haus wurde inzwischen mindestens einmal umstrukturiert. Hier herrschen Verunsicherung und Unruhe.
Frau Senatorin! Sie sind auch drei Monate vor Beginn der neuen Förderperiode 2014 nicht in der Lage, uns das neue operationelle Programm wenigstens in der Entwurfsfassung vorzulegen. Das ist ein Armutszeugnis und zeigt, wie sehr Ihre Politik gescheitert ist.
Die wirtschaftspolitische Strategie und Schwerpunktsetzung dieser Koalition sind weiterhin nicht zu erkennen. Berlins Wirtschaft funktioniert nicht wegen Rot-Schwarz, sondern trotz Rot-Schwarz.
Vielen Dank, Herr Olalowo! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Jahnke. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorhin weidete sich Frau Pop in ihrer Begründung zur Aktuellen Stunde der Grünen förmlich in negativen Schlagzeilen über Berlin.
Wie wäre es denn eigentlich mit der Schlagzeile: Berlin hängt alle ab! –, gestern in einer großen Tageszeitung erst erschienen? Gemeint ist das Wirtschaftswachstum, das in Berlin höher liegt als in allen anderen großen Flächenländern der Bundesrepublik Deutschland,
von Bayern bis Nordrhein-Westfalen, von MecklenburgVorpommern bis Baden-Württemberg. Während im ersten Halbjahr 2013 das Bruttoinlandsprodukt in den alten
Bundesländern um 0,3 Prozent schrumpfte, in den neuen Bundesländern leider sogar um1 Prozent, verzeichnen wir einen Anstieg um 0,5 Prozent. Auch der Arbeitsmarkt entwickelt sich in der Hauptstadtregion positiver als in jeder anderen Region Deutschlands.
Der Strukturwandel der Berliner Wirtschaft ist inzwischen unübersehbar. Nach Jahren der Deindustiralisierung, des Nullwachstums und des Klagens über die wirtschaftlichen Defizite dieser Stadt, hat in Berlin ein Mentalitätswechsel stattgefunden,
der sich auch in einer zunehmend selbstbewussten Unternehmerschaft und positiven Erwartungen der Unternehmen widerspiegelt, wie der von der IHK erhobene Geschäftsklimaindex regelmäßig belegt.
Wir wissen sehr gut, von welchem Niveau wir nach Jahren des industriellen Niedergangs und verfehlter Wunschvorstellungen der Neunzigerjahre zu starten hatten. Noch immer belegt Berlin in jenen Erhebungen, die von Bestandsgrößen, insbesondere von der Arbeitslosenquote, ausgehen, keinen vorderen Platz, im Gegenteil – das ist ja alles schon gesagt worden und richtig. Doch der Aufholprozess kann sich nur dadurch vollziehen, dass Berlin überdurchschnittliche Wachstumsraten erreicht, und zwar möglichst ein qualitatives Wachstum in den Zukunftsbranchen. Dieser Prozess ist in Gang gekommen, wie all jene Untersuchungen zeigen, die eben nicht nur Statusgrößen vergleichen, sondern Dynamik messen. Hier belegt Berlin stets einen der vorderen Plätze.
Herr Kollege! Ist Ihnen in dem Artikel aus dem „Tagesspiegel“, der ja schon mehrfach zitiert wurde, aufgefallen, dass da die Rede davon ist, dass die Schrumpfungen bei den Industriearbeitsplätzen und bei der industriellen Wertschöpfung stattfinden und nur durch das Wachstum in Handel und Tourismus überkompensiert werden? Was schließen Sie daraus für Ihre Industriestrategie?
Ein solcher Prozess, der Fehlentwicklungen aus Jahrzehnten korrigiert, bedarf natürlich eines langen Atems und übersteigt das in der Politik sonst oft übliche Denken für die Dauer einer Legislaturperiode. Die jetzige Koalition besteht erst seit knapp zwei Jahren, die Wirtschaftssenatorin ist seit einem Jahr im Amt, aber wir können aufbauen auf einer erfolgreichen Wirtschafts- und Stadtpolitik unter der Regierung Klaus Wowereits in den letzten zwölf Jahren.