Im Bildungsausschuss – und damit komme ich noch mal zu dem Wort „Skandal“ zurück – soll, gegen den Antrag der Linksfraktion in der Sprecherrunde, erst im Dezember eine Anhörung stattfinden. Es sei bis zur Beschlussfassung noch Zeit bis Mitte März, wurde mir geantwortet. Und auf die Frage, wer das sage und ob das die Universitäten auch so sähen und warum die SPD und die CDU denn die Beschlussfassung verzögern wollten, wurde mir von Ihnen – Frau Harant ist gar nicht da, aber unter anderem auch von Frau Bentele – geantwortet: weil Sie noch Beratungsbedarf hätten. Also, das ist ja wohl der Gipfel! Was will die CDU denn noch geändert haben? Diese Gesetzesvorlage kommt doch jetzt schon zu spät. Die Universitäten und Hochschulen können es gar nicht schaffen, die Studiengänge bis März zu erarbeiten, wenn die Studienorientierung in den Abiturklassen spätestens beginnen muss.
Am 1. Juni 2014 beginnen die Bewerbungsfristen sowohl für den Bachelor- als auch für den Masterstudiengang. Wie sollen die Universitäten die Studienordnung fristgemäß fertigbekommen? Wann soll sich der jeweilige Universitätssenat ausreichend damit befassen? Wie soll die Akkreditierung der Studiengänge rechtzeitig fertig sein? Wie soll die völlige Neuausrichtung der Masterstudiengänge durch das Praxissemester geschafft werden? Gibt es an den Universitäten dafür überhaupt genügend Personal? Wie soll der Grundschullehramtsstudiengang, in dem jetzt achtzehneinhalb Studienpunkte für Mathematik erbracht werden müssen, zukünftig 60 Studienpunkte erbringen können, wenn gar nicht die notwendige Zeit für die Entwicklung des Studiengangs bleibt? Wie soll der Aufbau des Sonderpädagogikstudiengangs unter diesen Voraussetzungen gelingen?
So, wie es aussieht, wird der Quedlinburger KMKBeschluss nicht nur um zwei, sondern um drei Jahre überschritten. Vor 2015 kann es eigentlich keine gut vorbereitete neue Lehrerbildung in Berlin geben. Deshalb fordere ich hier eine schnelle und gründliche Diskussion und eine Beschlussfassung noch in diesem Jahr.
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Kollege Oberg das Wort zur Kurzintervention.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche üben ja hier den Parlamentarismus noch ein. Und überraschenderweise, Frau Kittler, haben Sie das gerade auch vorgeführt, dass Sie das mit dem Parlamentarismus offensichtlich entweder nicht wollen, nicht verstehen oder noch üben müssen. Sie stellen sich bei der ersten Lesung eines Gesetzes an dieses Rednerpult und beklagen sich darüber, dass eine Fraktion Beratungsbedarf hat. Ich hoffe, dass das gesamte Haus noch Beratungsbedarf hat,
dass es nach einer ersten Lesung eine Beratung im Ausschuss, eine Anhörung und eine Auswertung der Anhörung gibt und dass es dann eine zweite Lesung hier geben wird. Und – noch viel schlimmer – das Ganze wird bei diesem Gesetz in zwei Ausschüssen stattfinden. Frau Kittler! Gerade Sie als Abgeordnete der Opposition sollten doch darauf pochen, dass es eine intensive Beratung von Gesetzen gibt. Sie sollten doch gerade darauf pochen, dass zu Beginn einer Beratung, wo uns ein Senatsbe
schluss vorliegt, noch Beratungsbedarf herrscht. Wenn Sie dem Parlament zu Beginn der Gesetzesberatung ernsthaft vorwerfen, Beratungsbedarf zu haben, und das negativ meinen, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.
Noch weniger verstehe ich die Welt allerdings, wenn Sie erst sagen: Das muss alles ganz schnell gehen, das darf nicht mehr beraten werden, jetzt ist aber auch mal Schluss mit dem Thema. – und dann völlig berechtigte geschätzte 20 Fragen aufwerfen. Wo wollen wir denn eigentlich über diese Fragen reden, wenn nicht in Beratungen in diesem Haus? Also, Frau Kittler, ich weiß zwar, dass es so aussieht, als ob Sie einen schnellen Punkt damit machen könnten, aber ich glaube, im Interesse des gesamten Hauses sollten wir Wert darauf legen, dass hier jedes Gesetz ausführlich und genau beraten wird. Nach dem Popanz, den Sie heute Morgen hier veranstaltet haben und zwei Stunden lang im Ältestenrat Tee und Kaffee trinken waren, sollten Sie sich so eine Nummer wie eben wirklich sparen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, lieber Herr Kollege! Tee gab es übrigens nicht. – Bitte schön, Frau Kittler, Sie haben das Wort zur Erwiderung!
Jetzt wird der Quatsch noch quätscher, Herr Oberg. Meine Argumentation richtet sich nicht gegen eine Debatte in den Ausschüssen, im Wissenschaftsausschuss und im Bildungsausschuss. Der Wissenschaftsausschuss macht ja nächste Woche eine Anhörung. Der Bildungsausschuss meint, er braucht das erst im Dezember zu machen, das heißt, frühestens im Januar können wir hier beschließen. Dann bekommen die Universitäten das – weiß ich nicht – maximal Ende Januar, und dann schaffen sie all das nicht mehr, was ich hier schon gesagt habe. Eigentlich haben sie völlig recht, es ist sowieso schon zu spät, habe ich ja auch schon gesagt, weil die SPD und die CDU nämlich offensichtlich mehrere Jahre brauchen, bis sie sich mal auf ein neues Lehrerbildungsgesetz einigen können. Sie diskutieren doch schon seit Monaten darüber. Die Vorschläge der Expertenkommission und von Baumert liegen uns doch seit Monaten vor. Wieso kommen Sie jetzt erst aus dem Knick? Haben Sie denn keine Möglichkeit, miteinander zu reden? Ausbaden müssen es die Universitäten und die Studentinnen und Studenten. Dazu sagen Sie hier gar nichts.
Ich kritisiere, dass Sie Ihre Zeit, die Sie im letzten Jahr hatten, nicht genutzt haben, um die Zwistigkeiten, die offensichtlich zwischen Ihnen bestehen, auszuräumen. Dann haben Sie doch endlich mal einen … in der Hose und setzen sich gegen die CDU durch! Sie waren in der
SPD mit Ihren Ansprüchen doch schon mal viel weiter, wieso weichen Sie denn Schritt für Schritt zurück?
Was haben die denn eigentlich in der Tasche, dass Sie laufend Ihre Positionen aufgeben? Das möchte ich gerne mal wissen.
Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Kollegen Özışık das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade gestern habe ich in meinem Wahlkreis in Moabit drei Schulleiterinnen und drei Schulleiter getroffen, die mir glaubhaft nahegelegt haben, mich für eine bessere Lehrerausbildung in Berlin einzusetzen.
Ja, du kennst mich gut! – Gute Bildung, gute Perspektiven brauchen fachlich gute Lehrerinnen und Lehrer. Genau das ist unser Ziel mit dem neuen Gesetz über die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer.
Im Jahr 2010 hat sich Berlin für eine Schulstrukturreform entschieden. Diese Reform war richtig und notwendig. Das ehemalige System mit den Haupt- und Realschulen benachteiligte die Schülerinnen und Schüler und verschärfte die Segregation in unserer Stadt.
Mit ihrem Nutzen brachte die Reform auch viele Herausforderungen, denen wir entsprechen müssen: einerseits, die kontinuierliche Umsetzung der Reform voranzubringen, andererseits fehlte aber noch die Anpassung der Lehrerbildung an das reformierte Schulsystem, um den gestiegenen Ansprüchen an Lehrkräfte gerecht zu werden. Deshalb haben wir diese Aufgabe als wichtigstes
Zur Vorbereitung der Reform der Lehrerbildung setzte die Senatsbildungsverwaltung eine Expertenkommission ein. Die Empfehlungen, die im Bildungsausschuss eine sehr breite Akzeptanz fanden – daran kann ich mich noch erinnern –, haben Eingang in den Gesetzentwurf gefunden.
Die neuen Lehrerinnen und Lehrer müssen eine spezialisierte Ausbildung bekommen, die sich an der Schulart und dem Bildungsgrad der Schüler orientiert. Diese Differenzierung ist notwendig und eine große Gelegenheit, um die Fähigkeiten der neuen Lehrer zu erhöhen. Damit wird es auch möglich, die anachronistische Ausbildung von Hauptschullehrerinnen und -lehrern und Realschullehrerinnen und -lehrern abzuschaffen, für die es in Berlin keinen Bedarf mehr gibt. Damit schaffen wir einen binnendifferenzierten Unterricht und werden von dem Nutzen der Schulreform hundertprozentig profitieren.
Ein Praxissemester für die Lehramtsstudentinnen und -studenten einzurichten, ist ein anderer Punkt dieses Gesetzes. Die Einführung eines Praxissemesters ist eine Gelegenheit für die Studentinnen und Studenten, ihren zukünftigen Arbeitsplatz in der Realität zu erfahren. Das ist auch richtig, weil dies eine unverzichtbare Voraussetzung ist, um gute Lehrerinnen und Lehrer auszubilden, die an ihrem ersten Tag im Unterricht voll auf der Höhe sein müssen. Dennoch ist das nicht alles. Mit der Umsetzung eines Praxissemesters wird noch eine andere Zielrichtung verfolgt. Die Mentorinnen und Mentoren werden auch von den Studentinnen und Studenten lernen, denn diese bringen aus der Universität aktuelle Studieninhalte, aktuelle didaktische Methoden und Fachlichkeit mit. Das bedeutet, wenn die Lehrkräfte eine offene Einstellung zeigen, dass sie davon auch profitieren können. Die Gelegenheit eines fruchtbaren Austauschs zwischen Erfahrung und aktuellen theoretischen Inhalten ist ein relevanter Nutzen der Einführung eines Praxissemesters. Dabei werden nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer und Studentinnen und Studenten, sondern auch zukünftig das gesamte Berliner Schulsystem und seine Schülerinnen und Schüler profitieren.
Schulen sollten die Möglichkeit erhalten, fachliche Schwerpunkte für die Praktikantenzuteilung zu setzen. So könnte sich eine Schule je nach Interesse des Kollegiums beispielsweise auf die Fächer Deutsch und Mathematik als Ausbildungsfächer einigen. Lehrerinnen und Lehrer, die mehrere Praktikantentandems betreuen, sollten die Stundenermäßigung akkumulieren können. Praktikantinnen- und Praktikantengruppen können von den Mentoren zur gegenseitigen Reflexion sowie gemeinsamer Vorbe
reitung angeleitet werden. Durch die beiden genannten Punkte würden an den Schulen feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner mit einer spürbaren Stundenermäßigung entstehen. Auch Schulbesuche der Dozentinnen und Dozenten sowie die Fortbildung der Lehrkräfte würden erheblich vereinfacht. Die Koordination des Praktikums sollte von einer zentralen Steuerungseinheit übernommen werden. Hier wird vonseiten der Hochschule der Bedarf gemeldet und die Verteilung der Praktikantinnen und Praktikanten in Fachtandems an die Schulen organisiert. Eine solche zentrale Steuerungseinheit kann die Praktikantenzuteilung aktiv beeinflussen und dadurch fördern, dass auch Brennpunktschulen z. B. zu aktiven Ausbildungsschulen werden. Der Status quo, dass sich Studierende ihren Platz selbst suchen, und dadurch eine ungleiche Verteilung entsteht, würde aufgehoben werden.
Ich bin Abgeordneter für Moabit und Wedding. Die Situation der Schulen in meinem Wahlkreis ist Ihnen bestimmt bekannt.
In unserem Wahlprogramm haben wir groß und deutlich geschrieben: Die SPD will gute Bildung für Berlin, und zwar für alle. Ich bin sehr stolz darauf, Schritt für Schritt dieses Versprechen einzulösen. Das neue Berliner Lehrerbildungsgesetz ist ein weiterer Schritt. – Vielen Dank!