Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Punkt hatten Sie vielleicht sogar recht, Herr Oberg, mit Ihrer Kurzintervention. Die Zeit ist jetzt einfach vorangeschritten. Wahrscheinlich lohnt es sich überhaupt nicht, dass wir uns darüber unterhalten, warum Sie so lange gebraucht haben, bis dieser Gesetzesentwurf auf dem Tisch liegt. Fakt ist, er ist erst jetzt da, nachdem er bereits für das letzte Jahr angekündigt war, und wir müssen uns jetzt irgendwie damit beschäftigen, das, was umzusetzen ist, noch angemessen sachgerecht und fachlich zu beraten. Und ich hoffe, Sie nehmen – was ich unterschwellig herausgehört habe – das Prinzip, ein Gesetz kommt nicht aus dem Verfahren, wie es hineingeht, an dieser Stelle sehr ernst.
Dann schauen wir uns das einmal an: Sie haben doch eine ganze Menge mit relativ heißer Nadel gestrickt, würde ich sagen. Die Kollegin Kittler ist schon auf einiges davon eingegangen. Das gibt mir die Möglichkeit, exemplarisch ein paar Sachen herauszugreifen. – Das Problem Verordnungen: Hier steht an allen möglichen Stellen drin: „Näheres regelt die Senatsverwaltung in einer Verordnung.“ Das geht Ihrer Vorstellung nach bis dahin, dass Sie de facto Studien- und Prüfungsordnungen offensichtlich per Verordnung erlassen wollen, denn anders kann ich die Formulierungen in § 5 Abs. 5 Nr. 5, man regele dort die Ausgestaltung der Masterstudiengänge, nicht interpretieren. Sie wollen die Fächerkombination per Verordnung regeln. Frau Kittler hat das Problem mit dem musisch-künstlerischen Schwerpunkt bereits angesprochen. Die Fachlichkeit, die Sie selbst einfordern, wird irgendwie per Verordnung geregelt. Meine Damen und Herren von der Koalition! So geht das nicht, wir haben da nicht nur die Regelungsebene Land und Senatsverwaltung, wir haben hier auch ein Parlament, das bestimmte Dinge regeln muss, und wir haben ansonsten auch noch eine akademische Selbstverwaltung, die üblicherweise darauf pocht, gewisse Dinge auch regeln zu dürfen.
In dieser Verordnungsfrage scheint ein Prinzip durch. Wenn man es verfolgt, wie die Auseinandersetzung war, steht überall da „Näheres regelt eine Verordnung“, wo Sie sich nicht einigen konnten.
Das scheint jetzt ein Weg zu sein, aus Ihren internen Schwierigkeiten miteinander herauszukommen. Ich weiß nicht, wo Sie das aushandeln wollen, wir wollen diese Punkte jedenfalls in den Ausschüssen ansprechen und Vorschläge zu den Regelungen dort machen, denn wir sind der Ansicht, diese Punkte gehören mindestens in ihrem Rahmen in einem Gesetz geregelt und nicht einfach der Senatsverwaltung zur Verordnungsregelung überlassen.
Das Thema Masterstudiengänge wurde schon angesprochen. Herr Kollege Özışık! Sie haben mich jetzt gerade ein bisschen verwirrt.
Sie haben von einer erfolgreichen Schulstrukturreform gesprochen und sagen, es gehe jetzt darum, dass sich dann noch die Lehrerbildung an Schulort und Bildungsgrad orientieren solle. Ganz kurz! Das Prinzip der Schul
strukturreform, die wir in ihrem Kern und Wesensgehalt auch mitgetragen haben, war, dass wir uns jetzt nach den Altersabschnitten, nach den Bildungsphasen orientieren und eben nicht mehr nach irgendeiner willkürlichen Sortierung nach Schulformen. Genau dafür müssen wir künftig Lehrer und Lehrerinnen in diesem Bundesland ausbilden.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Martin Delius (PIRATEN): Das hat der Referent so aufgeschrieben!]
Ich habe ja keine Ahnung, warum Sie nicht längst sagen, das geht so nicht. Ich hätte da eine Ansage Ihrerseits erwartet, denn das, ehrlich gesagt, zementiert die Ungleichwertigkeit der Abschlüsse von ISS und Gymnasium. Das ist dann wirklich rückwärtsgewandt.
Es gibt in den Ausschüssen noch eine ganze Handvoll anderer Punkte, die wir auf jeden Fall ansprechen und beraten müssen, wo ich dann auch auf den Input der anzuhörenden Expertinnen und Experten von außen hoffe. Zum Beispiel kann ich, als jemand, der sich doch ein kleines bisschen mit Hochschulen auskennt, überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie glauben, dass die Zentren für Lehrerbildung auf diese Art und Weise einen Mehrwert für die professionelle Identitätsbildung von Lehrerinnen und Lehrern mit sich bringen würden.
Die Regelungen für die Quereinsteiger sind, glaube ich, durchaus etwas, worüber man noch einmal reden muss. Warum Sie da auf Einzelfallprüfung hinauswollen, weiß ich nicht, statt das abschließend zu regeln. Wir müssen uns über Fragen wie Teilzeitstudienmöglichkeiten auch im Praxissemester unterhalten und warum Sie die Teilnahme an den Fachseminaren in der zweiten Phase für Menschen, die an freien Schulen arbeiten, auf 5 Prozent reduzieren oder reglementieren wollen. Das verstehe ich jetzt auch nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Lehrer steht und fällt Schule. Sie können noch so viele Whiteboards, Laptops und Kuschelsofas in die Schulen stellen oder Projektgruppen einrichten, die Garantie dafür, dass Schüler im Unterricht etwas lernen und das für das spätere Leben auch behalten, ist ein Lehrer, der im Zentrum des Lernprozesses steht, der fachlich gut ausgebildet ist, der seine Fächer mit Leidenschaft lehrt und eine große Freude am Umgang mit jungen Menschen hat.
Schüler können wir uns nicht backen. Aber der nun vorliegende Gesetzesentwurf wird uns dabei helfen, eine neue Generation von Lehrern auszubilden, die besser für die alten fachlichen, aber auch die neuen pädagogischen Herausforderungen gewappnet sein werden. Liebe Frau Kittler! Die Chance, im nun anstehenden parlamentarischen Verfahren an diesem Gesetzesentwurf mitzuwirken, sollten wir deshalb gut nutzen. Der Gesetzesentwurf enthält schon jetzt richtige und wichtige Neuerungen. Ich möchte nur drei Beispiele nennen:
Erstens: Das eigens eingerichtete, aufgewertete und besser strukturierte Grundschullehramt der Berliner Grundschule hat mit der Schuleingangsphase und der sechsjährigen Dauer, die dazu führt, dass schon an der Grundschule fundierter Fachunterricht gegeben werden muss, eine besondere Ausrichtung, der dringend stärker Rechnung getragen werden muss. Sie hat ebenso die elementare Aufgabe, sichere Grundlagen in Sprache, Lesen und Rechnen für die weiterführenden Schulen zu legen. Da es an der Ausbildung dieser Grundkompetenzen bisher leider noch oft mangelt, ist es eine richtige Schlussfolgerung, die Fächer Deutsch und Mathematik für alle zukünftigen Grundschullehrer als verbindliche Studienfächer festzuschreiben.
Zweitens: Es wird mit der Einführung des Praxissemesters schon während des Studiums mehr Kontakt der Studierenden zum Schulalltag geben. Das wird durchweg von allen Praktikern gefordert und ist in allen anderen Studiengängen schon längst gang und gäbe. Das ist also eine wichtige und richtige Neuerung als solche, auch wenn wir den dafür angedachten Zeitpunkt – nämlich erst im Masterstudium kurz vor der Referendariatsphase – eindeutig für zu spät halten.
Drittens: Da schon jetzt insbesondere an Berufsschulen Lehrermangel herrscht, der sich höchstwahrscheinlich noch verschärfen wird, aber auch aus grundsätzlichen
Erwägungen heraus ist es richtig, den Lehramtsmaster unter bestimmten Bedingungen auch für Bachelor-, Diplom- und Magisterabsolventen zu öffnen, die zuvor keinen lehramtsbezogenen Studiengang durchlaufen haben. Die Entscheidung für den Lehrerberuf muss nicht bei allen im Alter von 20 Jahren fallen. Durch diese Regelung erschließen wir uns hoffentlich bisher noch nicht genutzte Talente und bringen mehr Lebens- und Berufserfahrung an unsere Schulen.
Ein Punkt war uns so wichtig, dass wir schon im Entstehungsprozess des Gesetzes mit der Senatsverwaltung viele Gespräche geführt haben. Wir sollten nicht bei der Formalie stehenbleiben, dass die nun geschaffenen Lehrämter die neue zweisäulige Schulstruktur abbilden, sondern wir müssen die künftigen Lehrer adäquat für die Schüler ausbilden, die an diesen Schulen lernen und ihre Abschlüsse machen. Diese Schüler machen zu gut 50 Prozent Abitur, zu gut 20 Prozent den mittleren Schulabschluss, zu 16 Prozent den einfachen oder erweiterten Hauptschulabschluss, und viel zu viele – acht Prozent – verlassen die Schule ohne Abschluss.
Vor diesem Hintergrund war es für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb wir nur noch Gymnasiallehrer ausbilden sollten. Es ist doch elementar für die Schüler, die stärker über praktische oder unternehmerische als über akademische Fähigkeiten verfügen, dass wir Lehrer haben, die einen Hauptschulabschluss oder einen MSA und damit den Zugang zur Berufsschulreife nicht geringschätzen, sondern alle ihre pädagogischen Fähigkeiten darin setzen, ihre Schüler zu diesem Ziel zu führen, was ja nicht leicht ist, wenn man sich die Schulabbrecherquoten ansieht.
Deshalb haben wir uns dafür eingesetzt, dass es, wenn es schon nicht zwei Lehrämter wie bisher sind, so doch zumindest zwei unterschiedliche Masterstudiengänge gibt, die in ihren Studieninhalten die unterschiedlichen pädagogischen und fachlichen Herausforderungen widerspiegeln, auf die die zukünftigen ISS- und Gymnasiallehrer im Schulalltag treffen werden.
Für heute zuletzt – und das ist mir auch sehr wichtig –: Mit einer modernisierten Lehrerausbildung allein ist es nicht getan. Gute Lehrer sind Vorbilder. Gute Lehrer haben Herzensbildung und natürliche Autorität. Für sie steht das Streben nach Wissen im Vordergrund, und sie sind bereit, mit der Erziehung junger Menschen große Verantwortung zu übernehmen. Gute Lehrer sind Persönlichkeiten und prägen. Solche Menschen sind rar gesät, und leider ist es auch so, dass viele Lehrer in Berlin, die noch im aktiven Dienst sind, nicht mehr zum Ergreifen des Lehrerberufs raten. Wir müssen also nicht nur ein neues Lehrerbildungsgesetz verabschieden, sondern wir müssen dringend für den Beruf des Lehrers werben, damit sich in Zukunft noch viel mehr Studenten als bisher
für die Lehramtsstudiengänge und insbesondere auch für den ISS-Master an unseren Universitäten einschreiben.
Ja! – Ich fände es klasse, wenn in Zukunft nicht nur die Gesichter von Haus- und Fachärzten in den Straßen prangen würden, die mir erklären, weshalb ihre Existenz wichtig ist, sondern wenn mir dort ein gestandener Lehrer oder eine gestandene Lehrerin erklären würde: Lehrer ist für mich der schönste Beruf, weil …
Vielen Dank, Herr Präsident! – Lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn Frau Schillhaneck sagt, sie habe nur ein paar Punkte, dann bleibt immer nicht viel übrig von dem, was sie noch sagen will. Ja, macht nichts!
Ich will noch mal auf den zeitlichen Verlauf eingehen. Das erste Mal davon gehört, dass es immer noch kein neues Lehrer- bzw. Lehrerinnenbildungsgesetz gibt, habe ich Anfang 2012. Ich bin in das Parlament gekommen und habe gedacht: Ach, es gibt schon eins, das dieser Strukturreform entspricht. – Da hieß es: Erst mal Kommissionsbericht, dann kommt es! – Zwei Monate haben wir im Ausschuss darüber geredet, und da hieß es: Aber jetzt kommt es. – Nach der Sommerpause 2012 haben wir noch mal nachgefragt. Da hieß es: Ja, ja, kommt bald! – Wenn ich für jedes Mal, wo ich von Herrn Rackles gehört habe, es sei in der Mitzeichnung, einen Euro hätte, müsste ich das beim Präsidenten anmelden. Wenn ich bei Nachfragen, warum und wie jetzt 1 000 neue Lehrer und Lehrerinnen, die in den Hochschulverträgen festgeschrieben wurden – den Universitäten aufoktroyiert wurden –, zustande kommen sollen und wie das finanziert werden