Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

[Ramona Pop (GRÜNE): Aber Sie stellen doch jetzt den Haushalt auf, nicht wir!]

Selbst wenn derartige Forderungen wie heute auf einfachem, auf schnellem Weg für Schlagzeilen sorgen – das sei Ihnen zugestanden – kann ich von Verantwortungsbewusstsein wirklich nicht sprechen. Denn in einer Situation, in der die Fakten nicht ausgewertet sind, in der keine konkreten Angaben zur weiteren Entwicklung des Baufortschrittes und der Kosten gegeben werden können, ist jede solche Prognose ein Schuss ins Blaue. Das hat mit Haushaltsklarheit, mit Haushaltswahrheit wenig zu tun. Das ist ein Popanz, den Sie hier aufbauen. Auch die Aussagen zu Beihilfeverfahren, die Sie einfordern, sind im Moment absolut überflüssig. Es deutet nichts darauf hin, dass sich die Situation der Flughafengesellschaft signi

(Steffen Zillich)

fikant geändert hat, seit die EU im letzten Jahr den Private-Investor-Check durchgeführt hat.

Wir als CDU-Fraktion, ich glaube, wir als Koalition insgesamt, sehen uns in der Verantwortung dafür, dass der BER fertiggestellt wird und dass sich die Kostenentwicklung in einem vertretbaren Rahmen bewegt. Das haben wir uns nicht ausgesucht, aber das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger Berlins zu Recht von uns erwarten. Wir werden den Hauptstadtflughafen fertigstellen, und wir werden die Berlinerinnen und Berliner in erheblichem Maß vom Fluglärm entlasten. Dieser Optimismus ist mir immer noch nicht genommen.

Auch wir möchten alsbald einen Termin für die Inbetriebnahme genannt bekommen und einen Überblick über die Kostenentwicklung. Wir möchten aber seriöse, verlässliche Zahlen. Wir brauchen keine Schlagzeilen. Wir wollen keinen Schuss aus der Hüfte. Wir wollen die Bestandsaufnahme abwarten und dann die Daten zur Kostenentwicklung und Inbetriebnahme bekommen, die wir brauchen. Dem kann und sollte unser Senat nicht vorgreifen, denn ein solcher Vorgriff wäre nichts anderes als Spekulation und Kaffeesatzleserei. Das wollen wir jedenfalls seitens der Koalition bei diesem Projekt gar nicht erst wieder einkehren lassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Evers! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Abgeordnete Pop. – Bitte sehr!

[Torsten Schneider (SPD): Jetzt gibt es einen Misstrauensantrag für Evers!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt mal ganz ernsthaft, lieber Herr Evers! Sie stellen hier gerade einen Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre auf. Der ist nicht mal eben vom Himmel gefallen. Den beraten wir seit Ende der Sommerpause. Ich finde, es mutet dann doch wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass sich just, nachdem wir diesen Doppelhaushalt im Dezember beschließen sollen – oder Sie ihn als Koalition beschließen werden –, ein paar Tage später der Aufsichtsrat trifft und die Kostenplanung aufbringt. Ich würde mir von dieser Regierung schon mehr Feinjustierung wünschen, damit nicht gerade kurz, nachdem Sie etwas beschlossen haben, das durch den Regierenden Bürgermeister wieder Makulatur wird. – Das zum Ersten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zum Zweiten: Ich würde mir – gerade von den Koalitionsabgeordneten – gerne etwas Selbstbewusstsein wünschen. Herr Kreins stellt sich hier hin und zitiert die Zeitungen und Protokolle, die ich auch gelesen habe, in

denen aber weder Sie noch ich konkrete Zahlen und Zeitpläne gefunden haben, weil Herr Mehdorn seit geraumer Zeit erklärt, er wisse noch nichts. Herr Amann hat seit – glaube ich – anderthalb Jahren eine Bestandsaufnahme gemacht, die jetzt offensichtlich für den Papierkorb gewesen ist, denn davon hat man nie wieder etwas gehört. Herr Evers wünscht sich auch mehr Informationen.

Ich frage mich, wann die Zeit gekommen ist, in der wir alle gemeinsam sagen: Wir haben ein riesiges Informationsdefizit. Wir müssen uns aus der Zeitung zusammenstoppeln, was vielleicht sein könnte. Wann beschließen wir gemeinsam einen Weg, um damit Schluss zu machen und eine vernünftige Informationspolitik von unserem Aufsichtsrat einzuklagen, der immerhin auch hier sitzt – egal, ob als Vorsitzender, kommissarischer oder stellvertretender Vorsitzender? – Ich glaube, dieser Zeitpunkt ist längst gekommen.

Diese beiden Dinge fordert unser Antrag: dass Sie keinen Doppelhaushalt beschließen, in dem Risiken in dreistelliger Millionenhöhe enthalten sind, die Sie heute noch gar nicht benennen können, und dass die Informationspolitik endlich eine andere wird. Da würde ich mir wünschen, dass die Koalitionsfraktionen mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen und nicht nur darüber jammern würden, dass keiner mit ihnen redet, und nicht mehr aus den Zeitungen irgendetwas lesen müssen, das vielleicht gar nicht stimmt. Sie sollten vielmehr endlich zur Tat schreiten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Sie sprechen also nicht Herrn Evers das Misstrauen aus!]

Vielen Dank, Frau Pop! – Herr Evers, möchten Sie antworten? – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Kollegin Pop! Erstens finde ich es gut, dass sich der Aufsichtsrat nicht nach dem Kalender der Politik und unserer Haushaltsberatungen richtet. Das ist auch nicht seine Aufgabe.

Zweitens haben wir eben schon darüber diskutiert, wie wahrscheinlich es ist, dass der Aufsichtsrat die von ihm gewünschte Information schon bekommen wird. Ich habe eben ausdrücklich darauf hingewiesen: Es ist gut, dass die Geschäftsführung dem Aufsichtsrat erst dann Informationen vorlegt, wenn sie seriös und belastbar sind. Das war in der Vergangenheit anders. Dass sich das geändert hat, ist ein Verdienst des Wechsels in der Geschäftsführung.

Zum Doppelhaushalt und zur Haushaltswahrheit und -klarheit: Aktuell ist noch eine Milliarde Euro der gebildeten Rücklagen vorhanden. Sie fordern bereits jetzt mehr Geld, und zwar aufgrund von Annahmen, die Sie

nicht belegen können, nämlich dass es Beträge ungefähr in der Höhe, die die „Bild“-Zeitung skizziert, mehr kosten wird, diesen Flughafen fertigzustellen. Warten wir das doch erst einmal auf der Grundlage neuer Daten ab! Ich finde es etwas verfrüht, wie Sie hier agieren. Im Übrigen rate ich zu mehr Gelassenheit. Wenn ich der Presse entnehme, dass Sie bei Herrn Nußbaum Sparschweine vermuten, mit denen all das abgefedert werden kann, was ein Schwarzmaler wie Herr Otto an Mehrkosten erwartet, dann freue ich mich, dass wir in Berlin so positive Steuerentwicklungen zu erwarten haben, denn auch das ist ein Verdienst der großen Koalition. Dafür bin ich dankbar.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Evers! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Delius. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen legen ihren Antrag vor, in dem sie fordern, dass innerhalb einem Monats ein Kosten- und Zeitplan für die Fertigstellung des BER vorgelegt wird und Aussagen darüber getroffen werden, ob ein EUBeihilfeverfahren notwendig wird. Das machen sie dringlich, weil Haushaltsberatungen sind. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich dem Eindruck erliegen, den Grünen sei jetzt erst aufgefallen, dass es teurer wird und länger dauert.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Ich weiß es aber besser, und die Grünen stehen mit ihrer Forderung nicht allein da. Ich kann nur daran erinnern, dass die Piratenfraktion bereits im Mai den Antrag auf Kassensturz bei der Flughafengesellschaft gestellt hat, zu dem sich die Oppositionsfraktionen positiv verhalten haben. Der wurde von der Koalition abgelehnt. Da hätten wir die Aussagen und präzisere Prognosen schon eher haben können. Die Piraten haben damals schon gefordert, Kosten durch die Verzögerung der Inbetriebnahme in einzelnen Posten aufzurechnen, die zu erwartenden Mehrkosten zumindest ansatzweise aufzuschlüsseln, die BER-Kredite und deren Finanzierungskosten aufzunehmen, die monatlichen Betriebskosten für Schönefeld-alt und Tegel aufzuzeigen und die Wirtschaftlichkeitsberechnung zu erneuern, die für dieses sehr lange Projekt schon veraltet sind.

Bei einem weiteren Antrag „BER-Neustart, aber richtig“ – zurückzuführen auf eine Initiative des Landesverbands der CDU – ging es um die planerische und finanzielle Neubewertung des gesamten Projekts. Das haben die Piraten schon im März 2013 gefordert, und das wurde ebenfalls von der Koalition abgelehnt. Auch da hätten wir schon eher Antworten haben können.

Es ist klar, dass die Erarbeitung des Zeitplans nicht Aufgabe des Senats ist. Wir brauchen aber eine Kostentransparenz und einen Zeitplan, und zwar nicht nur für die Haushaltsberatungen, sondern generell für das Projekt. Dazu kann ich auf eine Kleine Anfrage von mir verweisen. Da hat uns der Senat lapidar gesagt: Ja, es wird gerade ein neuer Inbetriebnahmeplan verfasst. Dieser Plan wird unter Zuhilfenahme von externen Beratern verfasst. – Vielleicht sollten wir die einmal fragen. Der Senat kann uns die Antwort ja nicht geben.

In unserer Großen Anfrage, die heute auf der Tagesordnung steht, aber nicht beantwortet werden wird, fragen wir in Frage 32 explizit nach den Kosten bzw. der Wahrscheinlichkeit eines neuen Verfahrens bei der EUKommission. Auf die Antwort bin ich sehr gespannt.

Bei aller Kritik bzw. Selbstbeweihräucherung jetzt zum Inhalt: Herr Evers ist gerade nicht da, sondern beim RBB. Dieser Termin blieb mir durch die Kurzintervention von Frau Pop versagt. – Herr Evers hat darauf hingewiesen, dass sich bei der Flughafengesellschaft seit dem letzten Beihilfeverfahren bzw. dem Privat-Investor-Test nichts geändert habe. Da hat Herr Evers im letzten Jahr irgendwas verpasst. Dass sich bei einer weiteren Verschiebung der Eröffnung, bei einem neuen Geschäftsführer, einer Umstrukturierung des Vorstands, einer Finanzgeschäftsführung, neuen Kosten, Problemen mit den Firmen, die weiterarbeiten sollen, nicht geändert habe, kann ich nicht sehen. Dass man da ein neues EU-Beihilfeverfahren nicht einmal im Ansatz bewertet und sich fragt, ob es notwendig wird, halte ich für durchaus sinnvoll.

Herr Kreins hat darauf hingewiesen, dass man die Kosten auch benennen können wird, bzw. er hat den Präsens verwendet und gesagt: Man kann die Kosten benennen. – Dem widerspricht der Regierende Bürgermeister. Ich weiß nicht, ob Sie gestern im Hauptausschuss waren. Der Regierende Bürgermeister hat zusammen mit Herrn Nußbaum ganz klar gesagt, es existiere anderthalb Jahre nach der Eröffnung keine Klarheit darüber, was es mehr kostet und wie lange es dauert, der Regierende Bürgermeister hat gesagt, er wisse noch nicht einmal, wann er wisse, was es mehr koste und wie lange es dauere. Das ist das Problem bei dieser Sache.

Die Probleme beim BER scheinen schon aufgrund dieser Aussage größer zu sein als die angenommene Brandschutzanlage. Mal gucken, was der Untersuchungsausschuss demnächst noch zutage fördert. Die Flughafengesellschaft hat ihr eigenes Projekt, das teuerste Projekt ihres Bestehens, nicht unter Kontrolle. Vor dem Hintergrund – bei aller Kritik an der Kurzfristigkeit des Antrags und seiner möglichen Unerfüllbarkeit – muss ich ganz klar sagen: Es ist unsere Pflicht als Abgeordnetenhaus, die Aussage, die die Grünen hier einfordern, zu unterstützen und zu sagen: Wir wollen wissen, was es kostet und wie lange es noch dauert, und wir wollen es jetzt wissen,

(Stefan Evers)

weil das für unsere parlamentarische Arbeit relevante Informationen sind.

Eine Sache noch: Unabhängig davon, ob es mit dem Haushalt zu tun hat oder nicht, wird uns dieses Projekt noch eine ganze Weile begleiten. Nach 2016 wird sich möglicherweise eine Regierung unter Beteiligung der Grünen noch mit dem Projekt befassen müssen. Wir müssen davon ausgehen, dass es sich zumindest in den ersten dreißig Jahren nicht wirtschaftlich trägt. Deshalb brauchen wir eine ernstzunehmende, dauerhafte parlamentarische Kontrolle für alle Großprojekte in der Stadt.

Sie müssen zum Schluss kommen!

Ja! – Das habe ich schon Anfang 2012 gefordert, und daran sollten wir arbeiten. Das kann der Antrag nicht leisten, aber wir werden dennoch zustimmen. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Antragstellerin hat die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen hingegen beantragen die Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer dem Antrag auf Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Der Antrag ist überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 15

Perspektive für die Berliner Beamtinnen und Beamten – Besoldungsniveau bis 2017 angleichen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 23. September 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 18. Oktober 2013 Drucksache 17/1234

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0523

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt

die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Taş. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über die Beamtenbesoldung, weil die Koalition ein Jahr gebraucht hat, um festzustellen, dass es für die Damen und Herren doch zu ambitioniert war, mal ihren Fahrplan oder überhaupt einen Fahrplan vorzulegen, wie das mit der Beamtensoldung so werden soll und wie die Gerechtigkeitslücken, die seit 2011 neu entstanden sind, geschlossen werden sollen.

Wie sieht es aus mit der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung? Dort steht, dass Sie den Abstand zu den anderen Ländern reduzieren wollen. Er wird aber immer größer. Wie sieht es aus mit den Ankündigungen von Senator Henkel, der heute nicht da ist? Was steht im Personalkonzept der CDU vom Sommer 2013? – Eigentlich steht überall das Gleiche: Wir packen das, wir schließen die Gerechtigkeitslücken, und wir erhöhen die Attraktivität des öffentlichen Dienstes in Berlin, damit nicht alle anderen Bundesländer und der Bund eine bessere Besoldung und eine klarere Perspektive anzubieten haben. Viel gesagt, geschrieben und versprochen, aber was passierte und passiert nun mit der Aufstellung des neuen Doppelhaushalts nach zwei Dritteln der Wahlperiode? – Nichts! Nicht einmal einen Plan, wann etwas passieren kann und wie viel Ungerechtigkeit wann verschwindet! Noch nicht einmal dazu können Sie sich durchringen, wohl aber zum weiteren Stellenabbau.

Ein Beispiel: Wir haben 409 unbesetzte Stellen beim öffentlichen Gesundheitsdienst, und wir haben die Aussage der zuständigen Staatssekretärin, dass bei dieser Personalausstattung auch gesetzliche Pflichtaufgaben warten müssen. Diese Warnung ignorieren Sie einfach. Ob wir nun die Feuerwehr nehmen oder den Justizvollzug: Wenn Sie so weitermachen, wird das Land Berlin auch andere gesetzlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen können.