zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die antragstellende Fraktion, die SPD. Ich erteile das Wort dem Kollegen Jahnke. – Bitte schön!
Danke, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Berlin ist Gründerhauptstadt und auch Gründerinnenhauptstadt, wie ich hervorheben will. Denn Männer wie gerade auch Frauen gründen in Berlin in stärkerem Maße als in jeder anderen Stadt und auch in jedem anderen Bundesland. Auf jeweils 10 000 Einwohner bezogen stand Berlin mit 126 Gewerbeneuanmeldungen im vergangenen Jahr erneut bundesweit an der Spitze vor Hamburg mit 110, Hessen mit 98, während der Bundesdurchschnitt nur bei 76 lag. In absoluten Zahlen bedeutet dies 48 072 neue Betriebe im Jahr 2012. Natürlich wurden auch Gewerbe abgemeldet, nämlich 36 600. Das heißt, unter dem Strich verzeichnet Berlin 2012 wie auch schon in den vergangenen Jahren einen Zuwachs von deutlich mehr als 10 000 Unternehmen. Und wenn auch im laufenden Jahr die Zahl der Gründungen bundesweit leicht rückläufig ist, können wir in Berlin abermals mit rund 44 000 Gewerbeneuanmeldungen rechnen. – So weit die nackten Zahlen, die für sich genommen schon beeindruckend sind. Doch schauen wir die Gründerszene genauer an!
Ein gängiges Vorurteil lautet, hier würden ja alle Scheinselbstständigen mitgezählt, die im Grunde genommen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien, die zum Teil aus dem Ausland kämen und nur auf diese Art überhaupt legal arbeiten könnten, wodurch die Zahl der Gründungen künstlich aufgebläht würde. Dies mag in einzelnen Bereichen durchaus der Fall sein, doch lässt es sich längst nicht über alle Branchen sagen und auch nicht in dieser großen Zahl. Im Übrigen wäre dies auch beim Vergleich mit anderen Bundesländern zu berücksichtigen, sodass Berlins relative Position als Gründerhauptstadt hiervon unberührt bliebe.
Werfen wir nun einen Blick auf die einzelnen Branchen, in denen gegründet wird! Die gute Konjunktur in der Bauwirtschaft spiegelt sich in einer hohen Zahl von Gründungen wider. Ebenso ist es im Handel und bei Dienstleistungen aller Art, wo sich gerade auch die ständig wachsende Beliebtheit Berlins als Ziel im internationalen Tourismus niederschlägt. Aber auch im verarbeitenden Gewerbe gab es im Jahr 2012 deutlich über 1 000 Neugründungen. Das heißt, der Prozess der Reindustrialisierung kommt sichtlich voran, vor allem in den definierten Clustern.
Hier sticht der IKT-Bereich mit über 2 000 Gründungen besonders hervor. Mit Fug und Recht kann sich Berlin daher als Start-up-Hauptstadt Deutschlands bezeichnen. Mag der gelegentliche Vergleich mit dem Silicon Valley noch etwas ehrgeizig klingen – in Deutschland bekleidet
Berlin jedenfalls die Spitzenposition, wie auch gerade der in diesem Sommer veröffentlichte Start-up-Monitor des Bundesverbandes Deutsche Startups belegt. Hiernach sind Start-ups definiert als Unternehmen, die jünger als zehn Jahre sind und sich durch ein großes Mitarbeiterwachstum, aber auch ein Wachstum in anderen Kennzahlen auszeichnen und ein hohes Innovationspotenzial vorzuweisen haben. Allein das macht deutlich, dass es sich nicht um Einpersonenunternehmen handelt, sondern dass Start-ups Unternehmen sind, die erstens auf Dauer und zweitens auf schnelles Wachstum angelegt sind und hoch hinaus wollen. So beschäftigen beispielsweise klassische Gründer in ihrem ersten Geschäftsjahr statistisch 0,8 Mitarbeiter, Start-ups hingegen haben schon in dieser frühen Phase 3,6 Angestellte.
Noch erfreulicher wird es, wenn wir auf den weiteren Verlauf der Start-ups schauen: Außerhalb Berlins beschäftigen Start-ups deutschlandweit etwa 9,2 Mitarbeiter, in Berlin 15,3, also anderthalbmal so viele wie im übrigen Bundesgebiet.
Auch der Blick in die weitere Zukunftsplanung der Unternehmen sollte uns zuversichtlich stimmen. Während die Start-up-Unternehmer bundesweit angaben, im kommenden Jahr fünf neue Mitarbeiter anzustellen, sind es in Berlin durchschnittlich zehn. Start-ups sind also ein nicht zu unterschätzender Jobmotor und eine treibende Kraft, was den Innovationsstandort Berlin angeht.
Gerade in der letzten Woche habe ich wieder ein Startup-Unternehmen – gleich hier um die Ecke, in BerlinMitte – besucht. Der Gründungsprozess dieses Unternehmens ist durchaus typisch: Ein Gründerduo, zwei Akademiker, einer mehr technisch, der andere mehr kaufmännisch orientiert, hat eine zündende Idee, findet im privaten Umfeld Geldgeber, wird auch von der IBB unterstützt. Das Unternehmen wächst rapide, weil die Geschäftsidee gut ist. Und keine fünf Jahre später ist aus dem Zwei-Mann-Unternehmen ein Unternehmen mit 130 Beschäftigten geworden, größtenteils sehr jungen Leuten aus aller Herren Ländern, an zahlreichen Computermonitoren sitzend und Webseiten in Dutzend verschiedenen Sprachen erstellend.
Internationalität ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für ein Unternehmen dieser Art. Diese Fachkräfte aus aller Welt nach Berlin zu holen, ist auf jeden Fall leichter als nach Bielefeld oder Ulm und inzwischen auch einfacher als nach München. Berlin wirkt anziehend auf Menschen aus aller Welt, insbesondere auf junge Menschen. Wir sind eine wachsende, sich verjüngende Metropole.
Welche Akzente hat die Politik gesetzt, die zu dieser positiven Entwicklung beitrugen? – Es läge mir fern, der Politik die einzig entscheidende Rolle zuzuschreiben, etwa nach der Art, wie man früher in der DDR witzelte:
Die Sonne scheint, der Himmel lacht, das hat die SED gemacht. – Das wäre etwas, womit man die Initiative und den Unternehmergeist der Gründerinnen und Gründer verleugnete, was an den Tatsachen völlig vorbeiginge. Doch lässt sich feststellen, dass die Politik in den letzten zehn Jahren die richtigen Akzente gesetzt hat. Schon in den beiden zurückliegenden Legislaturperioden hat die SPD gemeinsam mit der Linksfraktion die richtigen Weichen gestellt. Hieran kann die jetzige rot-schwarze Koalition anknüpfen.
Da wäre zum einen die erfolgreiche Clusterpolitik Berlins zu nennen. Gerade diese oft technologisch orientierten Unternehmen schätzen unsere spezialisierten Cluster mit ihren Synergieeffekten sehr, siedeln sich hier gerne an. Die gezielte Förderung in den Clustern ist ein zusätzlicher Anreiz.
Zweitens: Auch finden sich hier in Berlin viele gut ausgebildete Arbeitskräfte, Fachkräfte, an den Universitäten und anderen Hochschulen. Und auch in den Schulen gehen wir mit einer stärkeren Förderung der MINTFächer voran, was gerade im technologischen Bereich die Zukunft schlechthin darstellt.
Drittens: Die Technologieförderung ist seit diesem Jahr in die allgemeine Wirtschaftsförderung integriert. Auch dies verbessert die Förderung aus einer Hand, verbessert den Wissenstransfer und die Umsetzung von Forschung in Produkte. Hier werden auch die vielen FraunhoferInstitute und andere Institute, die wir haben, beteiligt, und es kommt auch zu Ausgründungen, was gerade für die Start-up-Szene ganz entscheidend ist.
Hiermit bin ich beim vierten Punkt: Gründen kann man besonders gut in Gründerzentren. Da wird in Berlin eine Menge getan. Die Beispiele Adlershof und Buch sind Legende. Das Gründerzentrum CHIC in Charlottenburg steht kurz vor der Vollendung, ist schon fast ausgebucht. Das Gründerzentrum Südwest wurde erwähnt. Außerhalb dieser Zukunftsorte gibt es auch noch kleinere Projekte, die eine Rolle spielen: das Gründerzentren am Technologiepark Humboldthain oder – wieder speziell für Frauen – die Weiberwirtschaft. Natürlich wird auch der Cleantech Park Marzahn-Hellersdorf etwas Ähnliches auf die Beine stellen und eines Tages auch der Zukunftsort Tegel.
Ich will noch zum CHIC und zum Standort des Campus Charlottenburg etwas sagen. Hier sieht man besonders deutlich, wie UdK und TU nebeneinander zwei ganz wichtige Bereiche verbinden. Das spielte auch bei einem Unternehmen wie Apple international eine ganz entscheidende Rolle. Steve Jobs war deshalb genial, weil er Technik mit Design verband, weil eine künstlerische Komponente und eine technische ineinandergingen. Das macht das Produkt aus. Und wir sehen gerade an dem Standort in der City West intensiv, wie Berlin als Kul
turhauptstadt wiederum interessant für die Gründerhauptstadt ist, wie sich diese beiden Milieus in den innerstädtischen Bezirken insgesamt wunderbar ergänzen. In BerlinMitte haben wir die meisten Gründungen, aber auch in Friedrichshain-Kreuzberg und in Prenzlauer Berg und in den Außenbezirken sicherlich auch einige.
Ich komme zum fünften Punkt, zur monetären Wirtschaftsförderung. Die meisten Start-ups haben zum Gründungszeitpunkt einen Kapitalbedarf von über 50 000 Euro, sagen allerdings, dass sie bei den meisten Banken keine passenden oder gar keine Kredite finden. In einer Umfrage für den Deutschen Startup Monitor 2013 gaben nur 19 Prozent der Unternehmen an, dass Banken wichtige Finanzierungspartner seien. Sie haben sehr häufig Kapital aus dem privaten Bereich, durch private Fonds oder schlicht von Familienmitgliedern erhalten. Wir in Berlin allerdings bemühen uns mit vielfältigen öffentlichen Förderprogrammen, auch Starthilfe für diese jungen Unternehmen zu geben. 55 Prozent aller Berliner Startups haben ihr Startkapital oder zumindest Teile davon von einem öffentlichen Investor erhalten. Außerhalb Berlins sind es nur 34 Prozent.
Die landeseigene IBB ist die aktivste Venture-CapitalGesellschaft Deutschlands, obwohl sie ihr Geschäftsfeld nur auf Berlin beschränkt. Ihre Beteiligungsgesellschaft ist an zahlreichen Start-up-Unternehmen beteiligt. Allein im Jahr 2012 haben die VC-Gesellschaften der IBB 594 Beteiligungen abgeschlossen.
Der Erfolg Berlins bei Gründungen insbesondere im Start-up-Bereich, beim Beschäftigungszuwachs, bei der Schaffung einer international angesagten, kulturell und sozial lebenswerten Metropole bestätigt unsere Strategie. Wir werden diese Erfolgsgeschichte fortschreiben. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Kollege Jahnke! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Ludwig das Wort. – Bitte schön!
Herrschaften! Da wird im Saal gepfiffen. Ich bin ja auch für fröhliche Veranstaltungen, aber wir sind hier im Parlament.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kreuzberg, dritter Hinterhof, ausrangierte Bürostühle, Montag bis Sonntag von 9 bis 9 und gerne auch länger – das klingt nicht sexy, kann aber ziemlich erfolgreich sein. So habe ich persönlich als zweite Mitarbeiterin 1999 ein Berliner Start-up hautnah erlebt. Das von den Samwer-Brüdern gegründete alando.de, das der Grund
stein ihrer Erfolgsgeschichte war, und heute mit Rocket Internet nicht nur Berlins wichtigster Internetinkubator, sondern auch weltweit die Nr.1 mit so bekannten Namen wie Zalando, Jamba und Home 24 ist. Wie so oft in der Szene üblich: Erst macht man mit, dann macht man es selbst. Also gründete ich wenige Monate später mit Freunden und Venture-Capital, das natürlich nicht aus Berlin stammte, ein eigenes Internet-Start-up. In dieser Zeit zwischen Pizzakartons und Investorengesprächen, im Wettlauf mit der Zeit gegen die internationale Konkurrenz und das Platzen der Dotcom-Blase, hätte ich mich mehr als gewundert, wenn Wolfgang Branoner, der damalige Wirtschaftssenator, sich meinen, unseren hart erarbeiteten Erfolg auf die Fahnen geschrieben hätte,
so, wie Sie es nämlich heute tun. Einen Vorgeschmack haben wir eben schon von Herrn Jahnke bekommen, vorhin noch jeweils fünf Minuten von Herrn Karge und Herrn Melzer. Ehrlich gesagt, Frau Yzer, von Ihnen erwarte ich heute auch nicht viel anderes in Ihrer Rede.
Diese erfolgreiche Entwicklung können Sie sich nicht zu eigen machen. Es sind die Samwers dieser Welt und jeder einzelne Kreative, jeder Gründer, der diese Stadt zur Hauptstadt der Start-ups in Deutschland gemacht hat und auch weiterhin hoffentlich zum Erfolg führen wird.
Es ist leider so, die Berliner Start-up-Szene hat überhaupt keine Erwartungen mehr an die Berliner Politik, sondern sagt mir wörtlich: Ach, wir kommen gut klar, Frau Ludwig, danke, auch trotz dieser Berliner Politik.
Berlin ist Deutschlands aktivste Gründermetropole, das haben wir schon gehört. Wir haben stabile Wachstumszahlen bei den Gründungen, und inzwischen wagen sich auch die einen oder anderen Wagniskapitalgeber mit einem Büro nach Berlin. Man kann ehrlich hoffen, dass diese Entwicklung auch nachhaltig für die Stadt ist. Doch es wird nicht reichen, hier zu stehen, sich über die Entwicklung zu freuen und einfach zu hoffen, dass alles so weitergeht wie bisher. Da hilft auch Ihre neue Broschüre „Digitale Wirtschaft in Berlin“ nicht wirklich weiter. Die Gründerszene braucht keine Liste mit Kontaktadressen – die finden sie alle im Internet –, die Berliner Start-upSzene braucht Vertrauen, echte Wertschätzung und eine Regierung, die schnell richtige Rahmenbedingungen schafft.
Sie hätten ja in den Haushaltsberatungen die Chance gehabt, etwas zu tun. Anstatt zum Beispiel wieder 3 Millionen Euro in die Be-Berlin-Kampagne zu stecken,
die inzwischen mehr als fragwürdig ist, hätten sie umschichten und ein starkes Signal in Richtung der Gründer und Start-ups dieser Stadt setzen können.
Auch die viel zitierte McKinsey-Studie zeigt sehr gut die Schwachstellen auf und gibt wichtige und richtige Handlungsempfehlungen. Nur, man muss dann auch handeln. Das sehe ich bei Ihnen bisher leider nicht.
Ich fange mit drei Beispielen an: Erstens, schreiben Sie selbst, Frau Yzer, in der eben von mir benannten Broschüre zur Berliner Digitalwirtschaft:
Berlin ist vielseitig, pulsierend, international. In den Firmen wird Englisch gesprochen, für den Weltmarkt entwickelt und global gedacht.
Wann aber machen Sie auch die Berliner Verwaltung fit für diese Internationalität? Wann können Gründer zu einer mehrsprachigen One-Stop-Agency kommen? Wann werden deren internationale Partner in dieser Stadt willkommen geheißen, statt wie Bittsteller behandelt? Haben Sie einmal versucht, den einheitlichen Ansprechpartner in englischer Sprache zu nutzen, also nicht nur auf das Englisch-Schild zu klicken, sondern tatsächlich einmal ausprobiert, es zu nutzen? Ich tippe, das haben Sie nicht, denn sonst wüssten Sie, dass das gar nicht möglich ist. Es ist mehr als überfällig, hier nachzubessern.
Als kleiner Vorschlag: Vielleicht können Sie einmal überlegen, ob die Internet-Sprachschule Babbel, die Sie auch in Ihrer Broschüre auflisten und darstellen, Ihnen nicht helfen kann.
Zweitens: National rückt Berlin als Gründermetropole nach vorn. In Europa liegt Berlin auf Platz 5, international aber nur auf Platz 15. Da lohnt ein Blick zur großen Mutter aller Gründer, dem Silicon Valley. Was hat eigentlich dazu geführt, dass aus diesem Valley, das Silicon Valley wurde?
Die Uni Stanford ist die zentrale Drehscheibe der dortigen Start-up-Szene. Und Berlin? Wir haben tolle Unis, aber hinsichtlich des Themas Start-ups spielen Sie bisher nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn jetzt mit dem TGZ, das Herr Karge heute schon erwähnt hat und bei dem auch meine Fraktion nicht ganz untätig war, ein absolut richtiger Schritt gegangen worden ist. Aber die vorhandenen Aktivitäten, die es an den Unis gibt, die müssen natürlich gebündelt werden. Nur dann hat Berlin wirklich die Chance, zur „Silicon Alley“ zu werden, wie uns die „New York Times“ bereits vorzeitig adelte.