Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Remlinger. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Senatorinnen und Senatoren! Ich möchte hier mitnichten die Debatte um die Parlamentsreform wieder eröffnen. Ich kann auch wahrlich nicht behaupten, dass ich mich auf die Änderungen der Geschäftsordnung freue, wenn die so kommen, wie Sie es bis jetzt planen. Aber einen Schritt, glaube ich, in Richtung, was selbstverständlich sein sollte, werden wir dann tun, nämlich dass eine Senatorin ihr Gesetz hier auch einbringt und mit den Abgeordneten diskutiert, und dies bevor in der Zeitung bereits steht, dass folgende Änderungen für das nächste Schuljahr greifen werden. Ich glaube, da ist in der Abfolge ein bisschen was durcheinander geraten.
Zweitens darf ich zu dem Gesetz sagen, es steht so ein bisschen unter dem Motto: Was lange währt, wird noch lange nicht gut. Es ruft in der Tat – auch nachdem es sehr lange gedauert hat, bis Sie sich als Koalition hier geeinigt haben – bei uns sehr gemischte Gefühle hervor.
Es gibt viele Punkte, die wir durchaus begrüßen, das möchte ich nicht verschweigen. Wir freuen uns, dass Bezirkskinder nun bei der Vergabe von Oberschulplätzen stärker berücksichtigt werden. Das ist familienfreundlich. Und auch wenn die Kinder im Oberschulalter – hoffentlich – von ihren Eltern nicht mehr unbedingt mit dem Auto zur Schule gebracht werden müssen, werden sich die Familien entlastet fühlen und auch die Schülerinnen und Schüler werden sich freuen, wenn sie es nicht ganz so weit zur Schule haben und am Nachmittag nicht noch einmal quer durch die Stadt fahren müssen, falls sie Mitschülerinnen und Mitschüler besuchen wollen. Wir begrüßen auch die Berücksichtigung von Geschwisterkindern an Oberschulen. Das ist kein neues Thema, aber ein notwendiger Schritt. Wir freuen uns auch hier, dass dieses Thema anerkannt ist. Auch dies entlastet Familien und ist sinnvoll. Wir befürworten auch durchaus die neue Beratungspflicht für Eltern, die ihre Kinder auf das Gymnasium schicken wollen. Ich freue mich auch – es darf schon auch bemerkt werden, dass offensichtlich viel Arbeit in diesem Gesetzentwurf steckt und die Verwaltung hier sehr detailliert gearbeitet hat –, dass auch Erleichterungen für einen Auslandsaufenthalt hier enthalten sind.
Zwei Punkte werden wir allerdings eingehender beraten müssen, weil wir sie für missraten halten. – Frau Senatorin, ich weiß nicht, ob und wie Sie vorhaben, Ihre Fehde gegen die freien Schulen im Land Berlin weiterzuführen.
Wir hatten gehofft, dass Sie aus der steifen Brise, die Ihnen nach dem ersten Entwurf dieses Gesetzes ins Gesicht geweht ist, gelernt haben würden. Aber, wie es leider so ist, gibt es offensichtlich nur einen Punkt, wann die berufliche Bildung hier in Berlin einmal im Parlament thematisiert wird, nämlich dann, wenn beide Seiten einen Rückzugsweg brauchen, damit Gesichtsverlust auf beiden Seiten vermieden wird.
Ich sage, man würde sich wünschen, dass man sich mit den freien beruflichen Schulen auseinandersetzt. Wir verschließen uns einer Diskussion über einen gewissen Wildwuchs nicht grundsätzlich. Aber Ihre Einschränkung für die neuen Berufsschulen geht am eigentlichen Problem komplett vorbei. Wir haben einen akuten Fachkräftebedarf, zum Beispiel im Pflege- und Gesundheitsbereich.
Wenn Sie als Senat nun vorhaben, die Schulgründungen, in den Bereichen, in denen Fachkräfte fehlen, zu behindern, dann, finde ich, könnten Sie sich hier hinstellen – das würde ich auch begrüßen – und sagen: Diese Schulplätze stellen wir zur Verfügung.
Ansonsten aber schlage ich vor, dass Sie sich weniger darum sorgen, ob sich hier neue Schulen gründen, sondern dass Sie sich um die Qualität dieser Schulen kümmern und dass Sie nicht sagen, Sie hätten da viel getan – das Gegenteil ist der Fall!
Noch strittiger aber ist das Thema Sprachförderung. Die Bedeutung der Sprachförderung ist vollkommen unstrittig. Aber was Sie hier machen ist reine ordnungspolitische Symbolpolitik. Sie haben auch jetzt bereits die Möglichkeit, zu einem Zwangsgeld zu greifen. Was hier substanziell anders sein soll, werden Sie uns erklären müssen. Dass wir ein Bußgeld für falsch halten, möchte ich hier vorab betonen, da werden wir uns in der Tat eingehender auseinandersetzen müssen. Gehen Sie doch bitte den Gründen nach! Prüfen Sie doch erst einmal, ob eine Einladung für den Sprachtest tatsächlich angekommen ist oder ob die Familien vielleicht gerade im Ausland waren!
Prüfen Sie doch, ob vielleicht aufgrund sprachlicher Hemmnisse der Brief des Polizeipräsidenten oder auch des Schulamtes nicht verstanden worden ist! Dann gehen Sie bitte dem nach!
Sorgen Sie dafür, dass verbindliche Gespräche stattfinden und verbindliche Vereinbarungen mit den Eltern geschlossen werden! Dies wäre sinnvoller als ordnungspolitische Maßnahmen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Remlinger! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Özışık. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Das Schulgesetz wird mit vielen kleinen Änderungen für Berliner Schülerinnen und Schüler angepasst und optimiert. Gesetze sind lebendig und dynamisch wie unsere Stadt und die Gesellschaft. Diese Entwicklungen in der Gesellschaft müssen sich auch im Schulgesetz widerspiegeln. Ich möchte nun auf einige geplante Änderungen im Schulgesetz eingehen.
Jedes Kind ist individuell. Einige Kinder benötigen gerade in der Schulanfangsphase mehr Zeit. Grundschulen, die die Jahrgangsstufe 1 bis 3 jahrgangsübergreifend verbinden, dürfen künftig die Schulanfangsphase von zwei auf drei Jahrgangsstufe erweitern, sodass Kinder ein weiteres Jahr in der Schulanfangsphase verweilen dürfen. Schülerinnen und Schüler, die in der zehnten Jahrgangsstufe ein Auslandsjahr verbringen, brauchen nur für die MSA-Prüfungen ihren Aufenthalt nicht zu unterbrechen. Sie werden nach dem Aufenthalt das erste Semester der 11. Klasse direkt besuchen können. Das erste Semester wird eine Probezeit werden. Bei Nichtbestehen erfolgt eine Wiederholung der 10. Klasse.
Eltern, die ihre Kinder mit schwachen schulischen Leistungen – in der Verordnung wird eine Durchschnittsnote der Förderprognose von 3,0 oder höher gemeint sein – gleichwohl am Gymnasium anmelden wollen – die unbedingt das Gymnasium wählen wollen –, dürfen nur nach einem verpflichtenden Beratungsgespräch aufgenommen werden.
Falls es Eltern nicht gelingen sollte, ihr Kind an der ersten Grundschule anzumelden, erhält das Kind bei der Anmeldung an der zweiten oder dritten Grundschule Vorrang vor anderen Kindern, vorausgesetzt, sie wohnen in dem Bezirk, wo sich die Schule befindet. Damit helfen wir Familien und fördern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Falls bei der Zulassung zur Oberschule in ein Gymnasium oder in eine Sekundarschule weniger Plätze bestehen als Bewerbungen, werden Geschwisterkinder bei der Aufnahme bevorzugt behandelt. Gegen Erziehungsberechtigte, die nicht dafür Sorge tragen, dass ihr Kind an der verpflichtenden Sprachstandsfeststellung oder anschließender Sprachförderung teilnehmen, kann künftig ein Bußgeld bis zu 2 500 Euro verhängt werden.
Schulen in freier Trägerschaft werden, wenn schulpflichtige Schülerinnen und Schüler die Privatschule veranlassen und wenn Schüler, die in den Jahrgangsstufen 1 und 7 an der Ersatzschule aufgenommen werden, zur Mitteilung an das für die Überwachung der Schulpflicht zuständige Schulamt verpflichtet. Außerdem wird die staatliche internationale Nelson-Mandela-Schule mit diesen Änderungen des Schulgesetzes zukünftig in eine zentral verwaltete Schule um 1. Januar 2014 umgewandelt.
Ich habe einfach versucht, einige Dinge aus diesen Änderungen vorzustellen und kann zum Ende meiner Rede nur noch empfehlen, die Gesetzesvorlage zur Änderung des Schulgesetzes zu beschließen, um eine zeitnahe Verabschiedung auch zu gewährleisten. Diese ist insbesondere für die Änderung in Bezug auf das Aufnahmeverfahren in die Sek I, die bereits für das im Frühjahr beginnende Anmeldeverfahren greifen sollen, sehr notwendig. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Özışık! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Kittler. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es brauchte einmal wieder viel zu lange, bis sich die Koalition einig war, so lange, sodass der Senat hier etwas einreicht, was er ohne Beratung oder Beschlussfassung im Plenum oder im Ausschuss offensichtlich schon in Kraft gesetzt hat, zumindest für die Nelson-MandelaSchule und bei der Überschreitung der Durchschnittsnote bei der Anmeldung für das Gymnasium. Hier sind die Anfangstermine auf den 1. Januar bzw. 1. Februar festgesetzt. Mich interessiert, was passiert, wenn wir hier etwas anderes beschließen. Es könnte durchaus sein. Eigentlich sollten das die Abgeordneten doch diskutieren, eventuell notwendige Änderungen vornehmen und somit entscheiden.
Wir befinden uns hier genauso im Zeitdilemma wie beim Lehrkräftebildungsgesetz, wo die CDU auf Zeit spielt oder wie auch schon bei den immer noch nicht beschlossenen Regelungen zu den Arbeitszeitkonten für Lehrkräfte. Bei letzteren ist die Anmeldefrist für die Inanspruchnahme von Regelungen, ohne dass wir hier dazu beraten
haben, vor zwei Tagen sogar schon abgelaufen. Wie demokratisch ist es, etwas schon in Kraft treten zu lassen und den Schulen schon zu sagen, wie sie verfahren sollen, ohne dass es hier einen Beschluss dazu gibt?
Im vorliegenden Entwurf gibt es mehrere Änderungsvorschläge zum gültigen Schulgesetz, über die die Linksfraktion diskutieren will und die unserer Meinung nach zurückgenommen werden müssen. Außerdem ist es zum einen schwierig, über Gesetzesänderungen zu diskutieren, die den Senat ermächtigen, die Änderungen über Verordnungen zu regeln, die wir überhaupt noch nicht kennen. Da wird hoffentlich die Ausschussdebatte mehr Klarheit bringen, die wir zum anderen mit der Erwartung verbinden, dass eine Anhörung stattfindet. Ehe diese durchgeführt und ausgewertet ist und hier die zweite Lesung des Gesetzes stattfindet, sind die Oberschulen schon mitten in der Anmeldezeit für die neuen 7. Klassen. Damit könnten die Schulen in eine zumindest rechtlich schwierige Lage gebracht werden, denn es könnten zum Beispiel Eltern, deren Kinder jetzt benachteiligt werden, klagen.
Wenn die Koalition das unter Schulfrieden versteht, dann sage ich dazu nur: Nun, ja! Gerade über die Beratungspflicht für Anmeldungen am Gymnasium, wenn Kinder über einem uns noch unbekannten Notendurchschnitt liegen, ist doch aber wohl zu diskutieren. Was soll denn damit eigentlich erreicht werden? Soll erreicht werden, dass diese Kinder, die trotzdem eine besondere Begabung haben können, die sie durchaus ein Studium anstreben lassen könnte, oder die aus dem Grund, weil sie eine emotional-soziale Behinderung haben und daher nicht einem Durchschnittswert entsprechen, in die Reste-ISS sollen? Es ist merkwürdig, dass ich in meinem langen Dasein als Lehrerin so viele Schülerinnen und Schüler erlebt haben, die ohne gymnasiale Empfehlung in meine Gesamtschule gekommen sind und dort trotzdem das Abitur geschafft haben. Eine solche Förderung kann doch auch ein Gymnasium hinbekommen.
Worüber wir auch reden müssen, ist die Bevorzugung von Kindern aus dem Bezirk, in dem sich die Schule befindet. Sollte hier nicht vielmehr die Entfernung zählen. Da bewirbt sich beispielsweise ein Kind aus Rosenthal in einer Schule im Märkischen Viertel und soll dort nicht genommen werden, weil sich auch ein Kind aus Heiligensee bewirbt. – Wie logisch ist das denn?
Um ein weiteres, noch viel schwerwiegenderes Problem aus dem Gesetzentwurf herauszugreifen, muss ich etwas zu der angestrebten Bußgeldeinführung sagen. Die unter Rot-Rot eingeführte Sprachstandsfeststellung soll doch eigentlich der frühzeitigen Feststellung von speziellem Förderbedarf und der Einleitung von Maßnahmen zur
individuellen Förderung dienen. Der Kontakt mit den Eltern spielt dabei eine besondere Rolle. Wenn es nach dem Willen der Koalition geht, wird aus der Einladung zur Sprachstandsfeststellung künftig eine Vorladung. Unter Androhung von Bußgeld wird nunmehr aus dem Recht des Kindes auf Frühförderung ein Zwang. Dabei gibt es keinerlei Belege für den Unwillen von Eltern. Der Senat hat keinerlei Überblick darüber. Er schließt das rein formal aus der Differenz von Angeschriebenen und Rückläufen. Die Gründe hierfür sind schon von Frau Remlinger dazu genannt worden.
Wir erwarten eine ernsthafte Debatte dazu und nicht nur ein Abnicken der Vorlagen und hoffen, dass dies hier alle im Haus wollen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kittler! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Bentele. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir die Novelle des Schulgesetzes in der ersten Hälfte der Legislaturperiode beraten können und vor allem, dass wir das noch so rechtzeitig tun können, dass das Inkrafttreten zum kommenden Schuljahr gesichert ist. Meine Freude ist deshalb auch so groß, weil wir in mindestens vier Punkten wichtige CDU-Forderungen umsetzen können.
Erstens: In Zukunft werden alle Geschwister in die gleiche Schule gehen können, auch wenn diese übernachgefragt ist. Hierfür haben wir das Gesetz dahin gehend geändert, dass entweder Plätze aus dem Härtefallkontingent oder aus dem Loskontingent zur Verfügung gestellt werden können, sofern die Geschwisterkinder nicht ohnehin die Bedingungen der Aufnahmekriterien der Schule erfüllen. Die Einführung einer Geschwisterkindregelung war eine Forderung, die eine Vielzahl von Eltern im Wahlkampf 2011 an uns herangetragen hat.
Denn damit wird ihnen nicht nur die Schulauswahl erleichtert, sondern so macht ihr Engagement in den schulischen und eventuell auch überschulischen Gremien, Fördervereinen oder Elterninitiativen richtig Sinn.