Das betrifft zunächst die Lehrerinnen und Lehrer. Einen wesentlichen Schwerpunkt legen wir auf die Qualifikation unserer Lehrkräfte. Wir wollen sie nicht überfordern, sondern wir machen sie kompetent für den Umgang mit einer Schülerschaft, die immer heterogener wird und auch nach unserem Willen immer heterogener werden soll. Wir bilden Schulleiter fort, damit sie die entsprechenden Prozesse in ihren Schulen steuern können. Wir qualifizieren Schulentwicklungsberaterinnen und -berater, die die Schulen fortunterstützen. Und wir bilden Pädagoginnen und Pädagogen im Bereich der Unterrichtsentwicklung weiter aus.
Sie haben gerade zu Recht gesagt und gelobt, mit unserer Reform der Lehrkräftebildung sorgen wir jetzt auch dafür, dass alle künftigen Lehrerinnen und Lehrer in Berlin die notwendige Grundqualifikation für den Umgang mit besonders zu fördernden Schülerinnen und Schülern bereits im Studium erhalten.
Weiter haben wir in den ersten Bezirken die Beratungs- und Unterstützungszentren eingerichtet. Ab dem kommenden Schuljahr wollen und werden wir sie in allen Bezirken haben. Sie beraten Schulen, Eltern und Lehrkräfte und helfen, alle auf dem Weg zu einem inklusiveren Schulsystem mitzunehmen. Wir setzen dabei – auch das ist angesprochen worden – weiterhin auf den Rat und die Erfahrung der Expertinnen und Experten, die uns im Beirat inklusive Schule in Berlin unterstützt haben.
Damit komme ich zum Fazit. Erstens: Berlin hat keinen Nachholbedarf bei der inklusiven Beschulung, sondern ist bundesweit Vorreiter. Damit geben wir uns nicht zufrieden, sondern wir werden die Zahl der in den Regelunterricht integrierten Schülerinnen und Schüler sukzessive weiter erhöhen. Zweitens: Dazu werden wir die Akzeptanz bei Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Schülern durch Information und Qualifizierung erhöhen. Vor allem dafür haben wir die zusätzlichen finanziellen Mittel bereitgestellt. Drittens: Das Schulsanierungsprogramm hilft auch dabei, einen weiteren großen Schritt in Richtung Barrierefreiheit an den Schulen tun zu können. Und viertens: Unser zentrales Ziel ist, dass alle Eltern für ihre Kinder in Berlin das passende Angebot nutzen können.
Das kann in den Regelschulen sein, sofern es gewünscht und nachgefragt ist, das kann aber auch weiter in den Förderzentren sein, wenn das der Wunsch von Eltern und Kindern ist. In diesem Sinne, glaube ich, ist Berlin auf einem guten Weg. Wir werden diesen Weg weitergehen. Er ist verlässlich für alle Beteiligten und bei der von Senatorin Scheeres geführten Verwaltung in guten Händen. – Jetzt können wir die Zwischenfragen noch stellen.
Vielen Dank! – Sie haben vorhin eine Studie, ich habe vergessen, von wem, zu den Unterschieden bei der Umsetzung der Inklusion in den Bundesländern zitiert. Sie haben gesagt, das sei ein Lob für Berlin. Ist da Berlin direkt lobend erwähnt worden?
Diese Studie besteht im Wesentlichen aus Tabellen, in denen dargestellt ist, wie der Anteil der integrativ beschulten Kinder nach Bundesländern ist. Da ist Berlin vorne. Aus diesem Satz, den ich herausgegriffen habe, kann man das Lob für Berlin ableiten. Es sind aber auch andere Bundesländer wie Bremen beispielsweise gemeint gewesen im Vergleich zu Schlusslichtern wie Bayern oder Baden-Württemberg
Können Sie einen Zeitpunkt nennen, wann Sie die Gesetzesänderung denn anstreben werden und unter welcher Voraussetzung? Und was sagen Sie zu dem Problem des Kooperationsverbots, das zu den Schwierigkeiten der Finanzierung der inklusiven Schule beiträgt?
Das waren gleich drei Fragen auf einmal. Ich fange mal an mit dem Rechtsanspruch. Wir haben ja in einigen Bereichen schon einen Rechtsanspruch für Eltern durchgesetzt, unter anderem bei den Kitas oder auch jetzt bei der U3-Betreuung. Man hat den Rechtsanspruch immer fünf, sechs Jahre vorher im Voraus festgelegt und auf einen bestimmten Stichtag gelegt, damit man Zeit hatte, auch das nötige Angebot zu schaffen, einfach auch, um Frustration zu vermeiden. Das heißt, wenn ich potenziell
noch gar nicht die Chance habe, die Kinder zu beschulen oder einen Kitaplatz anzubieten, dann macht es wenig Sinn, den Rechtsanspruch durchzusetzen. Deswegen, glaube ich, ist es auch im Interesse dieser Koalition, eines Tages einen Rechtsanspruch zu schaffen, wenn wir insgesamt weiter vorangekommen sind.
Der zweite Punkt – Kooperationsverbot: Das Kooperationsverbot ist bestimmt in diesem Bereich hinderlich. Deswegen ist es sicherlich von Vorteil, dass zumindest in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU auf Bundesebene Hintertüren geöffnet worden sind, ich will das mal so sagen, um künftig solche Projekte und ähnliche Bereiche wieder zu unterstützen. Ich persönlich hätte mir mehr gewünscht, nämlich eine Aufhebung des Kooperationsverbots. – Vielen Dank!
Herr Kollege Buchner! Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Remlinger – bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vor einigen Wochen einige Stunden Unterricht hospitiert an der Fläming-Grundschule, um mir anzuschauen, wie inklusiver Unterricht funktionieren kann. Die Fläming-Grundschule hat damit in der Tat jahrzehntelange Erfahrungen. Und es war sehr beeindruckend zu sehen, wie interne Differenzierung, wie individuell ausgerichteter Unterricht aussehen kann, zu sehen, dass jedes Kind so genau seinen Platz in der Klasse kannte, dass es sie auch nicht nervös gemacht hat, wenn eine fremde Frau sich einfach mal in den Unterricht einmischt oder ihnen in ihrer Einzelaufgabe helfen will. Es war sehr beeindruckend für mich die entspannte Ruhe und Konzentration zu sehen, die in diesen Lerngruppen, in diesen Klassen herrschte, die unglaublich gut abgestimmte Zusammenarbeit von Lehrkraft und Erzieherin bzw. dem pädagogischen Assistenten der schwerst mehrfach behinderten Kindern in diesen Klassen. Und es war auch schön, dass es im Grunde die Belohnung für die Kinder, die ihre Aufgaben schnell und gut bewältigt hatten, war, dass sie den schwerst mehrfach behinderten Kindern vorlesen oder sich mit ihnen unter Anleitung des pädagogischen Assistenten beschäftigen durften.
Das sind Unterrichtserlebnisse, die ich nicht vergessen werde, die vielleicht dem einen oder anderen auch helfen würden, auf den Weg zu gehen, bei dem, was wir zu tun haben. Das ist auch heute wieder sehr deutlich geworden, allein anhand der Tatsache, dass es die bildungspolitischen Sprecher der Koalition nicht einmal für nötig hielten, bei dieser Diskussion bis jetzt anwesend zu sein, auch wenn ich sagen kann, dass es für sie vielleicht beeindruckend gewesen wäre, dass die Fläming-Grund
schule ungefähr 70 Prozent der Kinder mit Gymnasialempfehlung auf die weiterführenden Schulen schickt. Mit anderen Worten: Ich konnte an der FlämingGrundschule sehen, wie anders und besser gemeinsam inklusiv zu lernen möglich ist. Solche überzeugenden Beispiele brauchen wir.
Was wir nicht brauchen – und ich bin froh, dass wir das heute Abend noch nicht gehört haben –, ist eine Moralkeule oder eine ideologische Argumentation. Was wir auch nicht brauchen, ist eine rein sozialpolitische Argumentation, die die Haltung ausstrahlt, es ginge darum, die Stärkeren müssten sich jetzt um die schwächeren, nämlich die behinderten Kinder kümmern. Ich sage an dieser Stelle immer gern: Jeder von uns ist an irgendeiner Stelle behindert. Insbesondere Hochbegabung ist auch nur – und das habe ich mit Hochbegabtenverbänden auch so besprochen – eine ganz besondere Form von Behinderung.
Inklusion ist, das wurde gesagt, die Mutter aller pädagogischen Reformen, insbesondere für unser bundesdeutsches System, das immer noch auf der Fiktion von Homogenität und auf der Fiktion beruht, dass die erfolgreichste Bildungsarbeit da zu machen wäre, wo man möglichst homogene Lerngruppen herstellt. Das führt im Ergebnis eigentlich nur dazu, dass man einen imaginären Durchschnitt bearbeitet, wo sich die einen langweilen und die anderen überfordert sind. Dieses System ist in Wahrheit auch nie dreigliedrig gewesen, sondern in der Bundesrepublik immer viergliedrig. Denn wir haben Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einen eigenen Schultyp gepackt, den wir komplett vergessen, wenn wir die Zahl der Schultypen zählen.
Was Inklusion fordert – und ich bin froh, dass auch die Senatorin da von einem Paradigmenwechsel gesprochen hat –, ist eben eine völlige Umkehr, und da ist es der völlige Nonsens, wenn uns die CDU-Fraktion immer die Arbeit in Richtung Einheitsschule vorwirft. Was wir tun, ist vielmehr die Arbeit in Richtung einer bunten, vielfältigen, heterogenen Schule, einer Schule, die das Gegenteil von diesem Einheitsmythos ist, den Sie immer weiter befördern.
Überzeugungsarbeit ist also ganz offensichtlich weiter notwendig. Sie ist aber auch möglich. Sie muss stetig und beharrlich sein, und da beginnen eben unsere Probleme, Herr Buchner. Der Senatorin unterstelle ich nichts Böses. Aber eine Aufgabe, die sie ganz offensichtlich hat, ist, ihre eigenen Regierungsfraktionen, die Koalition zu überzeugen. So schnell, wie bei Ihnen ein Bonusprogramm aus dem Amsterdamer Reiseärmel geschüttelt wurde, so schnell ist der Prozess der Inklusion gestoppt gewesen.
Die Senatorin – und nicht wir – sagte, es sei kein Geld da und deshalb müsse das Ganze verschoben werden. Wir
haben versucht, ihr zu erklären, dass Geld für sinnvolle Maßnahmen wie Qualifizierung doch da ist. Ein bisschen Geld war da, aber Sie als Fraktionen wollten es der Senatorin noch nehmen. Die Regierungsfraktionen haben selbst bekundet, dass ihnen noch die Computertechnik für eGovernment@School wichtiger sei als Inklusion. Das muss man sich an der Stelle auf der Zunge zergehen lassen, wo Sie dieses Geld für eGovernment@School noch nicht einmal ausgeben können, weil Sie das System gar nicht zum Laufen kriegen! Trotzdem sagen Sie: Nichtfunktionierende Computertechnik ist Ihnen wichtiger als Inklusion. Da können Sie nicht die Opposition angreifen!
Da ist überhaupt nichts nicht aktuell; das ist aktueller denn je. Wir warten nun einmal auf überfällige Vorschläge und Klärungen. Sämtliche Kleinen Anfragen, wie man sich zu den Empfehlungen des Fachbeirats verhält, werden seit Monaten beantwortet mit: Da müssen wir einmal gucken; das müssen wir einmal klären. – Aber wer diese Fragen klären muss, ist nicht die Opposition, sondern die Regierung.
Wenn Sie uns etwas vorlegen, dann diskutieren wir das gerne, und dann werden Sie hoffentlich von uns erleben, dass wir noch ein paar mehr Argumente heranziehen als nur das Geld. Aber Sie dürfen sich nicht wundern, wenn bei diesem mangelnden Interesse, bei dieser mangelnden Überzeugung, die Sie als Regierung an dieser Stelle ausstrahlen, sich die Leute eben doch fragen, ob das ein verkapptes Sparprogramm ist, ob Ihnen klar ist, dass so eine komplette Umstellung der Pädagogik und des Schulsystems ein Aufwand ist, den man begleiten und ausstatten muss, wo eben doch aufgrund Ihrer Haltung das Misstrauen einzieht, dass unter dem Vorwand der Nichtdiskriminierung auch die besonderen Fördermaßnahmen und Fördermittel verloren gehen werden. Es ist nicht vertrauensfördernd, wenn die Eltern bis heute nicht alle Daten und Zahlen für einzelne Schulen bekommen, die sie haben wollen.
Insofern bin ich also der Linksfraktion ausgesprochen dankbar für diese Große Anfrage, die Sie immerhin daran erinnert, dass da noch ein Thema ist, das man stetig bearbeiten muss. – Während wir warten, darf ich Ihnen, Herr Buchner, gerne eine Zwischenfrage beantworten, wenn Sie möchten. Aber ansonsten sage ich, könnten auch Sie, während wir warten und ich warte, einfach mal an Schulen hospitieren und sich angucken, wie das gehen kann und was man dazu braucht. Dann treffen wir uns wieder
Vielen Dank, Frau Kollegin! Sie heben an der Stelle immer noch sehr stark auf die Finanzen ab. Könnten Sie andere Bundesländer nennen, die im Moment auch finanziell deutlich mehr in den Inklusionsprozess investieren als Berlin, um ihren erheblichen Rückstand aufzuholen?
Herr Buchner! Erstens habe ich jetzt gerade zehn Minuten lang versucht, Ihnen zu erklären, dass es nicht ums Geld geht, sondern um die Klärungen. Ich sage Ihnen auch als Haushälterin: Wenn Sie durchdefiniert hätten, was Sie brauchen, dann fangen wir an zu rechnen.
Zweitens kann ich den Vergleich nicht machen, wenn Berlin nichts ausgibt. Ich will mich von Ihnen nicht auf diese Ebene ziehen lassen. Es ist komplett lächerlich: Wenn Sie sich nicht von dieser billigen Nummer herunterbewegen, dass Sie so tun, als wäre die Opposition das Problem, weil sie unhaltbare Summen fordert, während Sie als Regierung alles mit dem Hinweis stoppen, es wäre kein Geld da, dann glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass Sie da draußen noch irgendjemand ernst nimmt!
Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion der Kollege Zeelen – bitte schön! – Ansonsten bitte ich darum, dass die Gespräche von der Lautstärke her ein bisschen heruntergefahren werden, auch auf der Senatsbank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kittler! Ich finde es bemerkenswert und möchte Ihnen am Anfang auch ein Kompliment dafür aussprechen, dass Sie erkennbar mit angeschlagener Stimme heute mit uns so leidenschaftlich die Debatte führen. Ich wünsche schnelle Genesung!