Ihre vierte Frage: Weshalb hat der Senat landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gestattet, asbestbelastete Wohnungen ohne Sanierung und ohne Information für die Bewohnerschaft wieder zu vermieten? Wann wird diese Praxis beendet? Das möchte ich gemeinsam mit Ihrer fünften Frage beantworten: Weshalb hat der Senat landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gestattet, asbestbelastete Wohnungen undeklariert zu verkaufen? Wann wird diese Praxis beendet? – Zu den beiden Fragen. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften halten sich an die gesetzlichen Vorgaben. Sie haben alle Mieterinnen und Mieter über die Thematik informiert.
Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften gehen Hinweisen aus der Mieterschaft nach, wenn Vinylasbestplatten beschädigt sind. Die beschädigten Platten werden dann fachgerecht ersetzt. Bei der Sanierung von Wohnungen wird fachgerecht entsprechend der seit dem Sommer 2011 geänderten Vorgabe des LAGetSi gearbeitet. Dem Senat ist nur ein Fall bekannt, bei dem eine Wohnung von einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft verkauft wurde, die nach heutigem Kenntnisstand asbesthaltige Materialien enthielt.
Im Rahmen der jeweiligen Modernisierungs- und Instandhaltungsprogramme werden die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sukzessive asbestbelastete Fußbodenbeläge ausbauen. Dies erzeugt erhebliche Investitionsmehrkosten, die von den Gesellschaften aufzubringen sind. Der mit einem vollständigen Ausbau verbundene technische Aufwand und auch die damit für die Mieter verbundenen Belastungen machen es sinnvoll, diese Maßnahme mit ohnehin beabsichtigten Modernisierungen bzw. größeren sonstigen Instandhaltungen zu verbinden.
Zu Ihrer siebten Frage: Wie hoch schätzt der Senat die Kosten für die Asbestbeseitigung im Berliner Wohnungsbestand, und welche Risiken für den Landeshaushalt ergeben sich daraus? – Die Kosten für den Ausbau von Asbestplatten variieren. Sie sind abhängig von der Art des beauftragten Ausbauverfahrens und der Komplexität der Sanierungsmaßnahme. Die Sanierungskosten pro
Quadratmeter sind bei der Sanierung einer einzelnen Wohnung höher, als wenn mehrere zusammenhängende Wohnungen saniert werden. Der Umstand, ob ein Mieter für eine Sanierung in eine Ersatzwohnung umgesetzt werden muss, ist ebenfalls für die Höhe der Sanierungskosten maßgeblich. Eine differenzierte Aussage zu den Gesamtkosten einer Sanierung lässt sich aus den genannten Gründen nur schwer treffen. Aktuell liegen die Kosten einer Asbestsanierung für beispielsweise eine 65 Quadratmeter große Wohnung zwischen 5 000 Euro und 7 000 Euro. Wenn aber z. B. asbesthaltige Fliesen im Bad mit entfernt werden und deswegen auch weitere Sanierungen am Bad vorgenommen werden, die eigentlich noch nicht anstanden, kann diese Asbestsanierung auch Kosten von bis zu 15 000 Euro verursachen.
Ihre achte Frage: Welche Senatsverwaltung ist für das Thema Asbest in Wohngebäuden verantwortlich? Wie lautet die Nummer des Asbest-Bürgertelefons beim Senat? – Eine zentrale und einheitliche Anlaufstelle gibt es aufgrund der Rechts- und Zuständigkeitsverteilung nicht. Die Zuständigkeiten liegen bei verschiedenen Landes- und Bezirksbehörden und ergeben sich aus dem Bauordnungsrecht, Immissionsschutzrecht zum Schutz der Umwelt, Arbeitsschutzrecht, Recht über den Gesundheitsschutz, Abfallrecht für den Umweltschutz, Strafrecht zur Verfolgung von Umweltdelikten. Die einzelnen Rechtsbereiche stehen eigenständig und fachlich abgegrenzt nebeneinander. Gebündelte Informationen und Kontaktdaten werden in dem Informationsblatt zum Umgang mit Asbest zusammengestellt; der Entwurf zum Merkblatt befindet sich derzeit im fachlichen Abstimmungsprozess mit den betroffenen Ressorts.
Ich bin gleich fertig, danke! – Bei aller Sorge um jeden Einzelfall sind sich die Fachressorts darin einig, dass ein angemessener Umgang mit Asbest Ziel behördlichen Handelns sein muss. Ein pauschaler Ausbauzwang ist nicht nur wegen der eigentumsrechtlichen Bedenken kritisch einzuschätzen. Die Bewertung möglicher Gesundheitsrisiken ist von der konkreten Asbestverwendung und dem Einbauzustand abhängig. Daher sollte der Planung von Asbestausbauarbeiten in jedem Fall eine Risikoabwägung vorausgehen. Bei allen unkritischen Asbestvorkommen, z. B. intakte Vinylasbestplatten, sollte das Gesundheitsrisiko einer Ausbaumaßnahme für Arbeitnehmer oder ggf. Dritte gegen das Risiko für den Nutzer beim Nichtausbau abgewogen werden, natürlich unter der Voraussetzung, dass die übliche und zulässige Nutzung dadurch nicht eingeschränkt wird. Statt der Forderung eines pauschalen Ausbauzwangs ist auf Aufklärung und
Information über die verschiedenen Aspekte beim Umgang mit Asbest zu setzen. Das geplante Asbestinformationsblatt ist ein wichtiger Schritt zur Sensibilisierung von Eigentümern und Verbrauchern und soll zu einem verantwortungsvollen Handeln aller Beteiligten beitragen und Verunsicherungen beseitigen. Neue Strategien zum Umgang mit noch vorhandenem Asbest in Gebäuden erfordern eine Betrachtung aller Schutzziele – Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutz als Beispiele. Dabei sind die Mindestanforderungen und die maximal möglichen baulichen Maßnahmen maßvoll aufeinander abzustimmen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Senator! – Zur Aussprache steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/die Grünen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Otto. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Müller! Man konnte das ja ahnen, was Sie uns hier erzählen werden.
Das ist dieselbe Schallplatte wie zwei Jahre zuvor. 2012, 2013, 2014 – immer wenn wir was gefragt haben, immer wenn wir Vorschläge gemacht haben, immer wenn wir eine Diskussion gemacht haben, haben Sie uns erzählt: Es gibt keine Ausbaupflicht, es ist gar nichts kaputt. Wenn alle sachgemäß mit ihrer Wohnung umgehen, könne nichts passieren. Und im Übrigen sei alles in Ordnung, und der Senat arbeitet gerade an einem Infoblatt. – Zwei Jahre arbeiten Sie an einem Infoblatt – herzlichen Glückwunsch! Nennen Sie uns mal Ihre Gehaltsgruppe, ich glaube, das ist ein sehr teures Ding.
Sie müssten doch selbst merken oder haben doch auch Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament, die das mal anmerken könnten: Da stimmt was nicht. – Sie beteiligen sich hier – möglicherweise in Verbindung mit den Wohnungsbaugesellschaften – an einer Verharmlosungsstrategie. Sei beteiligen sich an Vertuschung, an Nichtinformation der Mieterinnen und Mieter, und das ist nicht in Ordnung. Sie geben hier sonst immer, sehr geehrter Herr Müller, den Kämpfer für alle Mieterinnen und Mieter, der sich für die Schwachen einsetzt, als SPD-Mensch noch dazu. Und an der Stelle? – Nichts! Sie beteiligen sich an einer Strategie, die da lautet: Es gibt gar kein Problem. Leute, schlaft weiter! Regt euch nicht auf! 400 Gerichtsverfahren gegen die GEWOBAG interessieren uns nicht. – Ich hätte ganz gerne, dass Sie sich dazu vielleicht
mal äußern. Sind die Leute alle blöd und haben Spaß an Gerichtsverfahren? – Nein, so ist das nicht! Das ist ein ernstes Problem, und das wird vom Senat überhaupt nicht ernst genommen, und das ist ein Skandal!
Wir haben ja verschiedentlich schon gefragt, ob Sie eigentlich einen Überblick haben, in welchen Wohngebäuden, in welchen Bezirken, in welchen Ortsteilen diese Wohnungen eigentlich sind. Sie haben uns mitgeteilt, es betrifft ca. 48 000 Wohnungen. Ich habe vorhin gesagt, im Jahr 2000, also knapp 15 Jahre zuvor, waren es 53 000 Wohnungen. Statistisch sind das 10 Prozent weniger – ob die wirklich saniert wurden, weiß ich nicht. Rechnen Sie mal 15 Jahre mal 10: Mit Ihrer Strategie werden Sie also 150 Jahre brauchen, bis der Asbest aus den Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften – da sprechen wir noch nicht von den privaten! – beseitigt ist. So lange werden viele der Gebäude gar nicht stehen.
Zum Abriss kommen wir nachher noch. Das ist nämlich nicht einfach; auch da muss eine ganz teure Sanierung vorgenommen werden. Auch da müssen Sie viel Geld ausgeben, und ich bin der Meinung: Wenn man schon den Asbest beseitigen muss, spätestens am Lebensende des Gebäudes, dann kann man das auch jetzt tun. Dann kann man das auch in einem sinnvollen Zeitplan tun, und dann kann man das auch tun, um den Mieterinnen und Mietern darzustellen: Ja, wir haben Interesse an euch und an eurer Gesundheit. – Darum geht es an dieser Stelle, und das sollten auch Sie, Herr Müller, irgendwann einmal zugeben können!
Wir haben Sie gefragt: Wo sind diese Wohnungen? – Sie haben behauptet, alle Mieterinnen und Mieter seien informiert. Das stimmt doch nicht! Das wissen Sie auch. Die Gesellschaften haben nur sehr zögerlich und immer nur, wenn es gar nicht anders ging, Schreiben rausgeschickt. Viele Menschen wissen überhaupt nicht, was in ihrer Wohnung steckt. Wir verlangen diese Transparenz, ein Mindestmaß an Information. Wenn Sie nicht einmal ein Infoblatt machen können, wie wollen Sie dann die Leute über konkrete Gefahren und Risiken ihrer Wohnungen informieren? Das geht doch so nicht! Da muss doch ein Ruck durch den Senat und durch dieses Haus gehen! Da müssen wir sagen: Leute! Es muss eine Offensive der Information geben! Es muss wirklich einen Plan geben, eine verlässliche Linie! Es verlangt doch niemand, dass alle Wohnungen in der nächsten Woche saniert werden; vielmehr brauchen wir einen Plan und dass Sie sagen, das dauert vielleicht fünf Jahre und kostet soundso viel – das kostet einen Haufen Geld, das muss man machen!
Wir beseitigen hier Fehler der Vergangenheit. Seit 1993 ist Asbest verboten, vorher war er in Deutschland erlaubt
und ist eingebaut worden. Und im Nachhinein hat sich herausgestellt, das war falsch. Das sind Altlasten, die wir heute beseitigen müssen. Davor dürfen wir uns nicht drücken. Und das dürfen auch Sie nicht, Herr Müller!
Ich habe davon gesprochen, und das werfe ich Ihnen auch vor, dass Sie verweigern, uns hier einen Überblick zu geben. Mir ist ein Schreiben des BBU in die Hände gekommen. Das ist der Verband der Wohnungsunternehmen, wo auch die landeseigenen Gesellschaften drin sind. Und das ist ganz interessant in dem Zusammenhang. Die sind nämlich auch der Meinung, man darf nichts verraten. Die sind auch der Meinung, man muss verheimlichen, welche Gebäudebestände das sind.
Im Sommer 2013 hat das Bezirksamt Reinickendorf – es ist also ein Bezirksamt, das sich offensichtlich dieser Thematik stellen wollte – an verschiedene Wohnungsunternehmen geschrieben und die gefragt: Sagen Sie mal, im Bezirk Reinickendorf haben Sie doch Wohnungsbestände! Wo ist denn da Asbest? Teilen Sie uns das mal mit! Und so ein Schreiben ist offensichtlich in die Hände des BBU gelangt, und daraufhin hat der eine Empfehlung erarbeitet, wie man denn dem Bezirksamt Reinickendorf dergestalt antwortet, dass sie das eigentlich nichts angeht. Und dann haben die vom BBU ein Musterschreiben verfasst. Da zitiere ich mal die Ziffer d unter dem Stichwort Information an das Bezirksamt über Wohnungsbestände mit Vinylasbestbelägen. Das sind diese Fußbodenplatten. Da wird vorgeschlagen zu antworten: Erfasste Daten über Asbestvorkommen in unseren Wohnungsbeständen können wir Ihnen aus datenschutzrechtlichen Aspekten nicht zur Verfügung stellen. Wir bitten hierfür um Verständnis. – Zitat Ende. So was organisieren Sie, Herr Müller!
Und das ist, glaube ich, ein weiteres Element, wo wir sehen können, da ist etwas nicht in Ordnung. Diese Verheimlichungsstrategie geht so nicht weiter. Sie können doch nicht den Wohnungsbauunternehmen empfehlen, geheim zu halten, in welchen Gebäudebeständen Asbest ist. Das geht doch so nicht. Da muss man doch das Gegenteil machen.
Wir wollen einen Sanierungsfahrplan, das habe ich schon gesagt. Dazu brauchen wir von Ihnen einen Terminplan und eine Kostenschätzung. Das ist, glaube ich, das Mindeste, was Sie hier leisten müssen. Deswegen habe ich vorhin Herrn Nußbaum angesprochen. Der ist da mit zuständig. Und es kann sein, dass es ziemlich teuer ist, aber darüber muss man sich dann unterhalten. Man kann nicht von Vornherein sagen: Ach, wir verharmlosen das. Ach, wir tun so, als ob das alles überhaupt gar kein Problem ist.
Sie haben vorhin gesagt: Wenn irgendwo saniert wird, dann macht man das mit. – Das ist ja löblich, das finde ich auch richtig. Jetzt habe ich aber von verschiedenen Zeugen, sage ich mal, erfahren, dass es z. B. im Märkischen Viertel oder im Projekt der DEGEWO Mariengrün in sanierten Wohnungen immer noch Asbestbauteile gibt. Das heißt, da ist eine Sanierung durchgegangen, das sind millionenschwere Projekte, das sind auch Vorzeigeprojekte der Wohnungswirtschaft, und da ist hinterher immer noch eine Asbestquelle drin. Herr Senator Müller! Das ist nicht in Ordnung. Das ist auch überhaupt nicht zu verstehen. Wenn man da so eine komplexe Sanierung durchführt, dann baut man das doch bitte aus und lässt es nicht drin und hofft, dass es die Mieterinnen und Mieter nicht merken. Die sind aber nicht blöd. Die merken das trotzdem.
Zum Thema Abriss: Es gibt – und da kommt Frau Kolat ins Spiel – vom Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin – LAGetSi – ein Schreiben aus dem Sommer 2012. Da setzen die sich gerade mit diesem Thema auseinander. Wenn ich irgendwann so ein Gebäude abreißen will, dann muss ich mich auch um die Schadstoffe kümmern. Und da schreiben die, das lese ich mal kurz vor: Da nur ein Teil der asbesthaltigen Bauteile beseitigt wurde, besteht jedoch die Gefahr, dass die Wohnungen als asbestsaniert und somit als asbestfrei gelten. – Da gibt es also noch mit den Begriffen Spielmöglichkeiten. – Es kann in Vergessenheit geraten, dass der Fußboden noch Asbest enthält. Bei späteren Arbeiten am Fußboden müssen die gefahrstoffrechtlichen Vorgaben und ggf. umfangreiche Schutzmaßnahmen wegen des verbliebenen Asbests eingehalten werden. Dies betrifft ebenfalls den Abriss der Wohneinheiten. Bei Abriss muss dann ggf. die gesamte Bausubstanz als Sondermüll mit entsprechend höheren Kosten verbunden entsorgt werden. – Zitat Ende.
Das heißt, wenn Sie sich heute darum drücken, entweder hoffen Sie, dass das später in Vergessenheit geraten ist, oder Sie müssen später riesige Sondermülldeponien mit den Resten dieser Gebäude füllen. Um die Kosten kommen Sie nicht herum.
Und der letzte Punkt – die Kennzeichnung der Gebäude: Wir haben vorgeschlagen, machen Sie da ein Schild ran! Wenn Sie uns heute sagen, niemand weiß, welche Gebäude asbestbelastet sind und welche nicht, und Sie finden das jetzt heraus, aus den Unterlagen aus der Bauzeit können Sie das offenbar nicht ablesen, die gibt es nicht, oder es ist nicht mehr nachvollziehbar. Wenn das jetzt einmal herausgeforscht wird, dann machen Sie bitte einfach ein Schild an die Gebäude und schreiben darauf: Hier ist Asbest drin. – Und machen Sie einen Wettbewerb unter den Wohnungsunternehmen, der heißt: Asbestfreie Gebäude so schnell wie möglich. – Und dann machen Sie
den Asbestkuckuck daran. All so was kann man machen. Aber machen Sie eine Kennzeichnung, damit Leute, die in ein Gebäude einziehen wollen, wissen, was da zu finden ist. Darum geht es, Herr Senator Müller, und darum bitten wir Sie hier an dieser Stelle nochmals.
Allerletzter Punkt – die Bauministerkonferenz: Sie haben ja auch davon gesprochen, dass man sich da abstimmen wolle. Ich lese Ihnen mal ganz kurz vor, was die Bauministerkonferenz –
Letzter Satz! – in persona der Fachkommission Bautechnik dazu beschlossen hat – Zitat –: Die Fachkommission ist der Auffassung, dass hier vorrangig der Bereich des Arbeitsschutzes betroffen ist. Sie sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf durch die Bauaufsicht gegeben. – Sie haben es einem anderen Fachgebiet zugeschoben.