Erstens – Sie haben es ja schon angedeutet – haben Sie den Koalitionsvertrag von Rot-Schwarz abgeschrieben, und zweitens wirft es die Frage auf, warum Sie dann dem tätigen Handeln dieser Koalition, als wir im Doppelhaushalt 2012/2013 75 neue Stellen geschaffen haben, entgegentreten sind. Das müssen Sie für sich beantworten.
Wir haben nicht nur 75 neue Stellen für Betriebsprüfer geschaffen. Wir setzen das auch fort: Wir schaffen ein neues Finanzamt für die Steuerfahndung. Auch da müssen Sie Ihre Haltung im Hauptausschuss einmal über
Ich komme zum zweiten Allgemeinplatz: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Ich finde bemerkenswert, dass Sie hier den Regierenden Bürgermeister zitieren. Aber auch da bekommen Sie von uns völlig uneingeschränkte Zustimmung.
Ich möchte Ihnen aber auch sagen – und das richtet sich jetzt nicht an die Opposition, sondern an einen Anwaltsverband –: Ich finde es inakzeptabel, dass jetzt als Mitnahmeeffekt die Gelegenheit ergriffen wird, unsere Steuerbehörden mit Allgemeinplätzen zu diskreditieren, sie würden zu schnell agieren oder zu forsch vorgehen. Ich glaube, da wird eine sehr verantwortungsvolle Arbeit geleistet. Ich glaube auch, dass wir Politiker, aber auch insbesondere diese Interessensverbände, gut beraten sind, nicht nur die Forderung zu erheben, dass eine dichte Betriebskontrolle stattfindet, sondern sie auch zu leben und sie für uns selbst, aber auch für alle anderen zu begrüßen und als Bereicherung zu empfinden. Denn das gehört zu unserem Rechtsstaat, und da ist jede Polemik völlig unangemessen.
Das wirft jetzt die Frage auf: Warum schreiben Sie solche Allgemeinplätze auf? – Da gibt es eine taktische Antwort: Sie wollen es möglicherweise insbesondere dem Koalitionspartner schwermachen, den eigentlichen Kern dieses Antrags zu identifizieren und den Antrag abzulehnen. – Ich spiele den Ball zurück: Wenn es Ihnen wirklich ernst ist und auch Sie erkannt haben, dass wir bei den Steuerbehörden tatsächlich substanziell arbeiten müssen, dann trennen Sie Ihren Antrag von dem, um das es hier eigentlich geht, und dann finden Sie in uns Verbündete – der Vorsitzende der CDU-Fraktion hat es heute schon erklärt –, dann dürfen Sie unseren Weg mitgehen und uns unterstützen. Machen Sie einen Sachantrag daraus! Aber das wollen Sie natürlich nicht, sondern Sie taktieren in dieser Sachfrage.
Das Abgeordnetenhaus stellt fest: Es ist inakzeptabel, dass ein Staatssekretär sich der Steuerhinterziehung schuldig macht.
Das unterschreibt das gesamte Abgeordnetenhaus unbesehen, weil es nämlich inakzeptabel ist, dass sich überhaupt jemand der Steuerhinterziehung schuldig macht.
Ebenso inakzeptabel ist, dass der Regierende Bürgermeister davon mehr als anderthalb Jahre Kenntnis hatte, ohne rechtliche und politische Konsequenzen zu ziehen – aber da sagen Sie die Unwahrheit oder Sie irren sich.
Selbstverständlich gilt für uns – und da sind wir, glaube ich, einig – vor dem Gesetz Gleichheit. Und selbstverständlich haben hier die Behörden, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, eine Ermessensentscheidung getroffen, die zur Verfahrenseinstellung führte. Selbstverständlich – und das ist der Punkt – hat der Regierende Bürgermeister sein Ermessen ausgeübt und eine, wie wir finden, vertretbare Entscheidung getroffen, indem er gesagt hat: Wenn eine Einstellung nach § 153a vorliegt, dann bin ich gemäß §§ 17, 14 und – Herr Kollege Lederer – 21, Absatz 2 unseres Disziplinargesetzes gehindert, im Sinne der Doppelbestrafung ein Disziplinarverfahren durchzuführen. – Das gilt eben in beide Himmelsrichtungen, und das müssen Sie akzeptieren.
Es kommt darauf an, dass Sie in diesem schwierigen Vorgang auch unsere Position erfahren dürfen: Die SPDFraktion respektiert den Schritt des Staatssekretärs für sein persönliches, offensichtliches Fehlverhalten, das bisher zu keinem Schuldspruch geführt hat, das aber eingeräumt ist und die Konsequenz hatte, aus dem Amt zu scheiden.
Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident! – Wir hätten uns allerdings gewünscht – und das ist mein Appell –, dass wir zu einem Verfahren gefunden und die Kraft aufgebracht hätten, dem ansonsten sehr wertgeschätzten Staatssekretär die Möglichkeit einzuräumen, am Folgetag, am Dienstagmorgen, die Entscheidung allein zu verkünden.
Ich finde es sehr schwierig, wenn medial veröffentlicht der Eindruck erweckt wird, es gebe in dieser Frage keine selbstbestimmte Entscheidung.
Ich finde es auch sehr schwierig, wenn sich diverse Parteigremien mit solchen Dingen befassen sollen, Frau Kollegin Pop! Das gilt ausdrücklich auch für Ihre Partei! – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke schön, Kollege Schneider! – Für die Fraktion Die Linke erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden Udo Wolf das Wort. – Bitte schön!
Meine Damen und Herren! Moment bitte! Der Redner hat jetzt das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie können jetzt sprechen!
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es war ja klar: Wenn es einen gibt, der das Niveau des Krisenmanagements des Senats noch unterbieten kann, dann ist es der Schneider von der SPD.
Aber es passt ins Bild: Das, was sich in den Tagen der Affäre Schmitz/Wowereit abgespielt hat, ist einfach nur noch bodenlos. Damit kein Missverständnis entsteht: Ich kann André Schmitz persönlich gut leiden. Er ist ein angenehmer Mensch, und er hat zweifellos große Verdienste um die Berliner Kulturpolitik. Aber André Schmitz hat einen großen Fehler begangen: Er hat Steuern hinterzogen. Das ist verboten. Das dürfen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland nicht. – Herr Henkel guckt ganz aufmerksam. – Ich erkläre es Ihnen gerne!
Ein Staatssekretär ist als hoher politischer Beamter nichts anderes – er darf es aber erst recht nicht. Und ein hoher politischer Beamter der SPD, die im Bundestagswahlkampf der Steuergerechtigkeit das Wort redete und den Kampf gegen Steuerhinterziehung propagierte, darf das gleich zweimal nicht.
Ich habe keine Ahnung, warum André Schmitz einen solchen Fehler gemacht hat. Aber ihm muss spätestens mit Beginn der Ermittlungen klargeworden sein, dass das Konsequenzen haben muss. – Und spätestens, seitdem Sie davon erfahren haben, Herr Wowereit, hätten Sie ebenfalls über Konsequenzen nachdenken müssen. Das Ganze hat doch – wenn man nicht vollständig abgestumpft ist, muss man das sofort merken – neben der rein juristischen eine zutiefst politische und moralische Dimension. Man kann doch nicht 13 Jahre lang den Menschen in Berlin erklären, dass wir Kultureinrichtungen schließen, Förderungen streichen und vieles mehr müssen, mit der Begründung, Berlin hat kein Geld, und ein Spitzenbeamter dieser Regierung betrügt den Staat um die ihm zustehenden Einnahmen!
Und dann, Herr Wowereit, soll das keine politischen Konsequenzen haben, solange es halt nicht rauskommt? – Ist es das, was Sie gedacht haben? Oder fanden Sie: Selbst wenn es rauskommt, dann ist es halb so schlimm? Haben Sie deshalb Ihre Abwägung nicht dokumentiert, weil es für Sie gar nichts abzuwägen gab? – Mir scheint, die politisch-moralische Seite hat Sie genau wie die rechtliche Seite damals einfach nicht interessiert. Das hat Sie auch jetzt nicht interessiert. Sonst hätten Sie Schmitz nicht erst entlassen, es dann wieder zurückgenommen und ihn in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Was ist denn das für eine peinliche Posse? Wann haben Sie denn überhaupt einmal juristisch in dieser Frage etwas geprüft?
Aber anscheinend ist Ihnen das mittlerweile alles nach dem Motto egal: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert. – Das ist eines Regierungschefs und eines obersten Dienstherrn einfach unwürdig!
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. – Ja! Das ist ein Zitat aus einem Parteitagsbeschluss der SPD. Der Regierende Bürgermeister hat es heute in einem „Morgenpost“-Interview endlich einmal gesagt – zwar nicht hier in diesem Hause, aber immerhin öffentlich:
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Hier geht es nicht um Falschparken. Steuerhinterziehung ist eine Straftat. Hier wird der Allgemeinheit, den Menschen und Einrichtungen, die auf den Staat angewiesen sind, Geld entzogen. Das ist zutiefst unsozial.
Liebe Sozialdemokraten und lieber Finanzsenator! Was aus dieser Straftat einen politischen Skandal macht, ist der Umstand, dass der Senat und der Regierende Bürgermeister die ganze Sache trotzdem wie ein Kavaliersdelikt behandelt haben.
Warum hat der Regierende nicht ohne Ansehen der Person alle disziplinarrechtlichen Maßnahmen geprüft, die im Fall einer solchen Straftat in Frage kommen? Der Justizsenator, der Finanzsenator und der Regierende Bürgermeister – Sie alle haben von den Ermittlungen gewusst, aber Sie haben nicht gehandelt – weder juristisch noch politisch.