Protokoll der Sitzung vom 20.03.2014

[Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Genau deshalb wäre es unsere Aufgabe gewesen, genau diese Menschen, die Zweifler, mitzunehmen und ihnen eine Alternative zwischen Schwarz und Weiß zu bieten, eine Alternative, die eine deutliche Perspektive für einen Neuanfang in der Tempelhof-Planung darstellt, einen Mittelweg, vielleicht sogar einen dritten Weg zwischen den Senatsplänen und den Forderungen der Initiative. Wäre uns dies gelungen, dann hätte man zu Recht dafür werben können, dass die Berlinerinnen und Berliner beim Volksentscheid am 25. Mai für eine ökologische, soziale, demokratische Entwicklung des Tempelhofer Felds stimmen können.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Jetzt werden Sie mir sagen: Wir haben der Opposition im Gesetz ja sogar einen Paragrafen für die Beteiligung zugebilligt. – Das stimmt. Das ist sogar sehr gnädig.

[Dr. Manuel Heide (CDU): Na, na, na, Frau Kollegin!]

Aber es geht nicht nur um die Überschrift eines Paragrafen, sondern es geht vor allem darum, was in diesem Paragrafen steht. Solange diese sogenannte Beteiligung dann mit den immer gleichen, vorher ausgesuchten Interessenvertretern hinter verschlossenen Türen stattfindet – Frau Lüscher nennt das gerne ein Kuratorium –, verdient dieser Paragraf den Namen Beteiligung nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Es wäre das Mindeste gewesen, all den Kritikern an den Senatsplänen, die sonst bei 100 Prozent Tempelhof ihr Kreuzchen machen würden, eine echte Mitbestimmung und Mitsprache über die Planung einzuräumen und die Leute da draußen nicht nur über das Ob, sondern sehr wohl auch über das Wie und Wo entscheiden zu lassen. Doch diese Erkenntnis hatte bei der Koalition keine Mehrheit. Es hieß, man hätte uns Zugeständnisse gemacht, doch dieses vermeintliche Angebot bestand darin, dem Senat nach dem Volksentscheid zu ermöglichen, seine Planungen wie bekannt nahtlos fortzusetzen. Das ist kein Angebot, das ist eine klare Absage an eine breit getragene Lösung.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Und ganz ähnlich sieht es bei Ihrem wichtigsten Argument für eine Bebauung von Tempelhof aus. Seit Monaten behauptet der Senator, auf dem Feld würde die Hälfte aller Wohnungen für Mieten von 6 bis 8 Euro entstehen. Aber wenn es heute zum Schwur über Ihren Gesetzesvorschlag kommt, ist die Koalition nicht bereit, auch nur eine einzige verbindliche Zahl dazu in ihren Gesetzestext zu schreiben. Glaubwürdigkeit geht anders.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Genau diese Haltung schürt Misstrauen und bestätigt die Befürchtung vieler Berlinerinnen und Berliner: Es geht bei den Bauplänen auf dem Tempelhofer Feld eben nicht um die Schaffung bezahlbarer Mieten für alle, sondern um den Bau von exklusiven Wohnungen für wenige.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Ich kann nur sagen: Kann man die Nachtigall auf dem Tempelhofer Feld eigentlich noch lauter trapsen hören?

Das wir diesen dritten Weg nicht gemeinsam gehen können, ist bitter, denn es ist eine vertane Chance für den weiteren Prozess für Tempelhof, für die Stadtentwicklungspolitik Berlins, aber vor allem auch für die politische und parlamentarische Kultur in diesem Haus, denn das ewige Katz-und-Maus-Spiel zwischen Opposition und Regierungsfraktionen hat die Bevölkerung satt.

[Lars Oberg (SPD): Dann hört doch auf!]

Was wir hier drinnen als schlechtes Ritual üben, ist da draußen etwas, was zu Politikverdrossenheit führt.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Politik hat in den letzten Jahren sowieso schon viel Vertrauen verspielt, und das nicht nur durch so großartige Erfolgsgeschichten wie den BER. Wir hätten hier gemeinsam die Chance gehabt, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Viele Menschen haben doch vor allem bei 100 Prozent Tempelhof unterschrieben, weil sie diesem Senat nicht trauen, wenn er verspricht, 50 Prozent der Wohnungen bezahlbar zu gestalten und das Columbia-Quartier nicht bebauen zu wollen, und wenn er ihnen echte Mitsprache verspricht.

[Zurufe von der SPD]

Und wir alle wissen: So ganz unberechtigt ist dieses Misstrauen leider Gottes nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vertrauen gewinnt man nicht mit windelweichen Versprechungen.

[Zurufe von der SPD]

Vertrauen gewinnt man über verbindliche Zusagen und Fakten.

Wir wollen, dass am Rand des Tempelhofer Feldes bezahlbarer Wohnraum für alle entsteht, und das auch verbindlich festschreiben. Wir wollen einen Beirat, der Interessierte umfassend in die Planungen einbezieht und sie einlädt, nicht nur mitzureden, sondern auch mitzugestalten. Wir wollen, dass ein Großteil vom Tempelhofer Feld als „Grüne Lunge“ der Stadt konsequent geschützt wird.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Wir auch!]

Was wir aber nicht wollen, ist, der Stadt einen Entwurf zur Abstimmung vorzulegen, der in all diesen Bereichen nur unverbindliche und schwammige Versprechungen macht.

[Oh! von der SPD]

Nach all den missglückten Großprojekten der letzten Jahre wollen die Berlinerinnen und Berliner diesem Senat keinen Freibrief mehr ausstellen, und sie wissen auch ganz genau, warum.

Ich will hier noch einmal zusammenfassen: Wir wollten eine Einigung als Parlamentsfraktionen,

[Torsten Schneider (SPD): Ja, gerne!]

damit Berlin eine echte Wahl hat

[Weitere Zurufe von der SPD]

und nicht zwischen 100 Prozent Tempelhofer Feld und 100 Prozent schwarz-rotem Masterplan entscheiden muss. Doch einen Kompromiss gibt es heute nicht.

[Torsten Schneider (SPD): Wieso denn?]

Deshalb haben wir uns entschieden, heute einen eigenen und einen wirklich alternativen Gesetzentwurf für den Volksentscheid am 25. Mai vorzulegen. Für eine Mogelpackung auf der „alternativer Gesetzentwurf“ draufsteht, aber rot-schwarzer Masterplan drinsteckt, bekommen Sie keine Zustimmung – nicht von uns und auch nicht von Berlin!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kapek! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Buchholz!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! – Frau Kapek! Glauben Sie das eigentlich selbst, was Sie hier vor dem Parlament erzählen?

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Man kann nur den Kopf schütteln, wenn man Ihnen zuhört. Ich fange noch mal an mit der Präambel des Gesetzes, das wir, SPD und CDU, am 25. Mai den Berlinerinnen und Berlinern zur Abstimmung vorlegen:

Das Tempelhofer Feld ist ein einzigartiger Freiraum. Die 230 Hektar große zentrale Freifläche wird dauerhaft für Erholung, Freizeit und Sport als Grünfläche gesetzlich geschützt. Lediglich an den äußeren Rändern der großen Freifläche ist eine behutsame Entwicklung für Wohnen, Wirtschaft sowie Erholung, Freizeit und Sport vorgesehen.

Wieso verstehen Berlinerinnen und Berliner diese Sätze ganz klar, aber Sie und die Grünen-Fraktion nicht? Das verstehen wir nicht.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es ist wirklich ein Trauerspiel! Wir hatten die einmalige Chance, erstmalig als das gesamte Berliner Abgeordnetenhaus einer Volksinitiative etwas gemeinsam entgegenzustellen. Und ich sage ausdrücklich für die SPDFraktion: Wir bedauern sehr, dass dies nicht gelungen ist. Ich meine das auch persönlich ganz ernst. Es war eine große Chance, die wir hatten.

Verehrte Kollegin Kapek! Sie wissen, wir haben vier Runden allein zwischen den Expertinnen und Experten aus dem Bereich Stadtentwicklung durchgeführt. Ich war dort mit Verhandler für die SPD-Fraktion. Sie können mir bitte nichts über Dinge erzählen, die wir vermeintlich reingeschrieben oder rausgestrichen haben. Ich habe noch mal alle Unterlagen mitgebracht. Wenn Sie Zeit und Lust haben, können wir das gern hier oder anderswo noch mal austauschen. Aber bitte streuen Sie den Berlinerinnen und Berlinern keinen Sand in die Augen!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Es geht darum, einen wirklich abstimmbaren Entwurf für ein Gesetz vorzulegen. Und wir haben um Halbsätze gerungen. Wir haben um Formulierungen gerungen. Der Kollege von der CDU hat es eben schon gesagt: Wir finden ganz viele Texte davon in Ihren Anträgen wieder. Da frage ich mich: Wieso war es Ihnen nicht möglich, sich auch mal ein Stück zu bewegen? Ist Ihnen die Stadt Berlin, sind Ihnen die Berlinerinnen und Berliner so wenig wert, Frau Kapek? Das verstehen wir nicht.

Ich habe zwei Anfragen nach Zwischenfragen!

Ich möchte erst einmal ausführen, gerne später!