Protokoll der Sitzung vom 20.03.2014

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion Die Linke und die Piratenfraktion bitten um Überweisung der lfd. Nr. 1 VO-Nr. 17/134 – Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss. Das geschieht dann so.

Ich komme zu

lfd. Nr. 13:

Planung am Alexanderplatz

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1507

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Kollege Evers, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir haben im Stadtentwicklungsausschuss schon verschiedene Male Gelegenheit gehabt, uns mit dem Stand der Planungen zum Alexanderplatz und der Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung zu beschäftigen. Diese Diskussionen haben wir auch in einer Anhörung fortführen können, und wir haben angekündigt, uns als Koalition mit einer Initiative dazu einzubringen, was heute geschieht.

Wir sind uns, glaube ich, einig darin, wenn wir feststellen, dass der Masterplan 20 Jahre alt ist und viele der Grundannahmen, die dem Entwurf zugrunde lagen, in der Zwischenzeit nicht eingetreten sind. Es ist also allemal angezeigt, die Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen, die dadurch entstanden ist, dass uns nunmehr durch den Ablauf der siebenjährigen Bindungsfrist die politische Gelegenheit gegeben ist, Planungen zu verändern, ohne Eigentumsrechte zu verletzen, und auf diese Weise unsere Planungshoheit neu auszuüben.

Wir glauben, dass es darum geht, den Masterplan weiterzuentwickeln. Dabei bleibt es; ich sage das ausdrücklich, um den Eindruck zurückzuweisen, es ginge darum, den Masterplan grundsätzlich infrage zu stellen. Es geht darum, die Grundannahmen zu überprüfen, zu schauen, warum sie nicht eingetreten sind, und Wege zu finden, dass das gemeinsame Ziel, das wir haben – nämlich den Alexanderplatz zu dem zentralen, urbanen Ort in der City Ost zu entwickeln, einschließlich der Möglichkeit einer Hochhausbebauung –, verwirklicht wird.

Unter Antrag setzt sich in sehr differenzierter Form mit dieser Zielsetzung auseinander. Auf der einen Seite erkennen wir an, dass die Entwicklung des baulichen Bestands am Alexanderplatz Fragen aufwirft, die die Bauleitplanung zu beantworten hat. Wir können heute davon ausgehen, dass eine Hochhausbebauung bei sich verfestigenden Nutzungen beispielsweise im Sockelbereich des Park Inn oder auch in anderen Bereichen, wo der Masterplan aktuell eine Hochhausbebauung vorsieht, völlig unrealistisch erscheint. Gleichzeitig müssen wir aber schauen, ob nicht durch Anpassungen des Masterplans an anderer Stelle das Ziel doch noch erreicht werden kann, entsprechend hohe bauliche Dichten bei gleichzeitiger städtebaulicher Qualität des Platzes selbst zu verwirklichen. Dass das nur geschehen kann, wenn wir uns mit dem Denkmalschutz und dem Bestandsschutz gleichzeitig beschäftigen, liegt in der Natur der Sache, nicht zuletzt deswegen, weil sowohl diese Koalition als auch der Senat einen Welterbeantrag für die unmittelbare Nachbarschaft gestellt haben, nämlich für den ersten und zweiten Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee. Auch das wird in die

Reflexion dessen einfließen müssen, was am Alexanderplatz möglich und unter Beachtung des Denkmalschutzes sinnvoll ist.

Wir als Fraktion halten weiterhin fest an dem Ziel, an diesem Ort als dem prädestinierten innerstädtischen Ort für eine Hochhausbebauung solche Rahmenbedingungen zu schaffen, die geeignet sind, diese in Zukunft als realistisch erscheinen zu lassen. Insofern wundert es mich sehr, wenn grundsätzlich infrage gestellt wird, dass es ein sinnvoller Weg ist, diese Diskussion völlig losgelöst davon zu führen, dass ja endlich ein solches Projekt vor der Verwirklichung steht. Den Masterplan grundsätzlich zu einem Zeitpunkt infrage zu stellen, an dem er sich erstmals wenigsten in einer seiner Facetten in Umsetzung befindet – das wäre unredlich, das ist auch nicht unser Ziel.

Im Gegenteil glauben wir, dass gerade dieses Projekt einen wichtigen Anstoß gibt und einen wichtigen Eckpfeiler für die öffentliche Diskussion setzt, die wir brauchen und uns wünschen, um eine Planung für den Alexanderplatz zu finden, die einerseits unseren Zielsetzungen verwirklicht und andererseits für diese Planung eine größtmögliche Akzeptanz schafft. Dem breiten Dialog mit der Stadtgesellschaft über die Zukunft des Alexanderplatzes ist deswegen in unserem Antrag auch breiter Raum gegeben. Wir sind überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Wir sind auch überzeugt, dass das die richtige Zeit ist. Ich glaube, es ist sinnvoll, die Debatte um den Alexanderplatz mit allem zu verknüpfen, was der Senat aktuell an Dialogverfahren zur historischen Mitte modelliert und auf den Weg bringt.

Wenn wir dann im Ergebnis zu einer Platzqualität kommen, die unserem Anspruch gerecht wird und gleichzeitig dem Anspruch des Platzes selbst, ein urbaner, metropolitaner Ort einschließlich einer möglichen Hochhausbebauung auch in Zukunft zu sein, ist das Anliegen, das unserem Antrag zugrunde liegt, erreicht. Wir werden darüber im Stadtentwicklungsausschuss ja schon sehr bald diskutieren. Darauf freue ich mich, und wie immer freuen wir uns sehr über Ihre Zustimmung, wenn wir sinnvolle Vorschläge machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen jetzt der Kollege Otto. – Die Herren hier vorne links! Wenn Sie ein Stückchen zurückgehen würden – Sie versperren Ihren Kollegen den Blick auf das Rednerpult – und auf mich. – Der Kollege Otto.

(Präsident Ralf Wieland)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Evers! Ich habe aufmerksam zugehört und herausgehört, dass die CDU – mutmaßlich auch die SPD – in der Lage ist, nach 20 Jahren zu erkennen, dass etwas falsch war. Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir hätten uns das bei dem Tagesordnungspunkt davor gewünscht. Da ging es um den 17. Bauabschnitt der A 100, um eine Planung, die 60 Jahre alt ist. Auch da haben Sie sicherlich noch Zeit und Gelegenheit, Ihre Position zu ändern.

Wir reden jetzt über den Alexanderplatz. Wir haben das hier zuletzt im September vergangen Jahres getan. Wenn man da nachschaut, wer da was gesagt hat, ist das aufschlussreich. Da hat uns z. B. die Kollegin Spranger gesagt, es würde zeitnah einen neuen Wettbewerb geben. Jetzt habe ich leider noch nicht gehört, dass der angefangen hat. Aber vielleicht kann uns das ja Senator Müller als oberster Stadtentwickler von Berlin – und nicht nur von Tempelhof, er ist ja auch für den Alexanderplatz zuständig – nachher erläutern. Gibt es einen neuen Wettbewerb? Wir wären sehr dafür. Die kollhoffsche Reißbrettplanung mit zehn Hochhäusern, die ohne Beachtung dessen, was da steht und da stand, gemacht wurde, ist, glaube ich, obsolet. Wir brauchen einen Neustart, und daran wollen wir gemeinsam mit Ihnen arbeiten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich bin schon der Meinung, am Alexanderplatz können Hochhäuser stehen. Es sind ja auch schon welche da. Das Hotel steht da, der Fernsehturm ist letztendlich auch so etwas wie ein Hochhaus. Und ich glaube, das kann man an der Stelle sinnvoll ergänzen. Aber es ist unerlässlich, dass wir das unter Beachtung dessen machen, was da steht, was da historisch gewachsen ist, aus verschiedenen Zeiten, egal, ob wir das politisch richtig oder falsch finden. Die Planung von 1993 – ist jedenfalls damals mein Gefühl gewesen – war schon eher eine politische Planung. Wir beseitigen alles, was der reale Sozialismus da aufgestellt hat und machen etwas anderes. Ich bin froh, dass es dazu nicht gekommen ist.

Es ist aber auch nicht alles sakrosankt, was da steht. Ich glaube, das muss man auch sagen. Berlin und gerade die Mitte von Berlin verträgt eine Entwicklung. Aber die Entwicklung muss das aufgreifen, was da ist, was erhaltenswert ist, und muss Neues hinzufügen. Das ist erlaubt. Dafür sind wir. Darüber wollen wir gerne mit Ihnen diskutieren. Und ich hoffe, dass wir – und so habe ich Sie verstanden, Kollege Evers – zu einer Revision des Kollhoff-Planes kommen. Ich habe ein bisschen gezuckt, als Sie gesagt haben, der würde irgendwie weiterentwickelt. Weiterentwicklung klingt immer ein bisschen, als ob man nicht den Mut hat, wirklich zu springen. Ich hoffe, dass

Sie und die SPD und nicht zuletzt unser Bau- und Stadtentwicklungssenator Müller auch wirklich springen, dass Sie sich lösen von Kollhoff, dass Sie sich von Hans Stimmann lösen, der irgendwo im Hintergrund immer noch rumspukt und alles gerne revidieren und uns da die Hochhäuser hinstellen will. Lösen Sie sich von diesen Leuten, machen Sie etwas Eigenes! Dazu viel Mut und Kraft!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ein letzter Satz: Ich habe es schon gesagt, Hochhäuser – darüber muss und kann man reden, man kann auch über die Höhe reden. Ich habe nicht die Angst, die die Kollegin Lompscher immer beschwört, dass der Fernsehturm verstellt wird und nicht mehr zu sehen sei. Ich glaube, diese Angst muss man nicht haben und muss man auch nicht kultivieren. Das ist immer so gewesen, als irgendjemand den Fernsehturm neben die Marienkirche gestellt hat und die nicht mehr zu sehen war. Daran hat man sich auch gewöhnt.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Als das Rote Rathaus neben das Schloss gestellt wurde und viel höher war, da haben sich die Leute auch daran gewöhnt. Also es gibt immer Veränderungen. Und wir sollten nicht zu sehr am Alten kleben,

[Torsten Schneider (SPD): Außer in Tempelhof! Oder in Stuttgart!]

sondern sollten sagen: Es muss Symbiose geben.

Ein Allerletztes, Herr Kollege Schneider! Was mir bei Herrn Evers gefehlt hat: Wir haben hier heute sehr engagiert über Wohnen geredet. Der Alexanderplatz ist und muss auch als Wohnstandort weiterentwickelt werden. Wir haben hier von Herrn Buchholz heute gehört, auch in der Mitte der Stadt muss gewohnt werden, Stichwort Tempelhof. Auch am Alex muss gewohnt werden.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Da erwarten wir von Ihnen ganz konkrete Vorschläge. Darüber wollen wir diskutieren. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Spranger. – Bitte schön, Frau Spranger, Sie haben das Wort!

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Koalitionsfraktionen legen heute einen Antrag zur Beratung vor, wie die Planungen am Alexanderplatz weiterentwickelt werden sollen und können. Herr Evers hat schon gesagt, Herr Otto jetzt gerade eben auch, dass

wir schon in einer breiten Diskussion miteinander in den unterschiedlichsten Variationen waren und sind. Und das ist auch richtig so. Der Alexanderplatz ist ein Ort, der untrennbar auch geschichtlich Berlin geprägt hat und natürlich mit Berlin verbunden wird. Wenn man im Ausland ist und nach Berlin gefragt wird, dann kommen ganz explizit Straßen wie der Kurfürstendamm, die Friedrichstraße und natürlich der Alexanderplatz. Ich kenne das auch aus eigener Erfahrung noch. In jungen Jahren hat man sich, wenn man Verabredungen getroffen hat, meistens an der Weltzeituhr am Alexanderplatz verabredet. Und jeder wusste, wo der Standort ist.

Wenn man sich heute den Alexanderplatz anschaut, dann ist immer noch reger Betrieb, ob dort Gäste sind, die Berlin besuchen, oder ob Berlinerinnen und Berliner selbst dort sind. Und trotzdem ist er irgendwie im Dornröschenschlaf – städtebaulich. Deshalb sprechen wir heute darüber, nicht nur, weil die Siebenjahresfrist zur Umsetzung der Bebauungspläne abgelaufen ist, sondern auch, weil wir den Masterplan wirklich gemeinsam überdenken müssen.

Daher noch einmal drei Grundaussagen: Herr Otto! Sie haben es eingefordert. Deshalb möchte ich es von der Stelle aus noch einmal machen. Erstens stehen wir klar zum Hochhausstandort Alexanderplatz. Wir stehen klar zu den Bestandsgebäuden, die dort mit viel Geld saniert worden sind. Deshalb ganz klar ein Votum für diese Bestandsgebäude, die geschichtlich als Identität des Alexanderplatzes eine hohe Bedeutung haben. Denn es wäre weder wirtschaftlich noch ökologisch nachhaltig, dort Abriss vorzunehmen.

Genauso wichtig – auch das möchte ich sagen, weil Sie es eingefordert haben – ist selbstverständlich der Wohnungsneubau genau am Alexanderplatz. Dort gehört er hin. Darüber haben wir in einer der letzten Parlamentssitzungen bereits Anfragen und auch die positive Stellungnahme des Senats gehabt. Deshalb muss der Masterplan überarbeitet werden. Wohnungen an diesem Standort bringen 24 Stunden Leben, aber auch Sicherheit, und nicht nur das. Wir müssen uns beispielsweise auch über die Erdgeschossnutzung unterhalten. Also gehen wir gemeinsam in die Diskussion! Ich hoffe, dass sich dieses Mal alle Fraktionen in diesem Abgeordnetenhaus klar zum Alexanderplatz positionieren werden. Die Diskussionen werden in den Ausschüssen geführt. Die Diskussionen werden mit der Stadtgesellschaft geführt. Und die Diskussionen werden natürlich auch mit den Grundstückseigentümern zu führen sein. Am Ende möchte ich sagen: Der Platz wird, wenn wir es gemeinsam ordentlich stemmen, aufgewertet. Ich glaube, der Alexanderplatz hat genau auch das verdient. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Kollegin Lompscher. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Alexanderplatz ist offenbar ein schicksalhafter Ort für Berlin. Als er vor über 200 Jahren seinen Namen erhielt, war er noch ein recht unansehnlicher Platz vor den Toren der Stadt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kulminiert hier die Entwicklung Berlins zur Metropole. Alfred Döblin hat dem Platz ein literarisches Denkmal gesetzt. Und seit 1990 ist er einer der prominentesten Streitfälle im wiedervereinigten Berlin. Und trotz aller Unkenrufe funktioniert dieser markante Ort als Verkehrsknoten, Treffpunkt und Einkaufszentrum, und er beeindruckt Menschen wegen seiner besonderen großstädtischen Aura.

Was fehlt? Was regt auf? – Versuchen Sie mal, am Alex einen Kaffee zu trinken! Versuchen Sie, in der burschikosen Alex-Oase einen gastronomischen Hoffnungsschimmer zu erkennen!

[Beifall von Karin Halsch (SPD)]

Finden Sie an heißen Tagen ein schattiges Plätzchen! Gut, dass das Shoppingcenter Alexa nicht von überall zu sehen ist.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Nicht zu reden von den flatternden Planen an dem schlichten neuen Geschäftshaus, die den möglichen Standort des ersten neuen Hochhauses markieren. Noch besser, dass dieser überdrehte Sieger des jüngsten Wettbewerbs noch nicht gebaut ist und hoffentlich auch nicht wird.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Das hat übrigens nichts mit Angst vor Hochhäusern zu tun, sondern dieses Teil tut dem Ort schlicht nicht gut.