In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Thomas, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Antrag stellt eine einfache Frage: Warum hat Berlin bisher kein klinisches Krebsregister? Wollen Sie nicht, Herr Czaja, oder ist Ihnen das Thema einfach egal? Ein Blick auf die Bank legt nahe, die Antwort scheint entschieden zu sein.
Sie werden gleich sagen, es ist doch alles auf dem richtigen Weg. Das können wir doch alles in der Anfrage des Kollegen Lauer nachlesen. Wenn das so wäre, dann legen Sie uns heute die Eckpunkte vor, sagen Sie uns ganz konkret, wie Sie es machen. Sie wissen es doch aber selbst am besten, wie spät Sie dran sind und wie wackelig Ihre Überlegungen sind. Ich zumindest glaube Ihnen erst, wenn Sie dem Abgeordnetenhaus ein ausgehandeltes Konzept vorlegen. Herr Czaja! Das – auch wenn Sie nicht da sind – wird ab heute Ihre eigene Chefsache werden.
Worum geht es konkret? – Die Krankheit Leukämie ist quasi in Berlin entdeckt worden. Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts haben die Forscher weltweit auf diese Stadt geschaut. Heute wundern sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Stadt nur noch über den Senat, der es nicht einmal auf die Reihe bekommt, ein zentrales klinisches Krebsregister aufzubauen.
Im Jahr 2011 erkrankten in Berlin 8 517 Männer und 8 846 Frauen neu an Krebs. Jeder vierte Erkrankte stirbt an seiner Krebserkrankung. Vor diesem Hintergrund hat der Bund dem Land Berlin einen klaren Arbeitsauftrag erteilt. Die Aufgabe ist einfach: Sammelt eure Einrichtungen, baut ein Dach darüber, und richtet ein zentrales klinisches Krebsregister ein! Die Aufgabe ist es, wenigstens auf Landesebene einen Ort zu schaffen, an dem alle verfügbaren Daten über Krankheitsverlauf, Behandlungsmethoden und deren Wirkung analysiert – –
Kollege Thomas! Bitte einen kleinen Moment! – Herr Czaja! Wenn Sie zu dem Tagesordnungspunkt schon mehr als verspätet kommen, möchte ich Sie bitten, dann jetzt auch Platz zu nehmen und den Kollegen zuzuhören. Vielen Dank!
Ich glaube, Herr Czaja, Sie werden im Oktober liefern müssen oder haben ganz persönlich ein massives Problem.
Es geht darum, dass wir einen Ort schaffen, an dem alle verfügbaren Daten über Krankheitsverlauf, Behandlungsmethoden und deren Wirkung analysiert, verglichen und für die Behandlungen anderer nutzbar gemacht wird. Das klinische Krebsregister soll die Behandlungsqualität verbessern. Aber was ist los, Herrn Czaja, dass Sie anders als Brandenburg, wo es eine vergleichbare Einrichtung schon seit 1995 gibt, oder Schleswig-Holstein, wo sie jetzt einjähriges Bestehen gefeiert hat, noch nicht einmal einen konkreten Plan vorlegen? Herr Senator! Passen Sie auf, dass Sie nicht über die Fallstricke des Gesundheitswesens fallen! Ihr Umgang etwa mit dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung zeigt, dass Sie sich nicht trauen zu handeln und Ihren Handlungsspielraum zu nutzen. Sie hoffen, durch Wohlverhalten Zugeständnisse bei den Arztsitzen zu erhalten. Glauben Sie wirklich, dass Sie durch Bitte-bitte-Sagen und Bravsein wirklich etwas für die Stadt und Ihren Wahlkreis erreichen? Wenn die Vertreterversammlung jetzt nicht den Vorstand abwählt, müssen Sie das tun, was in Ihrer Macht als Gesundheitssenator steht. Wenden Sie weiteren Schaden von der Ärzteschaft ab. Ich befürchte, dass es mit dem Krebsregister ähnlich ist. Sie haben offensichtlich keine Prioritätensetzung in der Gesundheitspolitik. Sie wollen es allen irgendwie rechtmachen und sich mit niemandem anlegen. Dafür lassen Sie die Berliner Patientinnen und Patienten
lieber schlechter versorgt und bisher rund 550 000 Euro Fördermittel der Krebshilfe ungenutzt liegen.
Die erste Frist für die Beantragung der Mittel haben Sie schon längst verpasst. Im Oktober ist der allerletzte Termin. Ansonsten – Sie wissen das – bleibt das Land auf den gesamten Kosten sitzen. Wir schlagen vor, dass Sie tatsächlich die Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg ernst nehmen und möglichst sogar ein gemeinsames Krebsregister mit Brandenburg einrichten. Ich weiß, dass Sie auch darüber nachdenken. Nachdenken allein reicht aber nicht.
Herr Czaja! In der Gesundheitspolitik kann man es nur dann allen rechtmachen, wenn man seine Aufgaben liegen lässt und nur über die Aufgaben redet. Das fällt aber irgendwann allen auf. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Jetzt kommt Herr Isenberg für die SPD-Fraktion. – Bitte schön, Herr Kollege!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Thomas! Es macht hier normalerweise Spaß, mit der Opposition – gerade mit den Grünen – auch bei Gesundheitsfragen zusammenzuarbeiten. Bitte bleiben Sie hier aber fair. Es ist völlig außerhalb der Realität, wenn Sie sagen, der Senator würde hier keinen Druck beim Thema der kassenärztlichen Vereinigung ausüben. Wir sind auf einer Linie. Es ist ganz klar. Der KV-Vorstand muss zurücktreten, abgewählt werden oder dieses Parlament wird dieses in einem eigenen Besprechungspunkt und nicht nur in einer aktuellen Frage am Montag behandeln und gegebenenfalls auch einen Staatskommissar einsetzen müssen. Tun Sie nicht so – das wissen Sie –, als würde dieser Senat nicht Druck auf die KV ausüben. Das erwartet auch die ihn tragende Koalition. Ich bin sicher, dass Herr Czaja auf dem richtigen Weg ist.
Kommen wir zu dem Punkt Ihres Antrags. Ihr Antrag ist ein wichtiger Punkt, denn Prostatakrebs, Lungenkrebs, Brust- oder Darmkrebs – Sie sagten es – sind pro Jahr in Berlin 17 000 Schicksale an Neuerkrankungen. Die Zahl wird mit der demografischen Welle der nächsten Jahre ansteigen. Ja, wir müssen in der Qualität besser werden. Die Qualität muss vergleichbar sein. Sie muss bundesweit in ein Konzept eingebettet sein. Deswegen ist es auch gut, dass im Sozialgesetzbuch die Regelungen gefasst worden sind, die eine Kofinanzierung über den Bund sicherstellt. Lassen Sie sich versichern: Die SPD und die Koalition möchte auch in Berlin klinische Krebsregister haben, die in den bundesweiten Prozess eingebunden sind. Deshalb
haben wir auch im Haushalt entsprechende Mittel vorgesehen, die hier mit verausgabt werden können. Der Senator weiß dieses. Der Senat weiß das. Er weiß auch, dass wir das wollen. Deswegen tut er, was wir wollen. Er arbeitet dieses auch sehr sorgfältig ab.
Solidität vor Schnellschuss ist hier die Devise. Sie wissen doch selbst aus der Antwort des Senats auf die entsprechende Kleine Anfrage, dass hier eine Bund-LänderArbeitsgruppe noch die Details zu erarbeiten hat. Sie wissen auch, dass es nur sinnvoll ist, ein Konzept zu erarbeiten, das Kriterien genügt, bei denen auch die private Krankenversicherung einbezogen ist, damit keine Doppelmeldungen erfasst und tatsächlich die Daten zwischen den Sozialversicherungsträgern gemeinsam erfasst werden. Ich bin sicher, dass der Senat hier in einem guten Zeitplan ist. Die Detailkonzepte liegen auf Fachebene vor. Wir haben hier überhaupt keinen Druck, etwas zu machen. Für den Oktober gibt es Fristen. Diese werden gehalten. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag nicht ab. Wir wollen mit Ihnen zusammenarbeiten, obwohl es eigentlich notwendig wäre, ihn abzulehnen. Nein! Wir nehmen das ganz mit Ruhe in den Ausschuss hinein. Lassen Sie sich überzeugen. Alles wird getan, was notwendig ist, die Gesundheitsversorgung in Berlin auf einem hohen Niveau zu erhalten und sogar zu verbessern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Thomas hat es, glaube ich, schon gesagt: Dieser Antrag erinnert frappierend an eine Kleine Anfrage des Kollegen Christopher Lauer, klinisches Krebsregister Berlin, die am 17. April beantwortet worden ist. Da wird der Senat nach dem konkreten Zeitplan gefragt. Darauf wurde nicht geantwortet. Ich habe dann noch einmal im Ausschuss gefragt, wie ich „konkreter Zeitplan“ formulieren muss, damit ich eine entsprechende Antwort erhalte. Darauf hat der Staatssekretär ausweichend geantwortet. Das Schöne ist aber, dass der Senat auf die Frage, was eigentlich die Konsequenzen sind, wenn das Land Berlin bis zum 15. Oktober 2014 13.00 Uhr nicht die Voraussetzungen geschaffen hat, die Investitionshilfe der Deutschen Krebshilfe zu beantragen, antwortet, dass Berlin die Kosten der Einrichtung eines Krebsregisters vollständig selbst tragen muss, wenn der Antrag nicht rechtzeitig eingeht. Dies gelte für alle Länder.
Das ist super. Der Senat hat gesagt, dass er daran arbeitet. Der Senat hat gesagt, dass ihm klar ist, dass Geld zum
Fenster hinausgeworfen wird, was eigentlich an Fördermitteln kommt, wenn er das nicht ordentlich bis zum Oktober macht. Die Situation ist hier, dass wir zwei Wochen nach der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage über einen Antrag sprechen, in dem steht, der Senat solle einen Zeitplan vorlegen und am 15. September berichten. Es fällt mir sehr schwer, nicht ausfallend zu werden. Ich kann bezüglich des Berichtsdatums nur fragen, was passiert, wenn wir diesen Antrag annehmen. Der Senator Czaja hat auch bekundet, dass wir diese Kohle haben wollen und er sich darum kümmert. Ich glaube auch, ihm wurde mit dem nötigen Nachdruck klargemacht, dass es sinnvoll ist, wenn er sich darum kümmert.
Wenn wir am 15. September 2014 feststellen, dass der Senat nicht geliefert hat – was machen wir denn dann in dem Monat? Setzen wir uns dann hier im Plenum zusammen und schreiben schnell den Gesetzentwurf, um die 900 000 Schleifen abzugreifen? – So charmant ich das mit den Anträgen und der teilweise fragwürdigen Schöpfungshöhe von Anträgen finde, schlägt das hier doch dem Ganzen den Boden aus. Ich persönlich wäre für eine Sofortabstimmung und Ablehnung. Der Senat hat beschrieben, was passiert, wenn er nicht liefert. Was soll das?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die Grünen-Fraktion stellt staatstragende Anträge, in denen sie eigentlich lobt, was der Senat macht. Er erarbeitet nämlich ein Konzept und strebt eine Zusammenarbeit mit Brandenburg an. Und der Kollege Lauer von den Piraten bestätigt das Ganze auch noch und plädiert für eine Sofortablehnung dieses Antrags, weil dieser einfach keinerlei Inhalt bietet. Genau so ist es. Dieser Antrag kommt um Monate zu spät, Herr Thomas. Wenn Sie die schriftliche Antwort auf die Kleine Anfrage der Piratenfraktion gelesen hätten, hätten Sie jede Antwort auf Ihre Fragen gefunden. Der Senat hat eine Projektgruppe eingerichtet.
Dass die Linksfraktion so aufgeregt ist, weil sie darauf verzichtet hat zu reden, kann ich verstehen. Aber man kann auch von seinem Rederecht Gebrauch machen, dann darf man auch hier vorne reden.
Wir freuen uns über die inhaltliche Tiefe, und ich freue mich auch darüber, dass die Grünen-Fraktion die neuen Initiativen immer da findet, wo sie dem Senat nur zuhört. Sie hört: Oh, es wird ein Konzept gemacht – dann lasst uns doch einen Antrag schreiben: Wir fordern jetzt, dass ein Konzept gemacht wird.
Ich muss Ihnen eins sagen: Bei uns wäre der Senator nicht so einfach davongekommen, mit einem so einfachen Antrag mit der Variante: Machen Sie doch mal, bitte, ein bisschen ein Konzept und streben Sie eine Zusammenarbeit mit Brandenburg an!
Warum gehen Sie denn nicht mal in wirklich spannende Themen? Warum fragen Sie denn nicht: Was meinen Sie denn mit Einbeziehung der Daten der privaten Krankenversicherung? Brauchen wir das? Brauchen wir das nicht? Wie erreichen wir eine neunzigprozentige Registrierung aller neu aufgetretenen Tumorerkrankungen, wenn wir das nicht tun? Wie ist denn die Aufstellung eines register- und länderübergreifenden Austausches der Daten optimal zu erreichen? Wie kann ein einheitliches Datenformat inklusive Datenschnittstellen zur Annahme, Verarbeitung und Weiterleitung erreicht und entsprechend abgestimmt werden? Und nicht zuletzt: Warum fordern Sie denn nicht mal etwas im Bereich Datenschutz? Wir reden hier über hochsensible Patientendaten. Wir reden über die Fragen, wer die Klardaten sehen darf, wann Pseudonymisierung erfolgen muss, wann Anonymisierung. Sie sagen nichts, Sie fordern ganz einfach: Machen Sie doch mal ein Konzept!
Wir arbeiten daran und werden eins vorlegen. Zum 15. Oktober wird diese Vorlage vom Senat eingereicht.
Er arbeitet mit Hochdruck daran. Ich freue mich, dass wir jetzt nicht über diesen albernen Antrag abstimmen, sondern dass wir miteinander in den Ausschuss gehen und dort alle Details besprechen. – Herzlichen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag hat die antragstellende Fraktion die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer der Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der