Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Vielen Dank! – Für Die Linke jetzt der Kollege Wolf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Saleh und Herr Graf! Nach all diesem Pathos und Herumgeeiere und der Nichtbeantwortung von konkreten Fragen, bleibt übrig: In dieser Debatte haben Sie ein einziges Argument, das Sie immer wieder vorbringen. Sie sagen, dass Berlin neue Wohnungen braucht und deshalb unbedingt auf dem Tempelhofer Feld gebaut werden muss. Neubau in Tempelhof, das ist für Sie der wichtigste Beitrag zur Lösung der Wohnungs- und Mietenprobleme in Berlin.

[Burgunde Grosse (SPD): Ein Beitrag!]

Das ist so schlicht, wie es falsch ist!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das wissen Sie eigentlich auch. Berlin hat kein Problem mit fehlendem Wohnraum,

[Lars Oberg (SPD): Was?]

Berlin hat ein Problem mit bezahlbarem Wohnraum.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der SPD und der CDU]

Berlin hat ein Problem mit zu hohen und steigenden Mieten. Das können Sie gern behaupten – –

(Florian Graf)

[Torsten Schneider (SPD): Das nennt man Dialektik! – Weitere Zurufe von der SPD und der CDU]

Das werden Sie auf dem Tempelhofer Feld mit Ihrem Plan nicht lösen. Das Gegenteil ist der Fall.

Herr Saleh! Liebe Sozialdemokraten! Betroffen von Wohnungsknappheit und steigenden Mieten sind in Berlin Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen. 6 bis 8 Euro Kaltmiete, sind 8 bis 11 Euro warm, das ist in Berlin für die meisten Menschen schon zu viel.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wenn ich dann auf die Mieten für den Rest Ihrer schönen neuen Bauwelt auf dem Tempelhofer Feld gucke, wird der Begriff „sozial“ vollkommen zur Farce. 12 Euro kalt, also 14 bis 15 Euro Warmmiete, das hat mit sozialem Wohnungsbau nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wenn Sie sich diese Zahlen angucken, müssen Sie doch sehen, dass dieser Plan, dieser Plan von Ihnen zur Bebauung des Tempelhofer Feldes, Verdrängung nicht stoppt,

[Torsten Schneider (SPD): Das ist ja krass! Die Linken sagen, wir haben genug Wohnungen! – Das werden Sie nicht mehr los!]

dass er mittelfristig die Mietpreisspirale nach oben treibt, kurz: Kein Problem wird mit Ihrem Plan gelöst, stattdessen richten Sie nicht wiedergutzumachenden Schaden in der Stadt an.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wer den Mangel an bezahlbarem Wohnraum – es geht um bezahlbaren Wohnraum! – bekämpfen will,

[Zurufe von der SPD]

der muss etwas anderes tun.

Auch wir sind dafür, dass die Wohnungsbaugesellschaften mehr kommunalen Wohnraum anbieten, aber dafür ist es viel effektiver, den Bestand durch Ankauf zu erweitern. Wir haben das hier mehrfach diskutiert. Wenn neu gebaut wird, geht das an anderen Orten in der Stadt viel besser, schneller und billiger als auf dem Tempelhofer Feld.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der SPD]

Warum? – Weil die Erschließung in Tempelhof allein zwei- oder dreistellige Millionenbeträge kosten wird.

[Alexander Spies (PIRATEN): 600 Millionen Euro! – Zurufe von der SPD]

Meine Damen und Herren! Wir sagen: Das ist der falsche Wohnungsbau am falschen Ort!

[Iris Spranger (SPD): Wo denn sonst?]

Ihr Plan ist sozialpolitisch, ökologisch und stadtentwicklungspolitisch falsch! Das Geld, das Sie in Tempelhof verbuddeln wollen, wäre woanders viel besser angelegt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und der kluge Kollege Saleh mit dem Pathos, das er hat, und wahrscheinlich auch nachher der Kollege Müller ein wenig nüchterner, werden ja nicht müde, uns allerlei gute Absichten zu erzählen.

[Torsten Schneider (SPD): Welche Absichten haben Sie denn? Haben Sie auch eine Absicht?]

Und vielleicht ist es ja ehrliches Hoffen und Wünschen, dass mit dieser Koalition irgendwann mal was klappt. Aber Hand auf’s Herz: Nach aller Erfahrung von Neid, Missgunst, Obstruktion, Sabotage in Ihrem Senat und in Ihrer Koalition ist es doch wenig wahrscheinlich, dass Sie überhaupt nur die 8 Euro kalt umsetzen können.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Und warum? Frau Kapek hat es Ihnen schon vorher erzählt. Erstens haben Sie die 6 bis 8 Euro nicht ins Gesetz geschrieben. Zweitens: Sie haben Ihren Plan mit der CDU gemacht, die sich hier einen schlanken Fuß macht und überhaupt nichts Konkretes sagt. Welchen Begriff die nun von sozialem Wohnungsbau hat, weiß man nicht, und sie sagt auch nichts dazu, sondern sie lässt Herrn Müller die Ankündigungen machen – womöglich in der Erwartung, sie nach dem 25. Mai genüsslich zu kassieren. Und drittens hat der Senat noch nicht beschlossen, dass er das teure Bauen am Tempelhofer Feld so stark subventionieren wird, wie Herr Müller immer behauptet. Schauen wir uns das innige und liebevolle Verhältnis zwischen Herrn Nußbaum und Herrn Müller einmal an! Ich glaube nicht, dass der Finanzsenator vorhat, jede Wohnung am Tempelhofer Feld mit ca. 64 000 Euro aus Steuermitteln zu subventionieren. Aber so viel kostet der Spaß, wenn Sie auf 6 bis 8 Euro kommen wollen.

[Torsten Schneider (SPD): Wie viel kostet denn Ihr Spaß?]

Und welche Möglichkeiten bleiben denn da? – Dass die Mieten noch höher sein werden als jetzt schon geplant, dass die Wohnungsbaugesellschaften gezwungen werden, die Mieten querzusubventionieren, was ja nichts anderes heißt, als dass die jetzigen Mieterinnen und Mieter der Wohnungsbaugesellschaften Mieterhöhungen bekommen. Und die dritte Möglichkeit ist, dass Teile des Tempelhofer Feldes als Bauland privatisiert werden, um die teure Erschließung zu bezahlen. Herr Müller erzählt, dass er das nicht will. Aber der Text, den die Koalition am Sonntag zur Abstimmung stellt, schließt das alles und vor allem die Privatisierung nicht aus. Das müssen Sie einfach mal zugeben!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und wie wenig es der Koalition tatsächlich um mehr kommunalen Wohnraum in der Innenstadt geht, zeigt, dass die Wohnungsbaugesellschaften des Landes vorhaben, in den nächsten Jahren mehr als 6 000 Wohnungen zu verkaufen. Das Land Berlin verkauft 6 000 kommunale Wohnungen und sagt im gleichen Atemzug den Berlinerinnen und Berlinern: Tut uns leid, wir brauchen das Tempelhofer Feld, um dort knapp 5 000 vielleicht kommunale Wohnungen zu bauen. Das ist doch absurd! Wollen sie die Leute in der Stadt für dumm verkaufen?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu Ihrer Abteilung Agitation und Propaganda sagen.

[Heiterkeit bei der SPD und der CDU]

Da wird es dann richtig unangenehm großkoalitionär und filzig. Ganz zweifellos ist es richtig und auch wünschenswert, dass beide Seiten und damit auch Senat und Koalition für ihre Position beim Volksentscheid werben. Dass sie aber landeseigene Unternehmen für ihre Propaganda vor ihren Karren spannen, ist schon ein starkes Stück,

[Torsten Schneider (SPD): Das hatten wir schon mal!]

mal abgesehen davon, dass das ganz schlechter Stil ist. Eins ist klar: Wahlkämpfe, Agitation, Propaganda sind eindeutig nicht die Aufgabe städtischer Wohnungsbaugesellschaften.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Einnahmen der Wohnungsbaugesellschaften sind für guten und bezahlbaren Wohnraum einzusetzen, nicht für Wahlkämpfe von SPD und CDU. Sie lassen die Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften für Ihre Kampagne bezahlen. Das ist ein politischer Skandal, und, Frau Spranger hat es beim letzten Mal schon nicht verstanden, es ist übrigens auch nicht erlaubt!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Schade ist, dass es der Immobilien- und Bauwirtschaft gelungen ist, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften vor den Karren zu spannen. Aus vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, insbesondere denen, die im Alltag Sozial- und Mietenberatung machen, sich in ihrem Wohnumfeld gegen Verdrängung und steigende Mieten engagieren, weiß ich, dass sie die Entscheidung einiger Funktionäre zur Beteiligung an diesem Bündnis nicht gut finden. Viele Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, auch mit sozialdemokratischem Parteibuch, wissen: Die Immobilienwirtschaft unterstützt eine solche Kampagne in der Regel nicht aus Selbstlosigkeit.